Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6505 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6198 - Welche Absprachen wurden zwischen Landesregierung und Stadt Salzgitter zur Umsetzung des Projektes Watenstedt getroffen? Anfrage des Abgeordneten Stefan Klein (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 29.07.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 08.08.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 08.09.2016, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung des Abgeordneten Am Donnerstag, 9. Juni 2016, erhielt die Stadt Salzgitter per Vorab-E-Mail ein Schreiben des Innenministeriums , in dem das Ministerium dargelegt, dass eine „gesonderte Kreditermächtigung für ein investives Einzelprojekt“, wie die Stadt Salzgitter es im Haushalt 2016 für die Maßnahme „Watenstedt “ plante, „unzulässig“ ist und eine solche gesonderte Genehmigung nicht erteilt werden könne. Damit steht das Vorhaben in dieser Form auf der Kippe, weil die Investitionen für die Gesamtmaßnahme aus dem Kernhaushalt, gerade in Anbetracht der aktuellen Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen , nur schwerlich zu finanzieren sein dürften. Eine Umsiedlung der Bevölkerung aus Salzgitter-Watenstedt und die Entwicklung dieser Fläche zu einem Gewerbe- und Industriegebiet sind in Salzgitter schon länger Thema. Das Ziel, für diese Maßnahme Fördermittel einzuwerben, hat sich, auch aufgrund der anderen Schwerpunkte in der neuen EU-Förderperiode, zerschlagen. In Gesprächen mit dem Amt für regionale Landesentwicklung in Braunschweig, der Staatskanzlei und dem Wirtschaftsministerium hat sich dann eine Kreditfinanzierung über NBank und KfW als mögliche Alternative herausgebildet. In den Gesprächen haben die beteiligten Vertreterinnen und Vertreter des Landes für diese Möglichkeit zur Stärkung des Industriestandortes Salzgitter ihre Unterstützung zugesagt und auch die Aussage der Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Salzgitter entgegengenommen, dass eine Finanzierung nur außerhalb der eigentlichen Haushaltsgenehmigung möglich wäre. Die beteiligten Ministerien hatten des Weiteren zugesagt, dieses mit der Kommunalaufsichtsbehörde, dem Innenministerium, zu erörtern und für diese Option einzutreten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Stadt Salzgitter befindet sich in einer sehr herausfordernden Haushaltslage. Es besteht eine Schuldenlast von rund 393 Millionen Euro (investive Kredite und Liquiditätskredite). Zum 31.12.2015 wurde dem Innenministerium die bilanzielle Überschuldung angezeigt, d. h. die Verbindlichkeiten übersteigen inzwischen das direkte städtische Vermögen. Der aktuelle Haushalt und die absehbaren Rahmenbedingungen deuten zumindest für die beiden kommenden Jahre darauf hin, dass die Verschuldung und Überschuldung der Stadt weiter ansteigen könnten. Da auch in vorhergehenden Jahren die Haushaltslage überwiegend sehr angespannt war, hatte das Land bereits im Jahr 2014 mit der Stadt eine „Vereinbarung zur Begrenzung der Verschuldung der Stadt Salzgitter für den Zeitraum von 2014 bis 2017“ mit einer Laufzeit bis Ende 2017 getroffen. Hierdurch sollten dringend notwendige Investitionen ermöglicht, der Schuldenanstieg aber begrenzt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6505 2 und die Verbindlichkeiten langfristig zurückgeführt werden. Deshalb wurde mit dieser Vereinbarung der Stadt eine Nettoneuverschuldung von rund 19,8 Millionen Euro für wichtige, aus städtischer Sicht prioritäre Investitionsmaßnahmen eingeräumt, um ihr innerhalb dieses Rahmens die nötige Planungssicherheit zu geben. Im Gegenzug wurde ein nachhaltiger Schuldenabbau für die Zeit ab 2018 verabredet. Aufgrund der verschiedentlich bekundeten Absicht, trotzdem über diese Vereinbarung hinaus weitere Kredite in Höhe von 4 Millionen Euro bereits in 2016 und 2017 für das Projekt „Watenstedt“ aufnehmen zu wollen, hatte das Innenministerium wiederholt darauf hingewiesen, dass dies nicht zusätzlich, sondern nur innerhalb der zwischen Stadt und Kommunalaufsicht vereinbarten Verschuldungsobergrenze möglich sei. Zu keinem Zeitpunkt wurden hingegen Vorgaben gemacht, wofür Kreditaufnahmen verwendet oder nicht verwendet werden dürfen. Vielmehr wurde in Aussicht gestellt, bei einer Abwendung der Überschuldung und einer absehbar ausgeglichenen Haushaltslage gegebenenfalls auch die Kreditfinanzierung neuer Vorhaben in Betracht zu ziehen, sofern sich das vereinbarte Ziel eines Schuldenabbaus realistisch darstellen lässt und infolgedessen künftig auch erreicht werden kann. Das Projekt „Watenstedt“ als Projekt der Wirtschaftsförderung und freiwillige Leistung wäre folglich realisierbar, wenn die Stadt Salzgitter trotz schwieriger Rahmenbedingungen die haushälterischen Voraussetzungen dafür schafft (keine Überschuldung und Haushaltsausgleich ). Dies wurde der Stadt vor der Beschlussfassung des Rates am 16.03.2016 auch in einem Haushaltsgespräch am 01.03.2016 dargelegt. Ungeachtet dessen wurden vom Rat in der Haushaltssatzung 2016 für das Projekt „Watenstedt“ eine gesonderte Kreditermächtigung in Höhe von 4 Millionen Euro festgesetzt und innerhalb der Finanzplanungsjahre durchgängig weitere Kredite und Auszahlungen in gleicher Höhe veranschlagt. Begründet wurde dies mit einer „herausragenden städtebaulichen Bedeutung“ des Projektes „Watenstedt“, die eine Betrachtung außerhalb der o. a. Neuverschuldungslinie rechtfertige. Zugleich hatten sich nach Angaben der Stadt nach Vorlage der Haushaltssatzung 2016 beim Innenministerium am 12.04.2016 die Erwartungen bei den Gewerbesteuererträgen mehr als halbiert. Deshalb verfügte der Oberbürgermeister am 28.04.2016 eine haushaltswirtschaftliche Sperre. Einschließlich der vom Rat zusätzlich beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen führte dies dazu, dass der für 2016 erwartete Fehlbetrag im Ergebnishaushalt von ursprünglich rund 7,3 Millionen Euro auf nunmehr 20,2 Millionen Euro angestiegen ist. Auf der Grundlage des entsprechend überarbeiteten Zahlenwerks wurde im Innenministerium das Haushaltsprüfungs - und Genehmigungsverfahren durchgeführt, welches am 24.08.2016 mit Erteilung der Haushaltsgenehmigung 2016 abgeschlossen wurde. In diesem Kontext sollte mit dem in der Anfrage benannten Schreiben des Innenministeriums vom 08.06.2016 rechtzeitig vor der Beschlussfassung über den Änderungshaushalt u. a. darauf hingewiesen werden, dass die in der Satzung vorgesehene Differenzierung der Kreditaufnahmen mit haushaltsrechtlichen Vorschriften nicht vereinbar ist. Es sollte aus rechtlichen Gründen und im Interesse der Stadt von vornherein vermieden werden, dass eine entgegen den haushaltsrechtlichen Vorschriften beschlossene Haushaltssatzung gegebenenfalls beanstandet oder eine Teilversagung bei der Kreditermächtigung ausgesprochen werden müsste. So bedarf nach § 120 Abs. 2 NKomVG der Gesamtbetrag der im Finanzhaushalt vorgesehenen Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde (Gesamtgenehmigung ). Bei der Prüfung und Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Kreditermächtigung kann die Kommunalaufsicht dabei grundsätzlich keine Differenzierung bzw. Gewichtung der Kreditaufnahmen nach Einzelinvestitionsvorhaben vornehmen, weil es nicht im Verantwortungsbereich der Kommunalaufsichtsbehörde liegt, welche vom Rat beschlossenen Investitionsvorhaben im Rahmen einer genehmigten oder teilweise genehmigten Gesamtkreditermächtigung durchgeführt bzw. priorisiert werden sollen. Diese Vorschrift vermeidet eine Zweckmäßigkeitsaufsicht und liegt somit im ureigenen Interesse der kommunalen Selbstverwaltung. 1. Haben die Staatskanzlei und das Wirtschaftsministerium ihre Unterstützung für dieses Projekt zugesagt und, wenn ja, auf welcher Grundlage? Das Wirtschaftsministerium hat die Stadt Salzgitter stets in ihrer Absicht unterstützt, den seit Jahren vom strukturellen Umbruch gekennzeichneten Stadtteil Watenstedt in einen Industriestandort um- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6505 3 zugestalten. Hierzu förderte MW mit Bewilligung vom 09.12.2010 die Erstellung eines Businessplans zur Umgestaltung des Stadtteils Watenstedt. Es wurden 31 200 Euro bereitgestellt, um eine Handlungsstrategie aus dem Konfliktpotenzial der Mischnutzung von Wohnbebauung mit Bestandsschutz , Standort für Großindustrie sowie für Gewerbe, das durch die Umwidmung Ende der 1990er-Jahre von einem Allgemeinen Wohngebiet in ein Gewerbegebiet entstanden ist, zu konzipieren . Seinerzeit bestand noch die Überlegung, die Umgestaltung dann auf dieser Grundlage mit weiterzuführenden EU-Förderprojekten zu realisieren. Nachdem allerdings feststand, dass ein künftiger Einsatz von Fördermitteln aus den Programmen der EU und des Bundes von der Zugehörigkeit zu festgelegten Fördergebieten abhängig ist und Salzgitter nicht mehr dieser Kulisse angehört, hat die Landesregierung die NBank mit der Entwicklung eines alternativen Finanzierungsinstruments beauftragt. Die NBank bietet inzwischen das Produkt „Kommunaler Infrastrukturkredit Niedersachsen“ an, mit dem die Kommunen ein besonders zinsgünstiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der NBank für die Finanzierung ihrer Infrastrukturmaßnahmen an die Hand bekommen haben. Gerade für die interessierten Kommunen stellt dieses Finanzierungsinstrument eine sehr gute Möglichkeit dar, beabsichtigte Vorhaben für Wachstum und Beschäftigung überhaupt realisieren zu können. MW unterstützt die Kommunen bei der Realisierung von wirtschaftlichen Investitionsvorhaben für die Ansiedlung von Unternehmen. 2. Haben Gespräche von Wirtschaftsministerium und Staatskanzlei mit der Kommunalaufsichtsbehörde stattgefunden, um dieses Projekt außerhalb der Kreditermächtigung realisieren zu können? Es gab Gespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Innenministerium auf Staatssekretärsebene , um das Projekt zu erörtern. Die Landesregierung hat das Projekt in den vergangenen Jahren stets konstruktiv begleitet, Fördermöglichkeiten intensiv geprüft und sich ressortübergreifend dazu ausgetauscht. Nachdem die gegebene Förderkulisse von Bund, Land und EU direkte Zuschüsse ausschließt, wurde eine vergünstigte Kreditfinanzierung erörtert, wofür die landeseigene NBank ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat. Dabei bestand auf Landesebene Konsens, dass eine Unterstützung des Projektes auf diesem Weg von der Genehmigungsfähigkeit des städtischen Haushalts abhängt und „Watenstedt “ das prioritäre Entwicklungsprojekt der Stadt darstellen müsse. 3. Welche Zusagen hat ihrerseits die Stadt Salzgitter in den Abstimmungsgesprächen mit Staatskanzlei, ArL Braunschweig und Wirtschaftsministerium gegeben, und wurden diese eingehalten? Zusagen sind nicht erteilt worden. Vonseiten der Landesregierung ist immer verdeutlicht worden, dass die Entscheidung der Inanspruchnahme eines Kommunalkredits in die alleinige und damit kommunalpolitische Verantwortlichkeit der Stadt fällt, die sich wiederum im Rahmen der haushaltsrechtlichen und ihrer eigenen finanziellen Möglichkeiten bewegen muss. Dies vorausgesetzt hat die Landesregierung mit dem neuen NBank-Produkt eine sehr gute Möglichkeit aufgezeigt, um kommunale Vorhaben zu finanzieren. 4. Warum wurde die Stadt Salzgitter erst mit Schreiben vom 9. Juni 2016 darüber informiert , dass eine gesonderte Kreditermächtigung für das Projekt „Watenstedt“ nicht gegeben werden kann? Die Stadt Salzgitter hat mit dem Land bereits im Rahmen des Haushaltsgenehmigungsverfahrens für 2014 die in den Vorbemerkungen benannte Vereinbarung zur Begrenzung der Verschuldung mit einer Laufzeit bis Ende 2017 getroffen, durch die der Schuldenanstieg begrenzt und langfristig zurückgeführt werden soll. Seit Abschluss dieser Zielvereinbarung war der Stadt bekannt, in welchem Umfang eine Nettoneuverschuldung in den Haushaltsjahren 2014 bis 2017 genehmigungsfähig wä- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6505 4 re und dass eine weitere Ausdehnung nicht in Betracht kommt. Die Festlegung der Investitionen, die innerhalb dieses Rahmens durchgeführt bzw. priorisiert werden sollen, obliegt dabei der Stadt Salzgitter. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Das Schreiben vom 08.06.2016 war in erster Linie auf die Einhaltung des Haushaltsrechts gerichtet. Eine Ablehnung des Projektes „Watenstedt“ durch das Innenministerium oder die Landesregierung ist nicht erfolgt und war auch nicht beabsichtigt. 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, die mit dem Projekt „Watenstedt“ verbundenen Ziele weiterhin umsetzen zu können? Die Entwicklung von Gewerbegebieten liegt in der Kompetenz der kommunalen Wirtschaftsförderung . Fördermittel der EU, des Bundes oder des Landes stehen hierfür in Salzgitter nicht zur Verfügung . Das NBank-Produkt eröffnet allerdings aus Sicht der Landesregierung sehr gute Möglichkeiten , sofern die Stadt innerhalb des derzeit gegebenen Verschuldungsrahmens entsprechende Prioritäten setzt bzw. künftig die notwendigen haushaltswirtschaftlichen Voraussetzungen schafft. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen. (Ausgegeben am 20.09.2016) Drucksache 17/6505 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6198 Welche Absprachen wurden zwischen Landesregierung und Stadt Salzgitter zur Umsetzung des Projektes Watenstedt getroffen? Anfrage des Abgeordneten Stefan Klein (SPD) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport