Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5988 - Hat die Landesregierung die Dokumente über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) gelesen? Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode, Horst Kortlang, Hillgriet Eilers, Christian Grascha und Gabriela König (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 14.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 28.06.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 29.07.2016, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Seit dem 1. Februar 2016 besteht für Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierungen die Möglichkeit , in einem Leseraum des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Einblick in konsolidierte Texte zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) zu nehmen. Hierbei handelt es sich um der Bundesregierung unmittelbar von der Europäischen Kommission übermittelte Dokumente , die sowohl Verhandlungspositionen der USA als auch der EU darstellen. Es handelt sich bei den ausliegenden Unterlagen um sämtliche Unterlagen, die auch in den TTIP-Leseräumen anderer EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments sowie der Europäischen Union eingesehen werden können. Außerdem stehen Mitarbeiter des Ministeriums bei fachlichen Rückfragen zur Verfügung . Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß Artikel 206, 207 und 218 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) werden die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) von der Europäischen Kommission auf Basis des ihr erteilten Verhandlungsmandats geführt. Die Landesregierung nimmt nicht selbst an den Verhandlungen teil. Die Landesregierung wird nach den Bestimmungen des Integrationsverantwortungsgesetzes und des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union von der Bundesregierung über die Berichte der Europäischen Kommission hinsichtlich der jeweils geführten Verhandlungen sowie Verhandlungsstände regelmäßig unterrichtet und informiert . Der Stand der Verhandlungen war zudem Gegenstand diverser Fachministerkonferenzen. So werden beispielsweise die Wirtschaftsminister der Länder regelmäßig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) über den Stand der TTIP-Verhandlungen informiert, zuletzt im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz am 8./9. Juni 2016. Die diversen Konferenzen der Agrar-, der Verbraucherschutz- und Umweltminister der Länder haben mehrfach Beschlüsse zu den sie betreffenden Themen im Rahmen der TTIP-Verhandlungen gefasst. Der Zutritt zum TTIP-Leseraum des BMWi ist neben den Abgeordneten des Deutschen Bundestages ausschließlich den Mitgliedern sowie stellvertretenden Mitgliedern des Bundesrates gestattet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 2 1. Wann haben welche Mitglieder der Landesregierung wie oft und wie lange vom Informationsangebot im Leseraum der Bundesregierung Gebrauch gemacht (bitte detaillierte Auflistung)? Frau Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hat einmal für ca. 105 Minuten im Leseraum des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Einsicht in die TTIP-Unterlagen genommen. 2. Wann haben Vertreter der Landesregierung wie oft und wie lange vom Informationsangebot im Leseraum der Bundesregierung Gebrauch gemacht (bitte detaillierte Auflistung )? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 3. Unter der Voraussetzung, dass die Landesregierung unmittelbar oder mittelbar Kenntnis von den Dokumenten und Texten zu TTIP genommen hat: Welche Erkenntnisse /Einschätzungen hat die Landesregierung aus der Kenntnisnahme der Dokumente im Leseraum des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gewonnen? Aussagen zu Inhalten der Dokumente sind mit dieser Frage nicht gemeint. Frau Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hat Erkenntnisse über den Stand der Verhandlungen zwischen den USA und der EU gewonnen. 4. Vor dem Hintergrund, dass laut EU-Kommission die meisten Dokumente zu den noch laufenden Verhandlungen über TTIP längst öffentlich sind und im Internet stehen (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ttip-lesesaal-im-bundestag-101.html): Wie beurteilt die Landesregierung die Art und Weise des Informationsangebots zu TTIP? Bei den Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen ist die EU-Kommission an das Verhandlungsmandat gebunden, das ihr die EU-Mitgliedstaaten erteilt haben. Die Landesregierung hat sich für die Offenlegung des Mandatstextes eingesetzt und begrüßt, dass dies durch eine einstimmige Entscheidung des Europäischen Rates im Herbst 2014 ermöglicht wurde. Damit wurde die Transparenz der Verhandlungen verbessert. Weiterhin begrüßt die Landesregierung, dass die EU-Kommission mittlerweile zu zahlreichen Kapiteln des geplanten Abkommens sowohl Faktenblätter als auch die Textvorschläge und Positionspapiere der EU, die in den TTIP-Verhandlungen mit den USA verwendet werden, veröffentlicht. Sie sieht hierin einen ersten Schritt, die TTIP-Verhandlungen nachvollziehbarer und transparenter zu machen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Mitglieder des Bundesrates im TTIP-Leseraum des BMWi die sogenannten konsolidierten Verhandlungstexte, die aus EU- und US-Textvorschlägen bestehen, einsehen können. 5. Vor dem Hintergrund, dass z. B. MdEP Joachim Schuster (SPD) sein Verständnis für ein gewisses Maß an Geheimhaltung von Teilen der aktuellen Verhandlungstexte geäußert hat (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/ttip-lesesaal-im-bundestag-101.html): Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass man „… am Tisch auch mal etwas erzählen dürfen (muss), was nicht direkt in die Öffentlichkeit gelangt - so ein Verhandlungsprozess hat auch etwas mit Vertrauen zu tun“ (MdEP Joachim Schuster) (bitte mit Begründung )? Aussagen von Abgeordneten werden von der Landesregierung nicht kommentiert. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 3 6. Wenn nicht: Für welche Verhandlungen, z. B. Tarif-, Vertrags- oder Koalitionsverhandlungen , wird die Landesregierung künftig welchen Maßstab an Transparenz und Beteiligung der Öffentlichkeit einführen? Die Landesregierung ist bestrebt, zukünftig stattfindende Verhandlungen im vertretbaren Maße transparent zu gestalten. 7. Besteht für die Landesregierung aktuell ein Informationsdefizit über den Verhandlungsstand oder über die Inhalte zu den laufenden Verhandlungen zu TTIP? Nein. 8. Wenn ja: In welchen Bereichen hat die Landesregierung ein Informationsdefizit zum aktuellen Verhandlungsstand zum Freihandelsabkommen TTIP? Entfällt. 9. Vor dem Hintergrund der nicht abgeschlossenen Verhandlungen, aber vielfach festgelegter Meinungen zu TTIP: Wie steht die rot-grüne Landesregierung derzeit zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP? Die Landesregierung hat ihre Haltung zu TTIP zuletzt in den Sitzungen des Landtags vom 4. Mai und 8. Juni 2016 sowie in den Beschlüssen des Bundesrats vom 7. Juni 2013 (BR-Drs. 463/13, BR- Drs 464/13) und 11. Juli 2014 (BR-Drs 295/14) zum Ausdruck gebracht. 10. Vor dem Hintergrund der Informationsmöglichkeiten und des Wissens der Landesregierung über die Inhalte zu TTIP: Teilt die Landesregierung die Aussage „Das geplante TTIP birgt das Risiko, die Souveränität der Parlamente und auch der Rechtssysteme auszuhebeln “ (MdL Piel, Plenarprotokoll vom 14. Mai 2014, Seite 3133) (bitte mit Begründung)? Aussagen von Abgeordneten werden von der Landesregierung nicht kommentiert. 11. Wie kann TTIP die Souveränität der Parlamente konkret aushebeln? Eine Bewertung kann erst nach Vorliegen der Verhandlungsergebnisse vorgenommen werden. 12. Welche Parlamente sind hiervon betroffen? Es wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 13. Wie viele Freihandelsabkommen oder Wirtschaftspartnerschaftsabkommen haben Deutschland und die Europäische Union jeweils abgeschlossen? Verhandlungen über Handelsverträge mit einem oder mehreren Drittländern werden nicht von der Bundesrepublik Deutschland, sondern von der EU-Kommission geführt. Bestehende Freihandelsabkommen und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Drittstaaten sind auf folgender Webseite der EU-Kommission aufgeführt: http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/ agreements/. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 4 14. Haben Freihandelsabkommen oder Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die die Bundesrepublik Deutschland oder die Europäische Union abgeschlossen haben, die Souveränität irgendwelcher Parlamente ausgehebelt? Wenn ja: Welche Parlamente betrifft dies? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass Freihandelsabkommen oder Wirtschaftspartnerabkommen , die von der Bundesrepublik Deutschland oder der EU abgeschlossen wurden, bislang die Souveränität von Parlamenten ausgehebelt haben. 15. Vor dem Hintergrund, dass die EU-Länder mehr als 1 400 bilaterale Investitionsabkommen abgeschlossen haben, um ausländische Investitionen zu erleichtern, und hierzu immer ein internationales Schiedsgericht zur Beilegung von Investor-Staat- Streitigkeiten (ISDS-System) gehört: Wie ist die Haltung der Landesregierung zu solchen internationalen Schiedsgerichten (ISDS-System)? Ein Instrument von Investitionsschutzverträgen sind sogenannte Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren . Sie ermöglichen dem Investor in Ländern ohne ausreichende rechtsstaatliche Rechtsschutzstrukturen , seine Rechte auf völkerrechtlicher Ebene, unabhängig von nationalen Gerichten durchzusetzen. Die Investitionsschutzverträge regeln dabei die Arbeitsweise sowie die Zusammensetzung der Schiedsgerichte. Die Landesregierung hält spezielle Investitionsschutzvorschriften und Streitbeilegungsmechanismen im Verhältnis Investor und Staat zwischen der EU und den USA für verzichtbar (siehe dazu auch die BR-Drs. 295/14). 16. Zu 15.: Die EU-Kommission will das ISDS-System durch klarere Begriffsdefinitionen und eine Stärkung des Regelungsrechts der Regierungen verbessern und das ISDS- System öffnen: Ist der Landesregierung das Ansinnen der EU-Kommission bekannt, und wie steht die Landesregierung zum geplanten Vorgehen der EU-Kommission? Der Landesregierung ist der von der EU Kommission zum Investitionsschutz in TTIP im September 2015 veröffentlichte Entwurf bekannt (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/september/ tradoc_153807.pdf). Die Landesregierung sieht in dem Vorschlag der EU eine Basis für einen modernen und transparenten Investitionsschutz. Bezüglich des geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass Investoren grundsätzlich auf den Rechtsweg vor nationalen Gerichten zu verweisen sind (BR-Drs. 295/14). 17. Vor dem Hintergrund, dass es bereits zahlreiche Freihandelsabkommen der EU gibt: Welche juristischen Wirkungen entfalten diese Freihandelsabkommen auf das Rechtsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, und welche Gefahren sind in der Vergangenheit hierdurch auf das öffentliche Leben in Deutschland ausgegangen? Die Freihandelsabkommen der EU sind völkerrechtliche Verträge. Sie binden die Mitgliedstaaten über Artikel 216 AEUV. Die Abkommen gehen dem bestehenden Sekundärrecht vor und nehmen am Vorrang des Unionsrechts gegenüber den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten teil. Im Falle der alleinigen Zuständigkeit der EU kann diese Freihandelsabkommen selbst abschließen. Die Kompetenz für die gemeinsame Handelspolitik ergibt sich aus Artikel 207 Abs. 3 AEUV. Soweit Freihandelsabkommen zusätzlich Politikfelder betreffen, die in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen (sogenannte gemischte Abkommen), ist ein Ratifikationsverfahren in den Mitgliedstaaten erforderlich. In beiden Fällen entsteht eine Rechtsverbindlichkeit für die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der EU. Konkrete Gefahren aus der Vergangenheit für das öffentliche Leben sind nicht bekannt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 5 18. Vor dem Hintergrund der Vorwürfe, z. B. durch einschlägige Verbände oder in „Zehn Mythen zu TTIP“ aufgeführt, über befürchtete negative Auswirkungen von TTIP: Welche behaupteten Auswirkungen treffen wirklich zu? Eine Bewertung kann erst nach Vorliegen der Verhandlungsergebnisse vorgenommen werden. 19. Vor dem Hintergrund der Erklärung der Europäischen Kommission über den Schutz der öffentlichen Dienste der EU-Länder (u. a. Bildung, Gesundheitsversorgung, Wasserversorgung , soziale Dienste, Kultureinrichtungen oder Branchen, die Fördermittel erhalten ) und der vier wichtigen Garantien (Monopole, Marktzugang, Subventionen, Regulierungen ) zum Schutz der öffentlichen Dienste in jedem EU-Handelsabkommen: Wie beurteilt die Landesregierung die vier Garantien, die in allen EU-Handelsabkommen Eingang finden und allen Regierungen garantieren, dass sie weiterhin mit ihren öffentlichen Diensten so verfahren können, wie sie möchten? Die öffentlichen Dienste sind nach Erklärung der Europäischen Kommission in allen EU-Handelsabkommen durch solide Garantien umfassend geschützt. Diese Garantien sollen u. a. dafür sorgen, dass die EU-Länder nicht gezwungen werden können, ihre Dienste zu privatisieren. So wurde beispielsweise in den bisher von der EU bei Freihandelsabkommen verwendeten Garantien und Vertragsformulierungen die Entscheidungsfreiheit für die Kommunen bei der Erfüllung von Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge gewährleistet. Die Landesregierung begrüßt deshalb die Äußerungen der EU-Kommission bezüglich der genannten Garantien, wonach die Entscheidungsfreiheit über die Ausgestaltung der öffentlichen Daseinsvorsorge auch weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegen soll. Dazu gehört nach Auffassung der Landesregierung auch das Recht auf Rekommunalisierung bestimmter Bereiche. 20. Vor dem Hintergrund, dass die EU-Kommission über Positiv- oder Negativlisten diese Garantien für öffentliche Dienste in die Handelsabkommen bringt: Hält die Landesregierung dieses bewährte Vorgehen auch für TTIP für ausreichend? Im Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission zu TTIP, das auch auf Betreiben der Bundesregierung veröffentlicht wurde, ist verankert, dass die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU erhalten bleiben soll. Eine Bewertung der Umsetzung der genannten Kriterien in TTIP kann erst nach Vorliegen der Verhandlungsergebnisse vorgenommen werden. 21. Vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung nach eigener Aussage bis zum 15. April 2016 keine umfassenden Informationen über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu TTIP gehabt hat (Drucksache 17/5555, Seite 38), die Mehrzahl der Dokumente aber im Internet steht, Positionspapiere über den Verhandlungsstand regelmäßig veröffentlicht werden und der aktuelle Sachstand auch im Leseraum der Bundesregierung eingesehen werden kann: Wie informiert sich die Landesregierung über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu TTIP? Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 22. Vor dem Hintergrund der umfassenden und objektiven Informationsmöglichkeiten und der Beteiligungsmöglichkeiten sowohl bei der Europäischen Kommission als auch bei der Bundesregierung: Fühlt sich die Landesregierung ausreichend über TTIP informiert ? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 6 23. Seit zwei Jahren gibt es den TTIP-Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dieser hat bisher neunmal getagt und setzt sich aus 22 Vertretern von Gewerkschaften , Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden und aus dem Kulturbereich zusammen: Wie beurteilt die Landesregierung den TTIP-Beirat im BMWi, die Zusammensetzung und das Fehlen von Vertretern der mit Handelspolitik befassten Wissenschaften (Volkswirtschaft, internationales Wirtschaftsrecht etc.)? Im Mai 2014 hat sich der von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel einberufene TTIP-Beirat konstituiert. Mit dem Beirat soll der Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen zur geplanten Handelsund Investitionspartnerschaft geführt und mehr Transparenz geschaffen werden. Die Landesregierung begrüßt die Einbindung der Zivilgesellschaft in den Meinungsbildungsprozess. 24. Vor dem Hintergrund, dass die USA Deutschlands größter Handelspartner außerhalb Europas sind: Welche Vor- und Nachteile ergeben sich für die Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen, Niedersachsens Wirtschaft, Niedersachsens Logistikunternehmen und die norddeutschen Seehäfen durch ein Freihandelsabkommen mit den USA? Eine Bewertung kann erst nach Vorliegen der Verhandlungsergebnisse vorgenommen werden. 25. Vor dem Hintergrund, dass der Wohlfahrtsgewinn von TTIP auch vom Liberalisierungsszenario /Ausmaß der Liberalisierung abhängt und bei günstigen Bedingungen die Exporte der EU um 17 % steigen können (BIP + 0,5 %): Wie würde Niedersachsen am Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen, Abschaffung von Zöllen und der Angleichung von Normen und Regularien partizipieren oder daran sogar profitieren? Eine Bewertung kann erst nach Vorliegen der Verhandlungsergebnisse vorgenommen werden. 26. Vor dem Hintergrund, dass TTIP im Kontext anderer globaler Liberalisierungsbestrebungen betrachtet werden sollte: Hat die Landesregierung ein Interesse, über bloße Absichtserklärungen hinaus Standards und Regeln im globalen Wirtschaftssystem zu etablieren? Die Vereinbarung gemeinsamer Handelsregeln und Standards gewinnt in einer globalisierten Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Die Landesregierung hat ein Interesse daran, möglichst fortschrittliche arbeitsrechtliche, soziale und ökologische Standards in bilateralen und internationalen Handelsbeziehungen zu verankern. 27. Wenn ja: Für wie geeignet hält die Landesregierung TTIP in Verbindung mit TTP, um eigene Standards und Regeln im globalen Wirtschaftssystem zukünftig von der EU und den USA durchzusetzen? Ein transatlantisches Handelsabkommen kann die Chance eröffnen, dass mit der Europäischen Union und den USA die zwei größten Handelsräume weltweit handelspolitische, ökologische, verbraucherfreundliche und soziale Maßstäbe setzen. 28. Wenn nicht: Welche Alternativen zu einem Freihandelsabkommen mit den USA gibt es, um den Einflussverlust der EU im globalen Wirtschaftssystem zu kompensieren? Entfällt. 29. Vor dem Hintergrund der Pressemitteilung Nr. 11 „Jetzt erst recht: TTIP und CETA stoppen!“ vom Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen (16. April 2015) und „TTIP entzweit die Genossen“ (FR, 13. Mai 2016) und der Möglichkeit, dass sich die „SPD- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 7 Linke“ durchsetzt und die Verhandlungen zu TTIP abgebrochen werden und somit die EU kein Freihandelsabkommen mit den USA abschließen könnte: Wie stellt sich die rotgrüne Landesregierung die künftige politische Gestaltung der fortschreitenden wirtschaftlichen Globalisierung vor? Nach Auffassung der Landesregierung sind vorrangig klare, faire, transparente, soziale, ökologische und globale Regeln im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO anzustreben. Bilaterale Abkommen können diese sinnvoll ergänzen. 30. Vor dem Hintergrund des Beschlusses Nr. 27 „Globalisierung gestalten - fairer Handel ermöglichen - demokratische Grundsätze gewährleisten“ des Ordentlichen Bundesparteitages der SPD (12. Dezember 2015): An welchen Stellen geht der Beschluss der SPD über die bekannten vier Garantien zum Schutz der öffentlichen Dienste in jedem EU- Handelsabkommen der EU-Kommission hinaus? Die Landesregierung nimmt keine Bewertung von Parteitagsbeschlüssen vor. 31. Seit wann ist der Landesregierung die Veröffentlichung „Zehn Mythen über TTIP“ der Europäischen Kommission bekannt? Die Landesregierung hat das Dokument zeitnah nach Veröffentlichung auf der Seite der EU-Kommission zur Kenntnis genommen. 32. Kann die Landesregierung die Darstellungen der Europäischen Kommission zu den Wirklichkeiten über TTIP uneingeschränkt nachvollziehen und bestätigen? Die Landesregierung hat keinen Anlass, die Kompetenz der Europäischen Kommission infrage zu stellen. 33. Wenn nicht: Was nicht und warum nicht? Entfällt. 34. Wenn doch: Kann sich die Landesregierung rational erklären, weshalb Teile der Regierungskoalition sich mit Behauptungen aus der Kategorie Mythos zu TTIP äußern? Aussagen von Abgeordneten werden von der Landesregierung nicht kommentiert. 35. Wie geht die Landesregierung mit den Mythen zu TTIP um, wenn die Landesregierung mit diesen konfrontiert wird? Die Landesregierung bedient sich einer sachlichen Argumentation. 36. Kann die Landesregierung die Ausführungen der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen „Lassen Sie mich kurz auf ein Beispiel aus dem Kulturbereich eingehen . Die Buchpreisbindung - das ist vielleicht ganz wichtig - und damit die große Zahl und Vielfalt von Buchhandlungen, Verlagen und Autoren in Deutschland werden durch TTIP massiv gefährdet“ (MdL Piel, Plenarprotokoll v. 14. Mai 2014, Seite 3133) bestätigen ? 37. Vor dem Hintergrund, dass es zur Wirklichkeit gehört, dass TTIP die Kulturwirtschaft in Europa respektiert, Subventionierungen weiterhin stattfinden könnten und die gesetzlich vorgeschriebene Buchpreisbindung aufrechterhalten würde: Wie beurteilt die Lan- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 8 desregierung die Ausführungen der EU-Kommission zur Beibehaltung der nationalen Buchpreisbindungssysteme (http://www.boersenblatt.net/artikelfreihandelsabkommen .1031028.html)? 38. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausführungen zur Buchpreisbindung von MdL Piel und der EU-Handelskommissarin Malmström: Wer stellt den Sachverhalt wahrheitsgemäß dar? 39. Hat die Landesregierung eine Erklärung für die unterschiedlichen Ausführungen von MdL Piel und EU-Hochkommissarin Malmström? Die Fragen 36 bis 39 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Meinungsäußerungen von Abgeordneten werden von der Landesregierung nicht kommentiert. Bezüglich der Sachlage lässt sich feststellen, dass die Buchpreisbindung seit 2002 in Deutschland gesetzlich geregelt ist und die Qualität und Vielfalt auf dem Buchmarkt garantieren soll. Zugleich profitieren auch der Buchhandel und die Verlagslandschaft des zweitgrößten Buchmarkts der Welt davon. Laut Börsenverein führe die Buchpreisbindung dazu, dass der durchschnittliche Buchpreis deutlich niedriger sei als in Ländern ohne Buchpreisbindung. Die Befürchtung, die Buchpreisbindung könne im Rahmen von TTIP gefährdet werden, wurde im Mai 2014 im Rahmen der 35. Plenarsitzung des Landtages geäußert. Erst weit über ein Jahr später , im September 2015, hat die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström in einem Brief an den Börsenverein des Deutschen Buchhandels mitgeteilt, dass die Buchpreisbindung für gedruckte und elektronische Bücher nicht zur Debatte stehe und nationale Buchpreisbindungssysteme, wie das deutsche Buchpreisbindungsgesetz, durch das geplante Freihandelsabkommen TTIP nicht beeinträchtig würden. Dieses teilte am 30.09.2015 auch die Bundesregierung mit (nachlesbar unter https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/09/2015-09-30-gruetters-buchpreisbin dung-ttip.html ). Konkret würde dies bedeuten, dass auch US-amerikanische E-Book-Plattformen beim Verkauf deutschsprachiger E-Books an Kundinnen und Kunden mit Sitz in Deutschland dazu verpflichtet sind, den vom deutschen Verlag gebundenen Ladenpreis anzuwenden. Verstöße dagegen könnten effektiv bestraft werden. Die Landesregierung befürwortet weiterhin die Beibehaltung der Buchpreisbindung (vgl. dazu auch die Landtagsdrucksache 17/1535). 40. Kann die Landesregierung die Ausführungen der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen „Auch die spezielle Art der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die gesamte Kulturförderung werden durch TTIP bedroht. Das können Sie nicht wollen; das können wir nicht wollen“ (MdL Piel, Plenarprotokoll vom 14. Mai 2014, Seite 3133) bestätigen? 41. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausführungen zur Kulturförderung von MdL Piel und der EU-Handelskommissarin Malmström: Wer stellt den Sachverhalt wahrheitsgemäß dar? 42. Wird die Öffentlichkeit bewusst über den wahren Sachverhalt im Umgang mit der Kulturförderung im Zusammenhang mit TTIP getäuscht? Die Fragen 40 bis 42 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Neben anderen Kulturinstitutionen hatte auch der Deutsche Kulturrat die Befürchtung geäußert, dass die Kulturförderung durch TTIP bedroht werden könnte. Am 16.11.2015 hat die Kultusministerkonferenz in Berlin ein Fachgespräch zu den Freihandelsabkommen CETA und TTIP und möglichen Auswirkungen auf den Bildungs- und Kulturbereich durchgeführt . Dort wurde die Warnung des Deutschen Kulturrates, der gesamte Kulturbereich könne durch TTIP bedroht werden, sehr ernst genommen. Die Verhandlungen bei TTIP seien weiterhin zu beobachten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 9 Das der EU-Kommission erteilte Verhandlungsmandat für TTIP schließt audiovisuelle Dienstleistungen - und damit auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - aus. Auswirkungen des Abkommens auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind daher aktuell nicht erkennbar. Durch die konvergente Entwicklung der digitalen Medien können mittelbare Auswirkungen auf die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, insbesondere durch Video-on-Demand-Angebote, jedoch nicht ausgeschlossen werden. 43. Vor dem Hintergrund, dass die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen regelmäßig an den Kabinettssitzungen der Landesregierung teilnimmt: Macht sich die Landesregierung die Argumentation von MdL Piel zu TTIP zu eigen (bitte mit Begründung )? Die Vorsitzenden der die Landesregierung tragenden Fraktionen nehmen an Kabinettssitzungen teil, um die in einem parlamentarischen Regierungssystem wie der Bundesrepublik Deutschland notwendige Abstimmung gemeinsamer Gestaltungsziele zwischen Legislative und Exekutive zu erleichtern (vgl. hierzu auch die Landtagsdrucksache 17/1173). Unabhängig davon entscheiden die Mitglieder der Landesregierung nach ausführlichen Diskussionen gemeinsam als Gremium über ihre Haltung zu inhaltlichen Fragen. Bezüglich der gemeinsamen Haltung der Landesregierung zu TTIP wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 44. Vor dem Hintergrund, dass Wissenschaftler vom Bedienen „polarisierender Klischees“ und davon „Solche von Tatsachen völlig ungetrübte Interpretationen von TTIP als zentralen Angriff auf die grundlegenden politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse der Bundesrepublik spielen in der Kommunikation über das angestrebte Abkommen eine beträchtliche Rolle“ (APuZ 50-51, Seite 26, 8. Dezember 2014) sprechen: Teilt die Landesregierung die Auffassung von Herrn Dr. A. Falke, Professor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg, dass es sich bei der Ablehnung von TTIP auch um eine „beispiellose Kampagne“ gegen das Abkommen TTIP handelt? Die Landesregierung tritt für eine sachorientierte Debatte des Themas ein und bewertet persönliche Meinungsäußerungen nicht. 45. Gedenkt die Landesregierung, aufgrund der großen politischen Bedeutung und der erheblichen Chancen für die exportorientierte deutsche Wirtschaft, die TTIP in sich trägt, sich aktiver gegen sachfremde Kritik und einen emotionalisierten Widerstand gegen die laufenden Verhandlungen zu TTIP einzubringen? Die Landesregierung nutzt vielfältige Gelegenheiten, sich für eine sachliche Debatte einzusetzen, und wird dies auch zukünftig tun. 46. Wenn nicht: Warum nicht? Entfällt. 47. Wenn doch: Wie wird sich die Landesregierung künftig für eine positive Begleitung der Verhandlung zu TTIP in Niedersachsen, im Bundesrat oder gegenüber der Europäischen Kommission einsetzen? Die Landesregierung wird auch weiterhin ihre Positionen bei Veranstaltungen, in persönlichen Gesprächen sowie in Gremien auf allen institutionellen Ebenen mit sachlichen Argumenten einbringen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 10 48. Muss nach Meinung der Landesregierung das Freihandelsabkommen im Bundesrat abgestimmt werden? Die Landesregierung teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass es sich bei TTIP um ein gemischtes Abkommen handelt, und verbindet damit die Erwartung an die Bundesregierung, dass das Abkommen im Rahmen des Ratifizierungsprozesses dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt wird. 49. Wenn ja: Wie wird die Landesregierung beim derzeitigen Meinungsbild der Regierungskoalition im Bundesrat voraussichtlich abstimmen? Die Landesregierung wird erst nach Bewertung des abschließenden Vertragswerkes eine Entscheidung treffen. 50. Wird das Land Niedersachsen sich im Bundesrat enthalten? Es wird auf die Antwort zu Frage 49 verwiesen. 51. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass eine Enthaltung des Landes Niedersachsen im Bundesrat der Verantwortung der Landesregierung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht gerecht werden würde (bitte mit Begründung)? Es wird auf die Antwort zu Frage 49 verwiesen. 52. Vor dem Hintergrund, dass in der Koalitionsvereinbarung „Niedersachsens Verantwortung für Europa und für die Welt“ (Seite 5) eine „zukunftsfähige Eine-Welt-Politik“ und somit auch die Entwicklungshilfe angesprochen wird: Wie steht die Landesregierung zur These, dass Entwicklungsländer durch eine globale Liberalisierung der Handelspolitik und durch ein Abkommen wie TTIP aufgrund ihres hohen Anteils an der Wertschöpfungskette positiv betroffen wären? Infolge der globalisierten Produktionsprozesse und Wertschöpfungsketten ist eine globale Liberalisierung der Handelspolitik, insbesondere der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse, grundsätzlich auch von Nutzen für die sogenannten Entwicklungsländer. Die Wirkung von TTIP auf die Entwicklungsländer hängt zum einen von der jeweiligen Wirtschaftsstruktur dieser Länder ab und zum anderen von der konkreten Ausgestaltung des Abkommens. Da die Inhalte von TTIP noch nicht ausverhandelt sind, kann dies noch nicht abschließend beurteilt werden. 53. Kann die Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse auch einen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung von Entwicklungsländern leisten? Die Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse kann einen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung von Entwicklungsländern leisten. Dies gilt insbesondere für den Abbau von Agrar- und Exportsubventionen. Daneben ist es jedoch wichtig, die Partnerländer beim Aufbau von Wertschöpfungsketten und einer den transatlantischen Standards genügenden Qualitätsinfrastruktur zu unterstützen . Mit den Entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes Niedersachsen hat sich die Landesregierung zur Förderung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern , insbesondere in der Partnerprovinz Eastern Cape/Südafrika und Tansania, verpflichtet. Durch Know-how-Transfer und Internationalisierung niedersächsischer Unternehmen wird nicht nur produktionstechnisches Wissen vermittelt, sondern auch die Einführung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen (z. B. ILO-Kernarbeitsnormen) unterstützt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6182 11 54. Vor dem Hintergrund der Ausführung „Wenn grüne Forderungen aber bereits jetzt darauf beschränkt werden, TTIP endgültig zu stoppen, nehmen wir uns nicht selbst aus dem Spiel, dem vielleicht wichtigsten Spiel dieses Jahrhunderts?“ (Bastian Hermisson, 26. Mai 2014, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, https://www.boell.de/ de/2014/04/07/ttip-stoppen-das-waere-zu-einfach): Teilt die Landesregierung die Auffassung , dass mit dem Aufruf zum Abbruch der Verhandlungen zu TTIP Chancen vertan werden und Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten leichtfertig vergeben werden? Die Landesregierung kommentiert diese Einzelaussage nicht. Zur Haltung der Landesregierung zu TTIP wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. (Ausgegeben am 04.08.2016) Drucksache 17/6182 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5988 Hat die Landesregierung die Dokumente über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) gelesen? Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode, Horst Kortlang, Hillgriet Eilers, Christian Grascha und Gabriela König (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr