Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6666 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6391 - Versehentliche Abschaffung des Diploms im Jurastudium? Anfrage der Abgeordneten Almuth von Below-Neufeldt, Stefan Birkner, Björn Försterling, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 31.08.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 06.09.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur namens der Landesregierung vom 04.10.2016, gezeichnet Gabriele Heinen-Kljajić Vorbemerkung der Abgeordneten Bislang konnten Hochschulen denjenigen Studierenden der Rechtswissenschaften, die das erste Staatsexamen bestanden hatten, einen Diplomgrad verleihen. Alle niedersächsischen Hochschulen haben davon in der Vergangenheit Gebrauch gemacht. Mit der Novelle des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) im Dezember 2015 wurde den Hochschulen die Möglichkeit genommen, den Diplomgrad zu verleihen. Für die in Diplomstudiengängen eingeschriebenen Studierenden gelten nach § 72 Abs. 3 Übergangsvorschriften. Jurastudierenden wurde der Diplomgrad von den Hochschulen jedoch verliehen, ohne in einem Diplomstudiengang eingeschrieben zu sein. Darüber hinaus ist ungeklärt, ob künftige Jurastudierende, die das erste Staatsexamen bestehen, künftig den Bachelor- oder den Mastergrad verliehen bekommen und wie dieser von rechtswissenschaftlichen Bachelor- bzw. Masterstudiengängen abgegrenzt werden kann, die von vornherein nicht auf das Staatsexamen zielen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Bologna-Prozess, im Rahmen dessen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum mit europaweit vergleichbaren Studienangeboten geeinigt haben, zum Erfolg zu führen. Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Beteiligungskultur innerhalb der Hochschulen“ vom 15. Dezember 2015 wurde u. a. das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG; dort § 8 Abs. 1 in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung) mit Wirkung zum 01.01.2016 insoweit geändert, dass die Verleihung von Diplomgraden nur noch im Rahmen einer Übergangsregelung nach § 72 Abs. 3 NHG möglich ist, und zwar für nach dem 31.12.2015 in Diplomstudiengängen eingeschriebene Studierende . Die Rechtsänderung in § 8 Abs. 1 NHG entspricht der fortgeschrittenen Umstellung auf Bachelor - und Masterstudiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses. Gemäß § 8 Abs. 3 NHG in seiner unveränderten Fassung können die Hochschulen Hochschulgrade nach den Absätzen 1 und 2 auch aufgrund von staatlichen oder kirchlichen Prüfungen verleihen, wenn der Studiengang mit einer solchen Prüfung abgeschlossen wird (sogenannter akzessorischer Hochschulgrad). Durch die Streichung der Diplom- und Magistergrade in den Absätzen 1 und 2 kommen als akzessorische Hochschulgrade nunmehr nur noch der Bachelor- und der Mastergrad in Betracht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6666 2 1. Gilt die Übergangsregelung nach § 72 Abs. 3 NHG auch für Studierende der Rechtswissenschaften ? Gemäß § 72 Abs. 3 NHG findet § 8 Abs. 1 NHG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung für die nach dem 31. Dezember 2015 eingeschriebenen Studierenden in Diplom- und Magisterstudiengängen weiterhin Anwendung. Bei dem Studium der Rechtswissenschaften handelt es sich nicht um einen Diplomstudiengang, sondern um einen Studiengang, der mit einem Staatsexamen abschließt. Dieser Studiengang ist daher von der Übergangsregelung nicht erfasst. 2. Welchen Grad können Hochschulen künftig an Jurastudierende verleihen, wenn diese das erste Staatsexamen bestanden haben? In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts geht die Landesregierung davon aus, dass die Aufnahme des Berufs als Jurist nach erfolgreicher erster Staatsprüfung - etwa in der Wirtschaft - durch das Fehlen der Diplomierung nicht spürbar beeinträchtigt ist (BVerwG, Urteil vom 22.02.2002, Az.: 6 C 11/01, Rdn. 14, zit. nach juris; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 06.03.2013, Az.: 6 B 47/12, Rdn. 9, zit. nach juris). Nach dem herkömmlichen Bild des „Volljuristen“ gibt es keinen Bedarf, auf das Bestehen der Ersten juristischen Staatsprüfung und damit den Abschluss eines juristischen Studiums durch Verleihung eines akademischen Titels wie den eines Diploms besonders hinzuweisen (BVerwG, Beschluss vom 08.01.2015, Az.: 6 B 44/14, Rn.9 f. zit. nach juris). Das Unterbleiben einer Graduierung erschwert die Wahl oder die Ausübung des Berufs auch deshalb nicht spürbar, weil die Berufszugangssituation in erster Linie und insbesondere aus Sicht eines Arbeitgebers nicht von einer Graduierung, sondern von der Qualität der Hochschulausbildung abhängt. Einem Absolventen des Studiums der Rechtswissenschaften ist es in mehrfacher Hinsicht möglich, auch ohne akademische Gradführung seine maßgebliche Qualifikation gegenüber einem potenziellen Arbeitgeber aussagekräftig darzustellen. Das Zeugnis über die erste juristische Prüfung enthält die erreichte Gesamtpunktzahl und Gesamtnote der Prüfung. Ferner weist es die erreichten Endpunktzahlen und Endnoten der Staatsprüfung und der Universitätsprüfung gesondert aus. Darüber hinaus kann ein „Diploma Supplement“ und für die berufliche Anerkennung im Ausland eine Bescheinigung der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) ausgegeben werden. Der Wunsch nach einem griffigeren Titel als der Berufsbezeichnung „Jurist“ oder prüfungsamtlichen Bezeichnungen wie „Rechtskandidat“ oder „geprüfter Rechtskundiger “ genügt nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, eine Schutzpflicht nach Artikel12 Abs. 1 GG zu begründen (BVerwG, Urteil vom 22.02.2002, Az.: 6 C 11/01, Rdn. 14, zit. nach juris; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 06.03.2013, Az.: 6 B 47/12, Rdn. 9, zit. nach juris ). Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, enthält § 8 Abs. 3 NHG eine Regelung, wonach die Hochschulen Hochschulgrade nach den Absätzen 1 und 2 (Bachelorgrad/Mastergrad) auch aufgrund von staatlichen oder kirchlichen Prüfungen verleihen können, wenn der Studiengang mit einer solchen Prüfung abgeschlossen wird. Dies könnte es als naheliegend erscheinen lassen, anstelle des Grades „Dipl.-Jurist/in“ nunmehr gegebenenfalls einen Bachelorgrad zu verleihen. Dagegen spricht jedoch u. a. Folgendes: Sowohl Bachelor- als auch Masterstudiengänge sind gemäß der „Ländergemeinsamen Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen “ (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 i. d. F. vom 04.02.2010) eigenständige Studiengänge, die zu berufsqualifizierenden Abschlüssen führen. Dabei wird eine „Vermischung der beiden Studiengangsysteme“, also des „gestuften und des nicht gestuften Studiengangsystems “ ausgeschlossen. Die Vergabe eines Abschlussgrades auf Basis einer Ordnung und ohne zugrundeliegenden berufsqualifizierenden Studiengang ist nicht vorgesehen. Die Umstellung auf die gestufte Studienstruktur ist inzwischen für praktisch alle Fächer abgeschlossen - im Wesentlichen mit Ausnahme der Medizin und der Rechtswissenschaften. Allerdings haben sich inzwischen auch Modelle unter Einschluss von Bachelor- und/oder Masterstudiengängen mit juristischen Inhalten herausgebildet. Dabei ist insbesondere zu unterscheiden zwischen Modellen, die Bachelor (LL.B.) und Master (LL.M.) als Kern der Juristenausbildung definieren und unter Anrechnung von Leistungen sowie gegebenenfalls Nachholen von Inhalten daneben ein Staatsexamen ermöglichen („Mannheimer Modell“ bestehend aus dem Bachelor-Studiengang „Unternehmensjuristin /Unternehmensjurist (LL.B.)“ sowie einem „Ergänzungsstudium“, das in weiteren Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6666 3 vier Semestern zur ersten Juristischen Prüfung führt), und solchen Ansätzen, die auf profilierte Bachelor - und Masterstudiengänge setzen (z. B. Wirtschaftsrecht). Bei letztgenannten Studiengängen ist die Verleihung berufsurkundlicher Rechte (Befähigung zum Richteramt) explizit nicht vorgesehen . Ein solches Modell existiert beispielsweise an der Universität Lüneburg. Die Verleihung eines Bachelorgrades unabhängig von der Art des Studiengangs lediglich auf Grundlage einer Ordnung wäre nach Vorstehendem sowohl angesichts des fortgeschrittenen Bologna -Prozesses kontraproduktiv als auch mit Blick auf Abgrenzungsschwierigkeiten zu spezialisierten Bachelor- bzw. Masterstudiengängen (s. o.) problematisch. Im Übrigen wird davon ausgegangen , dass auch seitens der Absolventen der ersten juristischen Staatsprüfung kein besonderes Interesse an der zusätzlichen Verleihung eines Bachelorgrades besteht. Der Wert einer bestandenen ersten juristischen Staatsprüfung steht vielmehr für sich. 3. Wie können Hochschulen einen nach dem ersten Staatsexamen verliehenen Bachelor oder Master von spezialisierten Bachelor- bzw. Masterstudiengängen im Bereich Recht abgrenzen? Siehe Antwort auf Frage 2. 4. Hält die Landesregierung es für vertretbar, wenn Studierende der Rechtswissenschaften nach neun Semestern Studium den Bachelorgrad verliehen bekommen, obwohl ein Bachelorstudium in der Regel lediglich sechs Semester umfasst? Siehe Antwort auf Frage 2. (Ausgegeben am 17.10.2016) Drucksache 17/6666 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6391 Versehentliche Abschaffung des Diploms im Jurastudium? Anfrage der Abgeordneten Almuth von Below-Neufeldt, Stefan Birkner, Björn Försterling, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur