Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6508 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6195 - Verfolgung von „Antänzern“ in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Jan-Christoph Oetjen (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 01.08.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 08.08.2016 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 08.09.2016, gezeichnet Antje Niewisch-Lennartz Vorbemerkung der Abgeordneten Schon seit Längerem tritt das Problem der „Antanzdiebstähle“ auf. Die hannoversche Neue Presse berichtete am 23. Juli 2016, dass die Zahl dieser Taten 2016 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 um die Hälfte zurückgegangen sei. In diesem Zusammenhang sind nicht nur die Anzahl der Festnahmen und Verhaftungen, sondern auch die Anzahl und der Ausgang der im Anschluss durchgeführten Strafverfahren von Interesse. Vorbemerkung der Landesregierung Das Phänomen des sogenannten Antanzens ist grundsätzlich eine Form des Taschendiebstahls, allerdings können sich die Taten auch als Raub oder räuberische Erpressung bzw. räuberischer Diebstahl darstellen. Die allein handelnden oder in Kleingruppen organisierten Täterinnen und Täter nähern sich den Opfern, indem sie sie durch tanzende Bewegungen ablenken. Der so hergestellte enge und vorgeblich freundschaftlich gesinnte Körperkontakt zum Opfer wird genutzt, um Taschendiebstähle verdeckt zu begehen und sich anschließend vom gutgläubigen Opfer entfernen zu können, ohne Verdacht zu erregen. Soweit die Tatausführung vom Opfer bemerkt wird, kommt es in Einzelfällen vonseiten der Täterinnen bzw. Täter auch zur Anwendung von Gewalt, um in den Besitz des Stehlgutes zu gelangen oder einen bereits begründeten Gewahrsam an der Sache zu erhalten. Verlässliche Daten für die Darstellung von Kriminalitätsentwicklungen in Niedersachsen werden auf der Grundlage der nach festgelegten Regeln erstellten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) generiert . Valide, über Jahre miteinander vergleichbare Fallzahlverläufe des „Antanzens“ können mithilfe der Polizeilichen Kriminalstatistik allerdings nicht abgebildet werden und liegen insoweit nicht vor. Angesichts der massiven Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 in mehreren deutschen Städten und insbesondere in Köln erlangte das Phänomen „Antanzen“ eine starke tagespolitische Bedeutung (vgl. Drs. 17/5030 neu - Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung Nrn. 2 und 21). Um dem daraus resultierenden Bedarf einer quantitativen Einordnung des Themas für Niedersachsen gerecht zu werden, wurde in Ermangelung nutzbarer PKS-Daten Anfang dieses Jahres eine sogenannte NIVADIS-Auswertung im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem beauftragt. Durch das Landeskriminalamt Niedersachsen wurden mittels NIVADIS-Auswertung für das Jahr 2015 insgesamt 375 Antanzdelikte mit Tatort Niedersachsen recherchiert. Die Validität einer solchen Analyse unterliegt prozessimmanenten Einschränkungen: Grundsätzlich dient eine NIVADIS- Auswertung der Schaffung einer Datengrundlage für operative Maßnahmen der Polizei. So sollen Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6508 2 beispielsweise neue Kriminalitätsphänomene unmittelbar erkannt, neue Brennpunkte der Kriminalität lokalisiert oder ermittelten Tatverdächtigen weitere Delikte zugeordnet werden. Hierbei wird zugunsten der für diese operativen Zwecke erforderlichen Schnelligkeit in Kauf genommen, dass sich die Daten im Rahmen noch laufender polizeilicher Ermittlungsverfahren regelmäßig ändern. Beispielsweise , weil sich herausstellt, dass ein Handy nicht gestohlen, sondern nur verlegt wurde, oder weil Straftaten erst Tage oder Wochen nach der Tatzeit angezeigt werden. Aus diesem Grunde sind diese Daten grundsätzlich nur für den polizeiinternen Gebrauch bestimmt. Für das 1. Halbjahr 2016 hat das Landeskriminalamt Niedersachsen 115 Antanzdelikte für Niedersachsen mittels NIVADIS-Auswertung recherchiert. Diese Fallzahl weicht erheblich von den durch die Neue Presse am 23. Juli dieses Jahres berichteten Fallzahlen innerhalb der Polizeidirektion Hannover ab; dort wurden mittels händischer Vorgangsauswertung für denselben Halbjahreszeitraum 157 Fälle registriert. Diese Diskrepanz unterstreicht die nur bedingte Aussagekraft einer computergestützten NIVADIS-Auswertung im Vergleich zu einer - in diesem speziellen Fall nicht verfügbaren - Darstellung auf Basis der „geeichten“ Polizeilichen Kriminalstatistik. Um das Phänomen „Antanzen“ in Zukunft genauer abbilden zu können, wurde zum 14. Januar dieses Jahres ein spezielles Eingabekriterium eingeführt. Das Landeskriminalamt Niedersachsen wird die vorgenannten Feststellungen zum Anlass nehmen, die Polizeidienststellen in Niedersachsen bezüglich der einheitlichen Verwendung des neuen Eingabekriteriums zu sensibilisieren. Justizielle Statistiken zu „Antanzfällen“ sind nicht verfügbar. Es gibt zwar justizielle Datenerhebungen zu den im Strafgesetzbuch (StGB) genannten Straftatbeständen, wozu auch der Diebstahl, der Raub, die räuberische Erpressung und der räuberische Diebstahl gehören. Da „Antanzfälle“ jedoch nur einen Anteil an den Gesamtfällen der einzelnen Straftatbestände ausmachen, sind diese Daten zur Beantwortung der Fragen 2 bis 7 nicht geeignet. Eine Datengewinnung, die zur Beantwortung der Fragen 2 bis 7 erforderlich wäre, würde eine händische Einzelauswertung aller Verfahrensakten erforderlich machen. Mit einer händischen Einzelauswertung wäre ein Arbeitsaufwand verbunden, der ohne Zurückstellung der eigentlichen Aufgaben der Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht möglich wäre und zudem im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht geleistet werden kann. 1. Wie viele entsprechende Verfahren hat die Polizei seit dem 01.01.2015 aufgenommen (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 2. Wie viele davon wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 3. Bei wie vielen Verfahren hat die Staatsanwaltschaft eine Anklage erhoben (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 4. Wie oft wurden Verfahren durch die Gerichte eingestellt, nachdem eine Anklage erhoben wurde (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 5. Wie oft kam es zu einem Freispruch (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6508 3 6. Wie oft kam es zu einer Verurteilung (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 7. Für den Fall einer Verurteilung: In wie vielen Fällen kam es zu einer Geld- bzw. einer Freiheitsstrafe (bitte einzeln nach Jahren auflisten)? Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. (Ausgegeben am 20.09.2016) Drucksache 17/6508 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6195 Verfolgung von „Antänzern“ in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Jan-Christoph Oetjen (FDP) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums