Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6183 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5992 - Auswertung von „KIPO-Dateien“ in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 20.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 28.06.2016 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 28.07.2016, gezeichnet In Vertretung Stefanie Otte Vorbemerkung der Abgeordneten Durch das Internet und dessen vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten ist es in den letzten Jahren zu einem starken Anstieg der Zugänglichmachung und Verbreitung kinder- und jugendpornografischer Schriften gekommen. Um derartige Delikte strafrechtlich verfolgen zu können, werden im Regelfall die sichergestellten Rechner und Datenträger des Beschuldigten IT-forensisch ausgewertet. Die hohen Fallzahlen und die immer größer werdenden Datenmengen können die Ermittlungsbehörden sowohl technisch als auch personell vor große Probleme stellen. Dies hat zur Folge, dass die Verfahrensdauern oftmals deutlich ansteigen. Viele Bundesländer greifen inzwischen bei der Auswertung der Datenträger, wie auch in anderen Bereichen, auf die Unterstützung von privaten Anbietern zurück, um so die Polizeibeamten zu entlasten und die Verfahrensdauern zu verkürzen. Vorbemerkung der Landesregierung Das Entlastungsinstrument der Fremdvergabe im Bereich der forensischen Untersuchungen, insbesondere im Bereich der DNA-Analytik, ist auch in Niedersachsen Mittel der Wahl, um Belastungsspitzen für das Kriminaltechnische Institut des Landeskriminalamts Niedersachsen abzufangen und Untersuchungszeiten reduzieren zu können. Die Landesregierung verweist insoweit auf ihre Antwort vom 21.04.2016 auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung der Abgeordneten Editha Lorberg und Thomas Adasch (CDU) vom 18.03.2016 „Dauern kriminalistische Untersuchungen und Auswertungen in Niedersachsen zu lange?“ (Drs. 17/5641). Nach den der Landesregierung vorliegenden Informationen werden derzeit jedenfalls in Bayern und Sachsen Auswertungen von digitalen Beweismitteln in Verfahren wegen Besitz/Verbreitung von Kinderpornografie an private Anbieter vergeben. Nach Auskunft des in Bayern ansässigen privaten Anbieters sollen weitere Bundesländer regelmäßige Auftraggeber sein. Nach dem Ergebnis einer Anfrage des Landeskriminalamts Niedersachsen an das Bundeskriminalamt (Januar 2015) soll ferner auch das Bundesland Hamburg seine Verfahren nahezu vollständig in Fremdvergabe auswerten lassen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6183 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die Beauftragung von privaten Anbietern im Zuge der IT-Forensik? Das Justizministerium und das Ministerium für Inneres und Sport prüfen derzeit, ob im Rahmen einer Pilotierung entsprechende Fremdvergaben im Bereich der Auswertung von Datenträgern in Strafverfahren mit Bezug zur Kinderpornographie - und, falls ja, unter welchen Bedingungen - machbar und sinnvoll sein könnten. Am 12.04.2016 hat dazu eine gemeinsame Besprechung des Justizministeriums und des Ministeriums für Inneres und Sport unter Beteiligung des Landeskriminalamts Niedersachsen und der Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender , pornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften - stattgefunden. Darüber hinaus hat am 01.06.2016 ein Treffen des Justizministeriums, des Ministeriums für Inneres und Sport, der Staatsanwaltschaft München I und des Polizeipräsidiums München in Bayern stattgefunden , in dessen Rahmen die praktischen Erfahrungen Bayerns, das wie Niedersachsen ein großes Flächenbundesland ist, mit der Beauftragung von privaten Anbietern bei der Auswertung von Datenträgern im Rahmen von KIPO-Verfahren erfragt wurden. 2. Hat auch Niedersachsen private Anbieter mit der Auswertung von Rechnern und Datenträgern beauftragt? Wenn ja, wie oft? Die Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften - hat bislang nur in sehr wenigen Ausnahmefällen private Anbieter mit der Auswertung von Rechnern und Datenträgern in Verfahren wegen des Vorwurfs des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie beauftragt. In den meisten dieser Fälle handelte es sich um Auswertungen, die durch die Polizei aufgrund des Fehlens von dafür erforderlicher Software (z. B. bei sehr seltenen Gerätetypen oder speziellen Verschlüsselungen) nicht geleistet werden konnten. Fremdvergaben der Auswertungen aufgrund von Überlastungen der sachbearbeitenden Polizeidienststellen sind jedenfalls aus den letzten drei Jahren nicht bekannt. Fälle, in denen die Auswertung fremdvergeben wird, werden nicht gesondert statistisch erfasst, sodass die genaue Zahl nicht benannt werden kann. Insgesamt dürften die von niedersächsischen Staatsanwaltschaften beauftragten externen Auswertungsaufträge in Verfahren wegen des Vorwurfs des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie in den letzten ca. zweieinhalb Jahren jedoch - geschätzt - im einstelligen Bereich gelegen haben. Ergänzend wird auf die Antwort der Landesregierung vom 21.04.2016 auf die in den Vorbemerkungen genannte Kleine Anfrage (Drs. 17/5641) verwiesen. 3. Wie viele Polizeibeamte sind mit der Auswertung von Rechnern und Datenträgern bei der niedersächsischen Polizei und dem Landeskriminalamt betraut? Bei den Polizeibehörden (Polizeidirektionen und Landeskriminalamt Niedersachsen) sind zur Auswertung von Rechnern und Datenträgern sowie im Bereich der KIPO-Sachbearbeitung derzeit insgesamt 230 Polizeibeamtinnen und -beamte bzw. Angestellte belastungsorientiert eingesetzt. Die Verteilung auf die einzelnen Polizeibehörden ergibt sich - nach den Berichterstattungen der Behörden - aus der nachfolgenden Tabelle; auf die angefügten Erläuterungen wird hingewiesen. Behörde LKA NI PD BS PD GÖ PD H PD LG PD OL PD OS Anzahl 81 312 46 143 38 64 29 1 Derzeit läuft die Ausschreibung für die Besetzung eines weiteren Sachbearbeitungs-Dienstpostens (der allerdings in die o. a. Berechnung noch nicht eingeflossen ist). 2 Zwei Beamte der Polizeiinspektion Wolfsburg aus dem Bereich der KIPO-Sachbearbeitung (die in den o. a. Wert der PD BS insoweit nicht mit eingerechnet wurden), werden derzeit wegen starker Belastung der PI mit Kapitalverbrechen vorübergehend in einem anderen Bereich eingesetzt. 3 Die Auswertung und Sachbearbeitung KIPO findet im Zentralen Kriminaldienst der Behörde statt; neben der aufgeführten Anzahl der Sachbearbeiter/-innen steht bei Bedarf eine weitere Kraft zur Verfügung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6183 3 Generell ist anzumerken, dass im Gesamtprozess der Datenaufbereitung, Sichtung, Auswertung und Kategorisierung von Datenträgern in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Kinder- und Jugendpornografie neben den sogenannten DV-Gruppen (IT-forensische Datenaufbereitung) auch die Fachkommissariate 1 (Sachbearbeitung) bei den Polizeiinspektionen und der Kriminalfachinspektion 1 des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeidirektion Hannover eingebunden sind. Demzufolge wird im Sinne der vorliegenden Anfrage auch das hierzu eingesetzte Personal mit erfasst. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass damit keine differenzierte Aufstellung nach Vollzeiteinheiten sowie tatsächlichen Arbeitsanteilen - speziell im Bereich der Auswertung/Sachbearbeitung kinderpornografischen Datenmaterials - verbunden ist. So sind die Beamtinnen und Beamten der DV-Gruppen und der Fachkommissariate 1 beispielsweise unterschiedlich intensiv auch mit der Vorgangsbearbeitung außerhalb von Verfahren der Kinderund Jugendpornografie betraut bzw. in Teilbereichen lediglich temporär bei Belastungsspitzen oder vertretungsweise eingesetzt. Im Einzelfall kann die ermittelnde Sachbearbeitung auch durch Kräfte außerhalb des Fachkommissariats 1, z. B. durch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kriminal- und Ermittlungsdienstes , zur Abarbeitung von Belastungsspitzen/Beschleunigung von Verfahren unterstützt werden , die in der o. a. Auflistung nicht berücksichtigt sind. Gleiches gilt für das Landeskriminalamt Niedersachsen, in dem neben der Zentralen Datenverarbeitungsgruppe (Dezernat 56 - Forensische IuK/Zentrale DV-Gruppe) mit acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die regelmäßig im KIPO-Bereich eingesetzt werden, auch zwei Beamtinnen und Beamte im Dezernat 38 (Zentralstelle Internetkriminalität) mit der KIPO-Sachbearbeitung befasst sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlungs- und Auswertungskräfte - zur Verringerung der persönlichen Belastung - in der Regel nicht durchgängig mit der Auswertung entsprechender Dateien und Datenträger befasst werden. (Ausgegeben am 04.08.2016) Drucksache 17/6183 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5992 Auswertung von „KIPO-Dateien“ in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums