Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6609 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6349 - Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur Eindämmung von vorzeitiger Obsoleszenz und zur Abfallvermeidung? Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus und Miriam Staudte (GRÜNE) an die Landesregierung , eingegangen am 23.08.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 30.08.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 23.09.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Bei einer Sitzung des Unterausschusses „Verbraucherschutz“ des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung am 20. Januar 2015 wurde vonseiten der Landesregierung über die Absicht berichtet, im Mai 2015 zusammen mit anderen Bundesländern Vorschläge zu entwickeln, wie auf Bundesebene vorzeitiger Obsoleszenz entgegengewirkt werden kann. Bei der Verbraucherschutzministerkonferenz im Mai 2015 wurde schließlich die Aufforderung an die Bundesregierung gestellt, mehrere Handlungsmöglichkeiten zu prüfen. Dies umfasste u. a. eine Kennzeichnungspflicht von Produkten zur Solllebensdauer, Reparierbarkeit und Verfügbarkeit von Ersatzteilen durch die Hersteller, Verlängerung einer gesetzlichen Gewährleistungspflicht , Verpflichtung der Hersteller zur Bereitstellung von Ersatzteilen für einen festgesetzten Zeitraum, Entwicklung eines Gütesiegels zur Kennzeichnung von besonders langlebigen und reparaturfreundlichen Produkten. Im Februar 2016 wurde eine Studie des Umweltbundesamtes veröffentlicht, die konstatiert, dass viele elektronische Geräte immer kürzer genutzt werden, sei es aufgrund psychologischer Obsoleszenz aufseiten der Verbraucherinnen und Verbraucher oder frühzeitigen Verschleißes der Geräte. Um Ressourcen zu schonen und Abfall zu vermeiden, könnte es hilfreich sein, einerseits Handlungspotenziale zur Erhöhung der Produktlebensdauern und andererseits Produktnutzungsdauern zu ermitteln. Vorbemerkung der Landesregierung Auf der diesjährigen 12. Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) hat der Bund zu den von der VSMK geforderten Maßnahmen gegen Obsoleszenz zur Verbesserung der Produktqualität berichtet . Im Mittelpunkt seiner Informationen stand dabei der Endbericht über die gemeinsame ausführliche Untersuchung des Umweltbundesamtes (UBA) und des Öko-Institut e. V. vom Februar 2016 zum Thema „Obsoleszenz“. Das BMJV wurde erneut gebeten zu prüfen, „welche der vom UBA vorgeschlagenen Strategien das BMJV in Abstimmung mit anderen Ressorts ergreifen wird, um Obsoleszenz zu vermeiden sowie die Lebensdauer von Produkten insgesamt zu verlängern und deren Reparaturfähigkeit, Sammlung , Weiterverwendung und Recycling zu verbessern.“ Ferner soll geprüft werden „wie die bestehenden Ökodesign-Richtlinie, Elektro- und Elektronik-Altgeräte-Richtlinie (WEEE) und die Energieverbrauchskennzeichnungsrichtlinie durch im Zustandsbereich des BMJV liegende Maßnahmen und Strategien wirkungsvoller national umgesetzt werden können.“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6609 2 Das BMJV soll im November 2016 auf der 28. Tagung der LAV berichten, wie die Vorschläge der UBA und die Prüfaufträge an das BMJV umgesetzt werden können. Außerdem erwarten die Verbraucherminister Informationen des BMJV zu dem Vorschlag der UBA (Strategie 1), besonders langlebige oder reparaturfreundliche Produkte mit einem bestehenden Siegel auszuzeichnen. 1. Welche Reaktionen gab es vonseiten der Bundesregierung bezüglich der Aufforderungen der Verbraucherschutzministerkonferenz 2015? Bei der 11. Verbraucherschutzministerkonferenz wurde der Bund aufgefordert, bis zur nächsten VSMK einen Maßnahmenkatalog gegen den frühzeitigen Verschleiß von Produkten und für mehr Langlebigkeit, Qualität und Reparaturfreundlichkeit vorzulegen. Berücksichtigt werden sollten sowohl das beauftragte Gutachten des Umweltbundesamtes als auch das französische Gesetz gegen den geplanten Verschleiß von Produkten. Bestandteile der Prüfung sollten u. a. die klare Definition von geplanter Obsoleszenz als Betrug und die Prüfung einer Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist bei bestimmten Verbrauchsgütern sein. Daneben soll die Möglichkeit einer Verpflichtung der Hersteller, Ersatzteile mindestens für den Zeitraum der geplanten Soll-Lebensdauer ihrer Produkte vorzuhalten, geprüft werden. Ferner wurde der Bund gebeten zu prüfen, ob ein Gütesiegel oder eine ähnliche Kennzeichnung für langlebige und reparaturfreundliche Produkte entwickelt werden könnte. Der Bund berichtete dazu auf der diesjährigen VSMK, dass das Umweltbundesamt (UBA) einen Endbericht zu einer gemeinsam mit dem Öko-Institut e. V. durchgeführten Studie zum Thema „Obsoleszenz “ veröffentlicht hat. Ziel dieser Studie war die Schaffung einer validen Datengrundlage. Der Bund berichtete ferner, dass die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung der Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit fast ausnahmslos an die EU-Ökodesignrichtlinie anknüpfen . Dieses Herangehen wird grundsätzlich als sinnvoll angesehen, denn dort können Vorgaben entsprechend dem Leitprinzip eines nachhaltigen Konsums verankert werden. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse der im Februar 2016 veröffentlichten Studie des Umweltbundesamtes insgesamt? Die Landesregierung hält die Studie für eine wichtige Datengrundlage und begrüßt die Vorschläge gegen Obsoleszenz. Daher sind bezüglich der übergeordneten rechtlichen und ökonomischen Instrumente zu den Themen Produktlebens- bzw. Nutzungsdauerverlängerung weitere Studien des UBA zu erwarten. 3. Welche landespolitischen Handlungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung, um die Lebensdauer sowie die Nutzungsdauer von elektrischen bzw. elektronischen Geräten zu verlängern? Unter ökologischen Gesichtspunkten hält die Landesregierung eine längere Nutzung von Elektround Elektronikgeräten für unabdingbar. Langlebigere Produkte sind meist umweltfreundlicher und ressourcenschonender, weil sie den zusätzlichen Herstellungsaufwand für neue Produkte vermeiden . Diese Produkte verwenden in der Regel hochwertige Materialien. Daher werden diese allerdings nicht vorzeitig ersetzt und es wird vermieden, dass es unter ökologischen Gesichtspunkten zu negativen Auswirkungen kommt. Zunächst sind die Standards und Messnormen durch die nationalen und internationalen Normungsorganisationen zu entwickeln, um eine verlängerte Lebens- und Nutzungsdauer von elektrischen und elektronischen Geräten zu erreichen. Hierzu sind Mindestanforderungen an die Produktlebensdauer und Qualität festzulegen. Die Landesregierung sieht die Hersteller in der Pflicht, verbesserte Verbraucherinformationen bereitzustellen und innovative Servicemodelle wie Leasing, Rückkaufvereinbarungen usw. zu entwickeln. Die Landesregierung wird prüfen, ob als landespolitische Maßnahme das Vorschreiben einer Mindestnutzungsdauer bei der Beschaffung von Elektro- und Elektronikgeräten im Bereich der öffentli- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6609 3 chen Verwaltungen möglich sein könnte. Diese Vorgabe hätte bei den öffentlichen Beschaffern mengenmäßig eine Bedeutung und wäre somit Vorbildfunktion für andere Beschaffer. 4. Welches Potenzial sieht die Landesregierung, in der öffentlichen Beschaffung Niedersachsens einen größeren Beitrag zur Ressourcenschonung im Bereich der elektrischen bzw. elektronischen Geräte zu leisten? Die Entscheidung über (Ersatz-)Beschaffungen landeseigener elektrischer und elektronischer Geräte erfolgt in erster Linie durch die nutzenden Verwaltungen der Ressorts, soweit die Geräte nicht fest mit dem Baukörper verbunden sind. Sämtliche Beschaffungen der IT-Hardware erfolgen in der unmittelbaren Landesverwaltung zentral durch IT.Niedersachsen (IT.N) und der sonstigen elektrischen und elektronischen Geräte durch das Logistikzentrum Niedersachsen. Bei Ausschreibungen wird bereits heute auf hohe Qualitätsanforderungen und Umweltstandards geachtet. Eine langfristige Nutzungsdauer sowie eine umweltgerechte Entsorgung von elektrischen bzw. elektronischen Geräten sind somit bereits heute Bestandteil der öffentlichen Beschaffung in Niedersachsen. Beispielsweise beinhalten die Rahmenausschreibungen von IT.N für IT-Geräte als Forderung obligatorisch eine dreijährige Gewährleistung seitens des Lieferanten. Optional besteht die Möglichkeit für eine Verlängerung um weitere zwei Jahre gegen Aufpreis. Eine vorzeitige durch den Hersteller geplante Obsoleszenz oder der Einsatz von qualitativ minderwertigen Bauteilen sind somit nicht im wirtschaftlichen Interesse des Lieferanten. Vielmehr erreicht IT.N durch diese Vorgabe ein konsequent qualitativ hochwertiges Produktportefeuille. Die Entsorgung/Aussonderung von Hardware erfolgt ausschließlich über zertifizierte Aufbereiter (etwa AfB) welche ein „Zweites Leben“ eines Gerätes ermöglichen. 5. Wie bewertet die Landesregierung den Ansatz einer Kennzeichnungspflicht für die Solllebensdauer und Reparaturfreundlichkeit von Elektro(nik)-Produkten? Die Landesregierung hält den Ansatz einer verpflichtenden Kennzeichnung für eine Solllebensdauer und Reparaturfreundlichkeit von Elektro(nik)-Produkten für ein wichtiges Ziel, um Ressourcen zu schonen und Abfall zu vermeiden. 6. Wie bewertet die Landesregierung den Ansatz einer gesetzlichen Anforderung an die Reparierbarkeit von elektrischen bzw. elektronischen Geräten? Eine gesetzliche Anforderung an die Reparierbarkeit von elektrischen und elektronischen Geräten ist unter Umweltgesichtspunkten wünschenswert. Wichtig ist, dass Reparaturen möglich sind und von Endkunden auch in Anspruch genommen werden können. Erforderlich sind Mindestqualitätsstandards und verlässliche Lebensdauerprüfungen und -angaben für die Geräte, damit Reparaturen gar nicht oder nur selten erforderlich werden. 7. Wie bewertet die Landesregierung den Ansatz einer Verpflichtung der Hersteller zur Bereitstellung von Ersatzteilen z. B. für mindestens fünf Jahre? Eine Herstellerverpflichtung könnte dazu beitragen, dass hochwertige Ersatzteile am Markt verfügbar sind und sich eine Reparatur in Bezug auf die Verlängerung der Nutzungszeit lohnen kann. 8. Wie bewertet die Landesregierung den Ansatz eines Gütesiegels zur Kennzeichnung von besonders langlebigen und reparaturfreundlichen Produkten? Grundsätzlich ist der Ansatz, ein Gütesiegel zur Kennzeichnung von besonders langlebigen und reparaturfreundlichen Produkten einzuführen, sinnvoll. Siegel sind wichtige Informationsquellen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Daher hat die 12. VSMK das BMJV aufgefordert zu prüfen, ob Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6609 4 nicht ein anerkanntes bestehendes Siegel wie z. B. der Blaue Engel auch für besonders langlebige oder reparaturfreundliche Produkte vergeben werden kann. (Ausgegeben am 07.10.2016) Drucksache 17/6609 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6349 Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur Eindämmung von vorzeitiger Obsoleszenz und zur Abfallvermeidung? Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus und Miriam Staudte (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz