Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 1 Große Anfrage mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5824 - Spätaussiedler in Niedersachsen Große Anfrage der Fraktion der CDU an die Landesregierung vom 31.05.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 08.06.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Vorbemerkung der Fraktion Seit Beginn der Aussiedleraufnahme im Jahr 1950 sind fast 4,5 Millionen (Spät-)Aussiedler einschließlich Familienangehöriger nach Deutschland zugewandert. Spätaussiedler im Sinne von § 4 Abs. 1 BVFG sind deutsche Volkszugehörige, die u. a. aus den deutschen Siedlungen der Sowjetunion stammen und die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens in Richtung Deutschland verlassen haben. Der Forschungsbericht „(Spät-)Aussiedler in Deutschland“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Jahr 2013 bescheinigte: „Spätaussiedler sind im Verhältnis zu der relativ kurzen Aufenthaltsdauer in Deutschland gut integriert“ (Seite 6). Dennoch gab es Anfang dieses Jahres rund um den „Fall Lisa“ eine die gesamte Bevölkerungsgruppe thematisierende negative Presseberichterstattung. So hieß es in der Welt am 31. Januar 2016: „Öffentlich legen die Russlanddeutschen Wert darauf, Deutsche zu sein. Aber in diesen Tagen fühlen sie sich von Russland besser informiert, besser vertreten, besser verstanden als von deutscher Politik und Polizei.“ Die FAZ berichtete am 5. Februar 2016: „Die russischsprachige Community, die seit Jahren als Musterbeispiel der gelungenen Integration gilt, erwies sich ganz plötzlich als extrem moskauhörig und als sehr anfällig für fremdenfeindliche Parolen und antieuropäische Propaganda.“ In der Süddeutschen Zeitung wurde am 8. Februar 2016 die Behauptung aufgestellt: „Es sind vor allem Russlanddeutsche, die auf die Straße gehen, um gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zu demonstrieren.“ Die Berichterstattung und der scheinbare Widerspruch werden von vielen Spätaussiedlern als verletzend und falsch empfunden. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Die Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen ist aus Sicht der Landesregierung eine Bereicherung für unser Gemeinwesen. Sie bilden in den letzten zwei Jahrzehnten die stärkste Zuwanderungsgruppe in Niedersachsen. Ihre Eingliederung darf insgesamt als Erfolgsgeschichte gewertet werden. Unkorrigierter Vorabdruck Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 2 Die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland vollzog sich Ende der 80er Jahre eher unauffällig. Dann folgten die 90er Jahre mit Zuzugszahlen im sechsstelligen Bereich. Über Jahre zeichnete die Berichterstattung in den Medien ein negatives Bild, etwa von straffällig gewordenen russlanddeutschen Jugendlichen. Auch Wissenschaftler wagten anfänglich keine günstigen Prognosen. Über Normalität und Erfolge wurde lange kaum berichtet. Wie in der Vorbemerkung der Fraktion der CDU dargestellt, gab es Anfang dieses Jahres erstmals wieder Presseberichterstattung, die ein negatives Bild von dieser Zuwanderungsgruppe zeichnete. In dazu abgegebenen Stellungnahmen ihres Bundesvorstandes verwehrt sich die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gegen pauschale Behauptungen und fordert eine differenzierte Betrachtung ein: Deutsche aus Russland seien weder rechtsradikal noch fremdgesteuert. Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland bekennt sich ausdrücklich zu unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Die Landesgruppe Niedersachsen hat sich den Stellungnahmen und der Positionierung des Bundesvorstandes angeschlossen (www.lmdrniedersachsen .de). Eine differenzierte Betrachtungsweise ermöglichen die Studien des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung sowie der Forschungsbericht 20 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, zu denen in nachfolgender Antwort der Landesregierung Näheres noch ausgeführt wird. 1. Wie viele Spätaussieder (einschließlich nicht deutscher Ehegatten und Nachkommen) sind seit dem 1. Januar 1993 in Niedersachsen aufgenommen worden (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Herkunftsland und BVFG-Status)? Seit Inkrafttreten des Aussiedleraufnahmegesetzes am 01. Juli 1990 müssen Aussiedlerinnen und Aussiedler bzw. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler vor ihrer Ausreise nach Deutschland noch vom Herkunftsgebiet aus ein förmliches Aufnahmeverfahren beim Bundesverwaltungsamt durchführen. Das Bundesverwaltungsamt prüft im Rahmen dieses Aufnahmeverfahrens, ob die gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind und erteilt dann den Aufnahmebescheid. Erst dieser berechtigt zur Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Auch die nichtdeutschen Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, die nicht selbst die Spätaussiedlereigenschaft besitzen, können in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, sofern sie die Voraussetzungen des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen. Nach ihrem Eintreffen im Bundesgebiet werden die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen in der Außenstelle Friedland des Bundesverwaltungsamtes registriert und auf die einzelnen Bundesländer verteilt. Gleichzeitig wird im Rahmen des Registrierverfahrens das Bescheinigungsverfahren eingeleitet, für das nunmehr auch das Bundesverwaltungsamt zuständig ist. Gemäß Statistik des für das Aufnahme-, Registrier- und Verteilungsverfahren zuständigen Bundesverwaltungsamtes stellt sich die Verteilung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und ihren miteinreisenden Familienangehörigen auf das Land Niedersachsen (ohne Umverteilungen und Umquotierungen) ab dem 1. Januar 1993 wie folgt dar: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 3 Anzahl der vom Bund auf das Land Niedersachsen verteilten Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und ihren miteinreisenden Familienangehörigen 1993 19.820 1994 18.447 1995 17.073 1996 11.485 1997 11.162 1998 9.475 1999 9.159 2000 8.439 2001 8.646 2002 7.872 2003 6.270 2004 5.184 2005 3.112 2006 582 2007 529 2008 411 2009 311 2010 229 2011 202 2012 177 2013 234 2014 554 2015 624 2016 bis Mai 191 Die Ergebnisse des Mikrozensus 2014 (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Fachserie 1 Reihe 2.2, erschienen am 3. August 2015) stellen sich bezüglich der Herkunftsländer wie folgt dar: Bevölkerung nach Ländern Insgesamt in 1 000 1 12 Bevölkerung insgesamt........................................ 80 896 7 799 Deutsche................................................................................... 5 011 507 • (Spät-)Aussiedler.................................................................... 3 099 340 — mit früherer Staatsangehörigkeit · Polen.................................................................................. 570 51 · Rumänien........................................................................... 209 / · Gebiet der ehemaligen Sow jetunion.................................. 1 388 202 · Kasachstan.................................................................... 568 79 · Russische Föderation..................................................... 555 93 · Ukraine............................................................................ 36 / — mit einer Aufenthaltsdauer von · unter 5 Jahren................................................................... 66 5 · 5 – 10 Jahren................................................................... 92 6 · 10 – 15 Jahren................................................................... 341 32 · 15 – 20 Jahren................................................................... 579 82 · 20 Jahren und mehr........................................................... 1 998 214 · ohne Angabe zum Zuzugsjahr.......................................... 23 / Quelle: Mikrozensus 2014 Deutschland Die Gruppe der „Personen mit Migrationshintergrund im w eiteren Sinne“ umfasst auch in Deutschland geborene Deutsche mit Migrationshintergrund, die nicht mehr mit ihren Eltern in einem Haushalt leben. Deren Migrationsstatus ist nur durch die in den Jahren 2005, 2009, 2013 etc. verfügbaren Zusatzangaben bestimmbar. Niedersachsen Detaillierter Migrationsstatus Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 4 Die Zahlen 5,011 Mio. und 507.000 sind deutsche Personen mit Migrationshintergrund und eigener Migrationserfahrung. Zum BVFG-Status (Auszug aus dem BVFG siehe Anlage 1) der vom Bund auf das Land Niedersachsen verteilten Spätaussiedler und ihren miteinreisenden Familienangehörigen verfügt das Bundesverwaltungsamt aktuell über folgende Werte: 2013 (234 Personen) Niedersachsen § 4 BVFG - betrifft Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler 64 § 7 BVFG - betrifft Ehegatte und/oder Abkömmling der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler 140 § 8 BVFG - betrifft weitere Familienangehörige 30 2014 (554 Personen) Niedersachsen § 4 BVFG - betrifft Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler 84 § 7 BVFG - betrifft Ehegatte und/oder Abkömmling der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler 313 § 8 BVFG - betrifft weitere Familienangehörige 157 2015 (624 Personen) Niedersachsen § 4 BVFG - betrifft Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler 130 § 7 BVFG - betrifft Ehegatte und/oder Abkömmling der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler 373 § 8 BVFG - betrifft weitere Familienangehörige 121 Weitere Daten können den in Anlagen 2 bis 6 angefügten Übersichten des Bundesverwaltungsamtes entnommen werden. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Einbeziehung von Härtefällen im Jahr 2013 in das Bundesvertriebenengesetz, welche auf die Initiative des damaligen CDU-Innenministers Schünemann erfolgte? Im Jahre 2012 hat Niedersachsen eine Gesetzesinitiative zur Erleichterung der Familienzusammenführung von getrennt lebenden Spätaussiedlerfamilien aus humanitären Gründen gestartet. Der Gesetzesinitiative hatten seinerzeit 13 Länder (darunter alle A-Länder) gegen die Stimmen von BY und SN bei Enthaltung von SH im Bundesrat zugestimmt. In der 246. Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Juni 2013 haben alle Fraktionen, bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE, der – vom Bund um einige Punkte erweiterten - Gesetzesinitiative zugestimmt. Das Zehnte Änderungsgesetz zum BVFG ist am 6. September 2013 vom Bundespräsidenten ausgefertigt worden und am 14. September 2013 in Kraft getreten. Mit der Gesetzesänderung wurde eine nachträgliche Einbeziehung von Ehegatten und Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid einer Spätaussiedlerin und eines Spätaussiedlers ermöglicht, auch wenn kein Härtefall vorliegt. Das heißt, dass das Erfordernis der gemeinsamen Aussiedlung entfällt; die Einbeziehung kann jederzeit nachgeholt werden, ohne dass ein Härtefall nachgewiesen werden muss. Ungeachtet dessen müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Einbeziehung des nahen Angehörigen erfüllt werden. Dazu gehört grundsätzlich auch der Nachweis einfacher deutscher Sprachkenntnisse. Allerdings schafft das Änderungsgesetz auch insoweit Verbesserungen: Auf die Sprachkenntnisse wird künftig nicht nur bei Angehörigen verzichtet, die wegen einer Behinderung nicht in der Lage waren, deutsche Sprachkenntnisse zu erwerben. Dies gilt vielmehr auch im Falle einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung (insoweit Angleichung an das für Ausländer geltende Aufenthaltsgesetz). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 5 Auch für die Aufnahme der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler selbst wurden Erleichterungen geschaffen. Nach der neuen Regelung kann ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch Nationalitätenerklärung oder "auf andere Weise" erfolgen. Neu eingeführt wurde die Möglichkeit, das Bekenntnis auch durch ausreichende Grundkenntnisse der Deutschen Sprache zu erbringen. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit bestehen, die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe durch familiär vermittelte Deutschkenntnisse nachzuweisen. Minderjährige Abkömmlinge der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind nunmehr von der Sprachnachweispflicht befreit. Bundesinnenministerium und Presse waren seinerzeit davon ausgegangen, dass durch das im September 2013 in Kraft getretene Zehnte Änderungsgesetz die bis dahin rückläufigen Zuzugszahlen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und ihren Familienangehörigen in den kommenden Jahren letztmalig noch einmal ansteigen. In diesem Sinne wurde das im September 2013 in Kraft getretene Zehnte Änderungsgesetz in der Fachöffentlichkeit als eine Art Abschlussgesetzgebung betrachtet. Die Landesregierung begrüßt den niedersächsischen Vorstoß aus 2012. 3. Wurde aus der Sicht der Landesregierung mit der Gesetzesänderung von 2013 erreicht, dass mehr Härtefälle berücksichtigt werden konnten, um problematische Familienzusammenführungen vornehmen zu können? Wenn ja, in wie vielen Fällen? Am 14. September 2013 ist das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) in Kraft getreten. Alle im Bundesgebiet wohnenden Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler haben nunmehr die Möglichkeit, im Herkunftsgebiet verbliebene Ehegatten und Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid nachträglich einzubeziehen. Das Einbeziehungsverfahren nach § 27 Abs. 2 Satz 3 BVFG ist ein Antragsverfahren, das erst nach der ständigen Aufenthaltnahme der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler im Bundesgebiet durchgeführt werden kann. Das Verfahren dient der nachträglichen Familienzusammenführung und wird vom Bundesverwaltungsamt durchgeführt. Nach der datentechnischen Erfassung werden zunächst die persönlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche Einbeziehung geprüft. Antragsteller (Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler) müssen in Besitz eines Aufnahmebescheides sein. Zur Überprüfung der Spätaussiedlereigenschaft werden die Akten der unteren Verwaltungsbehörden und des Bundesverwaltungsamtes beigezogen . Antragsberechtigt sind allein Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. Danach erfolgt die Prüfung , ob die Einzubeziehenden Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die hierfür erforderlichen Sprachkenntnisse entsprechen der Kompetenzstufe A 1 des „Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen: Lernen, lehren und beurteilen“ des Europarates. Nach der Geschäftsstatistik des Bundesverwaltungsamtes beträgt die Anzahl der im Schriftverfahren erteilten positiven Bescheide bei nachträglicher Einbeziehung bundesweit: Positive Bescheide bei nachträglicher Einbeziehung bundesweit in den Jahren 2011 0 2012 29 2013 1.571 2014 2.303 2015 2.765 2016 Stand Mai 1.195 Zu den Zugangszahlen deutscher Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler im Jahr 2015 erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, dass sich der Zuzug von Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland das dritte Jahr in Folge erhöht habe. Diese Entwicklung sei insbesondere auf das Zehnte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes zurückzuführen. Durch die Gesetzesnovellierung, so Koschyk, wurden die Voraussetzungen für die Aufnahme als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie die Familienzusammenführung bislang getrennter Spätaussiedlerfamilien wesentlich erleichtert. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 6 Während im Jahr 2013 noch 2.427 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und deren Familienangehörige aufgenommen wurden, waren es in 2014 mit 5.649 Personen bereits mehr als doppelt so viele. Im Jahr 2015 kamen im Vergleich zum Vorjahr mit 6.118 Personen nochmals rund 500 Personen mehr nach Deutschland. Die führenden Herkunftsländer sind seit Jahren die Russische Föderation, Kasachstan und die Ukraine. Mehr als 90 Prozent (5.674) der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler kamen 2015 aus diesen Ländern. Während sich die Zuzugszahlen weiter erhöht haben, hat sich die Zahl der Anträge auf Aufnahme als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, Ehegatte oder dessen Abkömmling - die i.d.R. vor einer Ausreise gestellt und bewilligt werden müssen - im Vergleich zum Vorjahr erheblich reduziert. Wurden in 2014 noch 30.009 Anträge gestellt, waren es 2015 nur noch 18.011. Diese Zahlenentwicklung bestätigt laut dem Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk, dass der mit der Gesetzesänderung 2013 verfolgte Zweck, Familienzusammenführungen weiter zu erleichtern, erreicht wurde. Natürlich sind diese Zahlen nicht mehr mit den früheren Aufnahmezahlen zu vergleichen; dennoch konnte in den letzten drei Jahren ein nicht unerheblicher Anstieg der Zuzugszahlen verzeichnet werden. Besonders positiv wirkt sich die Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen laut dem aktuellen Migrationsbericht 2014 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auch auf die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland aus. Da die zuwandernden Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler relativ jung sind (77 Prozent sind unter 45 Jahre) federt der Zuzug deutscher Aussiedler die demographische Entwicklung in Deutschland ab. 4. Wie verteilen sich derzeit die aufgenommenen Spätaussiedler auf die Landkreise, die kreisfreien Städte und die Region Hannover? Gibt es Siedlungsschwerpunkte? Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sind Deutsche im Sinne des Artikel 116 Abs. 1 Grundgesetzes (GG). Artikel 11 GG gewährt allen Deutschen das Grundrecht auf Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet. Das Grundrecht darf nur durch ein förmliches Parlamentsgesetz eingeschränkt werden. Eine Einschränkung erfolgte bis Ende 2009 gemäß des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler – Wohnortzuweisungsgesetz. Nach dem Wegfall dieser bundesgesetzlichen Regelung werden Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Niedersachsen nicht mehr einem Wohnort zugewiesen. Wie sich derzeit die in Niedersachsen aufgenommenen Spätaussiedler auf die Landkreise, die kreisfreien Städte und die Region Hannover verteilen, lässt sich daher nicht genau beziffern. Aufschluss über Bevölkerungsanteile und Siedlungsschwerpunkte geben mikrozensische Erhebungen, die vom Landesamt für Statistik Niedersachsen durchgeführt werden. Nach Ergebnissen des Mikrozensus gab es im Jahr 2014 rund 340.000 Spätaussiedler in Niedersachsen. Spätaussiedler sind im amtlichen Sprachgebrauch Menschen, die im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens als deutsche Volkszugehörige seit dem 1. Januar 1993 nach Deutschland übersiedelt sind. Vorher benannte man sie nach dem Bundesvertriebenengesetz als Aussiedler. Der Begriff umfasst vor allem die Angehörigen von deutschen Minderheiten, deren Familien teilweise seit Generationen in Ostmitteleuropa, Osteuropa, Südosteuropa und teilweise in Asien gelebt haben und die seit 1990 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Es können leider keine belastbaren Daten flächendeckend für Kreise geliefert werden, da sie vom Landesamt für Statistik nicht zur Verfügung gestellt werden. In der anliegenden Tabelle finden sich deshalb Auswertungen des Mikrozensus auf der Ebene der regionalen Anpassungsschichten. „Regionale Anpassungsschichten“ sind Zusammenfassungen von Kreisen, die im Durchschnitt 500.000 Einwohner umfassen. „Regionale Schichten“ sind Zusammenfassungen von Kreisen, von durchschnittlich etwa 350.000 Einwohnern. Großstädte ab 200.000 Einwohnern und andere Regionen ab 250.000 Einwohnern, die in der Regel ein oder mehrere Kreise umfassen, konnten auch eigene regionale Schichten bilden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 7 Der Anteil der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler an der niedersächsischen Bevölkerung beträgt im Durchschnitt 4,4%. Die Werte in den einzelnen Anpassungsschichten bewegen sich zwischen 2,2 % im Nordwesten (SK Emden, LK Leer, Aurich, SK Wilhelmshaven, LK Friesland, Wittmund, Wesermarsch) und 6,3 % im südlich angrenzenden Gebiet (LK Ammerland, Cloppenburg, SK Delmenhorst, Oldenburg, LK Oldenburg) sowie 6,1 % im Westen „SK Osnabrück, LK Osnabrück, Vechta, Emsland, Grafschaft Bentheim“. Die Stadt Hannover weist einen Anteil von 4,7 % und die Region Hannover (ohne Landeshauptstadt) von 4,3 % auf. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Niedersachsen 2014 nach Regionalen Schichten des Mikrozensus und Bevölkerungsanteile Regionale Schicht Bevölkerung darunter Spätaussiedler Anteil in 1000 Hannover-Stadt 516,2 24,5 4,7% Hannover-Umland 605,9 26,0 4,3% LK Ammerland, Cloppenburg, SK*) Delmenhorst, Oldenburg, LK Oldenburg 639,1 40,4 6,3% LK Cuxhaven, Stade, Harburg, Osterholz, Rotenburg/Wümme 908,8 24,7 2,7% LK Diepholz, Nienburg/Weser, Schaumburg 485,7 24,3 5,0% LK Goslar, Osterode am Harz, Göttingen, Northeim 595,6 18,4 3,1% LK Hameln-Pyrmont, Holzminden, Hildesheim 494,6 18,7 3,8% LK Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Celle, Heidekreis, Verden 762,4 24,7 3,2% SK Emden, LK Leer, Aurich, SK Wilhelmshaven, LK Friesland, Wittmund, Wesermarsch 720,0 15,6 2,2% SK Osnabrück, LK Osnabrück, Vechta, Emsland, Grafschaft Bentheim 1.089,8 66,6 6,1% SK Wolfsburg, LK Gifhorn, Helmstedt, Wolfenbüttel, SK Braunschweig, Salzgitter, LK Peine 981,0 56,5 5,8% Summe 7.799,1 340,4 4,4% © Landesamt für Statistik Niedersachsen, Hannover - 2016 *) Stadtkreis Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 8 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Niedersachsen 2014 nach Regionalen Anpassungsschichten des Mikrozensus und früherer Staatsangehörigkeit/Herkunftsland Regionale Anpassungsschicht Spätaussiedler/- innen darunter Russische Föderation Kasachstan in 1000 Hannover-Stadt 24,5 (5,6) / Hannover-Umland 26,0 / (5,2) LK Ammerland, Cloppenburg, SK*) Delmenhorst, Oldenburg, LK Oldenburg 40,4 13,4 (9,7) LK Cuxhaven, Stade, Harburg, Osterholz, Rotenburg/Wümme 24,7 (7,8) / LK Diepholz, Nienburg/Weser, Schaumburg 24,3 (6,5) (6,2) LK Goslar, Osterode am Harz, Göttingen, Northeim 18,4 / / LK Hameln-Pyrmont, Holzminden, Hildesheim 18,7 / / LK Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen, Celle, Heidekreis, Verden 24,7 (5,7) (7,4) SK Emden, LK Leer, Aurich, SK Wilhelmshaven, LK Friesland, Wittmund, Wesermarsch 15,6 / / SK Osnabrück, LK Osnabrück, Vechta, Emsland, Grafschaft Bentheim 66,6 26,0 19,0 SK Wolfsburg, LK Gifhorn, Helmstedt, Wolfenbüttel, SK Braunschweig, Salzgitter, LK Peine 56,5 10,5 10,2 Summe 340,4 92,6 78,7 / = Nicht veröffentlicht, weil nicht ausreichend genau oder nicht repräsentativ () = Aussagewert eingeschränkt, da Zahlenwert statistisch relativ unsicher © Landesamt für Statistik Niedersachsen, Hannover – 2016 *) Stadtkreis Die als Anlage 7 beigefügte geografische Übersicht des Statistischen Bundesamtes, Ergebnisse des Mikrozensus 2014, bildet den Anteil der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler an der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Prozent ab. 5. Wie viele Spätaussiedler werden voraussichtlich in diesem Jahr in Niedersachsen aufgenommen? Welche Entwicklung der Zahlen für die nächsten Jahre erwartet die Landesregierung? Die Monatsstatistik des Bundesverwaltungsamtes (Stand: Juni 2016) weist bis Mai 2016 eine weiterhin leicht steigende Zahl an Registrierungen / Verteilungen aus. Für Juni erstmals einen negativen Vergleichswert 2016 zu 2015. Sofern sich der Trend der Monate Januar bis Juni 2016 fortsetzt, dürften die diesjährigen Verteilungszahlen annähernd dem Vorjahreswert (6.118 Personen) entsprechen. Die aktuellen Zahlenwerte können der Anlage 4 entnommen werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 9 Hinsichtlich der Entwicklung der Zahlen für die nächsten Jahre verweist das Büro des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten beim BMI auf die Anzahl der bisher erteilten Zusagen des Bundesverwaltungsamtes. Die Entwicklung bei den aktuellen statistischen Zahlen im Aufnahmeverfahren - insbesondere im Vergleich zum Vorjahr – stellt sich wie folgt dar: • Die Anzahl der Registrierungen von in Deutschland aufgenommenen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler steigt seit 2013 und lag in 2015 bei 6.118 Personen. Bis einschließlich Mai dieses Jahres wurden 2.104 Personen aufgenommen. Im Vergleichszeitraum zum Vorjahr ist ein weiterer Anstieg zu verzeichnen. • In 2015 wurden 18.011 Anträge gestellt. Bis Mai 2016 wurden mit 5.325 Anträgen deutlich weniger Anträge als im Vergleichszeitraum 2015 (9.551 Anträge) gestellt. • Im Jahr 2015 ergingen im Schriftverfahren insgesamt 3.426 positive und 763 negative Bescheide. 2.765 Anträge auf nachträgliche Einbeziehung wurden positiv und 488 negativ beschieden. Es ergingen 956 positive und 464 negative Bescheide in Wiederaufgreifensverfahren aus dem Herkunftsgebiet. Höherstufungsanträge, die von bereits in Deutschland lebenden Spätaussiedlern gestellt wurden, werden nahezu durchgehend abgelehnt: hier ergingen 4 positive und 2.921 negative Bescheide. Die Verteilung der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler durch den Bund auf die Länder (Verteilverfahren nach § 8 Bundesvertriebenengesetz) orientiert sich an dem Königsteiner Schlüssel. Die danach auf vorstehende Zahlen des Bundes für Niedersachsen anzuwendende Quote liegt in 2016 bei 9,32104 %. Eine belastbare Prognose der Entwicklung der Aufnahmezahlen für die nächsten Jahre kann nicht abgegeben werden. 6. Welche Möglichkeiten der Teilnahme an Deutschkursen bestehen für erwachsene und für jugendliche Spätaussiedler? Welche Wartezeiten bestehen vor einer Teilnahme? Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler haben im Rahmen des Erstaufnahmeverfahrens in der Landesaufnahmebehörde die Möglichkeit, am sogenannten Wegweiserkurs-Angebot teilzunehmen. Das Angebot beinhaltet auch ein Sprachatelier. Die seitens der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen für alle Bewohnerinnen und Bewohner angebotenen Wegweiserkurse stellen eine sprachliche und kulturelle Erstorientierung dar. Sie sind daher weder als Deutsch- noch als Sprachkurs im engeren Sinne zu klassifizieren. An diesen Wegweiserkursen nehmen Spätaussiedlerinnen und Spätaussieder (i. d. R. mangels Interesses) nicht teil. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge haben gemäß § 9 Absatz 1 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) Anspruch auf eine einmalige kostenlose Teilnahme an einem Integrationskurs, wenn sie nach dem 1. Januar 2005 nach Deutschland gekommen sind. Die Teilnahmeberechtigung wird bei Einreise in das Bundesgebiet vom Bundesverwaltungsamt ausgehändigt. Der Integrationskurs umfasst einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von gleicher Dauer zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse sowie einen Orientierungskurs zur Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland. Von dem generellen Teilnahmeanspruch ausgenommen sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die eine schulische Ausbildung aufnehmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in Deutschland fortsetzen. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie deren Ehegatten und Abkömmlinge, die vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet aufgenommen wurden, können auf Antrag ebenfalls kostenlos an einem Integrationskurs teilnehmen, sofern sie noch keinen Sprachförderlehrgang besucht haben, der nach den bis zum 31.12.2004 geltenden Regelungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) durch die Agentur für Arbeit gefördert wurde. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 10 Wurde bereits ein solcher Sprachförderlehrgang absolviert, besteht immer noch die Möglichkeit, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Antrag auf Zulassung zum Integrationskurs zu stellen. Grundsätzliche Wartezeiten vor Beginn eines Integrationskurses gibt es nicht. Vielmehr hängt die Möglichkeit der Teilnahme an einem Kurs vom Angebot vor Ort ab. 7. Wie werden diese Sprachkurse finanziert? Die Sprachkurse werden durch das BAMF finanziert. Die Kosten für den Abschlusstest werden gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 der Integrationskursverordnung (IntV) ebenfalls vom BAMF übernommen. Unter bestimmten Voraussetzungen wird auf Antrag auch ein Zuschuss zu den notwendigen Fahrtkosten gewährt. 8. Wie erfolgt die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen? Welche Schwierigkeiten treten hierbei auf? Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler bzw. BVFG-Berechtigte können nach den geltenden Bestimmungen einen Anerkennungsbescheid über schulische Abschlüsse beanspruchen. Die Bearbeitung der Anträge erfolgt im Niedersächsischen Kultusministerium. Als Grundlage für die Bescheide gilt der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03.12.1971 i. d. F. vom 12.09.1997 über die „Eingliederung von Berechtigten nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in Schule und Berufsausbildung“. Verfahren und Zuständigkeiten sind im „Orientierungsleitfaden zu Fragen der Anerkennung ausländischer Schul-, Berufs- und Hochschulabschlüsse in Niedersachsen" festgelegt (vgl. Internetadresse www.ms.niedersachsen.de/service/publikationen). Um einen Bescheid erteilen zu können, müssen die Zeugnisinhaberinnen und Zeugnisinhaber folgende Unterlagen einreichen: − tabellarischen Lebenslauf mit Angabe der durchlaufenen Schulen und der weiteren Stationen der Ausbildung, − amtlich beglaubigte Fotokopie des Originalzeugnisses oder Original des ausländischen Sekundarschulabschlusszeugnisses mit Fächer- und Notenübersicht, − amtlich beglaubigte Fotokopie oder Original der Übersetzung zum ausländischen Schulzeugnis, − wenn zutreffend amtlich beglaubigte Fotokopien oder Originale von Studiennachweisen, „Akademischen Bescheinigungen“ oder Hochschuldiplomen mit Fächer- und Notenübersichten, − amtlich beglaubigte Fotokopien oder Originale der Übersetzungen zu den Studiennachweisen, − Kopie des Vertriebenenausweises oder der Bescheinigung nach § 15 BVFG, − ggf. Kopie des Nachweises über eine Namensänderung. Geprüft werden bei der Gleichwertigkeit schulischer Bildungsstände sowohl die im Herkunftsland bzw. in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion erworbenen Abschlüsse allgemein bildender als auch berufsbildender Schulen (z. B. Technikum, College oder mittlere Fachlehranstalt). Gegebenenfalls sind darüber hinaus in die Anerkennung ein oder zwei absolvierte Studienjahre oder im Hinblick auf die Gleichwertigkeit mit dem Abitur die Abschlussdiplome akkreditierter Hochschulen mit einzubeziehen. Folgende Abschlusszuordnungen ergeben sich aus den einschlägigen Rechtsvorschriften für BVFG-Berechtigte unter Berücksichtigung der Bewertungsgruppen in den einschlägigen Bewertungsvorschlägen (BV) nach der Datenbank www.anabin.kmk.org: − Abschlusszeugnis der acht- oder (neu seit ca. 2013) neunjährigen Basisschule Attestat ob osnovnom obscem obrazovanii*: Hauptschulabschluss; − das Abschlusszeugnis Attestat o srednem (polnom) obscem obrazovanii* (nach 10-jähriger Schulzeit) oder vergleichbarer Diplomabschluss* (berufsbildend) nach elf oder zwölf Schuljahren mit entsprechender Fächerbreite allgemein bildender Fächer aus zwei Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 11 sprachlichen Fächern, Mathematik, einem naturwissenschaftlichen und gesellschaftskundlichen Fach: Sekundarabschluss I – Realschulabschluss; − Attestat o srednem…* gem. RUS-BV08 in der Datenbank „anabin“ oder vergleichbare Klassifikationen über den Hochschulzugang nach Besuch des Studienkollegs/Feststellungsprüfung: Erweiterter Sekundarabschluss I; − Attestat o srednem…* i. V. m. Studienzeiten nach den jeweils geltenden BV als fachorientierte Hochschulzugangsberechtigung (HZB): fachgebundene Hochschulreife; − Diplom oder Hochschulabschluss einer akkreditierten Hochschule nach § 18 Abs. 9 Niedersächsisches Hochschulgesetz (NHG): allgemeine Hochschulreife. [* exemplarisch die russischsprachige Zeugnisbezeichnung. In den Nachfolgestaaten werden diese Abschlüsse z. T. in der Staatssprache bezeichnet (z. B. Kasachstan: (Zalpy) orta bilim turaly attestat für das Attestat o srednem…)] Sofern sich Schwierigkeiten in der Bewertung der ausländischen Bildungsnachweise ergeben sollten, kann in Zweifelsfällen, z. B. in der Frage der Akkreditierung von privaten Hochschulen im Aussiedlungsgebiet, eine gutachterliche Stellungnahme bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) in Bonn erbeten werden. Probleme ergeben sich in den Fällen, in denen BVFG-Berechtigte in das Aussiedlungsgebiet zurückkehren, um dort einen schulischen Abschluss zu erwerben, weil sie - trotz Integrationshilfen - nach der Aussiedlung keinen erfolgreichen Schulbesuch absolvieren konnten oder den Schulbesuch abbrechen mussten. Dieses gilt allerdings als Umgehungstatbestand. Der ausländische Bildungsabschluss kann dann grundsätzlich nicht nach den Ausnahmeregelungen für BVFG-Berechtigte anerkannt werden. Die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen richtet nach den 2012 eingeführten sogenannten Anerkennungsgesetzen - dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) des Bundes für bundesrechtlich geregelte Berufe und dem Niedersächsischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (NBQFG) für landesrechtlich geregelte Berufe - sowie den berufsspezifischen fachrechtlichen Bestimmungen. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler haben zudem alternativ die Möglichkeit, die Anerkennung ihrer im Ausland abgelegten Prüfungen und erworbenen Befähigungsnachweise nach § 10 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) zu beantragen. Bei den Verfahren nach dem BQFG, dem NBQFG, bzw. den fachgesetzlichen Bestimmungen sowie dem Verfahren nach § 10 Abs. 2 BVFG handelt es sich um Gleichwertigkeitsprüfungen. Die im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen werden am Maßstab des entsprechenden hiesigen Referenzberufes bzw. den entsprechenden hiesigen Prüfungen oder Befähigungsnachweisen bewertet. In den Verfahren nach den sogenannten Anerkennungsgesetzen gehen neben den Ausbildungsnachweisen weitere Nachweise und Qualifikationen in die Gleichwertigkeitsprüfung ein, z. B. einschlägige Berufserfahrung. Sofern zunächst keine Gleichwertigkeit der Berufsqualifikationen vorliegt, haben Anerkennungsinteressierte die Möglichkeit, durch Qualifizierungs- oder Ausgleichsmaßnahmen zu einer vollen Anerkennung zu gelangen. Mit Änderung des NBQFG in 2016 wurde auch im Bereich der nicht-reglementierten Berufe ein Anspruch geschaffen, durch Qualifizierungsmaßnahmen fehlende Kompetenzen nachzuerwerben. Für die nicht-reglementierten Berufe unterstützt die formale Anerkennung die Aufnahme einer den persönlichen Kompetenzen entsprechende Tätigkeit, da die vorhandenen Berufsqualifikationen gegenüber Arbeitgebern leichter darzustellen sind. Im Bereich der reglementierten Berufe ist u. a. die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens Voraussetzung zur Berufsaufnahme oder - ausübung. Die Anerkennungsinteressierten werden unterstützt durch ein umfangreiches Beratungsangebot in Niedersachsen. Insbesondere bietet das IQ Netzwerk Niedersachsen flächendeckend unabhängige Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung an. Diese Aufgaben sind Teil des Bundesprogramms „ESF-Qualifizierung im Kontext Anerkennungsgesetz“. Das Land leistet seit 2015 eine Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 12 Kofinanzierung zu den ESF- und Bundesmitteln für das Netzwerk, um das Beratungsangebot abzusichern und weiterzuentwickeln sowie die Beratungs- und Qualifizierungsangebote zu erweitern. 2016 beträgt die Landesförderung bis zu 960.000 €. Die Durchführung der Anerkennungsverfahren kann sich komplex darstellen. Abweichende Berufsbilder und Ausbildungswege müssen einem deutschen Referenzberuf gegenüber gestellt werden. Die für die Feststellung oder Bewertung der Gleichwertigkeit erforderlichen Dokumente sind durch die Antragstellenden beizubringen. Teilweise sind Übersetzungen in deutscher Sprache erforderlich. Gegebenenfalls sind durch die zuständigen Stellen zusätzlich Gutachten einzuholen. Ist für die Anerkennungsinteressierten die Vorlage von Unterlagen nicht möglich, kann ein sonstiges geeignetes Feststellungsverfahren zur Anwendung kommen. Für die Betroffenen bedeutet die Beantragung eines beruflichen Anerkennungsverfahrens zeitlichen wie finanziellen Aufwand. Sollte eine Qualifizierungsmaßnahme zum Erreichen der vollen Anerkennung notwendig werden, erhöht sich dieser Aufwand. Die sich gegebenenfalls hieraus zu bewältigenden Schwierigkeiten stellen sich für alle Anerkennungsinteressierten gleicherweise, unabhängig von ihrer Herkunft. Die Landesregierung tritt für eine regelmäßige Übernahme der Kosten von Anerkennungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Leistungsberechtigte nach dem SGB II und SGB III im Rahmen arbeitsmarktbezogener Maßnahmen durch den Bund ein. Weiterhin wurde der Bund gebeten, für nicht Leistungsberechtigte die Einrichtung eines Stipendienprogramms zu prüfen. Aus einer Umfrage in 2015 an die Bundesländer zur Anerkennung von pädagogischen Berufsqualifikationen von Aussiedlerinnen und Aussiedlern sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern wurde deutlich, dass seitens der Länder keine grundsätzlichen Schwierigkeiten bei der Anerkennung russischer Abschlüsse gesehen werden. Für Niedersachsen wurde festgestellt, dass bei der Anerkennung von Lehrkräften seit Inkrafttreten des NBQFG eine Vielzahl von Verfahren für Lehrerinnen und Lehrern aus den Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) - ohne differenzierte Erfassung von Spätaussiedlerinnen und -aussiedlern - durchgeführt wurde. Aufgrund der anderen Struktur der dortigen Ausbildung von Lehrkräften sind in der Regel Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, um eine volle Gleichwertigkeit der Berufsqualifikationen zu erreichen. Im Bereich der Anerkennung von Sozialpädagoginnen/-pädagogen, Sozialarbeiterinnen/- arbeitern und Heilpädagoginnen/-pädagogen sind russlanddeutsche Antragsstellende zahlenmäßig gering vertreten. Besondere Schwierigkeiten für diese Personengruppe sind nicht bekannt. Für diese Berufsfelder sind neben der fachlichen Qualifikation gute deutsche Sprachkenntnisse erforderlich, um einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Sprachkurse für Lehrkräfte werden im Rahmen der vom IQ Netzwerk Niedersachsen geförderten Maßnahmen angeboten. Zur Information: Reglementiert sind „berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Ausübung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist“ (§ 3 Abs. 5 BQFG, NBQFG). Nicht reglementiert sind alle anderen Berufe, bei denen es keinen gesetzlich vorgeschriebenen Berufszugang gibt. 9. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über die beruflichen und schulischen Qualifikationen der Spätaussiedler vor, die in den letzten drei Jahren nach Niedersachsen gekommen sind? Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor. 10. Wie viele Spätaussiedler haben in den letzten drei Jahren die Schule ohne einen Abschluss verlassen? Ein Merkmal „Spätaussiedler“ wird statistisch im Rahmen der Erhebung zur Unterrichtsversorgung an allgemein bildenden Schulen und an berufsbildenden Schulen nicht erfasst. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 13 Auf Basis einer konkreten Definition eines Merkmals „Spätaussiedler“ müsste eine Abfrage bei den rund 1.000 weiterführenden öffentlichen allgemein bildenden Schulen und den rund 140 öffentlichen berufsbildenden Schulen durchgeführt werden. Diese Abfrage wäre auch rückwirkend für die letzten drei Jahre durchzuführen. Um die o. g. Frage beantworten zu können, ist davon auszugehen, dass die Schulen im großen Umfang Altakten ggf. aus Zentralregistraturen wiederbeschaffen, sichten und auswerten müssten. Die für die Durchführung einer solchen Abfrage erforderlichen personellen und sächlichen Ressourcen in den Schulen und den Schulbehörden sind derzeit nicht abschätzbar, würden aber aus Sicht der Landesregierung insbesondere die betroffenen Schulen unzumutbar belasten. Daher wurde von einer solchen Abfrage abgesehen. 11. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, ob es bei Spätaussiedlern häufiger zu kriminellen Auffälligkeiten kommt? Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor. 12. Wie hoch ist der Anteil der Drogentoten bei Spätaussiedlern in den letzten drei Jahren? In Jahr 2013 waren in Niedersachsen 60 Rauschgifttote, davon 3 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler zu beklagen. In 2014 waren 7 der insgesamt 73 Rauschgifttoten Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. 2015 hatten 14 der insgesamt 70 Rauschgifttoten (Spät-) Aussiedlerhintergrund. 13. Wie hoch ist der Anteil an Spätaussiedlern im Strafvollzug, und welche speziellen Probleme gibt es dort mit Spätaussiedlern? Der Anteil der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler unter den in Niedersachsen inhaftierten Personen wird nicht statistisch erfasst. Eine Stichtagsabfrage zum 10. Juni 2016 hat ergeben, dass sich unter den 4.978 Personen, die in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten und der Jugendanstalt inhaftiert sind, 425 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler befinden. Das entspricht einem Anteil von rund 8,5 Prozent. Von den 425 inhaftierten Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern liegen bei 58 Personen Hinweise auf die Zugehörigkeit zur Organisierten Kriminalität und bei 97 Personen belastbare vollzugliche Hinweise auf subkulturelle Aktivitäten vor. Im Ergebnis sind danach rd. 36,5 % der inhaftierten Spätaussiedler potentiell erhöht sicherheitsrelevant und stehen im besonderen Fokus der Fachbereichsleitungen Sicherheit der jeweiligen Justizvollzugseinrichtungen. Im Jugend- und Jungtätervollzug sowie im Frauenvollzug treten keine speziellen Probleme mit Spätaussiedlern auf. In den übrigen Justizvollzugsanstalten ist eine streng hierarchische Gruppenorganisation zu beobachten. Dort unterliegen inhaftierte Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler einem erhöhten Gruppendruck. Die russische Sprache wird von der Gruppe gezielt zur Abschottung eingesetzt. Es liegen belastbare Erkenntnisse vor, dass netzwerkartige subkulturelle Strukturen landesweit aufgebaut und aufrechterhalten werden. Zur Abwehr der damit verbundenen Gefahren wurde in den Justizvollzugseinrichtungen ein einheitliches und standardisiertes Informationsmanagement eingeführt. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse werden von einer zentralen Stelle anstaltsübergreifend analysiert und ausgewertet. Darauf basierend werden die im Einzelfall erforderlichen Gegensteuerungsmaßnahmen eingeleitet. 14. Wie hat sich die Förderung des Landes Niedersachsen für die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in den letzten drei Jahren entwickelt? Neben einer Unterstützung bei Vorbereitung und Durchführung von diversen Veranstaltungen sowie bei der Beantragung von Bundesmitteln, erhielt die Landesgruppe Niedersachsen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. finanzielle Förderung für die Durchführung von Maßnahmen und Projekten. Die dafür gewährten Förderungen wurden finanziert aus Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 14 Haushaltsmitten der Niedersächsischen Staatskanzlei und des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport. Seitens der Niedersächsischen Staatskanzlei wurde die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in den letzten Jahren anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Partnerschaft mit Niedersachsen gefördert: • 2013 = 14.000 € für ein Projekt mit Perm. Darüber hinaus wurde ein weiteres 20-jähriges Jubiläum einer Partnerschaft mit Niedersachsen gefördert: • 2012 = 14.700 € für ein Projekt mit Tjumen Aus Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport wurden diverse Projekte und Maßnahmen in den letzten drei Jahren gefördert: • 2013 = 39.454 € • 2014 = 22.000 € • 2015 = 46.000 € • Im laufenden Haushaltsjahr 2016 werden voraussichtlich 37.400 € Projektfördermittel ausgezahlt. 15. Welche Initiativen und Projekte kommunaler, kirchlicher, karitativer Träger oder von Vereinen, die sich mit der Integration von Spätaussiedlern befassen und die von der Landesregierung unterstützt werden, gibt es in Niedersachsen? Neben Förderung und Unterstützungsleistungen an die Landesgruppe Niedersachsen der LMDR wurden Projekte folgender Einrichtungen aus Mitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport finanziell unterstützt: • Heimatverein der Deutschen aus Russland e.V. 49696 Molbergen, • Caritasverband im Weserbergland e.V., 31785 Hameln, • MI & V e.V. , 30419 Hannover, • Nordost-Institut, Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa e.V. (IKGN e. V.) an der Universität Hamburg, 21335 Lüneburg • Deutsch-Russische Gesellschaft Göttingen e.V., 37081 Göttingen. Die Fördermittel aus Haushaltsmitteln des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport beliefen sich in den Jahren 2013 bis 2015 auf • 2013 = 100.400 € • 2014 = 58.150 € • 2015 = 58.000 € • Im laufenden Haushaltsjahr 2016 werden voraussichtlich Projektfördermittel in Höhe von 75.000 Euro ausgezahlt. Darüber hinaus stehen alle im Themenfeld Migration und Teilhabe erlassenen Richtlinien des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung grundsätzlich auch für die Integrationsförderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern zur Verfügung. Entscheidend ist, dass alle Integrationsmaßnahmen so früh wie möglich beginnen, die Maßnahmen aufeinander aufbauen, dass Alternativen eingeplant und Brüche vermieden werden. Spezielle Programme für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler gibt es nicht, vielmehr können sie von allen im Themenfeld Migration und Teilhabe erlassenen Richtlinien profitieren. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Richtlinien: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 15 Richtlinie Integrationslotsinnen und Integrationslotsen Das Land fördert die Qualifizierungsmaßnahmen der Lotsinnen und Lotsen seit dem Jahr 2008. Ziel des Programms ist es Kommunen bei der Aufwertung und Weiterentwicklung des ehrenamtlichen Engagements zu fördern und zu unterstützen. Dieses kommt Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Partizipationsprozess zu Gute. Richtlinie Migration, Teilhabe und Vielfalt Zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund sowie zur nachhaltigen Stärkung ihrer Teilhabe in Gesellschaft, Ausbildung und Arbeitsmarkt fördert das Land Projekte, die das Zusammenwachsen und den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. Hierzu gehören die Förderung der wechselseitigen Wertschätzung sowie die Akzeptanz kultureller, sprachlicher und ethnischer Vielfalt. Gefördert werden u.a. Veranstaltungen, Qualifizierungsprojekte oder die Erstellung geeigneter Medien, mit verschiedenen sprachlichen Schwerpunkten, die sich an Menschen mit und /oder ohne Migrationshintergrund richten. Richtlinie Demokratie und Toleranz Zur Verbesserung der Situation von Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen werden Zuwendungen für Maßnahmen gewährt, die integrationsfeindlichen Tendenzen, fremdenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen in unserer Gesellschaft entgegentreten und/oder positiv für die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung, insbesondere bei Jugendlichen, werben. Richtlinie Koordinierungsstellen Migration und Teilhabe Das Land Niedersachsen fördert seit 2014 die Einrichtung von „Koordinierungsstellen Migration und Teilhabe“ in den Landkreisen, den kreisfreien Städten, der Region Hannover, der Landeshauptstadt Hannover sowie der Stadt Göttingen. Alle landesweit 48 antragsberechtigten Gebietskörperschaften haben zwischenzeitlich eine Koordinierungsstelle eingerichtet. Sie erhalten die Förderung für eine halbe Personalstelle, die in gleicher Höhe von der Kommune gegenfinanziert werden muss. Zweck ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und einer chancengerechten Teilhabe im Flächenland Niedersachsen sowie die landesweite Etablierung eines lokalen Migrations- und Teilhabemanagements für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Richtlinie Migrationsberatung Es wird ein flächendeckendes Beratungsangebot für zugewanderte und zuwandernde Menschen als Ergänzung zur vom Bund finanzierten Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und den Jugendmigrationsdiensten (JMD) angestrebt. Beraterinnen und Berater unterstützen die zu uns kommenden Menschen z. B. bei der Wohnungssuche, bei der Vermittlung in eine notwendige medizinische Behandlung, bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder bezüglich des Schulbesuchs ihrer Kinder. 16. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um die Integration von Spätaussiedlern in den Arbeitsmarkt zu erleichtern? Wesentlich für den Zugang zum niedersächsischen Arbeitsmarkt von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte - und insbesondere für ihre qualifikationsadäquate Einbindung - ist, dass die im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen hier eingesetzt werden können. Auch soweit es keine zwingende Voraussetzung ist, bietet ein Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen mit dem deutschen Referenzberuf die Chance, vorhandene Kompetenzen für Dritte transparent darzustellen (siehe auch Antwort zu Frage 8). Der mit den sogenannten Anerkennungsgesetzen geschaffene Anspruch auf Prüfung der Gleichwertigkeit ist vor diesem Hintergrund statusunabhängig; das Verfahren richtet sich sowohl an Zuwandernde wie auch an bereits in Niedersachsen lebende Menschen mit ausländischen Berufsqualifikationen. Soweit diese Personen bislang außerhalb des erlernten Berufes oder unterhalb ihrer Qualifikation tätig sind, können sie mit dem beruflichen Anerkennungsverfahren ihre Chancen auf eine angemessene Tätigkeit verbessern. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 16 Mit dem ESF-Förderprogramm „Qualifizierung und Arbeit“ des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr werden Stabilisierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose und erwerbsfähige Leistungsberechtigte, insbesondere Langzeitarbeitslose, mit dem Ziel der nachhaltigen und bedarfsdeckenden Integration in den Arbeitsmarkt gefördert. Arbeitslosen wird die Möglichkeit eröffnet, an unterschiedlich ausgeprägten Projekten von Bildungsträgern teilzunehmen, die Angebote von Basisqualifizierungen und modularen Teilqualifizierungen bis hin zu einer Externenprüfung enthalten. Ziel aller Projekte ist die Vermittlung der Teilnehmenden in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder eine Berufsausbildung. Das ESF-Förderprogramm „Qualifizierung und Arbeit“ richtet sich an verschiedene Zielgruppen, sodass auch arbeitslose Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler in Projekten unterstützt werden können. Zusätzlich können im Rahmen von Förderaufrufen Schwerpunktsetzungen für spezielle Zielgruppen festgelegt werden. Der Umgang von Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung vollzieht sich in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens. Die Landesregierung verfolgt daher für die Landesverwaltung seit mehreren Jahren das Ziel der interkulturellen Öffnung. Hierdurch wird die interkulturelle Handlungskompetenz verbessert. Dies wirkt sich auf den Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern aus, bedeutet jedoch auch den Anspruch, den Anteil der Beschäftigten mit eigener oder familiärer Zuwanderungsgeschichte zu erhöhen. Die Maßnahmen des Landes sollen zudem in die Gesellschaft und die Wirtschaft hineinwirken und dazu beitragen, Offenheit zu fördern und Vorbehalte abzubauen. Von diesem Prozess profitieren auch Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler. 17. Wie hoch ist nach Erkenntnissen der Landesregierung die Arbeitslosigkeit jugendlicher und erwachsener Spätaussiedler in Niedersachsen mit welchen Qualifikationen? Zu dieser Frage kann aus der aktuellen Arbeitsmarktstatistik keine direkte Aussage getroffen werden. In der Arbeitsmarktstatistik wird lediglich die Staatsangehörigkeit abgefragt. Der Status nach dem Bundesvertriebenengesetz während und nach dem Aufnahmeverfahren wird im Rahmen der Arbeitsmarktstatistik nicht erfasst. Allerdings erhebt die Bundesagentur für Arbeit seit 2011 durch eine gesonderte Befragung den Migrationshintergrund von Arbeitslosen. Dabei wird auch die (Spät-) Aussiedlereigenschaft ausgewiesen. Die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig, die Erfassung somit nicht vollständig. Im Folgenden wurden die Arbeitslosendaten der Bundesagentur zu Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern mit eigener Migrationserfahrung für Niedersachsen zum Stand Dezember 2015 ausgewertet. Für die nachfolgende Generation (Personen mit Migrationshintergrund ohne eigene Migrationserfahrung) wird der Bezug zur Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler in den verfügbaren Daten nicht mehr differenziert dargestellt und in den nachstehenden Ausführungen auch nicht behandelt. Das festgestellte Ergebnis für die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler gilt auch im Hinblick auf die Anteilsverteilung nach Altersklassen innerhalb dieser Gruppe, womit die zahlenmäßige Besetzung der Altersklassen abgebildet wird. So machte bei den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedlern die Altersklasse der 15 bis unter 25 Jährigen lediglich 4,2 % aller Personen dieser Gruppe aus, wogegen der Anteil der 55 Jahre und Älteren 31,8 % betrug. Unter den Arbeitslosen mit Migrationshintergrund und eigener Migrationserfahrung befanden sich in Niedersachsen im Dezember 2015 12.039 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler. Ihr Anteil an allen Befragten mit und ohne Migrationshintergrund betrug 6,3 %. Die Anzahl der Befragten mit Migrationshintergrund betrug insgesamt 71.812 Personen (37,6 % aller Befragten). Die Verteilung der arbeitslosen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler ist regional stark gespreizt. So betrug ihr Anteil an den Befragten im Landkreis Cloppenburg 19,5 %, während er im Landkreis Wittmund bei lediglich 2,3 % lag. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 17 Im Rechtskreis des Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung belief sich der Anteil der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler an allen Befragten auf 6,0 %; im Rechtskreis des Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende betrug ihr Anteil 6,4 %. In der Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler lag der Anteil der weiblichen Arbeitslosen mit 6,7 % an allen befragten arbeitslosen Frauen über dem Anteil der männlichen Arbeitslosen (6,0 %) an allen befragten Männern. Dieses Verhältnis war unter den Befragten ohne Migrationshintergrund umgekehrt. Deutliche Unterschiede innerhalb der Gruppe der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler wie auch in Bezug auf die Befragten ohne Migrationshintergrund zeigen sich bei der Altersstruktur. Jüngere Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler sind tendenziell weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als ältere. Der Anteil der 15- bis unter 25-jährigen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedler an allen Befragten der Altersklasse betrug 2,9 %, für die 25- bis unter 35-Jährigen lag der Anteil bei 5,8 % und für die 35- bis unter 45-Jährigen bei 6,2 %. Für die Gruppe der 45- bis unter 55-Jährigen lag hingegen ein günstigerer Wert von 5,3 % vor, während die 55 Jahre und älteren Personen mit 9,7 % den höchsten Anteil aufwiesen. Die bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern festzustellende Verteilung findet sich in der Gruppe der Befragten ohne Migrationshintergrund nicht wieder. Bei diesem Personenkreis lagen jeweils Werte in ähnlicher Höhe vor, mit einem Anteil von 65,0 % an allen Befragten der Altersgruppe der 15- bis unter 25-Jährigen und von 68,7 % in der Altersgruppe der Personen, die 55 Jahre und älter waren. Etwas niedrigere Anteile zeigten die 25- bis unter 45- Jährigen. Im Vergleich der schulischen Bildungsabschlüsse von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern zu den Befragten ohne Migrationshintergrund sind leichte Unterschiede festzuhalten. Der Anteil der Personen ohne Hauptschulabschluss lag bei den Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedlern mit 13,2 % gegenüber 10,9 % in der Vergleichsgruppe höher. Hauptschulabschlüsse waren bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern seltener (38,6 % zu 43,2 %). Die Anteile bei der Mittleren Reife entsprachen sich nahezu (24,4 % und 24,9 %). Bei der (Fach-) Hochschulreife lag der Anteil bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern mit 12,0 % hinter dem Anteil bei Personen ohne Migrationshintergrund von 13,8 %. Diese Angaben werden allerdings verzerrt durch einen um 4,5 %-Punkte höheren Anteil fehlender Angaben zum Schulabschluss bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern1. Im Bereich der beruflichen Bildung besaßen arbeitslose Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler mit 59,0 % zu einem wesentlichen höheren Anteil keine abgeschlossene Berufsausbildung als Arbeitslose aus der Gruppe der Befragten ohne Migrationshintergrund, die zu 40,2 % ohne abgeschlossene Berufsausbildung waren. Auch hinsichtlich einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung zeigten sich deutliche Abweichungen zwischen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern und Befragten ohne Migrationshintergrund: Während letztere Gruppe zu 52,1 % über eine entsprechende Ausbildung verfügte, betrug der Wert für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler 33,3 %. Für beide hier betrachteten Gruppen niedrig und annähernd gleich fielen die Angaben für Arbeitslose mit akademischer Ausbildung aus; bei Befragten ohne Migrationshintergrund betrug der Anteil 6,1 % aller Personen dieser Gruppe und bei Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern 5,4 %. Fehlende Angaben zu abgeschlossenen Berufsausbildungen sind hier zu vernachlässigen. Danach weisen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler gegenüber der Vergleichsgruppe der befragten Arbeitslosen ohne Migrationshintergrund insgesamt ein niedrigeres berufliches Bildungsniveau auf, es liegt jedoch insgesamt deutlich über dem Ausbildungsniveau von arbeitslosen Ausländerinnen und Ausländern. 1 Quelle: „Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2016): Migrationshintergrund nach § 281 Abs.2 SGB III (=Arbeitsmarkt in Zahlen, Niedersachsen, Dezember 2015)“, vgl. Anlage. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 18 Diese Abweichungen spiegeln sich in dem Merkmal „Gering qualifiziert“ im Sinne des § 81 Abs. 2 SGB III (Weiterbildungsnotwendigkeit) wider: Während diese Zuordnung für 44,1 % der Befragten ohne Migrationshintergrund vorlag, betrug der Wert für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler 60,8 % und für Ausländerinnen und Ausländer 80,4 %. Auch hinsichtlich der Langzeitarbeitslosigkeit (Rechtskreis SGB II) wiesen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler mit 38,2 % gegenüber den Befragten ohne Migrationshintergrund mit 31,2 % einen ungünstigeren Wert auf. 18. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, ob sich Spätaussiedler Salafisten, Linksextremen oder Rechtsextremen angeschlossen haben? Die Zuordnung einer Person als Spätaussiedler stellt für den Niedersächsischen Verfassungsschutz kein Speicherkriterium dar. Aus diesem Grunde ist eine strukturierte Suche nach entsprechenden Personenspeicherungen mit einem Hintergrund als Spätaussiedler nicht möglich. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich unter den Salafisten, Linksextremisten und Rechtsextremisten in Niedersachsen auch einzelne Spätaussiedler befinden. 19. Sind der Landesregierung von Spätaussiedlern in Niedersachsen organisierte Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung bekannt? Wenn ja, wo? Welche Hintergründe sind dazu jeweils bekannt? Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Zuwanderung nach Deutschland2, insbesondere des Anstiegs der Anzahl von Zuwanderern bzw. Asylbegehrenden seit dem Jahr 2014, wurde der Zeitraum 2014 – 2016 (31.05.2016) im Sinne der Fragestellung betrachtet. Bei den nachfolgend genannten polizeilich bekannt gewordenen Versammlungen handelt es sich sowohl um angezeigte als auch um nicht angezeigte versammlungsrechtliche Aktionen. In beiden Fällen lässt sich nicht in jedem Fall nachvollziehen, ob es sich bei den Organisatoren um Spätaussiedler im Sinne des § 4 (1) BVFG handelt. Das Niedersächsische Versammlungsgesetz sieht weder im Zusammenhang mit der Anzeige, der Leitung noch mit der Teilnahme an einer Versammlung eine solche Datenerhebung vor. Vor diesem Hintergrund wird die o.g. Frage wie folgt beantwortet: In Niedersachsen sind im Zeitraum 2014 und 2015 keine von Spätaussiedlern organisierten Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik bekannt geworden. Für das Jahr 2016 wurden bis Ablauf Mai insgesamt 24 themenbezogene versammlungsrechtliche Aktionen bekannt. Bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern handelte es sich nach Mitteilung der einsatzführenden Dienststellen überwiegend um Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern bzw. russischstämmige Deutsche. Von diesen Versammlungen fanden zwölf am 24.01.2016 statt. Zuvor war polizeilich bekannt geworden, dass in sozialen Medien russischstämmige Mitbürgerinnen und Mitbürger zu bundesweiten Protestaktionen für diesen Tag aufgerufen worden waren. Hintergrund war die angebliche Vergewaltigung eines 13-jährigen Mädchens durch Migranten am 11.01.2016 (so genannter Fall „Lisa“). In den Versammlungen am 24.01.2016 wurden neben diesem Sachverhalt im Wesentlichen die aktuelle Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik sowie die sexuellen Übergriffe auf Frauen im Kontext der Übergriffe in der Silvesternacht in Köln thematisiert. Mit Ausnahme einer Versammlung verliefen diese durchweg friedlich. Die Teilnehmerzahl bewegte sich überwiegend im zweistelligen bis unteren dreistelligen Bereich. In einem Fall belief sie sich auf ca. 1000. Als Grund für die Versammlung wurde im Wesentlichen der Aufruf in den sozialen Medien bzw. die Solidarisierung mit dem vermeintlichen Opfer angegeben. Nachfolgend wird das relevante Versammlungsgeschehen aufgeschlüsselt nach Polizeidirektionen zum Stand Mai 2016 dargestellt: 2 Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Zuwanderung“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 19 PD Hannover Im Zeitraum Januar bis April 2016 wurden in Hannover insgesamt fünf angezeigte Versammlungen durch russischstämmige Organisatoren durchgeführt, welche zunächst die o.g. Vergewaltigung eines russischstämmigen Mädchens durch Migranten am 11.01.2016 in Berlin thematisierten und sich in der Folge thematisch gegen die Asylpolitik richteten. PD Braunschweig Im Januar 2016 wurde in Gifhorn und Wolfsburg jeweils eine nicht angezeigte Versammlung durchgeführt. In Gifhorn handelte es sich dabei um eine Solidarisierungsaktion mit dem angeblichen Vergewaltigungsopfer in Berlin. In Wolfsburg wurde die „Unfähigkeit der Politik, vor sexuellen Übergriffen zu schützen“ thematisiert. PD Göttingen Im Kontext der bundeweiten Mobilisierung der russischstämmigen Community im Fall „Lisa“ versammelten sich Spätaussiedler in Hameln und Nienburg. Seit Februar findet gemäß Anzeige einer Spätaussiedlerin monatlich eine stationäre Versammlung zum Thema „Sicherheit für die Kinder, gegen Gewalt, gegen Frauenfeindlichkeit“ statt. Die Anzeigende thematisierte in ihren Reden u.a. das Verschweigen von Flüchtlingskriminalität durch den Staat. PD Lüneburg Im Zusammenhang mit dem bundesweiten Aufruf an russischstämmige Bürgerinnen und Bürger wurden in den Städten Lüneburg, Uelzen, Stade sowie Rotenburg/Wümme) Versammlungen durchgeführt. Als Anlass wurden neben der aktuellen Flüchtlingspolitik die Übergriffe in Köln in der Silvesternacht, Gewalt gegen Frauen sowie Protest gegen kriminelle Ausländer thematisiert. Ergänzend wurde seitens eines Spätaussiedlers im Februar eine Versammlung mit der Forderung nach Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei der Flüchtlingsunterbringung angezeigt und durchgeführt. PD Oldenburg In der PD Oldenburg fanden im Zeitraum Januar und Februar 2016 in den Städten Cloppenburg sowie Delmenhorst drei versammlungsrechtliche Aktionen mit Themenbezug statt. Dabei wurde in Delmenhorst sowohl das Thema Flüchtlingspolitik als auch die Themen Gewalt gegen Frauen bzw. „Angst um Frauen und Töchter“ aufgegriffen. PD Osnabrück In Osnabrück fand am 24.01.2016 eine Versammlung der Deutsch-Russischen Community zu o.g. Themenbezug statt. 20. Welche Vereine, Verbände, Stiftungen oder anderen Institutionen in Niedersachsen sind der Landesregierung bekannt, die direkt oder indirekt von der Russischen Föderation, von der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland oder von einer anderen staatlichen Stelle der Russischen Föderation finanziell oder in anderer Weise gefördert werden? Im Rahmen der Partnerschaften des Landes Niedersachsen mit dem Gebiet Tjumen und der Region Perm in der Russischen Föderation unterstützt das Land Projekte, die dem Austausch dienen. Dem partnerschaftlichen Charakter entsprechend werden diese in den meisten Fällen auch von der russischen Seite finanziell unterstützt. Eine institutionelle Förderung von Einrichtungen in Niedersachsen durch russische staatliche Stellen ist der Landesregierung nicht bekannt. Darüber hinaus sind keine Stellen bekannt, auf die die Konstellation zutreffen würde bzw. die im Sinne der Fragestellung gefördert werden. 21. Wie oft hat Ministerpräsident Weil seit seinem Amtsantritt Veranstaltungen von Vertriebenen- und Spätaussiedlerverbänden besucht (bitte einzeln auflisten)? • Am 06. September 2014 die Gedenkveranstaltung der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland zum Jahrestag der Deportation der Russlanddeutschen im Grenzdurchgangslager Friedland Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 20 • Am 29. August 2015 die Festveranstaltung des Bundes der Vertriebenen zum Tag der Heimat in der Urania Berlin Darüber hinaus hat der Ministerpräsident folgende Termine mit Vertreterinnen und Vertretern der Verbände der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie der Heimatvertriebenen wahrgenommen: • Am 04. März 2013: Festakt zum 20-jährigen Jubiläum der Partnerschaften von Niedersachsen mit Großpolen und Niederschlesien, gemeinsam mit Minister Pistorius • Am 08. Mai 2013: Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Weil von Frau Steinbach (Präsidentin des Bundes der Vertriebenen) und Herrn Dix (Bund der Vertriebenen Landesverband Niedersachsen) gemeinsam mit Minister Pistorius • Am 15. Januar 2014: Gespräch mit dem Bundesvorstand der Landsmannschaft Schlesien, gemeinsam mit Minister Pistorius • Am 04. Februar 2016: Gespräch mit dem Bundesvorstand der Landsmannschaft Schlesien und der Vorsitzenden des BdV Niedersachsen 22. Wie oft hat der für Spätaussiedler und Heimatvertriebe zuständige Innenminister Pistorius seit seinem Amtsantritt Veranstaltungen von Vertriebenen- und Spätaussiedlerverbänden besucht (bitte einzeln auflisten)? Innenminister Pistorius hat seit seinem Amtsantritt insgesamt an drei Veranstaltungen von Vertriebenen- und Spätaussiedlerverbänden teilgenommen: • Am 23. Juni 2014: Feierstunde anlässlich der Übernahme der Schirmherrschaft über die Landesgruppe Niedersachsen der Landmannschaft der Deutschen aus Russland • Am 21. Juni 2015: Politische Hauptkundgebung im Rahmen des „Deutschlandtreffens der Schlesier 2015 • Am 3. September 2016: Zentrale Gedenkfeier der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland Darüber hinaus hat der zuständige Fachminister Pistorius an zahlreichen Veranstaltungen und Terminen mit Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern teilgenommen. Hierzu gehören im Einzelnen: • Am 04. März 2013: Festakt anlässlich des 20jährigen Bestehens der Partnerschaften des Landes Niedersachsen mit Großpolen und Niederschlesien • Am 08. April 2013: Jurysitzung anlässlich der Vergabe des „Kulturpreises Schlesien 2013“ mit anschließender Präsentation der Preisträgerinnen und Preisträger • Am 08. Mai 2013: Teilnahme am Antrittsbesuch bei Herrn Ministerpräsident Weil von Frau Steinbach (Präsidentin des Bundes der Vertriebenen) und Herrn Dix (Bund der Vertriebenen Landesverband Niedersachsen) • Am 17. Juni 2013: Ausstellungseröffnung "Friedenskirchen in Niederschlesien" im Rahmen des 20jährigen Jubiläums der Partnerschaft zwischen Niedersachsen und Niederschlesien mit Herrn Włodzimierz Chlebosz (Vizemarschall der Woiwodschaft Niederschlesien) in Hannover • Am 13. September 2013: Offizieller Empfang der Stadt Bückeburg anlässlich der Verleihung des „Kulturpreises Schlesien 2013“ • Am 14. September 2013: Verleihung des „Kulturpreises Schlesien 2013“ • Am 15. Januar 2014: Teilnahme am Gespräch mit dem Bundesvorstand der Landsmannschaft Schlesien bei Herrn Ministerpräsidenten Weil Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 21 • Am 24. April 2014: Jurysitzung anlässlich der Vergabe des „Kulturpreises Schlesien 2014“ mit anschließender Präsentation der Preisträgerinnen und Preisträger • Am 13. September 2014: Verleihung des Kulturpreis Schlesien 2014 • Am 27. März 2015: Jurysitzung anlässlich der Vergabe des „Kulturpreises Schlesien 2015“ mit anschließender Präsentation der Preisträgerinnen und Preisträger • Am 28. Januar 2016: Jurysitzung anlässlich der Vergabe des „Kulturpreises Schlesien 2016“ mit anschließender Präsentation der Preisträgerinnen und Preisträger 23. Wie gut sind Spätaussiedler in Niedersachsen insgesamt integriert? Welche erkennbaren Integrationsdefizite bestehen? Welche erkennbar positiven Integrationsleistungen sind hervorzuheben? Studien des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung „Ungenutzte Potentiale - Zur Lage der Integration in Deutschland“ (Herausgeber: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Berlin, Januar 2009) und „Neue Potentiale - Zur Lage der Integration in Deutschland“ (Herausgeber: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Berlin, Juni 2014) sowie eine wissenschaftlich fundierte Analyse aktueller Daten und Forschungsergebnisse durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in 2013 „Forschungsbericht 20“ belegen eine durchweg positive Entwicklung bei der Eingliederung der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler und ihren Familienangehörigen in die bundesdeutsche Gesellschaft. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung fasst in seiner Studie in Bezug auf die Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern zusammen: „… Ebenfalls gute Integrationswerte, und das widerlegt zum Teil die öffentliche Wahrnehmung, weist die sehr große Gruppe der Aussiedler auf. Über diese war bisher wenig bekannt, weil die Zugewanderten sofort einen Anspruch auf einen deutschen Pass haben und bisher statistisch nicht mehr zu identifizieren waren. Sie werden in dieser Studie erstmals als eigene Gruppe untersucht. Die Aussiedlerinnen und Aussiedler sind mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand nach Deutschland gekommen. Sie finden sich relativ gut auf dem Arbeitsmarkt zurecht, und viele Faktoren weisen darauf hin, dass sie sich aktiv um die Integration in der Gesellschaft bemühen. So hat sich die Generation der in Deutschland Geborenen gegenüber der ihrer Eltern in jeder Hinsicht deutlich verbessert.“ Dem vorgenannten Forschungsbericht des Bundesamtes sind die zentralen Ergebnisse der umfänglichen Studie vorangestellt und in 16 Punkten wie folgt zusammengefasst (Der Bund verwendet im Forschungsbericht durchgängig die Pluralform von „Aussiedlerinnen und Aussiedler“ sowie „Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler“): • Seit 1950 sind etwa 4,5 Millionen Menschen als Aussiedler bzw. Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Bis Ende der 1980er Jahre dominierten dabei Polen und Rumänien als Herkunftsländer, seit 1990 die (ehemalige) Sowjetunion. Insbesondere seit 2006 ist ein starker Rückgang der Zuzugszahlen zu beobachten. Durch die gesetzliche Begrenzung der Spätaussiedlereigenschaft auf Personen, die bis Ende 1992 geboren wurden, ist in absehbarer Zeit mit einem Auslaufen dieser Zuwanderungsform zu rechnen. • Im Jahr 2011 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 3,2 Millionen (Spät-)Aussiedler und mit ihnen eingereiste Angehörige im Bundesgebiet. Ihr Durchschnittsalter ist vergleichsweise hoch, ebenso der Anteil der verheirateten Personen und von Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit. Fast drei Viertel der (Spät- )Aussiedler in Deutschland wohnen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, weniger als fünf Prozent in den neuen Bundesländern ohne Berlin. • (Spät-)Aussiedler und ihre Nachkommen zeigen eine insgesamt relativ vorteilhafte Struktur ihrer schulischen und beruflichen Qualifikationen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 22 einfachen und mittleren Schul- und Berufsabschlüssen, während der Anteil der Abiturienten und Akademiker etwas unterdurchschnittlich ausfällt. Hierbei spielen auch Einflüsse des Bildungssystems der Herkunftsländer eine Rolle. Bei der jüngeren Generation, insbesondere bei den Frauen, ist ein klarer Trend zu höheren Bildungsabschlüssen zu verzeichnen. • (Spät-)Aussiedler sind in hohem Maße auf dem deutschen Arbeitsmarkt aktiv. Ihre Erwerbs- bzw. Arbeitslosigkeit ist insgesamt verhältnismäßig gering, scheint jedoch insbesondere ältere Menschen und Personen ohne beruflichen Abschluss zu betreffen, aber auch Akademiker, die Schwierigkeiten haben, ihr Qualifikationsniveau in eine adäquate Beschäftigung umzusetzen. Die berufliche Stellung von erwerbstätigen (Spät-) Aussiedlern, besonders der Männer, konzentriert sich stark auf Tätigkeiten als (Fach-) Arbeiter im produzierenden Gewerbe. Unklar bleibt bisher das Ausmaß prekärer Beschäftigung in Zeit- bzw. Leiharbeit. Selbstständigkeit spielt eine geringere Rolle, wofür sozialisationsbedingte Ursachen in Betracht kommen. • Die Einkommenssituation von (Spät-)Aussiedlern ist durch eine „mittlere“ Position geprägt, was ihren Bildungs- und Berufsqualifikationen entspricht. Diese und ihre starke Erwerbsorientierung prägen auch die Einkommensquellen: In hohem Maße wird der Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bzw. bei der älteren Generation durch Renten bestritten. Allerdings zeigt sich auch, dass (Spät-)Aussiedler in nicht in unerheblichem Maße armutsgefährdet sind. Davon scheinen insbesondere ältere Menschen und unter diesen wiederum Frauen und nach 1990 zugewanderte Personen betroffen zu sein. Daneben gibt es Hinweise, dass auch Kinder und Jugendliche aus (Spät-)Aussiedlerfamilien verstärkt von Armut bedroht sind. • (Spät-)Aussiedler leben innerhalb ihrer regionalen Konzentration in den großen Flächen- Bundesländern Westdeutschlands vielfach in kleineren und mittleren Städten, weniger in großstädtischen Agglomerationen. Daten zur innerstädtischen Segregation sind nur ungenügend vorhanden, weisen jedoch auf einen eher durchschnittlichen bis niedrigen Segregationsgrad hin. Es besteht eine erkennbare Neigung zur Schaffung von Wohneigentum mit hoher Neubautätigkeit insbesondere seit den 1990er Jahren. Der Anteil von (Spät-) Aussiedlern in prekären Wohnverhältnissen – Sozialwohnungen oder sogar Wohnungslosigkeit – scheint rückläufig zu sein. • (Spät- )Aussiedler weisen für die politische Partizipation in Deutschland günstige Voraussetzungen auf, da sie im Regelfall rasch die deutsche Staatsangehörigkeit und damit die vollen Beteiligungsrechte erwerben. Die selbst zugewanderten Personen scheinen jedoch relativ stark von Sozialisationserfahrungen in den Herkunftsländern geprägt zu sein, die dazu führen, dass politisches Interesse und entsprechende Aktivitäten in Deutschland eher gering ausfallen. Es besteht traditionell eine starke Bindung an die Unionsparteien. Studien aus jüngerer Zeit zeigen jedoch diesbezüglich Öffnungstendenzen. • Zum zivilgesellschaftlichen Engagement von (Spät-) Aussiedlern liegen insgesamt sehr wenig belastbare Erkenntnisse vor. Ein solches Engagement scheint überwiegend im sozialen Nahbereich, im Rahmen landsmannschaftlicher Organisation sowie in religiösen Gemeinden stattzufinden. Daneben sind (Spät-)Aussiedler auch im deutschen Vereinssport vergleichsweise aktiv, was mit dem ursprünglich speziell für sie geschaffenen Programm “Integration durch Sport” in Zusammenhang steht. • Die Familie nimmt im sozialen Netzwerk von (Spät-) Aussiedlern eine zentrale Rolle ein. Zwischen den Generationen scheinen tendenziell stärkere Erwartungen an die Familienmitglieder und stärkere Verpflichtungsnormen als bei Personen ohne Migrationshintergrund zu bestehen. Die eigene Gruppe ist ein wichtiges Element im persönlichen Netzwerk und auch Ehepartner/innen werden überwiegend innerhalb dieses Kreises ausgewählt. (Spät-)Aussiedler berichten vergleichsweise selten von Diskriminierungserfahrungen. Auffällig ist das vergleichsweise hohe gegenseitige Misstrauen von (Spät-) Aussiedlern und Personen türkischer Herkunft als den beiden größten Zuwanderergruppen in Deutschland. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 23 • (Spät-)Aussiedler schätzen ihre deutschen Sprachkenntnisse im Vergleich mit anderen Migrantengruppen verhältnismäßig hoch und für Alltagssituationen in überwiegendem Maße als genügend ein. Dennoch können mangelnde Sprachkenntnisse immer noch Barrieren im Bildungsbereich und bei der sozialen Interaktion darstellen. Auch wenn die Sprache des Herkunftslandes in den Familien von (Spät-)Aussiedlern oft einen hohen (symbolischen) Stellenwert hat, nehmen entsprechende Kenntnisse tendenziell ab. • Bei der Mediennutzung von (Spät-) Aussiedlern ist – wie auch in der Gesamtbevölkerung – Fernsehen das wichtigste Alltagsmedium, während Radio und Tageszeitungen seltener in Anspruch genommen werden. Der deutschsprachige Gebrauch dieser Medien sowie des Internets scheint dominant zu sein, was aber nicht ausschließt, dass es insbesondere im russischsprachigen Bereich heimatsprachige „Inseln“ der Mediennutzung gibt. • (Spät-)Aussiedler weisen keinen grundsätzlich schlechteren Gesundheitszustand auf als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund, ihre Sterberisiken sind sogar geringer. Ihr etwas höherer Krankenstand gegenüber Personen mit Migrationshintergrund insgesamt ist auf das höhere Durchschnittsalter zurückzuführen. Differenziert nach Geschlechtern zeigt sich, dass bei männlichen (Spät-) Aussiedlern der Genuss hochprozentiger Alkoholika und das Rauchen stärker verbreitet sind, während bei den Frauen Übergewicht häufiger ist, die Raucheranteile aber deutlich geringer sind. Ein bei (Spät-) Aussiedlern spezifisch erhöhtes Gesundheitsrisiko sind zudem Tuberkuloseerkrankungen. • Die im Vergleich zu einheimischen Altersgenossen etwas höhere, doch tendenziell rückläufige Gewaltbereitschaft und Rauschgiftkriminalität bei jugendlichen – meist männlichen – (Spät-) Aussiedlern sollte nicht als Herkunftseffekt, sondern vor dem Hintergrund problematischer Lebenslagen verstanden werden. Als Klienten wie auch als professionell Tätige bei Angeboten der psychosozialen Versorgung sind (Spät-)Aussiedler eher unterrepräsentiert. Neben der Klientel von jugendlichen (Spät-) Aussiedlern sollten auch klinische Störungsbilder bei Angehörigen der älteren Generation, die im Zusammenhang mit Migrations- und Trennungserfahrungen stehen können, Beachtung finden. • Mit Blick auf die Identitätsentwicklung befindet sich insbesondere die ältere Generation in einem Spannungsverhältnis zwischen der Eigenwahrnehmung als Deutsche und der tatsächlichen Erfahrung der Differenzen mit der Kultur der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland. Die jüngere Gruppe der (Spät-)Aussiedler steht vor spezifischen Herausforderungen, da sie nur noch begrenzt als „geschädigte“ deutsche Volkszugehörige wahrgenommen werden. Diskrepanzen mit Blick auf die kulturelle Zugehörigkeit können in der Adoleszenz zu Formen verstärkter Selbstethnisierung, zum Verstecken von Identitätsanteilen und gesteigerter Suche nach Anerkennung führen. • Der Großteil der (Spät-)Aussiedler gehört christlichen Glaubensgemeinschaften an, diejenigen aus der ehemaligen Sowjetunion überwiegend der evangelischen Glaubensrichtung. Durch die religiöse Verfolgung in der ehemaligen Sowjetunion vollzog sich in russlanddeutschen Hausgemeinschaften eine Isolierung gegenüber kirchlichen Wandlungsprozessen. Die nach der Aussiedlung erfahrenen Unterschiede zu deutschen Kirchengemeinden veranlassten viele Russlanddeutsche dazu, eigenständige oder freikirchliche Gemeinden zu bilden. Neben segregativen Tendenzen scheint die Religion jedoch auch integrationsförderliche Aspekte zu beinhalten, indem Kirchengemeinden beispielsweise identitätsstabilisierende „Übergangsräume” bereitstellen. • Im Vergleich mit anderen Zuwanderergruppen haben (Spät-)Aussiedler am häufigsten langfristige Zukunftspläne für ein Leben in Deutschland, sind zufriedener mit ihrer Lebenssituation und beurteilen das Integrationsklima – auch im Vergleich mit der Mehrheitsbevölkerung – überdurchschnittlich häufig positiv. Die Integrationsverantwortung schreiben (Spät-)Aussiedler vor allem den Zuwanderern selbst zu und verhältnismäßig selten der Mehrheitsbevölkerung oder dem deutschen Staat. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6411 24 Die im Sinne eigenverantwortlicher Integration seitens der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler zur Eingliederung in die bundesrepublikanische Gesellschaftsordnung erbrachten Leistungen verdienen nach Auffassung der Landesregierung Lob und Anerkennung. Die Übernahme der Patenschaft über die Landesgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland durch Herrn Innenminister Pistorius sowie die Teilnahme von Mitgliedern des Landtages und der Landesregierung an landsmannschaftlichen Veranstaltungen sind ein Zeichen der Solidarität mit der Landsmannschaft und mit (spät-) ausgesiedelten Menschen. Die Landesregierung möchte (spät-) ausgesiedelten Menschen dabei unterstützen, ihre kulturelle Identität zu wahren oder wiederzugewinnen. Zusätzlich vertritt die von der Landesregierung ernannte Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund. In dieser ehrenamtlichen Funktion ist Frau Schröder-Köpf, MdL, ausdrücklich auch Ansprechpartnerin für die Verbände der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und der Aussiedler und Aussiedlerinnen. Sie nimmt an Veranstaltungen teil und führt Gespräche. Sie ist beratend tätig und setzt sich als Fürsprecherin dafür ein, dass die Belange der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Aussiedlerinnen und Aussiedler angemessen berücksichtigt werden. (Ausgegeben am 07.09.2016) Drucksache 17/6411 Große Anfrage mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/5824 - Spätaussiedler in Niedersachsen Große Anfrage der Fraktion der CDU Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport