Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6764 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6633 - Mogelt Minister Meyer bei der Anbindehaltung? Anfrage des Abgeordneten Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.10.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 11.10.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 24.10.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung des Abgeordneten Landwirtschaftsminister Christian Meyer hat während der 101. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages am 10.06.2016 während der Mündlichen Anfragen gesagt: „Aber in Bayern stehen die meisten Kühe in Anbindehaltung in engen Ställen.“ Diese Zahl wird sowohl von bayerischen als auch niedersächsischen Fachleuten angezweifelt. Der Minister hat für seine Behauptung während der Plenarsitzung keine Quelle angegeben. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehe ich davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da es sich nach meiner Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handelt und der Rechercheaufwand gering ist. Vorbemerkung der Landesregierung Es ist richtig, dass in Niedersachsen der Anteil der Weidehaltung absolut und prozentual am größten ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6764 2 Nach dem Bundesamt für Statistik hatten bei der Landwirtschaftszählung 2010 in Niedersachsen 77 % der Betriebe und 68 % der Milchkühe Weidehaltung. In Bayern hatten nur 19,9 % der Betriebe und 16 % der Milchkühe Weidegang. In der Werbung wird oft etwas anderes suggeriert, darauf sollten die vom Abgeordneten Oesterhelweg ohne Quellenangabe genannten bayerischen und niedersächsischen „Experten“ nicht hereinfallen. In vielen Milchviehbetrieben insbesondere in Süddeutschland sieht man Milchkühe noch in Anbindeställen . Etwa ein Drittel aller in Deutschland gehaltenen Milchkühe lebt in diesem veralteten Haltungssystem . Anbindeställe werden zwar nicht mehr neu errichtet, da sie arbeitswirtschaftlich unrentabel sind, dennoch sind sie noch weit verbreitet. Auch die Top-Agrar schrieb 2014: „Immer noch relativ viele Milchkühe in Anbindehaltung (…) Dennoch ist die Zahl der in Anbindung gehaltenen Milchkühe bei uns noch beträchtlich hoch: Von insgesamt ca. 4,8 Mio. Milchkühen wurden 2010 noch etwa 1,3 Mio. in Anbindung gehalten. Das geht laut dem aid infodienst aus der letzten Landwirtschaftszählung des Statistischen Bundesamtes hervor. (…) Nach Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e. V. dürfte diese Zahl bis heute auf etwas weniger als 1 Mio. geschrumpft sein - was aber immer noch ein Viertel aller Milchkühe in Deutschland ausmacht. Dabei sind es vor allem die kleinen Betriebe Süddeutschlands, in denen die Anbindehaltung heute noch praktiziert wird - allen voran Bayern und Baden-Württemberg . Rinderställe werden heute überwiegend als Boxenlaufställe gebaut, denn dieser Stallbautyp ist tiergerecht und bietet eine hohe Arbeitseffizienz, erklärt der aid weiter.“ (http://www.topagrar.com/ news/Home-top-News-Immer-noch-relativ-viele-Milchkuehe-in-Anbindehaltung-1461843.html). Die Anbindehaltung behindert die Tiere in ihren Grundbedürfnissen nach Bewegung, Körperpflege und Kontakt mit Artgenossen. Folge dieser Haltungsform sind Schäden und Verletzungen an Euter, Gliedmaßen und Klauen sowie Verhaltensstörungen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat im Jahr 2009 ein wissenschaftliches Gutachten zum Wohlbefinden von Milchkühen erstellen lassen. Die Gutachter kommen darin zu dem Schluss, dass die Anbindehaltung das schlechteste Haltungsverfahren ist. Am besten schnitten eingestreute Laufställe und Weidegang ab. In Niedersachsen waren im Jahr 2010 in 77 % der Betriebe Laufställe vorhanden. Analysiert man die Verteilung der Milchkühe auf die unterschiedlichen Haltungssysteme, so zeigt sich, dass die Kühe mehrheitlich in Laufställen gehalten werden (81 % der Milchkühe). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6764 3 1. Auf welche Quelle beruft sich der Minister bei seiner Aussage? Die Aussagen von Herrn Minister Meyer basieren auf dem Bericht des Statistischen Bundesamtes; Land- und Forstwirtschaft, Fischerei - Wirtschaftsdünger, Stallhaltung, Weidehaltung - Landwirtschaftszählung /Agrarstrukturerhebung, Fachserie 3, Heft 6. Darüber hinaus lassen sich entsprechende Aussagen auch aus dem Thünen Working paper 28 aus dem Jahr 2014 (Seite 51) sowie dem Jahresbericht 2015 des Landeskontrollverbandes Bayern (http://www.lkv.bayern.de/lkv/ medien/Jahresberichte/mlp_jahresbericht2015.pdf) entnehmen. 2. Wie viel Prozent der bayerischen Betriebe arbeiten bei Milchkühen mit Anbindehaltung ? 49,1 %. 3. Wie viel Prozent der bayerischen Milchkühe werden in Anbindehaltung gehalten? 29,7 %. 4. Inwiefern passt die Kritik des Landwirtschaftsministers an der AFP-Förderung für den Stallbau in der Milchviehhaltung zum politischen Willen, die Anbindehaltung zu beenden und in tiergerechtere Haltungsformen überführen zu wollen? Das alte AFP-Programm förderte ein reines Mengenwachstum der Betriebe und war kontraproduktiv für bessere Preise. Daher wurde es im Jahr 2014 dem Koalitionsvertrag entsprechend deutlich auf Aspekte des Tierschutzes und des Umweltschutzes ausgerichtet und eine flächenbezogene (2 GV/ha) und tierzahlbezogene Obergrenze (300 Kühe) eingeführt. Insoweit richtete sich die Kritik des Landwirtschaftsministers gegen das bisherige AFP-Programm, welches unter der ehemaligen CDU-Landesregierung den Bau vorwiegend großer Stalleinheiten mit dem Ziel der Kapazitätsausweitung gefördert hat. Vom aktuellen AFP-Programm geförderte Milchviehställe dürfen keine Anbindehaltung vorweisen, sondern entweder Weidehaltung oder einen tiergerechten Außenbereich. 5. Ist die Landesregierung bereit, auch in Zukunft Stallbauten zu fördern, um den Anteil der Anbindehaltung zu senken, oder setzt sie darauf, dass die betreffenden Landwirte ihre Betriebe oder zumindest die Milchviehhaltung aufgeben? Die Landesregierung will auch in Zukunft tiergerechte Ställe ohne Anbindunghaltung und mit den unter Nr. 4 genannten Vorgaben fördern. Die Landesregierung unterstützt landwirtschaftliche Betriebe , die ihre Anbindehaltung durch Laufställe ersetzen möchten. Gefördert werden können solche Vorhaben durch das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP). Tiergerechte Ställe - auch für die Milchviehhaltung - sind im AFP nach wie vor förderfähig; Anbindeställe jedoch nicht mehr. Für die Umstellung von Anbindehaltung auf Laufstallhaltung werden Zusatzpunkte gewährt. Die Förderhöhe liegt je nach Ausgestaltung des Stalls bei 20 % oder 40 %. (Ausgegeben am 27.10.2016) Drucksache 17/6764 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6633 Mogelt Minister Meyer bei der Anbindehaltung? Anfrage des Abgeordneten Frank Oesterhelweg (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz