Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6502 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6158 - Safia S., Saleh S. und Mohamed Hassan K. - Was unternahmen die Behörden? Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 25.07.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 29.07.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 12.09.2016, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung des Abgeordneten Die 15-jährige Safia S. hat am 26.02.2016 einen Bundespolizisten im Hauptbahnhof Hannover mit einem Messer lebensbedrohlich verletzt und ist tatverdächtig, eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Ihr Bruder, der 17-jährige Saleh S., soll nach Medienberichten versucht haben, sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ anzuschließen. Er wird verdächtigt, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Der 19-jährige Mohamed Hassan K. aus Hannover-Misburg wird verdächtigt, einen Anschlag auf das Fußballländerspiel am 17.11.2015 in Hannover geplant zu haben. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Am 29.01.2016 wurde seitens der Staatsanwaltschaft Hannover gegen Safia S. ein Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89 a StGB eingeleitet . Seit dem 15.03.2016 wurden die Ermittlungen gegen Safia S. sowie jene gegen Mohamad Hasan K. wegen des Verdachts des versuchten Mordes, der gefährlichen Körperverletzung, der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland („Islamischer Staat“) und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß §§ 211, 129 b Abs. 1 Satz 2, 129 a Abs. 1, Abs. 5 Satz 1; 89 a Abs. 2 und 2 a, 53 StGB sowie weiterer Straftaten vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof übernommen und bis zur Anklage vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Celle am 12.08.2016 geführt. Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete am 07.03.2016 ein Ermittlungsverfahren gegen Saleh S. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89 a StGB ein. Diese Ermittlungen dauern noch an. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des islamistischen Extremismus in Niedersachsen beantragten die Mitglieder der Fraktionen von CDU und FDP im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit Schreiben vom 17.03.2016 und 27.04.2016 Akteneinsicht in alle Unterlagen , Akten und insbesondere auf das vorhandene Wissen u. a. zu Safia S., ihrem Bruder Saleh S. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6502 2 sowie den als Mohamad Hasan K. identifizierten Afghanen, als auch in Bezug auf die Aktivitäten des „Deutschsprachigen Islamkreises Hannover e. V.“. In der Folge hat der Landtag am 04.05.2016 den 23. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) eingesetzt, der sich mit der Aufklärung „möglicher Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen“ befasst. Der Einsetzungsbeschluss beschreibt ein höchst dynamisches Netzwerk mit länderübergreifenden und internationalen Bezügen. Zur Vermeidung einer Gefährdung des Untersuchungszwecks der vorgenannten Ermittlungsverfahren obliegt die Freigabe von Informationen zu Personen und Lebenssachverhalten aus den Verfahrensakten dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA beim BGH) und seit der Anklageerhebung vom 12.08.2016 dem Oberlandesgericht Celle sowie - für das Strafverfahren gegen Saleh S. - zusätzlich der Staatsanwaltschaft Hannover. Des Weiteren sind keine Erkenntnisse bekannt zu geben, die aus den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes oder der beteiligten Polizeidienststellen entstanden und in die Ermittlungsakten eingeflossen sind. Es dürfen sich keine Rückschlüsse auf Informationen oder Tätigkeiten von Bundesbehörden ergeben . Darüber hinaus wird angemerkt, dass zur aktuellen Bearbeitung im Zusammenhang mit dem Fall Safia S. durch den niedersächsischen Verfassungsschutz sowie über dessen konkrete Arbeitsweisen nur in vertraulicher Sitzung des zuständigen Ausschusses für die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes unterrichtet werden kann. Dieses berücksichtigend, können zusammenhängend folgende Feststellungen getroffen werden: Im Februar 2008 erfolgte in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen anderen Personenkreis erstmalig die Kenntnisnahme von einem im Internet gespeicherten Video mit Pierre Vogel und Safia S. durch das Landeskriminalamt Niedersachsen. Es handelte sich um ein Video zu einer Veranstaltung am 02.02.2008 mit Pierre Vogel und der damals siebenjährigen Safia S. in (wie anschließende Ermittlungen ergaben) den Räumlichkeiten des „Deutschsprachigen Islamkreis Hannover e. V.“ (DIK Hannover). Ein entsprechender Bericht wurde vom Landeskriminalamt Niedersachsen am 29.04.2008 der Kriminalfachinspektion 4 der Polizeidirektion Hannover übersandt. Zu diesem Zeitpunkt ergaben sich keine Anhaltspunkte für einen staatsschutzpolizeilichen Hintergrund . Sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2010, als dem niedersächsischen Verfassungsschutz insgesamt drei Videos, u. a. zu einer Veranstaltung mit Pierre Vogel und Safia S. am 18.04.2010, bekannt geworden sind, war kein Anfangsverdacht für eine islamistische Radikalisierung der neunjährigen Safia S. gesehen worden, sodass keine konkreten Ermittlungen oder eine Weitergabe von Informationen an das Jugendamt oder an die Grundschule erfolgten. Zu Pierre Vogel lagen 2008 und 2010 zwar Erkenntnisse als salafistischer Redner und Prediger vor (eine Speicherung im Verfassungsschutzverbund als salafistischer Prediger erfolgte ab 2006), es wurden keine darüber hinaus vorliegenden Erkenntnisse auf ein salafistisches Gefahrenpotenzial in Bezug auf Gewalt gesehen . Anfang Februar 2016 hat eine Lehrkraft der von Safia S. zuletzt besuchten Schule im Rahmen einer Internetrecherche für den Werte und Normen-Unterricht erstmals Kenntnis von Videos (von Safia S. mit Pierre Vogel) im Internet erlangt und am 09.02.2016 den verantwortlichen Schulleiter informiert. Der Schulleiter hat umgehend telefonisch Kontakt mit der Polizei in Hannover (Kriminalfachinspektion 4) aufgenommen. Zum Telefonanruf und dessen Inhalten erfolgte in der Kriminalfachinspektion 4 (KFI 4) - entgegen der sonst üblichen Verfahrensweise - keine Dokumentation, sodass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Datum einer Kenntnisnahme der Internetvideos nicht bestimmen lässt sowie die durchgeführten Maßnahmen nicht lückenlos nachvollziehen lassen . Dies ist Gegenstand interner Überprüfungen, inwieweit ein individuelles Fehlverhalten vorliegt und wird dementsprechend in der Polizeidirektion Hannover behördenintern überprüft. Zweifelsfrei nachvollziehen lassen sich Internetauswertungen der Kriminalfachinspektion 4 im Anschluss an das versuchte Tötungsdelikt durch Safia S. Ein Besuch der Polizei beim Schulleiter erfolgte noch vor der Tat. Die Internetauswertungen durch die Kriminalfachinspektion 4 und den niedersächsischen Verfassungsschutz ab dem 27.02.2016 führten zur Feststellung noch weiterer Videos von Veranstaltungen des Pierre Vogel mit Safia S., in denen teilweise weitere Kinder zu sehen sind. Diese Videos wurden seit 2008 im Internet zu unterschiedlichen Zeiten hochgeladen und veröffentlicht. Die Inter- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6502 3 netauswertung führte zu weiteren Ermittlungen und Identifizierungen, u. a. des Bruders Saleh S. Gefahrenabwehrrechtliche Ermittlungen dauern an. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden - auch in Bezug auf mögliche Radikalisierungen - ebenfalls auf Personen aus den bekannten Internetvideos sowie Kontaktpersonen aus dem privaten und schulischen Umfeld der Safia S., des Saleh S. und Mohamed Hasan K. bezogen haben bzw. diese noch andauern. Des Weiteren schließen die strafrechtlichen und gefahrenabwehrrechtlichen Ermittlungen der Polizei sowie die Beobachtungen und Auswertungen des Verfassungsschutzes die Überprüfungen von Kontakten zum „Deutschsprachigen Islamkreis Hannover e. V.“ sowie Internetkontakte über Facebook sowie andere Soziale Medien mit ein. 1. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Safia S. in der Grundschule oder in einer weiterführenden Schule befreundet war, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen , und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 2. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Safia S. beim Deutschsprachigen Islamkreis Hannover e. V. Kontakt hatte, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen, und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 3. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Safia S. über Facebook oder andere soziale Medien Kontakt hatte, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen, und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 4. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Saleh S. in der Grundschule oder in einer weiterführenden Schule befreundet war, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen , und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 5. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Saleh S. beim Deutschsprachigen Islamkreis Hannover e. V. Kontakt hatte, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen, und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 6. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Saleh S. über Facebook oder andere soziale Medien Kontakt hatte, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen, und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6502 4 7. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Mohamed Hassan K. in der Grundschule oder in einer weiterführenden Schule befreundet war, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen, und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 8. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Mohamed Hasan K. beim Deutschsprachigen Islamkreis Hannover e. V. Kontakt hatte, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen, und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. 9. Haben niedersächsische Behörden Personen, mit denen Mohamed Hasan K. über Facebook oder andere soziale Medien Kontakt hatte, im Hinblick auf eine mögliche islamistische Radikalisierung überprüft? Wenn ja, wann wurde mit der Überprüfung begonnen , und von welcher Dienststelle ging diese aus? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen. (Ausgegeben am 20.09.2016) Drucksache 17/6502 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6158 Safia S., Saleh S. und Mohamed Hassan K. - Was unternahmen die Behörden? Anfrage des Abgeordneten Jens Nacke (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport