Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6632 - Geht es auch konkreter? - Nachfrage zum Stand eines jahrelangen Baurechtsstreits zwischen der Stadt Göttingen und einem privaten Bauherrn Anfrage des Abgeordneten Horst Schiesgeries (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 04.10.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 11.10.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 04.11.2016, gezeichnet In Vertretung Jörg Röhmann Vorbemerkung des Abgeordneten Zum Mai-Plenum 2015 stellte ich eine Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung mit dem Titel „Gibt es eine Wahrheitspflicht für Behörden und Kommunen?“ (Drucksache 17/3470) und am 18.03.2016 eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung (Drucksache 17/5429). Die von der Landesregierung (Drucksache 17/5597) vorgelegte Antwort ist für mich Anlass zu verschiedenen Nachfragen. Über die Antwort der Landesregierung berichtete das Göttinger Tageblatt in seiner Ausgabe vom 03.05.2016 unter der Überschrift „Antwort Fehlanzeige“. Beispielsweise führt das Göttinger Tageblatt zur Beantwortung der Frage 9 der Anfrage aus: „Zwar räumt Sozialministerin Rundt ein, dass die Behörde die Rückbauverfügung aufgehoben habe , aber: ‚Die Rechtmäßigkeit des Anbaus wurde hierbei von der Bezirksregierung Braunschweig nicht beurteilt.‘ In der dem Tageblatt vorliegenden Anweisung der Bezirksregierung aus dem Jahre 2004 steht jedoch: ‚Die Rückbauanordnung‘, heißt es dort, ‚kann nicht mit einem Verstoß gegen nachbarschützende Abstandsvorschriften begründet werden‘. Der Anbau ‚hält ganz offensichtlich den Mindestgrenzabstand (...) ein‘ - und sei damit rechtmäßig.“ Diese unterschiedlichen Aussagen in der Antwort der Landesregierung und der Anweisung der Bezirksregierung möchte ich aufgeklärt sehen. Nach Kenntnis des Fragestellers sind aktuell keine gerichtlichen Auseinandersetzungen in dem Streit um den Anbau anhängig, sodass keine schwebenden Verfahren der Beantwortung entgegenstehen können. Die in meiner Anfrage (Drucksache 17/5429) gestellten Fragen stelle ich präzisiert nochmals. Die Fragen beziehen sich grundsätzlich auf Verwaltungshandeln der Stadt Göttingen und der Bezirksregierung Braunschweig und nicht auf Entscheidungen von Gerichten. Insofern die Landesregierung auf ihre vorherigen Antworten verweisen möchte, erwarte ich die wörtliche Wiedergabe des jeweiligen konkreten Teils, auf den sie Bezug nehmen möchte. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landes- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 2 behörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehe ich davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da der Sachverhalt der Landesregierung bereits aus den vorherigen Anfragen seit längerem bekannt ist. Vorbemerkung der Landesregierung Aus Anlass der neuerlichen Anfrage wird darauf hingewiesen, dass die Antwort zu Frage 9 der Kleinen Anfrage 17/5429 geändert worden ist (Drucksache 17/5597 neu). Die Antworten zu den Fragen 2 bis 7, 9 bis 13 sowie 17 und 18 dieser Kleinen Anfrage beruhen auf den Ausführungen der hierzu beteiligten Stadt Göttingen. 1. Ausweislich Berichte des Göttinger Tageblatts war der Kerngegenstand des Streits um die Rechtmäßigkeit des Anbaus die Frage der vom Anbau einzuhaltenden Grenzabstände . Ist diese Darstellung richtig, oder waren weitere Punkte rechtlich umstritten? Es ist zutreffend, dass der Kerngegenstand des Streits um die Rechtmäßigkeit des Anbaus die Frage der vom Anbau einzuhaltenden Grenzabstände war. 2. Wann wurde dem Bauherrn die erste Baugenehmigung erteilt? Die erste Baugenehmigung wurde mit Datum vom 13.05.1993 ausgesprochen. 3. War die Baugenehmigung insbesondere in Bezug auf die Grenzabstandsvorschriften rechtmäßig, und wurde diese bestandskräftig? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. 4. Wann und mit welcher Begründung wurde dem Bauherrn diese Baugenehmigung später entzogen? Die Baugenehmigung wurde infolge eines Nachbarwiderspruchs aufgehoben und damit nicht bestandskräftig . Die Frage, ob die Baugenehmigung insbesondere in Bezug auf die Grenzabstandsvorschriften rechtmäßig war, war infolge des prozessualen Vorgehens des Bauherrn mangels Entscheidungserheblichkeit nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Im Einzelnen wird auf den gerichtlichen Tatbestand in einem Verwaltungsrechtsstreit (Urteil vom 12.12.2013) verwiesen (Kläger ist der Bauherr, Beklagte die Stadt Göttingen): „Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstücks … in Göttingen …, auf dem sich ein im Jahre 1933 errichtetes dreigeschossiges Wohnhaus sowie eine Grenzgarage befinden. Das Wohnhaus hält den in den 90iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts geltenden gesetzlichen Grenzabstand von einer Gebäudehöhe gegenüber zwei Grundstücksgrenzen nicht ein. Auf einen Bauantrag des Klägers vom 30.12.1992 erteilte die Beklagte ihm am 13. Mai 1993 die Baugenehmigung zur Errichtung eines Anbaus an das Wohnhaus, welcher - für sich betrachtet - ebenfalls den Grenzabstand von einer Gebäudehöhe zu zwei Grenzen mit dem Grundstück in Göttingen nicht einhielt. Der Miteigentümer jenes Grundstückes legte am 1.9.1994 Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom 13. Mai 1993 ein, nachdem der Anbau bereits weitgehend fertiggestellt war. Der Kläger reichte in der Folgezeit mehrere Nachtragsbauanträge ein, die nur zum Teil beschieden wurden. Einem Widerspruch des Klägers vom 14.05.1996 gegen die Ablehnung eines Nachtragsbauantrages als unzulässig gab die Beklagte erst mit Bescheid vom 29.06.2012 statt. Nachdem der Kläger geäußert hatte, der Widerspruch seines Nachbarn sei verfristet, jedenfalls aber verwirkt, hob die Beklagte mit Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 3 auf § 50 VwVfG gestütztem Bescheid vom 03.11.1994 die Baugenehmigung vom 13.05.1993 auf und untersagte die Durchführung weiterer Bauarbeiten. Sie schloss sich in der Sache der Rechtsauffassung des Nachbarn an, der Anbau des Klägers müsse gegenüber den Grenzen zum Grundstück des Nachbarn den gesetzlichen Grenzabstand von einer Gebäudehöhe einhalten. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch nahm der Kläger im Zuge einer am 05.11.1995 in den Räumen des Bauordnungsamtes der Beklagten geschlossenen Vereinbarung zurück; dabei wurde ausdrücklich klargestellt, dass der Bescheid über die Rücknahme der Baugenehmigung vom 13.05.1993 damit bestandskräftig werde. Die Erklärung vom 05.01.1995 focht der Kläger gegenüber seinem Nachbarn unter dem 01.09.1995 an. Unter dem 13.12.1995 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Beklagten vom 03.11.1994 als unzulässig zurück. Am 18.01.1996 erhob der Kläger Klage mit dem Ziel festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 03.11.1994 nichtig ist, hilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 03.11.1994 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 13.12.1995 aufzuheben. Das erkennende Gericht hat diese Klage mit Urteil vom 22.01.1997 als unzulässig abgewiesen , weil der Kläger das Ziel, die Baugenehmigung vom 13. Mai 1993 (in ihrer ursprünglichen Fassung) weiterleben zu lassen, mit rechtlichen Mitteln nicht mehr verfolgen dürfe, weil er durch die Vereinbarung vom 05.01.1995 wirksam auf sie verzichtet habe, die Anfechtungsklage sei ferner unzulässig, weil der Kläger den Widerspruch wirksam zurückgenommen habe. Dieses Urteil ist nach dem Beschluss des OVG Niedersachsen vom 25.03.1997 rechtskräftig. In der Folgezeit versuchte die Beklagte, den Kläger zu veranlassen, den Anbau bis auf die genehmigte Höhe (unter Anwendung eines Grenzabstandes von einer Gebäudehöhe) zurückzubauen, was endgültig daran scheiterte, dass die Bezirksregierung Braunschweig, nachdem die Beklagte eine entsprechende Weisung vom 10.09.2004 zunächst nicht befolgt hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2004 eine Rückbauverfügung der Beklagten vom 24.03.2003 aufhob. In der Folge davon widerrief die Beklagte mit Verfügung vom 01.12.2004 ihren Bescheid vom 03.11.1994 mit Wirkung zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Verfügung und führte als Grund dafür eine neuere Rechtsprechung des OVG Niedersachsen aus dem Jahre 1999 an, die das Bauvorhaben des Klägers rechtmäßig habe werden lassen. Der Kläger hat gegen die Beklagte im Jahre 2007 Amtshaftungsklage erhoben , die mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden ist; Verfassungsbeschwerde gegen die zivilgerichtlichen Entscheidungen ist anhängig. In diesem Prozess hat die Beklagte vortragen lassen, der Anbau des Klägers sei zwar (nunmehr) formell rechtmäßig, nicht jedoch materiell. Innerhalb der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Braunschweig vom 26.09.2012, mit dem die Berufung des Klägers gegen ein die Amtshaftungsklage abweisendes Urteil des Landgerichtes Göttingen zurückgewiesen worden war, hat der Kläger am 06.03.2013 - erneut - vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, die Beklagte habe gegen die Weisung der Bezirksregierung Braunschweig vom 10.09.2004 verstoßen, indem sie (im Amtshaftungsprozess) anders vortrage; es sei zu befürchten, dass die Beklagte ihren Vortrag vor dem BGH wiederholen werde. …(VG Göttingen, a.a.O.).“ 5. Zwischen welchen Beteiligten kam es in der Folge zu Rechtsstreitigkeiten? Die Frage kann seitens der Stadt Göttingen nur insoweit beantwortet werden, als sie selbst (i. S. d. prozessualen Vorschriften) Beteiligte eines Verfahrens war; daneben hat der Bauherr Bedienstete als Privatperson verklagt. In einzelnen Streitigkeiten waren betroffene Nachbarn beigeladen, im Amtshaftungsverfahren war das Land als Streitverkündungsempfänger beteiligt. Erste Rechtsstreitigkeiten hat die damalige Ehefrau des Bauherrn gegen die Stadt Göttingen geführt. 6. In wie vielen und welchen Verfahren war die Stadt Göttingen in diesem Zusammenhang Beklagte? Gegen die Stadt Göttingen führte der Bauherr nachfolgende Hauptsacheverfahren nebst Rechtsmittelsachen (Nebenverfahren, z. B. Befangenheits- oder Anhörungsrügen, Anträge auf Tatbestandsberichtigung , Vollstreckungssachen, sind nicht gesondert erfasst): 1. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Aufhebung der Baugenehmigung vom 13.05.1993, VG Göttingen, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 4 2. Nichtzulassungsbeschwerde, OVG Niedersachsen, 3. Klage gegen Rückbauverfügung, VG Göttingen, 4. Berufungszulassungsverfahren, OVG Niedersachsen, 5. Berufungsverfahren wegen Rückbau, OVG Niedersachsen, 6. Amtshaftungsklage, LG Göttingen, 7. Berufung zu Nr. 6, OLG Braunschweig, 8. Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH zu Nr. 7, 9. Klage auf Akteneinsicht, VG Göttingen, 10. Klage auf Unterlassung von Erklärungen gegen den Oberbürgermeister, AG Göttingen, verwiesen an VG Göttingen, 11. Berufungszulassung zu Nr. 10, Nds. OVG, 12. Klage auf Auskunft nach Datenschutzgesetz aus Akten des Klägers, VG Göttingen, 13. Klage auf Feststellung der Rechtmäßigkeit einer Baumaßnahme, VG Göttingen, 14. Klage auf Auskunft über das Vorhandensein von Akten, VG Göttingen, 15. Klage auf Unterlassen von Behauptungen, VG Göttingen, 16. Berufungszulassungsantrag zu Nr. 15, OVG Niedersachsen, 17. Eilantrag auf Unterlassung von Behauptungen, VG Göttingen, 18. Klage wg. Rücknahme bzw. Widerruf eines Aufhebungsbescheides, VG Göttingen, 19. Berufungszulassungsantrag zu Nr. 18, Nds. OVG, 20. Klage auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Bauvorhabens, VG Göttingen. 7. In wie vielen und welchen dieser Verfahren war die Stadt Göttingen wegen ihrer Entscheidungen als Bauaufsichtsbehörde Beklagte? Prozessual sind Klagen gegen die monokratisch verfasste kommunale Gebietskörperschaft zu richten , also die Stadt Göttingen. Auf eine Behördenfunktion kommt es nicht an. Entsprechend der insbesondere verwaltungsgerichtlichen Zuordnung zu den mit dem öffentlichen Baurecht befassten Spruchkörpern dürften dies insbesondere die Verfahren unter 1 bis 5, 9 bis 10 und 12 bis 20 sein (Nummer 6). 8. Wer hatte während dieser Streitigkeiten die Fach- und Rechtsaufsicht über die Stadt Göttingen als Baubehörde? Nach § 65 Abs. 4 der damaligen Niedersächsischen Bauordnung übte die Bezirksregierung Braunschweig bis zum 31.12.2004 die Fachaufsicht über die Stadt Göttingen als untere Bauaufsichtsbehörde aus. Seit dem 01.01.2005 ist das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung als oberste Bauaufsichtsbehörde für die Fachaufsicht zuständig. 9. Wann und mit welcher Begründung wurde die ursprüngliche Baugenehmigung dann schließlich von der Stadt Göttingen dem Bauherrn zurückgegeben? Zur Herstellung des Rechtsfriedens wurde unter Zurückstellung verfahrensmäßiger Fragen der Aufhebungsbescheid vom 03.11.1994 zur ursprünglichen Baugenehmigung vom 13.05.1993 durch weiteren Bescheid vom 01.12.2004 mit Wirkung für die Zukunft wiederum aufgehoben, also für die Zeit nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung Anfang Dezember 2004. Angeknüpft wurde an die Ausführungen der damaligen Bezirksregierung Braunschweig, die einem Widerspruch des Bauherrn unter Hinweis auf damals neue Rechtsprechung stattgegeben hatte. Ein Antrag des Bauherrn auf Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens für die Vergangenheit, also die Zeit vor dieser Entscheidung, wurde rechtskräftig abgelehnt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 5 10. War der Anbau des Herrn K. von Anfang an und stets in Bezug auf die Grenzabstandsvorschriften rechtmäßig und genehmigungsfähig, und ist dies abschließend geklärt? Die mit dem „Anbau des Bauherrn“ erheblichen Fragen sind durch die rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren sowohl auf der Ebene des sogenannten Primärrechtsschutzes (z. B. Beseitigungsverfügung , Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Nachbarwiderspruch) als auch des sogenannten Sekundärrechtsschutzes (Schadenersatzverfahren) abschließend geklärt (zweiter Teil der Frage). Der erste Teil der Frage lässt sich aus Rechtsgründen nicht beantworten. Eine Baugenehmigung ist kein Dauerverwaltungsakt, der durch nachträgliche Sach- oder Rechtslagenänderung rechtmäßig oder rechtswidrig werden kann. Je nach prozessualer Fragestellung ist auf einen maßgeblichen Zeitpunkt abzustellen (BVerwG, Urt. v. 09.08.2016 - 4 C 5.15). Davon zu unterscheiden ist eine (nach Abschluss eines Verfahrens) zeitlich später erfolgende anderweitige Beurteilung der Sachund Rechtslage, die den Anschein einer Rückwirkung hervorrufen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2016 - 4 B 7.16). Eine abstrakte, verbindliche Beurteilung einer Rechtmäßigkeit sieht die Rechtsordnung nicht vor. 11. Welche Verwaltungsakte wurden hierzu erlassen, und wie wurden diese begründet? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Die Stadt Göttingen stellt den Anbau seitdem nicht mehr infrage. Diverse Feststellungsbegehren des Bauherrn wurden schriftlich beantwortet. Des Weiteren wurden (zuletzt) durch Verwaltungsakt Anträge auf Erteilung einer Baugenehmigung und hilfsweise eines Bauvorbescheids für Zeiträume in der Vergangenheit und ein (erneuter) Nichtigkeitsfeststellungantrag abgelehnt. Der Bauherr hat jeweils Widerspruch erhoben. Über die Widersprüche wurde auf seinen Wunsch noch nicht entschieden. 12. Sind aus der Nachbarschaft des o. g. Bürgers fristgemäße Einwendungen gegen den Anbau bei der Stadt Göttingen eingegangen? Wenn nein: Sind verfristete Rechtsbehelfe aus der Nachbarschaft gegen den Anbau bei der Stadt Göttingen eingegangen? Für beide Varianten: Wie und mit welcher Begründung wurde von der Stadt Göttingen hierauf reagiert? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. 13. Haben sich auch andere Behörden (z. B. Staatsanwaltschaft) mit der Frage der ersten Kenntnisnahme des Nachbarn von den Bauakten zu dem Anbau befasst? Wenn, ja: Vor welchem Hintergrund, mit welchem Ergebnis und welcher Begründung? Bei der Staatsanwaltschaft Göttingen sind keine Vorgänge mehr vorhanden, die Aufschlüsse darüber geben könnten, ob diese Behörde mit der Frage der ersten Kenntnisnahme des Nachbarn von den Bauakten zu dem Anbau befasst war. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Staatsanwaltschaft zu einem früheren Zeitpunkt in irgendeiner Weise mit der Fragestellung befasst gewesen sein könnte. Eventuell vorhanden gewesene Datensätze in der elektronischen Datenverarbeitung (eStA) sind aufgrund gesetzlicher Vorgaben zwischenzeitlich gelöscht und entsprechende Aktenbestände ausgesondert und vernichtet. Der Stadt Göttingen ist lediglich ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Göttingen bekannt . Aufgrund der Strafanzeige des Bauherrn hat die Staatsanwaltschaft gegen die damaligen Nachbarn ein Ermittlungsverfahren geführt, das nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde. Der durch den Bauherrn formulierte Tatvorwurf ließ sich aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht herleiten. Der Bauherr hat einen mit einer Begründung und Beschwerdebelehrung versehenen Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft erhalten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 6 14. Wie und mit welcher Begründung beurteilte das mit dem Fall befasste Fachreferat der Bezirksregierung Braunschweig die strittige Frage anfangs? Die Bezirksregierung Braunschweig hat das Ansinnen des Bauherrn mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.1995 zurückgewiesen. Es entspricht der Antwort auf Frage 7 der Kleinen Anfrage 17/5597. Am 21.10.1996 gab die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch vom 12.05.1996 gegen den Bescheid vom 03.04.1996 bezüglich Sicherung der baulichen Anlagen vor Witterungseinflüssen an die Stadt Göttingen zwecks Überprüfung der Sach- und Rechtslage sowie Abhilfe zurück. Der Bauherr erhielt eine Abgabenachricht. 15. Beurteilte die Bezirksregierung nach der Beschwerde der Nachbarn des o. g. Bürgers beim damaligen Regierungspräsidenten im Rahmen des Verfahrens um die von der Stadt Göttingen nach Aufhebung der Baugenehmigung erlassenen Rückbauverfügung die Rechtmäßigkeit des Anbaus in Bezug auf die anzuwendenden Grenzabstandsvorschriften anders? Wenn ja: Wie? Mit welcher Begründung? Bei der Nachbarbeschwerde vom 11.10.1997 an den damaligen Regierungspräsidenten, handelt es sich um eine Dienst- und Fachaufsichtsbeschwerde gegen das Vorgehen der Bezirksregierung Braunschweig bzw. deren Bedienstete wegen Aufhebung der Rückbauverfügung vom 20.11.1995 durch Widerspruchsbescheid vom 09.07.1997. Diese Beschwerde wurde am 18.11.1997 beantwortet . Im Entwurf des Schreibens der Bezirksregierung Braunschweig vom 13.11.1997 an die Stadt Göttingen , welches offensichtlich nicht abgesandt worden ist, wird diese aufgefordert, ihre Rechtsauffassung nochmals zu überdenken und gegebenenfalls Entsprechendes zu veranlassen. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei Beachtung des Freiraumprofils (Kommentar Grosse-Suchsdorf, 6. Auflage zu § 7, Rn. 27, 148) ein späterer Anbau außerhalb desselben errichtet werden kann. Auf seine telefonische Nachfrage wurde dem Bauherrn am 11.12.1997 mitgeteilt, dass die Bezirksregierung Braunschweig die Rückbauverfügung durch Zurückweisung seines Widerspruches hierzu wohl bestätigen würde. Der Bauherr äußerte, dass er die Angelegenheit nun beim MS klären lassen wolle, das ihm am 26.02.1998 antwortete. Nachdem der Bauherr am 01.04.1998 um Aussetzen dieses Widerspruchsverfahrens gebeten hatte und der Nachbar am 20.05.1998 beklagte, dass über diesen Widerspruch noch nicht entschieden worden war, wurde dieser am 05.06.1998 durch den Widerspruchsführer zusätzlich begründet und am 01.07.1998 von der Bezirksregierung Braunschweig als unbegründet zurückgewiesen. 16. Ging die Bezirksregierung im Rahmen des Verfahrens um die von der Stadt Göttingen nach Aufhebung der Baugenehmigung erlassene Rückbauverfügung später von der Rechtmäßigkeit des Anbaus bezüglich der anzuwendenden Grenzabstandsvorschriften aus und hob sie die Rückbauverfügung der Stadt Göttingen selbst und mit welcher Begründung auf? Auf den Widerspruch des Bauherrn vom 18.04.2003 hat die Bezirksregierung Braunschweig am 08.10.2004 die Beseitigungsverfügung der Stadt Göttingen vom 26.02./24.03.2003 aufgehoben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass insbesondere unter Einbeziehung der (damals) aktuellen Rechtsprechung die Beseitigungsverfügung nicht aufrechterhalten werden kann. Entgegen der bisher von der unteren Bauaufsichtsbehörde vertretenden Ansicht ist das sogenannte Schmalseitenprivileg durch das vorhandene Wohnhaus nicht „verbraucht“. 17. Ist die Stadt Göttingen später den Vorgaben und der Argumentation der Bezirksregierung gefolgt? Wenn ja: Wann und mit welchen Verwaltungsakten? Die Stadt Göttingen hat die „Vorgaben“ und die Argumentation aufgegriffen, indem sie - siehe Antwort zu Frage 9 - die Aufhebung der Baugenehmigung ihrerseits für die Zukunft aufgehoben hat. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 7 18. Hat die Stadt später beispielsweise in Gerichtsverfahren wieder behauptet, dass der Abstand des Anbaus zu gering gewesen wäre? Nach Kenntnis der Stadt Göttingen ist eine solche Behauptung nicht aufgestellt worden. Im Amtshaftungsverfahren , in dem sich die Stadt Göttingen durch einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht hat vertreten lassen, wurde von seiner Seite nach Auswertung aller ihm zur Verfügung gestellten Vorgänge in seiner Berufungserwiderung vor dem Oberlandesgericht (OLG) mit Schriftsatz vom 06.06.2011, S. 17 vorgetragen: „11. Vertrauensschutz Nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH liegt ein amtshaftungsrechtlich schützenswertes Vertrauen nicht mehr vor, wenn der Bauherr von der Genehmigung oder aber der genehmigten Planung in relevanter Weise abweicht. Wir hatten dazu im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens ebenfalls vorgetragen und verweisen insoweit auf unseren Schriftsatz vom 22.10.2010. Auf diesen Sachvortrag nehmen wir zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dieser Aspekt doch Folgendes: Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Anbau geltend, den er selbst nach eigenen Angaben spätestens zum 30.06.1997 fertig gestellt hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem OVG Lüneburg am 26.03.2003 wurde dem Kläger - sinngemäß - mitgeteilt, dass sein Anbau die zulässigen Maße überschreitet und daher die Beklagte nicht lediglich einen Teilabriss hätte verfügen dürfen, sondern ihm - dem Kläger - aufgeben müssen, den kompletten Anbau abzureißen. Der Anbau, den der Kläger errichtet hat, ist nicht abgerissen worden. Vielmehr wurde ausweislich der Anlage B44 zum diesseitigen Schriftsatz vom 22.10.2010 die ‚ursprüngliche Baugenehmigung vom 13.05.1993‘ erteilt. Dadurch wurde zwar die ursprüngliche formelle Baurechtswidrigkeit beseitigt. Keineswegs wurde aber damit die materielle Baurechtswidrigkeit, um die bekanntermaßen während der ganzen Zeit gestritten wurde, beseitigt. Nach wie vor ist der Anbau des Klägers materiell baurechtswidrig.“ Dem Text nach hat der Prozessvertreter der Stadt Göttingen hier keine unwahre Behauptung vorgetragen , wie der Bauherr meint, sondern er hat aus den Unterlagen, die er dem Gericht als Anlagen zugänglich gemacht und somit diesem Gericht eine eigene Bewertung ermöglicht hatte, möglicherweise unrichtige rechtliche Schlüsse gezogen. Der Bauherr hat hierauf durch seinen Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 04.10.2011 repliziert und die Bewertung des Prozessvertreters der Stadt Göttingen beanstandet Damit oblag es dem OLG Braunschweig, soweit dies streitentscheidend gewesen wäre, zu beurteilen, ob die Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten der Stadt zutreffend war. 19. Welche vorhandene Meinungsäußerungen in Rechtsprechung und rechtswissenschaftlicher Literatur liegen der Landesregierung vor, die nahelegen, dass das verfassungsmäßige Fragerecht der Abgeordneten nach Artikel 24 Abs. 1 NV oder ähnlicher Regelungen dort seine Grenzen finden, wo Entscheidungen der Justiz kommentiert oder bewertet würden (Angabe der Fundstelle ist ausreichend)? Die Landesregierung muss ausweislich des Verfassungstextes Fragen „nach bestem Wissen“ beantworten . Bestem Wissen entspricht eine Antwort dann, „wenn das Wissen, das bei der Landesregierung präsent ist, offenbart wird, [dies] bezieht aber auch Informationen ein, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in den Geschäftsbereich der Regierung eingeholt werden können“ (Nds. StGH, Urteil vom 22.10.2012, Az. StGH 1/12, Nds. MBl. S. 960, 963 unter Hinweis auf SächsVerfGH, Urteil vom 16.04.1998, LVerfGE 8, 288, ähnlich: Ipsen, NV, Art. 24 Rn. 15, Hagebölling , NV, Art. 24 Anm. 2). Ist eine Frage darauf gerichtet, wie die Landesregierung etwas „kommentiert oder bewertet“ (sei es eine Entscheidung der Justiz, einen Presseartikel, einen Parteibeschluss oder die Äußerung eines Politikers, z. B. des Bundes oder eines anderen Landes, etc.) und hat die Landesregierung eine solche „Kommentierung oder Bewertung“ bislang nicht herbeigeführt oder abgegeben, so ist ihr keine „Kommentierung oder Bewertung der Landesregierung“ bekannt. Die Landesregierung darf und muss dann antworten, dass sie keine Kommentierung oder Bewertung abgibt, sei es hinsichtlich des fragegegenständlichen Einzelfalls oder z. B., wie hier, hinsichtlich gerichtlicher Entscheidungen im Allgemeinen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6872 8 Es besteht insbesondere keine Pflicht der Landesregierung, eine Kommentierung oder Bewertung aus Anlass einer Anfrage erstmals herbeizuführen oder abzugeben. So auch VerfGH Thüringen, Urteil vom 04.04.2003, VerfGH 8/02, Seite 31: „Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zielt auf die Wahrung der Funktionsfähigkeit der Regierung ab und schützt deren Eigenständigkeit bei der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben. Ihre Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament und dem Staatsvolk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der weder Ausforschungseingriffen des Parlaments ausgesetzt ist noch von eigenen Auskunftspflichten überlagert wird. […] Zum Kernbereich gehört außerdem die Entscheidung, ob die Regierung sich in einer politischen Frage festlegen will oder nicht; zu einer derartigen Festlegung kann sie nicht etwa aufgrund des parlamentarischen Fragerechts gezwungen werden (vgl.: ThürVerfGH, Urteil vom 04.04.2003 - VerfGH 8/02 -, ThürVBl. 2003, S. 178 < 183 >).“ 20. Hat man dem Bauherren in der Gesamtbetrachtung mit der Rücknahme der ersten Baugenehmigung und der späteren, über Jahre hinweg andauernden Weigerung eine neue Baugenehmigung zu erteilen, Unrecht getan? Hierzu wird auf die im Laufe der Jahre geänderte Rechtsauffassung verwiesen. Dass sich der Bauherr in Anwesenheit seines Rechtsanwaltes mit der Vereinbarung vom 05.01.1995 gegenüber seinen Nachbarn verpflichtet hat, u. a. seine ursprünglich beantragte und genehmigte Baumaßnahme verfahrensrechtlich nicht weiter zu verfolgen, ist einer bauordnungsrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich. Die Beantwortung der Frage, ob dem Bauherrn Unrecht widerfahren ist bzw. nach einer etwaig moralischen Verantwortung gegenüber dem Bauherrn muss insoweit offen bleiben. (Ausgegeben am 14.11.2016) Drucksache 17/6872 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6632 Geht es auch konkreter? - Nachfrage zum Stand eines jahrelangen Baurechtsstreits zwischen der Stadt Göttingen und einem privaten Bauherrn Anfrage des Abgeordneten Horst Schiesgeries (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung