Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6205 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6057 - Datenweitergabe aus SKB-Datei an Hannover 96 Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 01.07.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 07.07.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 01.08.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung von Abgeordneten der FDP-Fraktion (Drucksache 17/5904) erklärt, dass Erkenntnisse zu 45 Personen aus der SKB-Datei Hannover zusammengestellt und dem Verein Hannover 96 zur Prüfung möglicher Stadionverbote übermittelt wurde. Stadionverbote sind gemäß den „Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten“ örtlich bei Verstößen gegen die Stadionordnung sowie bei folgenden Sachverhalten möglich, für die auch bundesweite Stadionverbote ausgesprochen werden können (§ 4, Abs. 3 und 4 der Richtlinien ): Absatz 3 „(…) bei eingeleiteten ermittlungs- oder sonstigen Verfahren, insbesondere in folgenden Fällen (schwerer Fall): 1. Straftaten unter Anwendung von Gewalt gegen 1.1 Leib oder Leben 1.2 fremde Sachen mit der Folge eines nicht unerheblichen Schadens 2. Gefährliche „Eingriffe in den Verkehr (§ 315 ff. StGB) 3. Störung öffentlicher Betriebe (§ 316 b StGB) 4. Nötigung (§ 240 StGB) 5. Verstöße gegen das Waffengesetz 6. Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz 7. Landfriedensbruch (§§ 125, 125 a, 126 (1) Nr. 1 StGB) 8. Hausfriedensbruch (§§ 123, 124 StGB) 9. Gefangenenbefreiung (§ 120 StGB) 10. Raub- und Diebstahldelikte (§§ 242 ff., 249 ff StGB) 11. Missbrauch von Notrufeinrichtungen (§ 145 StGB) 12. Handlungen nach § 27 Versammlungsgesetz 13. Rechtsextremistische Handlungen, insbesondere das Zeigen und Verwenden nationalsozialistischer Parolen, Embleme (§ 86 a StGB), Verstöße gegen das Uniformverbot (§ 3 Versamm- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6205 2 lungsgesetz) und Beleidigungen (§ 185 StGB) aus rassistischen bzw. fremdenfeindlichen Motiven 14. Einbringen und/oder Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen 15. Sonstige schwere Straftaten im Zusammenhang mit Fußballveranstaltungen Absatz 4 „Ein bundesweit wirksames Stadionverbot soll ferner ausgesprochen werden, ohne dass ein ermittlungs- oder sonstiges Verfahren eingeleitet wurde, 16. bei Ingewahrsamnahmen oder schriftlich belegten Platzverweisen, wenn hinreichende Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene Taten gemäß § 4 Abs. 3 begangen hat oder begehen wollte. 17. bei Sicherstellung bzw. Beschlagnahmung von Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen , die der Betroffene in der Absicht mitführte, Straftaten zu begehen, soweit die Handlung nicht bereits in Absatz 3 erfasst ist. 18. bei Handlungen/Verhaltensweisen, die die Menschenwürde einer anderen Person in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Geschlecht oder Herkunft verletzen, insbesondere durch herabwürdigende, diskriminierende, verunglimpfende Äußerungen oder entsprechende Aufschriften auf Transparenten. Unberührt hiervon bleiben die Vorschriften des § 9 Abs. 2 und 3 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. 19. bei der aktiven Unterstützung beim Einbringen und/oder Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen . 20. bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Stadionordnung. 21. bei nachgewiesenem wiederholtem sicherheitsbeeinträchtigendem Verhalten.“ Das Verwaltungsgericht Köln hat in seinem Urteil vom 28. April 2016 (Az 20 K 583/14) entschieden, dass die Datenübermittlung durch die Polizei an Dritte grundsätzlich möglich ist, ohne Anfangsverdacht einer Straftat allerdings rechtswidrig sei. Vorbemerkung der Landesregierung Der Landesregierung ist es auch weiterhin ein Anliegen, sowohl konsequent als auch nachhaltig die Polizei wie auch die Veranstalter in die Lage zu versetzen, geeignete Maßnahmen nicht nur gegen erkannte Straftäter treffen zu können, sondern auch gegen Personen, denen wiederholtes sicherheitsbeeinträchtigendes Verhalten nachgewiesen werden kann. Dazu gehören neben präventivpolizeilichen Maßnahmen u. a. auch Datenübermittlungen an die Vereine, damit diese ihren Pflichten als Veranstalter nachkommen können, aber auch in die Lage versetzt werden, ihre Rechte wahrzunehmen . Diesen Datenübermittlungen steht das Urteil des VG Köln nicht entgegen. Vielmehr hat das VG über einen Einzelfall entschieden, in dem die Polizei eine inhaltlich falsche Mitteilung an einen Verein gegeben hatte. Dies führte nach der Entscheidung des VG Köln zur Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung . Aus dem Urteil lassen sich über diesen Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Aussagen zu den Voraussetzungen derartiger Datenübermittlungen nicht entnehmen. In Niedersachen sind Datenübermittlungen an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs nach § 44 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. 1. Lagen bei den übermittelten Datensätzen der 45 Anhänger von Hannover 96 an den Verein Tatsachen im Sinne der Stadionverbotsrichtlinie vor, die die Weitergabe der Daten erforderlich gemacht hätten? Wenn ja, welche? Im Sinne der bezeichneten Richtlinie wird auf § 4, Abs. 4, Nr. 21 Bezug genommen. Demnach kann ein bundesweit wirksames Stadionverbot ausgesprochen werden, „ohne dass ein Ermittlungs- oder Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6205 3 sonstiges Verfahren eingeleitet wurde, bei nachgewiesenem wiederholtem sicherheitsbeeinträchtigendem Verhalten.“ 2. Wurden gegen alle 45 Personen Ermittlungsverfahren eingeleitet, die eine Datenweitergabe gerechtfertigt hätten? Wenn ja, wegen welcher Vergehen? Siehe Antwort zu Frage 1. 3. Wurden gegen die genannten Personen Stadionverbote ausgesprochen? Aufgrund besagter Sachverhalte wurden bislang keine Stadionverbote ausgesprochen. 4. Welche Daten wurden wann an den Verein Hannover 96 übermittelt? Am 08.02.2016 wurden dem Stadionverbotsbeauftragten des Vereins Hannover 96 die sicherheitsbeeinträchtigenden Vorfälle aus dem Jahre 2015 gemeldet, an denen Personen aus der Anhängerschaft von Hannover 96 wiederholt beteiligt waren. Personenbezogene Daten wurden hierbei nicht übermittelt. Mit Mitteilung des Stadionverbotsbeauftragten vom 14.03.2016 an die Polizeiinspektion Hannover- West wurde erklärt, dass grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis über Vorkommnisse besteht, die gemäß besagten Richtlinien in den Zuständigkeitsbereich von Hannover 96 fallen . Darüber hinaus wurde ausdrücklich ein rechtliches Interesse an der Übermittlung der personenbezogenen Daten zu den mitgeteilten Vorfällen mitgeteilt. In diesen Fällen liegt die Datenübermittlung zugleich auch im öffentlichen Interesse. Nach Prüfung, dass kein Grund zu der Annahme bestand, dass das schutzwürdige Interesse der Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegen würde, wurden die personenbezogenen Daten am 21.03.2016 an den Stadionverbotsbeauftragten übermittelt. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Datenweitergabe in Anbetracht des genannten Kölner Urteils? Siehe Vorbemerkungen. 6. Was ändert sich durch das Kölner Urteil für die Datenweitergabe aus den SKB-Dateien in Niedersachsen an Dritte und für die geplante LKA-Datei? Siehe Vorbemerkungen. 7. Wurden die Szenekundigen Beamten in Niedersachsen auf das Urteil hingewiesen? Zur nachrichtlichen Information wurde das von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) im üblichen Verfahren am 23.05.2016 übermittelte Urteil von der Landesinformationsstelle Sporteinsätze im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport (LIS) am 25.05.2016 an die niedersächsischen Polizeidirektionen weitergeleitet. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. 8. Wie ist der Stand bei der Prüfung einer LKA-Datei? Gibt es schon einen Zeitplan für deren Errichtung? Wie in der genannten Kleinen Anfrage ausgeführt, wird derzeit auf Grundlage der bislang beim LKA Niedersachsen vorliegenden Unterlagen der fachliche Bedarf an einer solchen landesweiten Da- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6205 4 tensammlung „Sport“ geprüft. Nach entsprechender Mitteilung wird die Prüfung vor dem Hintergrund der zu klärenden rechtlichen und technischen Voraussetzungen und der notwendigen Abstimmungen mit den niedersächsischen Polizeibehörden noch Zeit in Anspruch nehmen. Zurzeit werden die Inhalte der Verfahrensbeschreibungen der bestehenden SKB-Arbeitsdateien aus Wolfsburg, Braunschweig und Hannover verglichen. Danach sollen die Anforderungen an die landesweite Datensammlung auf der Grundlage der datenschutzrechtlichen Möglichkeiten erörtert werden. Die Landesbeauftragte für den Datenschutz wird weiterhin an dem Verfahren beteiligt werden. 9. Gab es in Niedersachsen und/oder bundesweit einen Austausch der Szenekundigen Beamten? Wurden dort Strategien beraten, die datenschutzrechtlichen Mängel der Dateien zu heilen (Speicherung von Kindern - etwa in Hamburg, fehlende Errichtungsanordnungen , fehlende Einbindung der Datenschutzbeauftragten vor der Errichtung der Dateien, nicht ausreichend begründete Speicherung über die gesetzlichen Löschfristen hinaus etc.)? Neben den anlassbezogenen Kontakten führt die LIS Niedersachsen jährlich eine Erhaltungsfortbildung der Szenenkundigen Beamtinnen und Beamten (SKB) durch, in deren Rahmen fachliche und praktische Gesichtspunkte erörtert werden. Die Inhalte sind für eine Veröffentlichung ungeeignet. Darüber hinaus findet jährlich eine Arbeitstagung der ZIS mit den SKB der Vereine der Bundesligen und der 3. Liga statt. Im Übrigen wären SKB zu den aufgeführten Aspekten nicht die originären Ansprechpartner. (Ausgegeben am 09.08.2016) Drucksache 17/6205 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6057 Datenweitergabe aus SKB-Datei an Hannover 96 Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport