Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6821 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6635 - Ehrenamtliche Arbeit der Angler in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Ernst-Ingolf Angermann und Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.10.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 11.10.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 26.10.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten In Niedersachsen engagieren sich zahlreiche Menschen in Fischereivereinen und treten für eine nachhaltige Angelfischerei ein. Nach eigenen Angaben gehen Angler dabei nicht nur ihrem Hobby nach, sondern leisten aktiven Naturschutz vor Ort. Sie engagieren sich für den naturnahen Erhalt der anvertrauten Gewässer, bekämpfen deren Verschmutzung und Verbau und arbeiten an der Wiederansiedlung von ausgestorbenen oder bedrohten Fischarten. Für Besatzmaßnahmen, Renaturierungsarbeiten und Projekte zur Förderung der Biodiversität investieren die örtlichen Fischereivereine laut Anglerverband Niedersachsen (vgl. http://www.av-nds.de/wir/der-lsfv.html) jährlich nicht nur mehrere Hunderttausend Euro, sondern leisten in Zehntausenden ehrenamtlichen Arbeitsstunden vor allem unerlässlichen Natur- und Umweltschutz. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehen wir davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da es sich nach unserer Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handelt und der Rechercheaufwand gering ist. Vorbemerkung der Landesregierung Nach § 40 Abs. 1 des Niedersächsischen Fischereigesetzes (Nds. FischG) vom 1. Februar 1978 hat der Fischereiberechtigte einen der Größe und Art des Gewässers entsprechenden Fischbestand zu erhalten und zu hegen. Im Falle der Verpachtung obliegt diese Pflicht dem Pächter. In einem maßgeblichen Anteil der niedersächsischen Oberflächengewässer im Binnenland liegt die Zuständigkeit für die Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrags, der sogenannten Hegepflicht, bei den in zahlreichen Vereinen organisierten Angelfischern. Allein die beiden nach § 54 Abs. 3 Nds. FischG anerkannten Landesfischereiverbände - der Anglerverband Niedersachsen e. V. und der Sportfischerverband im Landesfischereiverband Weser Ems e. V. - repräsentieren insgesamt etwa 140 000 Angelfischer in 450 Vereinen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6821 2 Hinzu kommen etwa 15 Angelfischereivereine, die ihren Vereinssitz zwar in benachbarten Bundesländern (insbesondere in den Ländern Hamburg und Bremen) haben, jedoch als Fischereiberechtigte oder Fischereipächter vereinseigene Fließgewässerstrecken oder Stillgewässer in Niedersachsen bewirtschaften. Der gesetzlichen Hegepflicht gegenüber steht die ausschließliche Befugnis des Fischereiberechtigten oder dessen Pächter, sich im jeweiligen Gewässer die Fische und Krebse der fischereiwirtschaftlich nutzbaren Arten zu fangen und anzueignen (vgl. § 1 Abs. 1 Nds. FischG). Die Landesregierung geht davon aus, dass die Ausübung der Angelfischerei im Regelfall mit einer nachhaltigen fischereilichen Nutzung verbunden ist und dass seitens der Angelfischer ein erhebliches Eigeninteresse an Erhalt und Förderung weitgehend intakter, naturnaher Gewässer und aquatischer Lebensgemeinschaften durch geeignete Maßnahmen besteht, da sich dadurch auch höhere fischereiliche Erträge erzielen lassen. 1. Welche Bereiche und konkreten Maßnahmen für den ökologischen Erhalt an und in den Gewässern werden durch die ehrenamtliche Arbeit der Fischereivereine vor Ort abgedeckt , und wie bewertet die Landesregierung diesen ehrenamtlichen Einsatz der Angler ? Die Arbeiten und Maßnahmen der Angelfischereivereine zum Erhalt der aquatischen Lebensräume und ihrer natürlichen Lebensgemeinschaften gehen weit über die Umsetzung der gesetzlichen Hegepflicht hinaus. Die einzelnen Maßnahmen (vgl. Antwort zu Frage 2) lassen sich den Bereichen – fischereiliche Hegemaßnahmen, – Gewässerschutz und Fischereiaufsicht, – Gewässerentwicklung und Gewässerpflege, – Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung sowie – Datenmanagement zuordnen. Die Landesregierung misst der ehrenamtlichen Arbeit der in den vorgenannten Verbänden und ihren angeschlossenen Vereinen organisierten Angelfischer deshalb eine erhebliche naturschutzfachliche Bedeutung zu. 2. Wie viele Ehrenamtsstunden werden von allen Fischereivereinen in ganz Niedersachsen aufgewandt zur Förderung und für dem Erhalt der Artenvielfalt an und in den Gewässern (bitte nach einzelnen Maßnahmen aufschlüsseln)? Dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz oder dem Dezernat Binnenfischerei im Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit liegen dazu keine Daten aus eigenen Erhebungen vor. Auf Anfrage des Dezernats Binnenfischerei bei den beiden anerkannten niedersächsischen Angelfischereiverbänden konnten jedoch zumindest vom Anglerverband Niedersachsen e. V. diesbezügliche Informationen und Daten vorgelegt werden, die im Rahmen einer systematischen Umfrage bei den angeschlossenen Angelfischereivereinen im Winter 2014/2015 erhoben wurden und eine Beantwortung in hinreichender Detailschärfe erlauben. Im Rahmen dieser Umfrage beteiligten sich von den insgesamt angeschriebenen 327 Vereinen (86 700 Mitglieder) immerhin 111 Vereine (47 900 Mitglieder). Dies entspricht einer Rückmeldequote von 33,9 % aller Vereine und 54,1 % aller Mitglieder im Anglerverband Niedersachsen e. V., sodass diese als repräsentativ eingestuft wurde. Hochgerechnet auf die Aktivitäten sämtlicher Mitgliedsvereine des Anglerverbands Niedersachsen e. V. wurden demnach von den 86 700 dort organisierten Angelfischern insgesamt 186 566 Ehrenamtsstunden für den Erhalt der aquatischen Lebensräume und ihrer natürlichen Lebensgemeinschaften geleistet, die sich wie folgt aufschlüsseln lassen: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6821 3 Maßnahmengruppe 1 „Fischereiliche Hegemaßnahmen“: Insgesamt 31 665 Stunden, davon – Wiederansiedlung gefährdeter Fischarten: 7 366 Stunden, – Bau und Betrieb von Fischbrutanlagen (für Salmoniden): 8 189 Stunden, – Anlage und Betrieb von Aufzuchtteichen: 8 152 Stunden, – Einbringung künstlicher Laichhilfen: 1 017 Stunden, – Bestandsaufnahmen/-kontrollen, fischereiliches Monitoring 5 869 Stunden, – Bekämpfung und Entnahme eingeschleppter Arten: 1 072 Stunden. Maßnahmengruppe 2 „Gewässerschutz, Fischereiaufsicht“: Insgesamt 82 191 Stunden, davon – Gewässeruntersuchungen (biologisch, physiko-chemisch): 4 677 Stunden, – Gewässersäuberung/Müllbeseitigung (u. ä.): 32 754 Stunden, – Fischerei-/Gewässeraufsicht: 40 980 Stunden, – Maßnahmen bei Fischsterben: 3 780 Stunden. Maßnahmengruppe 3 „Gewässerentwicklung, Gewässerpflege“: Insgesamt 43 821 Stunden, davon – Einbringen von Totholz: 982 Stunden, – Anlage von Kies-/Laichbetten: 2 264 Stunden, – Anlage von Strömungslenkern und Störsteinen (u. ä.): 1 442 Stunden, – Anlage von Laufverlängerungen: 203 Stunden, – Anschluss und Pflege von Altarmen: 1 811 Stunden, – Anlage und Pflege naturnaher Kleingewässer: 2 525 Stunden, – Entschlammung von verlandeten Stillgewässern: 4 198 Stunden, – Anlage von naturnahen Ufer- und Röhrichtzonen: 599 Stunden, – Anlage und Pflege von Gewässerrandstreifen: 8 002 Stunden, – Pflanzung und Pflege von Ufergehölzen: 9 860 Stunden, – Bekämpfung invasiver Pflanzenarten: 8 684 Stunden, – Anlage, Wartung und Optimierung von Fischpässen: 1 647 Stunden, – Bau und Pflege von Nistkästen: 1 604 Stunden. Maßnahmengruppe 4 „Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung“: Insgesamt 28 889 Stunden, davon – Medienarbeit, Pressearbeit, Informationstafeln, Homepage: 25 105 Stunden, – Schulunterricht, Exkursionen (u. ä.): 3 784 Stunden. Bezüglich des zeitlichen Aufwands für die fischereiliche Bewirtschaftungsplanung (u. a. Fangstatistik und Besatzplanung) oder auch die Zuarbeit an die Fischereibehörden im Zusammenhang mit Berichtspflichten liegen aus der zitierten Umfrage keine Daten vor (Maßnahmengruppe 5 „Datenmanagement “). Obwohl keine vergleichbare systematische Erfassung durch den Sportfischerverband im Landesfischereiverband Weser-Ems e. V. durchgeführt wurde, kann grundsätzlich von vergleichbaren Maßnahmen und einem vergleichbar hohen Engagement im dortigen Verbandsgebiet ausgegangen werden. Hochgerechnet auf beide niedersächsischen Angelfischereiverbände ergeben sich somit folgende Schätzwerte für die im Zusammenhang mit vorgenannten Maßnahmengruppen jährlich geleisteten Ehrenamtsstunden: – Maßnahmengruppe 1 „Fischereiliche Hegemaßnahmen“: 43 300 Stunden, – Maßnahmengruppe 2 „Gewässerschutz, Fischereiaufsicht“: 112 400 Stunden, – Maßnahmengruppe 3 „Gewässerentwicklung, Gewässerpflege“: 59 900 Stunden, – Maßnahmengruppe 4 „Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung“: 39 500 Stunden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6821 4 Insgesamt werden nach dieser Hochrechnung jährlich etwa 255 100 Ehrenamtsstunden durch die in Niedersachsen organisierten Angelfischer geleistet. Unter Berücksichtigung eines Ansatzes von 8,50 Euro/h (Mindestlohn) repräsentieren die jährlich geleisteten Ehrenamtsstunden etwa einen Gegenwert von 2 168 350 Euro. 3. Wie sollen die bisher ehrenamtlich getätigten Maßnahmen zum Erhalt der ökologischen Vielfalt zukünftig ausgeführt werden, falls Fischereivereine durch Angelverbote und -einschränkungen ihre Existenz verlieren? Es ist nicht davon auszugehen, dass Fischereivereine durch Angelverbote und -einschränkungen ihre Existenz verlieren. Deshalb befürchtet die Landesregierung auch keine Einschränkung des Engagements der örtlichen Angelvereine. (Ausgegeben am 03.11.2016) Drucksache 17/6821 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6635 Ehrenamtliche Arbeit der Angler in Niedersachsen Anfrage der Abgeordneten Ernst-Ingolf Angermann und Frank Oesterhelweg (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz