Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6879 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6600 - VW-Abgas-Skandal: Folgt auf „Diesel-Gate“ und „Einkaufs-Gate“ jetzt „Akten-Gate“? Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 28.09.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 07.10.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 07.11.2016, gezeichnet In Vertretung Daniela Behrens Vorbemerkung des Abgeordneten Die HAZ berichtete von einem „Widerstand gegen Akten-Weitergabe“ (HAZ, 26.09.2016) bei VW. Demnach sträubt sich Volkswagen gegen die Nutzung von amerikanischen Ermittlungsakten im Ausland. Die gewonnen Daten und Dokumente mit Bezug auf den VW-Abgasskandal dürften europäischen Klägern in Rechtsstreitigkeiten mit VW nicht zugänglich gemacht werden. Wörtlich heißt es im Artikel: „Die Unternehmen“ (VW und Bosch, Anmerkung des Verfassers) „wollen damit verhindern , dass das bereits mehr als 20 Millionen Seiten umfassende Material, das von Ermittlern im US-Rechtsstreit zusammengetragen wurde, etwa auch für die am Landgericht Braunschweig gebündelten Anlegerklagen verwendet werden kann“ (HAZ, 26.09.2016). 1. Wie beurteilt die Landesregierung den beschriebenen Sachverhalt? Bei der in dem zitierten Zeitungsartikel (HAZ vom 26.09.2016) geäußerten Darstellung handelt es sich um Spekulationen. Die Landesregierung äußert sich nicht zu solchen Spekulationen. Demgemäß beurteilt die Landesregierung das vermutete Verhalten der Volkswagen AG oder der Robert Bosch GmbH nicht. 2. Ist das Vorgehen bzw. Ansinnen mit dem VW-Aufsichtsrat in Form und Intention abgesprochen ? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Billigen Ministerpräsident Weil und Minister Lies die geforderte Zurückhaltung von amerikanischen Ermittlungsakten mit Bezug auf den VW-Abgasskandal (bitte mit Begründung )? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6879 2 4. Wird nach Auffassung der Landesregierung der beschriebene Sachverhalt dem Anspruch der „maximalen Transparenz“ und der „schonungslosen Aufklärung“ des Vorstandvorsitzenden Müller (https://www.welt.de/wirtschaft/article146869184/Schonungs lose-Aufklaerung-und-strengste-Standards.html) gerecht? Die Landesregierung ist an einer umfassenden und transparenten Aufklärung interessiert und unterstützt die Arbeit, die das Unternehmen Volkswagen zur Aufklärung leistet. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Vor dem Hintergrund, dass Aufsichtsratsvorsitzender Huber den VW-Abgasskandal seinerzeit als „moralisches und politisches Desaster“ (https://www.welt.de/wirt schaft/article146869184/Schonungslose-Aufklaerung-und-strengste-Standards.html) bezeichnet hat: Ist es nach Auffassung der Landesregierung moralisch vertretbar, den Geschädigten in einem Betrugsfall in den USA volle Akteneinsicht zu gewähren, Geschädigten mit Vermögensschaden in Deutschland diese Akteneinsicht zu verweigern? Eine Abfrage beim Landgericht Braunschweig hat ergeben, dass es in den beim Landgericht Braunschweig rechtshängigen Verfahren gegen die Volkswagen AG keine Anträge auf Beiziehung US-amerikanischer Akten gegeben hat. Aufgrund des Verfassungsgrundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit sieht die Landesregierung davon ab, sich zu Auswirkungen hypothetischer Ereignisse auf Entscheidungen niedersächsischer Gerichte zu äußern. 6. Vor dem Hintergrund des Anspruchs des Vorstandsvorsitzenden Müller (https://www.welt.de/wirtschaft/article146869184/Schonungslose-Aufklaerung-undstrengste -Standards.html) „Meine vordringlichste Aufgabe wird es sein, Vertrauen für den Volkswagen-Konzern zurückzugewinnen - durch schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz …“: Ist der Versuch des VW-Konzerns, amerikanische Ermittlungsakten etwa vor Anlegerklagen am Landgericht Braunschweig zurückzuhalten, geeignet , Vertrauen für den Volkswagen-Konzern zurückzugewinnen (bitte mit Begründung )? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 7. Was kann der VW-Konzern nach Auffassung der Landesregierung mit diesem Vorgehen bezwecken, oder was will er erreichen? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Kann das Vorgehen des VW-Konzerns im Falle eines Erfolges dafür Sorge tragen, dass es zu unterschiedlichen Ermittlungserkenntnissen in den USA, Deutschland und Europa kommt? Die Frage entzieht sich mangels Kenntnis vom Inhalt des von US-Ermittlern im US-Rechtsstreit zusammengetragenen Materials einer Beantwortung durch die Landesregierung. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 9. Wenn ja: Wie würde sich dies auf die Rechtsfindung und gegebenenfalls auf die Urteilsfindung für Kunden und Anleger, z. B. am Landgericht Braunschweig, auswirken können ? Aufgrund des Verfassungsgrundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit sieht die Landesregierung davon ab, sich zu Auswirkungen hypothetischer Ereignisse auf Entscheidungen niedersächsischer Gerichte zu äußern. Im Übrigen entzieht sich die Frage mangels Kenntnis vom Inhalt des von Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6879 3 US-Ermittlern im US-Rechtsstreit zusammengetragenen Materials einer Beantwortung durch die Landesregierung. 10. Vor dem Hintergrund, dass amerikanische VW-Kunden im Gegensatz zu europäischen VW-Kunden entschädigt werden: Besteht nach Auffassung der Landesregierung die Gefahr, dass es zu einer Rechtsprechung erster und zweiter Klasse kommen könnte? Die zivilrechtlichen Ansprüche amerikanischer Kunden des VW-Konzerns bemessen sich nach amerikanischem Recht. Dieses unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Schadensersatzrecht . Nach amerikanischem Recht können sogenannte „punitive damages“ (Strafschadensersatz) verhängt werden. Nach deutschem Zivilrecht hat der zum Schadensersatz verpflichtete hingegen ausschließlich den Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im Falle einer Durchführung des Fixes an einem betroffenen Fahrzeug ohne finanzielle Belastung des Kunden besteht nach deutschem Recht kein Anlass für Entschädigungszahlungen. Dass es in zwei unterschiedlichen demokratisch verfassten Staaten unterschiedliche Rechtsordnungen gibt, rechtfertigt es nicht, diese Rechtsordnungen oder die darauf beruhenden Rechtsprechungen als „erster und zweiter Klasse“ zu bewerten. 11. Erkennt die Landesregierung Handlungsbedarf, um klagenden Kunden und Anteileignern am Landgericht Braunschweig die gleichen Ermittlungserkenntnisse zuteilwerden zu lassen? Die Landesregierung ist in Ansehung des Gewaltenteilungsgrundsatzes und insbesondere der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter nicht befugt, auf die Verfahrensgestaltung und Entscheidungsfindung in anhängigen Gerichtsverfahren Einfluss zu nehmen. 12. Wenn ja: Was wird die Landesregierung diesbezüglich für die Kunden und Anteilseigner unternehmen? Entfällt. 13. Wenn nicht: Warum unterstützt die Landesregierung nicht die geschädigten Kunden und klagenden Anteilseigner bei der Ermittlung der Ursache des VW-Abgasskandals? Siehe Antwort zu Frage 11. 14. Was hätten die Öffentlichkeit, die diversen Untersuchungsausschüsse, die Behörden und die Gerichte von der Offenlegung der Erkenntnisse der amerikanischen Ermittlungsakten ? Es entzieht sich der Kenntnis der Landesregierung, auf welche Dokumente sich der Artikel der HAZ vom 26.09.2016 konkret bezieht. Sie vermag daher nicht zu beurteilen, ob und gegebenenfalls wer aus der Kenntnis des Inhalts der Dokumente einen Nutzen ziehen könnte. 15. Vor dem Hintergrund der Aussage des Vorstandsvorsitzenden Müller „Volkswagen wird unter meiner Führung alles daran setzen, die strengsten Compliance- und Governance- Standards der gesamten Branche zu entwickeln und umzusetzen“ (https://www.welt.de/wirtschaft/article146869184/Schonungslose-Aufklaerung-undstrengste -Standards.html): Wie weit ist die Entwicklung und Umsetzung der strengsten Compliance- und Governance-Standards der gesamten Branche? Das Compliance-System bei Volkswagen wird ständig weiterentwickelt. Mit der Berufung von Frau Dr. Hohmann-Dennhardt in den Konzernvorstand der Volkswagen AG mit einem eigenen Bereich Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6879 4 Integrität und Recht zum Januar dieses Jahres zeigt der Konzern, wie ernst er die Situation nimmt. Volkswagen ist dabei, sich strukturell so zu verändern, dass sich so etwas wie der aktuelle Abgasskandal nicht wiederholt. Aktuell wird u. a. eine Konzernrichtlinie zur Etablierung eines Whistle- Blower-Systems geschaffen. 16. Für den Fall, dass die Entwicklung der strengsten Compliance- und Governance- Standards der gesamten Branche abgeschlossen ist: Wie stellen sich diese dar? Es wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 17. Wenn nicht: Wann ist damit zu rechnen? Es wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 18. Welche Veränderungen beabsichtigt VW bei den neu entwickelten bzw. zu entwickelnden strengsten Compliance- und Governance-Standards der gesamten Branche? Es wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. (Ausgegeben am 15.11.2016) Drucksache 17/6879 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6600 VW-Abgas-Skandal: Folgt auf „Diesel-Gate“ und „Einkaufs-Gate“ jetzt „Akten-Gate“? Anfrage des Abgeordneten Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr