Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6222 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6063 - Welche Mittel hält die Landesregierung für zulässig, um ihren politischen Willen durchzusetzen ? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Uwe Schünemann (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 28.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 08.07.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 02.08.2016, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Der Kreistag des Landkreises Holzminden hat mit den Stimmen der rot-grünen Mehrheit am 20.04.2015 die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Sollingvorland-Wesertal“ beschlossen . Anschließend wurde die Verordnung dem Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) als zuständiger Fachaufsichtsbehörde gemäß § 88 Abs. 1 und 3 NKomVG zur Prüfung übermittelt . Nach Vorliegen der Stellungnahme des MU ist die Verordnung am 02.10.2015 in Kraft getreten . Sie sieht vor, dass Bauvorhaben, die eine Grundfläche von 400 Quadratmetern und eine Höhe von vier Meter überschreiten, einen Aus- oder Neubau von Zufahrtsstraßen oder ein Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erfordern, nur vom Kreistag im Rahmen eines Teillöschungsverfahrens ermöglicht werden können. Beobachter des Verfahrens äußern den Verdacht, dass diese Formulierung eigens aufgenommen wurde, um den Bau eines beantragten Hähnchenstalls in Dielmissen zu verhindern. So schreibt der Holzmindener Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen auf seiner Homepage Folgendes: „Der Kreisverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich auf seiner Mitgliederversammlung noch einmal klar und eindeutig gegen große Massentierhaltungsanlagen im Kreis Holzminden ausgesprochen . Wie berichtet, ist bei Dielmissen eine Anlage für 80 000 Hühner im Genehmigungsverfahren . ‚Solche Anlagen mit über 20 eng zusammengedrängten Masthühnern pro m² sind Tierquälerei und für die Anwohner und die Umwelt eine erhebliche Belastung‘, sagte Vorstandssprecherin Annette Kusak. ‚Wir lehnen sie entschieden ab (…)‘ Die Grünen riefen daher zu Einwendungen gegen die Mastanlage auf und erinnerten, dass bereits fast 1 000 Unterschriften zusammengekommen sind. Kusak: ‚Die rot-grüne Landesregierung lehnt solche großen Tierhaltungsanlagen klar ab. Angesichts ständiger Meldungen über viel zu hohen Antibiotika-Einsatz in solchen Mastanlagen kommt vor allem dem Keimschutz der Anwohner erhebliche Bedeutung zu. Das alte Gutachten wurde vom Landkreis als nicht ausreichend abgelehnt. Nach dem Erlass von Agrarminister Christian Meyer muss in jedem Fall eine zusätzliche Keimbelastung ausgeschlossen und gegebenenfalls nachgewiesen werden. Dieses hohe Schutzniveau muss der Landkreis weiter gewährleisten.‘“ (http://www.gruene-holzminden.de/themen/aktuelles/expand/538191/nc/1/dn/1) In einer weiteren Pressemitteilung vom 15.04.2015 der Grünen Holzminden wird Vorstandssprecherin Annette Kusak wie folgt zitiert: „Wir wollen keine Tierfabriken im Kreis“. Sie verwies dabei auf das laufende Genehmigungsverfahren für 80 000 Hühner bei Dielmissen. Weiterhin heißt es dort: „Auch der Vorwurf, der Entwurf sei rechtlich nicht haltbar, stimme nicht. ‚Die Formulierungen sind mit dem niedersächsischen Umweltministerium abgestimmt und rechtlich möglich.‘“ (http://www.gruene-holzminden.de/themen/aktuelles/expand/566165/nc/1/dn/1/) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6222 2 Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehen wir davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da es sich nach unserer Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handelt und der Rechercheaufwand gering ist. 1. Ist es zutreffend, dass die Landesregierung Tierhaltungsanlagen wie die in Dielmissen geplante mit Platz für 80 000 Tiere klar ablehnt? Die Landesregierung lehnt, wie im Koalitionsvertrag ausgeführt, eine Politik, die auf den weiteren Zubau großer Intensivtierhaltungsanlagen abzielt, ab. Genehmigungen für Tierhaltungsanlagen werden nach geltendem Recht erteilt, wenn die für das jeweilige Projekt erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere sind dies Vorschriften nach Bau-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Wasser- und Tierschutzrecht sowie gegebenenfalls weiteren spezialgesetzlichen Regelungen, die zu erfüllen sind. 2. Hat die Landesregierung den in der Pressemitteilung erwähnten Erlass zur Durchführung eines Keimgutachtes eigens erstellt, um die Genehmigung für die Tierhaltungsanlage in Dielmissen im Wahlkreis von Landwirtschaftsminister Meyer zu verzögern bzw. zu verhindern? Nein. Der „Filtererlass“, der am 25.03.2013 in Kraft getreten ist, enthält Anforderungen zur Bioaerosolproblematik , die bei der Durchführung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren von den zuständigen Genehmigungs- und Überwachungsbehörden zu beachten sind. Die Emissionen aus Tierhaltungsanlagen verursachen erhebliche Belastungen für Natur und Umwelt und können erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen. Daher haben mehrere Landkreise, u. a. Emsland und Holzminden, schon vor 2013 die Vorlage von Keimschutzgutachten bei großen Mastanlagen eingefordert. Die Vorgängerlandesregierung hatte daher schon 2012 einen Erlass-Entwurf mit Kriterien für Keimschutzgutachten in die Anhörung mit den kommunalen Spitzenverbänden gegeben, der teilweise bereits angewendet wurde. Vor diesem Hintergrund wurde im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Anwohnerinnen und Anwohner durch eine Fachprüfung des Keimschutzes im Zuge immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und im Rahmen der regelmäßigen Überprüfung vor diesen Gefahren besser geschützt werden sollen. Zudem wurde das Ziel formuliert, dass die Emissionen von Stäuben, Stickstoffverbindungen und Keimen aus neu zu genehmigenden Intensivtierhaltungsanlagen entsprechend der „besten verfügbaren Technik“ minimiert werden. Entsprechend dieser Vereinbarung haben MS, ML und MU zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden im März 2013 einen entsprechenden Erlass herausgegeben und konnten dabei auf umfassende Vorarbeiten der Vorgängerlandesregierung zurückgreifen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6222 3 3. In der Pressemitteilung steht, dass die Formulierung in der Landschaftsschutzgebietsverordnung , nach der der Bau des Hähnchenstalls nicht zulässig sei, mit dem MU im Vorfeld abgestimmt worden sei. Inwiefern hat die Landesregierung die rot-grünen Kreistagsmitglieder im Landkreis Holzminden bei der Formulierung der Vorgaben zum Landschaftsschutzgebiet „Sollingvorland-Wesertal“ unterstützt? Die Landesregierung hat lediglich generelle Fragen zu Festlegungen in der Landschaftsschutzgebietsverordnung aus den Reihen des Kreistags Holzminden beantwortet. Es wurden keine Formulierungsvorschläge gemacht. Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass „große Tierhaltungsanlagen“ kein definierter Begriff des Immissionsschutzrechts ist und daher entweder auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit überhaupt oder auf die im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu genehmigende Anlage abgestellt werden sollte - soweit gewollt. 4. Welcher Art war diese Unterstützung? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Auf welchem Wege erfolgte die Abstimmung der Formulierungen in der Landschaftsschutzgebietsverordnung mit dem MU? Die Thematik zur angeführten Landschaftsschutzgebietsverordnung im Landkreis Holzminden wurde im Jahr 2013 aus den Reihen des Kreistags Holzminden an das ML herangetragen. Das Ministerbüro des ML wandte sich zwecks Zuständigkeit dann an das Ministerbüro des MU. Das Ministerbüro des MU gab die Anfrage an die Leitung der Abteilung Naturschutz, Wasserwirtschaft , Bodenschutz weiter. Vom Abteilungsleiter wurde der Vorgang dem Leiter des Referats Rechtsangelegenheiten des Naturschutzes zugeleitet, der ihn an den zuständigen Bearbeiter weiterleitete . Dieser wiederum beteiligte das zuständige Fachreferat innerhalb der Abteilung sowie das zuständige Fachreferat und das zuständige Rechtsreferat der Abteilung Immissionsschutz, Kreislaufwirtschaft und Abfall zu der Frage der Auslegung „großer“ Tierhaltungsanlagen nach Immissionsschutzrecht . Es erfolgte eine Stellungnahme auf dem Dienstweg - über den Referatsleiter, Abteilungsleiter und die Staatssekretärin an das Ministerbüro. In diesem Verfahrensstadium wurden keine „Abstimmungen der Formulierungen in der Landschaftsschutzgebietsverordnung“ durch MU vorgenommen. Im Jahr 2015 erfolgte nach der Verabschiedung der LSG-Verordnung durch den Kreistag eine Stellungnahme des MU an den Landkreis Holzminden. Diese wurde durch das Fachreferat in Abstimmung mit dem Rechtsreferat der Abteilung Naturschutz, Wasserwirtschaft, Bodenschutz unter Beteiligung des Ministerbüros auf dem Dienstweg gefertigt. 6. Auf wessen Aufforderung erfolgte die Abstimmung mit dem MU? Siehe Antwort zu Frage 5. 7. Welche Mitarbeiter in den Ministerien (Funktionsbezeichnung genügt) waren an diesem Prozess beteiligt? Siehe Antwort zu Frage 5. 8. Welche Minister und Staatssekretäre wussten von dem Vorgang oder waren daran aktiv beteiligt? Minister Wenzel und Staatssekretärin Kottwitz wussten von dem Vorgang. Landwirtschaftsminister Meyer wusste als Mitglied des Kreistags Holzminden von der Anfrage und der Antwort des MU. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6222 4 9. Gab es weitere Zuarbeit von Ministeriumsmitarbeitern bei der Erarbeitung der Landschaftsschutzgebietsverordnung oder zum Verfassen von Stellungnahmen, die im Zusammenhang mit der Verordnung stehen? Nein. 10. Wenn ja, von wem (Funktionsbezeichnung) und in welcher Form? Siehe Antwort zu Frage 9. 11. Inwiefern ist die Zuarbeit von Ministeriumsmitarbeitern an Kreistagsmitglieder zulässig und gewünscht? Fragen von Kreistagsmitgliedern sind ebenso zulässig und werden ebenso beantwortet wie die von Abgeordneten, Bürgern, Verbänden etc. Die Antworten geben Auskunft zu Sach- oder Rechtslagen , enthalten aber keine Beratung zum weiteren Vorgehen des Fragestellers. 12. Ist es aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten akzeptabel, wenn eine Schutzgebietsverordnung eigens erlassen wird, um ein Bauvorhaben zu verhindern? Nein. 13. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung wurde nach ihrem Beschluss durch den Kreistag Holzminden dem MU zur Prüfung vorgelegt. Inwiefern ist eine unabhängige Prüfung gewährleistet, wenn das Ministerium, welches zuvor durch politische Aufforderung an der Verordnung mitgewirkt hat, diese im Anschluss fachlich beurteilen soll? Es hat keine politische Aufforderung zur Gestaltung der LSG-Verordnung seitens der Landesregierung gegeben. (Ausgegeben am 11.08.2016) Drucksache 17/6222 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6063 Welche Mittel hält die Landesregierung für zulässig, um ihren politischen Willen durchzusetzen? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Uwe Schünemann (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz