Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6179 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6003 - Beschleunigt die Landesregierung mit den verschärften Vorgaben zur Güllelagerung den Strukturwandel? Anfrage der Abgeordneten Reinhold Hilbers und Helmut Dammann-Tamke (CDU) an die Landesregierung , Eingegangen am 22.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 30.06.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 27.07.2016, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat am 03.04.2014 im Ministerialblatt Nr. 15/2014 S. 315 den Runderlass: „Anforderungen an Anlagen zur Lagerung von Schweine- und Mischgülle gemäß BImSchG“ veröffentlicht. Darin macht das Ministerium den Überwachungsbehörden die Vorgabe, dass bis zum 10.04.2016 alle bestehenden immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Lageranlagen für Schweinegülle dahin gehend zu überprüfen seien, ob sie über Abdeckung nach dem Stand der Technik verfügten. Nach dem „Stand der Technik“ wird eine geschlossene Abdeckung, ein geschlossenes Zeltdach oder eine geschlossene Kunststoffabdeckung mit Minderungsgraden von mehr als 90 % gefordert. Wenn eine solche Nachrüstung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unverhältnismäßig wäre, käme auch die Nachrüstung von künstlichen Schwimmdecken durch Granulate, Schwimmfolien und Schwimmkörper aus biologisch nicht abbaubarem Material infrage. In dem Erlass wird die Möglichkeit einer Abdeckung mit einer Strohschicht nicht genannt. In einem Aufsatz der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 25.03.2013 (https://www.lwkniedersachsen .de/index.cfm/portal/6/nav/348/article/21683.html) mit dem Titel „Verminderung von Emissionen bei der Lagerung von organischen Düngern“ heißt es: „Die einfachste Form der Behälterabdeckung stellt die Aufbringung einer Schwimmdecke aus gehäckseltem Stroh dar.“ (…) „Beeindruckend sind die Verminderung der Geruchs- und der Ammoniakemissionen durch die Strohhäckselabdeckung . Sie erreichen Werte um die 80 %. Die bei kleinen Versuchsbehältern beobachtete Verstärkung von Lachgas- und Methanfreisetzungen hat sich bei Untersuchungen an Praxisbehältern nicht bestätigt. Die Kosten für eine Strohhäckselabdeckung liegen bei etwa 1 Euro pro m². Selbst wenn die Behälter zweimal pro Jahr abgedeckt werden, ist die Abdeckung mit Strohhäcksel immer noch die günstigste Abdeckungsvariante. Allerdings ist der erforderliche Arbeitsaufwand zu berücksichtigen.“ Vor dem Hintergrund der fachlichen Einschätzung durch die Landwirtschaftskammer, dass die Abdeckung mit Stroh eine wirksame und kostengünstige Alternative zur Reduzierung der Emissionen sei, stößt es bei den Betroffenen gerade in der aktuellen wirtschaftlichen Situation auf Unverständnis , dass sie zu den teureren und aufwändigen Alternativen gezwungen werden. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6179 2 hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Der übermäßige Eintrag von Stickstoffverbindungen in Ökosysteme, insbesondere durch die Tierhaltung , stellt beispielsweise für den Naturschutz ein immer größeres Problem dar. Eine ganze Reihe von Arten, Lebensgemeinschaften und Lebensräumen ist in hohem Maße bereits beeinträchtigt und wird weiter geschädigt, sodass die biologische Vielfalt in Landschaften mit hohen Stickstoffeinträgen weiter abnehmen wird. Es wird immer schwieriger, die Ziele und rechtlichen Vorgaben im Bereich des Naturschutzes einzuhalten, also beispielsweise geschützte Arten und Lebensräume in einen günstigen Erhaltungszustand zu versetzen und eine Verschlechterung des Zustands natürlicher und naturnaher Lebensräume zu vermeiden. Dies gilt auch für alle stickstoffempfindlichen Lebensraumtypen nach der FFH-Richtlinie der EU, für deren Erhaltung zu sorgen ist. Während die Stickstoffoxideinträge in Niedersachsen dem Bundesdurchschnitt entsprechen, liegen die Ammoniakeinträge etwa 5 kg N pro Hektar und Jahr höher als im Bundesdurchschnitt. Die Ammoniakeinträge machen in Niedersachsen etwa zwei Drittel der gesamten Stickstoffeinträge aus. Ein deutlicher Rückgang der Stickstoffdeposition in Niedersachsen kann demnach vor allem über eine Reduzierung der Ammoniakemissionen aus Tierhaltungsanlagen erreicht werden. In den nordwestlichen Regionen Niedersachsens liegt die Stickstoffgesamtdeposition deutlich über den Critical-Load-Werten z. B. für Wald- und FFH-Gebiete. Deutschland muss gemäß der EU-Richtlinie über nationale Emissionshöchstgrenzen (Richtlinie 2001/81/EG, sogenannte NEC-Richtlinie) für Ammoniak bis Ende 2010 jährlich die Menge von 550 Kilotonnen (kt) einhalten. Diese Menge darf danach nicht mehr überschritten werden. Diese Mengen wurden in den Jahren 2010 bis 2013 jeweils um 93 kt bis 121 kt überschritten, sodass seitens der EU ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde. Die Ammoniakemissionen stammen zu 95 % aus der Landwirtschaft. Niedersachsen hatte in der Vergangenheit unter den Bundesländern die höchsten Ammoniakemissionen mit etwa 24 %. Durch die Fortschreibung der NEC-Richtlinie entsteht darüber hinaus erhöhter Handlungsdruck. Insofern ist für Niedersachsen als Agrarland Nummer eins in Deutschland ein dringender Handlungsbedarf zur Ergreifung aller geeigneten Reduzierungsmaßnahmen gegeben. Eine Möglichkeit zur Reduzierung der Emissionen an Staub, Gerüchen und Ammoniak stellt neben dem Einsatz von Abluftreinigungsanlagen die Abdeckung von Lagerbehältern für Schweine- und Mischgülle dar. Hierdurch können ca. 20 % der Ammoniakemissionen vermindert werden. Lagerstätten für organischen Dünger sind eine bedeutsame Emissionsquelle im landwirtschaftlichen Bereich. Vor der Inkraftsetzung des infrage stehenden Erlasses wurden die mit der Forderung verbundenen Kosten der verschiedenen Abdeckungsvarianten betrachtet. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die geforderten Maßnahmen zur Abdeckung von Güllebehältern zur weiteren Reduzierung von negativen Umweltauswirkungen erforderlich und zumutbar sind. Die Forderung der Abdeckung von Güllebehältern für Schweine- und Mischgülle ist eine Empfehlung der Arbeitsgruppe „Ammoniakminderung“, die sich auf Initiative der Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt im August 2010 unter Beteiligung der Niedersächsischen Landwirtschaftskammer und des Niedersächsischen Landvolkes konstituiert hat, um Strategien und Maßnahmen zur Ammoniakreduzierung in der Landwirtschaft zu entwickeln. Die Arbeitsgruppe hat vorhandene Minderungsoptionen geprüft und bewertet. 1. Inwiefern hätte die Landesregierung die Möglichkeit gehabt, auch die Abdeckung mit Stroh zuzulassen? Ziel des Erlasses ist die größtmögliche Senkung der Ammoniakemissionen aus der Lagerung von Gülle außerhalb von Gebäuden in immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6179 3 auf der Basis des Standes der Technik. Der Stand der Technik hat sich seit dem Erlass der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) im Jahr 2002 weiterentwickelt. In dem derzeitigen Arbeitspapier des Bundesumweltministeriums (BMUB) zur Anpassung der TA Luft vom 29.05.2015 ist eine Anpassung der Nr. 5.4.7.1 Buchst. h) TA Luft dahin gehend vorgesehen , dass u. a. der Emissionsminderungsgrad von derzeit mindestens 80 % auf mindestens 90 % heraufgesetzt wird. Abdeckungen aus biologisch abbaubarem Material wie Strohhäckseln erreichen selbst unter optimalen Bedingungen (Mindestschichtdicke, Umgangsvorkehrungen) lediglich einen Emissionsminderungsgrad von 80 % im Mittel. Sie entsprechen daher nicht mehr dem Stand der Technik und wurden konsequenterweise im Erlass nicht „zugelassen“. 2. Welche Abwägungen haben dazu geführt, dass die von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen als wirksame und kostengünstige Variante eingestufte Möglichkeit der Strohabdeckung im Erlass der Landesregierung keine Anwendung findet? Die Ausführung einer Abdeckung aus biologisch abbaubarem Material wie Strohhäcksel erreicht einen Emissionsminderungsgrad von 80 % nur unter optimalen Bedingungen. Aufgrund der mit der Aufrechterhaltung des optimalen Zustands und der erforderlichen Nachweisführung des Emissionsminderungsgrades für jeden Betriebszustand verbundenen Kosten erfolgte keine Aufnahme in den Erlass. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat in der Arbeitsgruppe „Ammoniakminderung“ mitgewirkt und die Handlungsempfehlungen mitgetragen. Sie wurde zusätzlich zum Entwurf des Erlasses angehört. Der qualitative Unterschied zwischen Abdeckungen aus biologisch nicht abbaubaren und biologisch abbaubaren Materialien wurde von dort nicht infrage gestellt. In dem zitierten Artikel der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wird auch ausgeführt: „Neben dem Stroh sind auch Leichtmaterialschüttungen aus spezialbehandelter Perlite oder aus Blähtonkugeln zur Abdeckung von Güllebehältern geeignet.“ Und weiter: „Zeltdächer sind die am häufigsten verwendete Güllebehälterabdeckung. … Die emissionsmindernde Wirkung der Zeltdächer ist sehr gut. Ihr Wirkungsgrad liegt für Geruch und Ammoniak bei 90 bis 95 %.“ Es wird somit in dem in Bezug genommenen Aufsatz der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 25.03.2013 nicht ausschließlich auf Stroh als kostengünstige Möglichkeit der Abdeckung abgestellt. Zur Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Schwimmkörpern als biologisch nicht abbaubare Abdeckungen und als kostengünstiges Mittel zur sicheren und dauerhaften Abdeckung wird im Forschungsbericht des Umweltbundesamtes zum Thema „Systematische Kosten-Nutzen-Analyse von Minderungsmaßnahmen für Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft für nationale Kostenschätzungen “ (UBA-FB 001527,11/2011) ausgeführt, dass schwimmende Abdeckungen (Folien, Perlite) annähernd kostenneutral sind, wenn der Düngewert des konservierten Stickstoffs eingerechnet wird. 3. Inwiefern tragen die genannten Anforderungen zur Güllelagerung gerade in der aktuellen wirtschaftlich schwierigen Lage zu einer Beschleunigung des Strukturwandels bei? Aufgrund der abgestuften Vorgehensweise bei Neu- und Bestandsanlagen und unter Berücksichtigung der Vermeidung von teuren Nährstoffverlusten an organischem Dünger ist nicht erkennbar, dass die Anforderungen an die Güllelagerung eine nicht tragbare wirtschaftliche Belastung darstellen . 4. Wird die Landesregierung den Erlass nachbessern und eine Abdeckung mit Stroh zulassen ? Nein. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6179 4 5. Falls nein, warum nicht? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 6. Wie viele Betreiber von betroffenen Anlagen zur Lagerung von Schweine- und Mischgülle machen von der Möglichkeit Gebrauch, die Anlage im Laufe des kommenden Jahres stillzulegen, weil sie sich den zusätzlichen Anforderungen nicht gewachsen sehen? Die Zahlen lagen der Landesregierung nicht vor. Eine aktuelle Abfrage bei den kommunalen immissionsschutzrechtlichen Überwachungsbehörden für Tierhaltungsanlagen in Niedersachsen zeigt mit Stand 13.07.2016 folgendes Ergebnis: Rückmeldungen liegen von 43 Gebietskörperschaften vor. Diese haben mitgeteilt, dass von 1 027 überprüften Lageranlagen zwölf Anlagen eine freiwillige Stilllegung mitgeteilt haben. Über die Gründe für die Stilllegung liegen hier keine Erkenntnisse vor. (Ausgegeben am 04.08.2016) Drucksache 17/6179 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6003 Beschleunigt die Landesregierung mit den verschärften Vorgaben zur Güllelagerung den Strukturwandel? Anfrage der Abgeordneten Reinhold Hilbers und Helmut Dammann-Tamke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz