Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6744 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6577 - Fledermaustollwut in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 19.09.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 29.09.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 15.10.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten In den vergangenen Wochen wurde in der Presse immer wieder über Fälle von Fledermaustollwut berichtet, darunter auch in Niedersachsen. Die Fledermaustollwut wird in Europa durch die Virusvarianten European Bat Lyssaviren (EBLV) 1 und 2 sowie das Bokeloh Fledermaus-Tollwutvirus (BBLV) verursacht. Seit Mitte der 50er-Jahre wurden in Europa mehr als 1 000 Tollwutfälle festgestellt , die überwiegende Mehrheit in Dänemark, Polen, Deutschland und den Niederlanden. Vorbemerkung der Landesregierung Tollwut wird durch ein Virus ausgelöst und ist eine weltweit verbreitete und, sofern nicht behandelt, häufig tödlich verlaufende Infektionskrankheit bei Mensch und Tier. 1995 wurde in Niedersachsen letztmalig Tollwut bei Wild- und Haustieren diagnostiziert. Seit 2008 gilt ganz Deutschland offiziell als frei von klassischer bzw. terrestrischer Tollwut. Dazu haben nicht nur regelmäßige Impfungen von Hunden und Katzen beigetragen, mit der Einführung der oralen Immunisierung der Füchse durch Impfköder in den 80er-Jahren begann auch ein kontinuierlicher Rückgang der Tollwuterkrankungen im Wildtierbereich. 2004 trat bei einem Hundewelpen aus der Region zwar Tollwut auf, es handelte sich jedoch um ein illegal aus Marokko importiertes Tier. Dieses kam bereits infiziert nach Niedersachsen, was eine eingehende Untersuchung des Virusisolates bestätigte. Der letzte Tollwutfall bei einem Menschen in Deutschland trat im Jahr 2007 auf bei einem Mann, der ebenfalls in Marokko von einem streunenden Hund gebissen worden war. Dennoch besteht ein weiteres Tollwutreservoir bei Fledermäusen. Hier wird die Krankheit aber durch andere Viren hervorgerufen. Die Fledermaustollwut ist eine eigenständige Erkrankung, die von der klassischen Tollwut abzugrenzen ist und durch die Europäischen Fledermaustollwutviren 1 und 2 (EBLV-1 und -2) hervorgerufen wird. 2009 kam ein neues, bis dato unbekanntes Virus dazu, welches aus einer Fransenfledermaus aus der Region Hannover isoliert und nach dem Fundort „Bokeloh bat Lyssavirus (BBLV)“ genannt wurde (http://wwwnc.cdc.gov/eid/article/17/8/11-0201_ article). Tollwutkranke Fledermäuse liegen zumeist am Boden, wo sie leicht von Katzen und Hunden erbeutet werden können, die sie aber oft nicht fressen. Sie verhalten sich aggressiv, zeigen Schluckbeschwerden und werden meist, bedingt durch Lähmungserscheinungen, flugunfähig. 2015 waren von zwölf in Niedersachsen untersuchten Fledermäusen vier Tiere Tollwut-positiv. In 2016 wurden in den Veterinärinstituten des LAVES bisher 40 Fledermäuse untersucht, davon waren 14 Tollwut-positiv. (Quelle LAVES, Stand: 31.08.2016) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6744 2 Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. p des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sind der Krankheitsverdacht , die Erkrankung sowie der Tod an Tollwut meldepflichtig. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 38 IfSG ist der direkte oder indirekte labordiagnostische Nachweis des Virus zu melden, sofern der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist. Diese Meldungen müssen nach Prüfung anhand der Falldefinitionen durch das örtlich zuständige Gesundheitsamt an das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) übermittelt werden. Dem NLGA ist seit Bestehen des Infektionsschutzgesetzes im Jahr 2001 kein entsprechender Fall übermittelt worden. Weiterhin ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 IfSG die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, verdächtiges oder ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers meldepflichtig. Für diese Meldungen besteht keine Übermittlungspflicht an das NLGA, sodass hierzu auf Landesebene keine systematisch erhobenen Zahlen vorliegen. 1. Wie viele Fälle von Fledermaustollwut gab es seit 2010 in Niedersachsen? Seit 2010 wurden insgesamt 27 Fledermäuse Tollwut-positiv befundet. 2010 1 Tier positiv von 32 untersuchten Tieren, 2011 4 Tiere positiv von 34 untersuchten Tieren, 2012 1 Tier positiv von 19 untersuchten Tieren, 2013 1 Tier positiv von 26 untersuchten Tieren, 2014 1 Tier positiv von 23 untersuchten Tieren, 2015 4 Tiere positiv von 13 untersuchten Tieren, 2016 5 Tiere positiv von 40 untersuchten Tiere (Stand 31.08.2016). Bei insgesamt 27 Tieren wurde seit 2010 ein Tollwut-Virus nachgewiesen. Zwischen 2013 und Mitte 2016 wurden jährlich ein bis vier Fledermäuse Tollwut-positiv getestet. Seit Ende Juli 2016 ist ein Anstieg der Untersuchungszahlen zu verzeichnen und daraus resultierend ein Anstieg der positiven Tollwutnachweise. 2. In welchen Regionen traten wie viele Fälle auf? Hinsichtlich der „Regionen“ liegen folgende Daten vor: Region Hannover 2 Tiere (2010, 2011), Emden 1 Tier (2011), LK Cuxhaven 1 Tier (2011), LK Stade 1 Tier (2015), Landkreis Schaumburg 1 Tier 2014), Landkreis Wittmund 1 Tier (2016), Landkreis Osnabrück 1 Tier (2016), Landkreis Hildesheim 1 Tier (2016), Landkreis Leer 6 Tiere (2011: 1, 2016: 5), Landkreis Rotenburg-Wümme 1 Tier (2015), Landkreis Lüneburg 3 Tiere (2016), Landkreis Aurich 6 Tiere (2012: 1, 2013: 1, 2016: 4), Oldenburg Stadt 1 Tier (2015), Hansestadt Bremen 1 Tier (2015). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6744 3 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Gesundheitsrisiken durch Fledermaustollwut für Mensch und Tier? Andere Tiere und auch der Mensch sind zwar für die Fledermaustollwutviren empfänglich, Erkrankungen des Menschen und anderer Tiere an Fledermaustollwut sind jedoch äußerst seltene Einzelereignisse . Bislang wurde das Virus nur fünfmal in Europa bei Säugetieren nachgewiesen, davon einmal in Deutschland im Gewebe eines Marders (2001). Ansonsten spielt sich das Krankheitsgeschehen in der Fledermauspopulation ab. Es sind in der Literatur bisher vier Humanfälle durch EBLV 1 und 2 dokumentiert (1977 Ukraine [EBLV 1], 1985 Russland [EBLV 1], 1985 Finnland [EBLV 2], 2002 Schottland [EBLV 2]), in anderen Tierarten wurde das Virus sporadisch in Schafen (DK, n=5), Katzen (F, n=2) und Steinmarder (D, n=1) nachgewiesen. Seit September 2008 gilt Deutschland und damit auch Niedersachsen offiziell als „frei von klassischer Tollwut“. Zu berücksichtigen bleibt das Risiko, das von Kontakten zu illegal importierten, möglicherweise infizierten Tieren aus Tollwut-Endemiegebieten ausgeht, sowie das Risiko der Fledermaustollwut . Wie sich aus den Meldezahlen ergibt, ist das Gesamtrisiko allerdings als sehr gering einzuschätzen. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass bei konkreten Expositionen unter Einbeziehung des Gesundheitsamtes eine Risikobewertung vorgenommen und gegebenenfalls eine postexpositionelle Immunisierung gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut durchgeführt wird. Aus diesem Grund ist die entsprechende Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt bereits für den Expositionsverdacht im Infektionsschutzgesetz verankert, die sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für Tierärztinnen und Tierärzte gilt. 4. Gab es noch weitere Tollwutfälle anderer Tierarten in Niedersachsen und, wenn ja, wie viele bei welchen Tierarten in welchen Regionen? Der abgefragte Zeitraum ist nicht präzisiert, unseres Wissens gab es in den letzten fünf Jahren keinen Fall von Tollwut bei einer anderen Tierart als den Fledermäusen. 5. Wie werden die Bürger Niedersachsens über die Gefahren von Tollwut und über aktuelle Tollwutfälle informiert? Die Information läuft im Wesentlichen über die Veterinärämter und die Homepage des LAVES mit Pressemitteilungen und Artikeln. Hierbei ist es wichtig, zwischen der terrestrischen Tollwut und der Fledermaustollwut zu unterscheiden. Auf der Internetseite des NLGA wird ein Merkblatt zu dem Thema bereitgestellt. Dieses wurde zuletzt im Januar 2016 aktualisiert. Da die örtlichen Gesundheitsämter eine wichtige Anlaufstelle für Bürgeranfragen darstellen, insbesondere wenn Fledermauskontakte stattgefunden haben, und aufgrund von Berichten über vermehrte Fledermausfunde informierte das NLGA die niedersächsischen Gesundheitsämter in der 36., 37. und 38. Kalenderwoche 2016 im Rahmen seines wöchentlichen Rundschreibens über verschiedene Aspekte des Themas, z. B. Bezugsmöglichkeiten von Informationsmaterialien, Verfügbarkeit von Impfstoffen etc., damit diese Informationen für Bürgeranfragen vorgehalten werden können. Daneben beriet das NLGA Gesundheitsämter bei entsprechenden Anfragen. Auf dieser Basis stellen einige kommunale Gesundheitsämter in eigener Zuständigkeit weitere Informationen für die Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. 6. Woran kann man Fledermaustollwut erkennen? Tollwutkranke Fledermäuse liegen zumeist am Boden, wo sie leicht von Katzen und Hunden erbeutet werden können, die sie aber oft nicht fressen. Sie verhalten sich aggressiv, zeigen Schluckbeschwerden und werden meist, bedingt durch Lähmungserscheinungen, flugunfähig. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6744 4 7. Welche Möglichkeiten zur Tollwutbekämpfung gibt es, und welche werden in Niedersachsen eingesetzt? Die terrestrische Tollwut ist in Niedersachsen und in Deutschland getilgt und die Freiheit wird durch ein Monitoring überwacht. Bekämpfungsmaßnahmen sind in der Tollwutverordnung geregelt. Für die Fledermaustollwut gibt es kein Bekämpfungsverfahren und sie wird dementsprechend nicht bekämpft. Die Fledermaustollwut wird nur soweit es möglich ist dokumentiert. (Ausgegeben am 26.10.2016) Drucksache 17/6744 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6577 Fledermaustollwut in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz