Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6512 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6294 - Wohnimmobilienkreditrichtlinie Anfrage Sylvia Bruns, Gabriela König, Christian Grascha, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 12.08.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 18.08.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 08.09.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten In Zukunft soll dem bereits beschlossenen Umsetzungsgesetz zur Wohnimmoblienkreditrichtlinie zufolge eine Bank ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen nur dann vergeben dürfen, wenn feststeht, dass der Kunde die Darlehensraten während der gesamten Laufzeit des Kredites bezahlen kann. Ist dies nicht sicher, muss die Bank dem Kunden gegenüber den Kredit ablehnen. Diese Regelung gilt sogar für den Fall, dass das Haus des Kunden so viel wert ist, dass bei einem Verkauf der Kredit mit dem Kaufpreis vollständig zurückgezahlt werden kann. Vorbemerkung der Landesregierung Die Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 4. Februar 2014 wurde durch den Bund durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11. März 2016 in deutsches Recht umgesetzt. Ziel des Gesetzes ist insbesondere, Verbraucherinnen und Verbraucher vor Zahlungsunfähigkeit zu schützen und Banken zu verpflichten, ihre Kundinnen und Kunden vor Kreditvergabe besser zu prüfen. 1. Trifft es zu, dass die EU-Richtlinie selbst Substanzkrediten nicht entgegensteht, und, wenn ja, warum sind die deutschen Vorgaben strenger als erforderlich? Die EU-Richtlinie lässt in Artikel 18 Abs. 3 Halbsatz 2 diese Ausnahme zu, sofern der Kreditvertrag zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie dient. Die Bundesregierung und der Bundestag haben von dieser Regelung keinen Gebrauch gemacht. 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Regelungen, auch wenn sie gut gemeint sein mögen, die Verbraucher eher bevormunden als schützen? Die Landesregierung bewertet das Gesetz zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie grundsätzlich positiv. Die neue Richtlinie verbessert vor allem die Informations- und Beratungspflicht bei der Kreditvergabe . Die Landesregierung hat im Bundesrat in einer Stellungnahme (BR-Drs. 18/6286 vom 08.10.2015) u. a. deutlich gemacht, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung konkretisiert werden sollte. Ferner wurde Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6512 2 die Sorge gegenüber der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, dass die Kreditvergabe an bestimmte Zielgruppen (junge Familien, Senioren, Menschen mit stark schwankenden Erwerbseinkommen ) nicht unnötig eingeschränkt werden sollte. Die Bundesregierung und der Bundestag haben diese Anliegen nicht aufgegriffen. 3. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Anteil der Kreditanträge, die aufgrund dieser strengeren Regelungen künftig abgelehnt werden müssen? Die Landesregierung hält es für zu früh, eine Prognose zu stellen, inwieweit die Kreditvergabepraxis der Banken und Sparkassen sich ändern wird. Eine Abfrage bei den Kreditverbänden ergibt folgendes Ergebnis: Im Bereich des Genossenschaftsverbandes e. V. ist eine prozentuale Schätzung derzeit nicht möglich , wobei der Genossenschaftsverband Weser-Ems e. V. schon einen gewissen Rückgang bei ihren Mitgliedsbanken verzeichnet. Der Bankenverband Niedersachsen e. V. hält es für verfrüht, schon jetzt die Vergabepraxis beurteilen zu wollen. Selbst bei der Kundengruppe Rentnerinnen und Rentner/Seniorinnen und Senioren seien derzeit keine systematischen Problemlagen zu erkennen. Der Sparkassenverband Niedersachen e. V. spricht hingegen von einem Rückgang von 12 % beim Zusagevolumen für Wohnimmobilienkredite. Eine konkrete Zahl abgelehnter Anträge kann aufgrund der relativ kurzen Zeit seit der Umsetzung nicht genannt werden. Für den Bereich der Vergabe von öffentlichen Wohnraumförderungsmitteln an Verbraucherinnen und Verbrauchern ergaben sich keine Änderungen zur bisherigen Praxis. Für diese Verträge gilt nur die erhöhte Aufklärungspflicht aus dem Umsetzungsgesetz. 4. Sofern die Landesregierung von einem Rückgang der genehmigten Kredite ausgeht, mit welchen weiteren Auswirkungen, beispielsweise auf die Bauwirtschaft, rechnet sie? Der Landesregierung liegen noch keine Zahlen zur tatsächlichen Kreditvergabepraxis vor. Daher können die möglichen Auswirkungen auf die Bauwirtschaft noch nicht abgeschätzt werden. 5. Rechnet sie insbesondere mit a) weniger energetischen Sanierungen, b) weniger Umbauten zum altersgerechten Wohnen (Barrierefreiheit) und c) weiteren Anspannungen auf dem Wohnungsmarkt? Wie bereits unter Frage 3 ausgeführt, ergeben sich für den Bereich der Vergabe von öffentlichen Wohnraumfördermitteln an Verbraucherinnen und Verbraucher keine Änderungen. Dies gilt natürlich nicht nur für die Eigentumsförderung sondern auch für die Modernisierungsförderung. Hier führen zudem meist überschaubare Investitionen in sanierungsbedingte oder altersgerechte Baumaßnahmen zu geringeren Darlehensbeträgen und damit auch zu niedrigeren Raten oder kürzeren Darlehenslaufzeiten. Um die energetische Modernisierung gerade auch in sozial benachteiligen Quartieren zu ermöglichen , hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung aktuell ein Förderprogramm zur CO2-Reduzierung im Wohngebäudebestand auf den Weg gebracht. Ab September 2016 gibt es nun einen attraktiven Anreiz, auch den älteren Mietwohnungsbestand energetisch zu modernisieren . Außerhalb öffentlicher Fördermittel kann nicht eingeschätzt werden, ob tatsächlich weniger Sanierungs - oder Umbaumaßnahmen durchgeführt werden, weil Darlehen durch Kreditinstitute möglicherweise versagt werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6512 3 Die wichtigsten Rahmenbedingungen für die künftige Entwicklung der Wohnungsnachfrage sind die Bevölkerungsstruktur und -entwicklung sowie die wirtschaftliche Lage in den jeweiligen Regionen. Künftig ist weiterhin davon auszugehen, dass sich die Einwohnerzahlen in Regionen mit guten Erwerbschancen deutlich stärker entwickeln werden. Das wirkt sich auch auf den Wohnungsmarkt unmittelbar aus, sodass in einigen Kommunen auch in den nächsten Jahren von einem angespannten Wohnungsmarkt ausgegangen werden muss. 6. Plant die Landesregierung, sich für eine Änderung der Vorgaben einzusetzen, und, wenn nicht, warum nicht? Das ML führte am 31. August 2016 ein Informationsgespräch zu den möglichen praktischen Auswirkungen der Umsetzung dieser Richtlinie mit dem Genossenschaftsverband Weser-Ems e. V., dem Sparkassenverband Niedersachsen e. V. und der Landesvertretung der Handwerkskammern Niedersachsen e. V. Vorab hatten die Verbände der Landesregierung ein Positionspapier zu diesem Thema zugesandt. Es wurde gemeinsam festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber hinsichtlich der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Bau- und Renovierungsdarlehen den Spielraum der EU- Wohnimmobilienkreditrichtlinie nicht ausschöpft hat. Da das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie erst knapp sechs Monate in Kraft ist, liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine belastbaren Zahlen vor. Daher sieht die Landesregierung zwar einen möglichen Handlungsbedarf in diesem Bereich, wird sich aber erst bei Vorliegen belastbarer Zahlen für eine Änderung positionieren. (Ausgegeben am 21.09.2016) Drucksache 17/6512 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6294 Wohnimmobilienkreditrichtlinie Anfrage Sylvia Bruns, Gabriela König, Christian Grascha, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz