Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/6920 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6637 - Wie setzt die Landesregierung das Prostituiertenschutzgesetz um? Anfrage der Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Gudrun Pieper, Annette Schwarz und Angelika Jahns (CDU) an die Landesregierung , eingegangen am 04.10.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 11.10.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 11.11.2016, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Das vom Deutschen Bundestag am 07.07.2016 verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz soll am 01.07.2017 in Kraft treten. Mit dem Gesetz soll nach dem Willen des Bundesgesetzgebers den Ländern, Kommunen und den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden ein wirksames Instrumentarium an die Hand gegeben werden, um mehr Licht, Transparenz und Schutz in das derzeit unregulierte und kaum mehr zugängliche Prostitutionsmilieu zu bringen. Ziel des Gesetzes ist es, Fremdbestimmung in der Prostitution zu bekämpfen. Kernelemente des Gesetzes sind daher die Anmeldepflicht für Prostituierte und die Erlaubnispflicht für das Betreiben einer Prostitutionsstätte. Die Umsetzung wird von den Ländern durch eine nach Landesrecht zu bestimmende Behörde vollzogen. Dabei kann jedes Bundesland für sich entscheiden , ob eine Tätigkeit nicht ortsansässiger Prostituierter in diesem Bundesland eine Anmeldung bei der zuständigen Behörde auslöst oder ob die bereits erfolgte Anmeldung in einem anderen Bundesland für ausreichend erachtet wird. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen vom 21.10.2016 ist ein Artikelgesetz, das in Artikel 1 auch das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) umfasst. Das Gesetz soll zum 01.07.2017 in Kraft treten. Im Hinblick auf den kurzen Zeitraum seit Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens befinden sich sämtliche Länder erst in den Anfängen, um das Gesetz in den Ländern im Wege eines geordneten Verwaltungsfahrens durch gesetzliche und anderweitige Regelungen umzusetzen . Das gilt auch für das Land Niedersachsen. Das Gesetz kann nur effektiv und praxistauglich umgesetzt werden, wenn hinreichende Informationen zu Zahl, Art und Ausübungsbedingungen des Prostitutionsgewerbes vorliegen. Voraussetzung Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6920 2 für eine sachgerechte Umsetzung ist ferner die Einbeziehung aller betroffenen Institutionen und Interessenvertretungen . Die Landesregierung hat bereits vor Einbringung der Gesetzesinitiative durch die Bundesregierung und während der parlamentarischen Beratungen um Information eingeholt und die Beratung mit den betroffenen Verbänden begonnen. Auf Grundlage der Entschließung des Landtags vom 25.06.2014 (Drs. 17/1678) hat sie am 17.11.2014 einen „Runden Tisch Prostitution Niedersachsen“ eingerichtet, der bislang fünfmal getagt hat. Dort tauschen regelmäßig Vertreterinnen und Vertreter des Landtags, der Ministerien, der Beratungsstelle für Prostituierte „Phoenix“, der Prostituiertenverbände, des Landeskriminalamtes sowie der kommunalen Spitzenverbänden Erfahrungen und Einstellungen zu aktuellen Problemen in der Prostitution aus. Die verschiedenen Entstehungsstadien der Regelungen, nämlich die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) herausgegebenen Eckpunkte für ein Gesetz, der Referentenentwurf des BMFSFJ sowie das durch den Bundestag verabschiedete Gesetz, waren jeweils Gegenstand des Austauschs auf verschiedenen Sitzungen des Runden Tisches. Auf der 5. Sitzung des Runden Tisches Prostitution Niedersachsen am 10.10.2016 wurden erste Fragen zu einer möglichen Umsetzung des Gesetzes in Niedersachsen erörtert. Es wurde u. a. deutlich, dass wegen der überwiegend ordnungsrechtlichen Ausgestaltung des Prostituiertenschutzgesetzes und der beim Vollzug notwendigen Ortsnähe die Ausführung des Gesetzes durch kommunale Behörden vor Ort sinnvoll und notwendig erscheint. Die Landesregierung hat bereits im November des letzten Jahres nach Vorlage des Referentenentwurfes zum Prostituiertenschutzgesetz auf Arbeitsebene mit den Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Spitzenverbände ein erstes Gespräch zur möglichen Umsetzung des Gesetzes und zur Aufgabenübertragung in kommunale Zuständigkeit geführt. Seinerzeit bestanden sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch auf Länderebene noch erheblich unterschiedliche Auffassungen über die Adressaten von Regelungen und die Regelungsdichte in dem künftigen Gesetz. Deswegen waren sich die Landesregierung und die kommunale Seite darüber einig, dass weitergehende Gespräche erst nach Zustandekommen des Gesetzes mit den konkret verabschiedeten Regelungsinhalten sinnvoll seien. Diese werden nun zeitnah erfolgen, um die Einzelfragen zur Umsetzung unter Einbeziehung vorhandener kommunaler Behördenstrukturen und Fachkompetenzen sowie fiskalische Gesichtspunkten zu erörtern. Die Landesregierung beabsichtigt, die Zuständigkeit für die Erfüllung der Aufgaben aus dem Prostituiertenschutzgesetz auf die Kommunen zu übertragen. Für die Zuständigkeitsübertragung sowie die in Betracht kommende Kostenausgleichsregelung und zu Fragen der Gebührenerhebung für die erforderlichen Amtshandlungen bedarf es einer gesetzlichen Regelung bzw. Regelungen im Wege der Rechtsverordnung. Diese werden ebenfalls zeitnah nach Verhandlung mit den kommunalen Spitzenverbänden erarbeitet. Für die Kernelemente des Gesetzes - die Erlaubnispflicht für das Betreiben einer Prostitutionsstätte einschließlich der Betreiberpflichten sowie die Anmeldepflicht für Prostituierte - sieht das Gesetz gemäß § 36 ProstSchG eine Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass von Rechtsverordnungen vor. Durch diese Rechtsverordnung(en) können nähere Vorschriften erlassen werden etwa zu den Mindestanforderungen an Prostitutionsstätten und Prostitutionsfahrzeuge, an die durch den Betreiber zu gewährleistende Sicherheit und den Gesundheitsschutz sowie zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anmeldepflicht. Die Landesregierung erwartet, dass die Bundesregierung von dieser Ermächtigung Gebrauch macht. Die Rechtsverordnungen werden der Zustimmung der Länder im Bundesrat bedürfen. Es besteht keine Ermächtigungsgrundlage für die Länder, durch eigene länderspezifische Vorschriften nähere Bestimmungen zu den im Gesetz genannten Anforderungen vorzunehmen. 1. Wie möchte die Landesregierung das Anmeldeverfahren konkret ausgestalten? Das Anmeldeverfahren ist in Abschnitt 2 des ProstSchG detailliert geregelt. Den zuständigen Behörden werden konkret zu beachtende Vorgaben bei der Anmeldung der Prostituierten übertragen. Für darüber hinausgehende Regelungen zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anmeldepflicht kann die Bundesregierung gemäß § 36 Abs. 2 ProstSchG Vorschriften durch Rechtsverord- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6920 3 nung erlassen. Das gilt insbesondere zur Verwendung einheitlicher Vordrucke zur Anmeldung, die Ausgestaltung der Anmeldebescheinigung u. Ä. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Vorbemerkung verwiesen. 2. Welche Behörde beabsichtigt die Landesregierung als zuständige Behörde für die Anmeldung von Prostituierten zu bestimmen? Die Landesregierung beabsichtigt, die Kommunen als zuständige Behörde für das Anmeldeverfahren zu bestimmen. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 3. Welche Kenntnisse benötigen die mit der Durchführung des Anmeldeverfahrens zu betrauenden Bediensteten für diese Aufgabe? Die Bediensteten müssen zunächst über die erforderlichen verwaltungsrechtlichen und verwaltungsorganisatorischen Kenntnisse verfügen, um das Anmeldeverfahren rechtssicher zu gestalten. Darüber hinaus müssen sie aber auch in der Lage sein, den speziellen Anforderungen des Prost- SchG nachzukommen. Neben zum Teil spezifischen Kenntnissen für die Durchführung des Informations - und Beratungsgesprächs gemäß § 7 ProstSchG etwa zur Beratungsinfrastruktur vor Ort müssen die Bediensteten auch in der Lage sein, Anhaltspunkte für das Vorliegen von Menschenhandel oder Zwangsprostitution zu erkennen. 4. Sieht die Landesregierung Bedarf, die mit der Durchführung des Anmeldeverfahrens zu betrauenden Bediensteten für diese Aufgabe zu schulen? Von einem über die reguläre Verwaltungsausbildung und die Erfahrungen aus gängigen Verwaltungstätigkeiten hinausgehenden konkreten Schulungsbedarf ist auszugehen. Der Schulungsbedarf wird in den Gesprächen mit den Kommunalverbänden erörtert werden. 5. Falls ja, welche Inhalte sollen die Schulungen haben, wann sollen sie stattfinden, und wer soll mit der Durchführung betraut werden? Die Einzelheiten zu Veranstalter/mehreren Veranstaltern, Teilnahmekreis und Stoffumfang für die notwendigen Schulungen können erst geklärt werden, wenn der Schulungsbedarf in Abstimmung mit den Kommunen ermittelt wurde. Für das Erkennen von Fällen des Menschenhandels und der Zwangsprostitution könnten die Kommunen auf die bereits bestehenden Strukturen des gemeinsamen Kooperationserlasses „Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Ausländer- und Leistungsbehörden, Jugendämtern , Agenturen für Arbeit, Jobcenter und Fachberatungsstellen zum Schutz von Betroffenen des auf sexuelle Ausbeutung gerichteten Menschenhandels“ (Gem. RdErl. d. MI, d. MS u. d. MJ v. 31.07.2014 - 23.24-12334/15-4 - VORIS 21021) - hier Ziffer 5 des Erlasses - zurückgreifen. Darin sind u. a. regelmäßige gemeinsame Besprechungen und Fortbildungen vorgesehen. 6. Falls nein, weshalb nicht? Entfällt. 7. Wie möchte die Landesregierung sicherstellen, dass die mit der Anmeldung von Prostituierten betrauten Bediensteten über die notwendigen Erfahrungen und Kenntnisse für das Erkennen von Fremdbestimmung bzw. das Vorliegen von Zwangsprostitution verfügen ? Damit die mit der Anmeldung von Prostituierten betrauten Bediensteten Fremdbestimmung oder das Vorliegen von Zwangsprostitution besser erkennen können, bedarf es der Sensibilisierung und Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6920 4 Fortbildung der Bediensteten zu Verdachtsindikatoren. Der erforderliche Fortbildungsbedarf wird in qualitativer und quantitativer Hinsicht im Rahmen der Abstimmung mit den Kommunen zu klären sein. Im Übrigen wird hierzu auf die Beantwortung der Fragen 4 und 5 verwiesen. 8. Beabsichtigt die Landesregierung, eine Anmeldung Prostituierter auch dann vorzusehen , wenn bereits eine Anmeldung in einem anderen Bundesland erfolgt ist? Nein. Die Landesregierung beabsichtigt nicht, von der Ermächtigungsgrundlage gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ProstSchG Gebrauch zu machen. 9. Falls nein, weshalb nicht? Viele Prostituierte sind an wechselnden Orten tätig. Kurzfristige Einsätze - wie etwa beim Escort- Service - sind dabei häufig nicht planbar. Eine abweichende Länderregelung erfordert zusätzliche Anmeldungen in kürzesten Zeitabständen. Diese führen schon wegen der komplexen Anmeldemodalitäten zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand der Kommunen mit entsprechenden Mehrkosten und zu einem hohen Aufwand für die Prostituierten. 10. Welche Behörde beabsichtigt die Landesregierung als zuständige Behörde für die Erteilung von Erlaubnissen zum Betrieb von Prostitutionsstätten zu bestimmen? Die Landesregierung beabsichtigt, auch die Zuständigkeit für die Erteilung von Erlaubnissen zum Betrieb von Prostitutionsstätten auf die Kommunen zu übertragen. 11. Welche Kenntnisse benötigen die mit der Erteilung von Erlaubnissen zum Betrieb von Prostitutionsstätten zu betrauenden Bediensteten für diese Aufgabe? Für das Verfahren zur Erteilung von Erlaubnissen für Prostitutionsstätten sind zunächst verwaltungsrechtliche und verwaltungspraktische Kenntnisse erforderlich, mit denen bei Bediensteten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung im Bereich der allgemeinen Verwaltung zu rechnen ist. Daneben müssen die mit der Durchführung des Erlaubnisverfahrens zu betrauenden Bediensteten in der Lage sein, den speziellen Anforderungen des ProstSchG unter Beachtung des Schutzzwecks des Gesetzes nachzukommen, beispielsweise bei der Beurteilung des Betriebskonzepts. 12. Sieht die Landesregierung Bedarf, die mit der Erteilung von Erlaubnissen zum Betrieb von Prostitutionsstätten zu betrauenden Bediensteten für diese Aufgabe zu schulen? Ja. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 13. Falls ja, welche Inhalte sollen die Schulungen haben, wann sollen sie stattfinden, und wer soll mit der Durchführung betraut werden? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 14. Falls nein, weshalb nicht? Entfällt. 15. Welche Behörde soll mit der Kontrolle der Einhaltung der Mindestanforderungen an Prostitutionsstätten und Prostitutionsfahrzeuge betraut werden? Die Landesregierung beabsichtigt, auch diese Aufgabe den Kommunen zu übertragen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/6920 5 16. Welche Kenntnisse benötigen die mit der Durchführung der Kontrollen von Prostitutionsstätten und Prostitutionsfahrzeugen zu betrauenden Bediensteten für diese Aufgabe ? Neben den auch hier erforderlichen verwaltungsrechtlichen und verwaltungspraktischen Kenntnissen müssen Bedienstete über die Kenntnisse verfügen, die erforderlich sind, um Verstöße gegen die in § 18 ProstSchG an Prostitutionsstätten und in § 19 des Gesetzes an Prostitutionsfahrzeuge gestellten Anforderungen feststellen zu können. Sie müssen dazu etwa über Kenntnisse im Arbeitsschutzrecht und im Jugendschutzrecht verfügen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 17. Sieht die Landesregierung Bedarf, die mit der Durchführung der Kontrollen von Prostitutionsstätten und Prostitutionsfahrzeugen zu betrauenden Bediensteten für diese Aufgabe zu schulen? Es wird zusammen mit den künftig zuständigen Kommunen zu klären sein, inwieweit ihre Bediensteten über die erforderlichen Kenntnisse schon verfügen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 18. Falls ja, welche Inhalte sollen die Schulungen haben, wann sollen sie stattfinden, und wer soll mit der Durchführung betraut werden? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 19. Falls nein, weshalb nicht? Entfällt. (Ausgegeben am 18.11.2016) Drucksache 17/6920 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6637 Wie setzt die Landesregierung das Prostituiertenschutzgesetz um? Anfrage der Abgeordneten Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Burkhard Jasper, Petra Joumaah, Gudrun Pieper, Annette Schwarz und Angelika Jahns (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung