Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7195 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6908 - Was unternimmt die Landesregierung zur Förderung der Offenstallhaltung von Schweinen? Anfrage des Abgeordneten Christian Calderone (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 14.11.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 16.11.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 21.12.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung des Abgeordneten In der Onlineausgabe der „Grafschafter Nachrichten“ vom 28.09.2016 wurde über den Besuch des Herrn Ministerpräsidenten in einem Offenstall für die Schweinehaltung berichtet. 1. Wie bewertet die Landesregierung die konventionelle Haltung von Schweinen im Offenstall ? Die Landesregierung begrüßt alle Haltungen, die dem Tierwohl dienen und eine tiergerechte Haltung erlauben. Hierzu gehören auch Konzepte der Offenstallhaltung. 2. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung die Haltung von Schweinen in konventionellen Offenställen fördern? Schweineställe sind im Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) förderfähig und können je nach Ausgestaltung zu 30 % oder 40 % bezuschusst werden. Für Offenställe sind die hohen Anforderungen der 40-Prozent-Förderung (sogenannte Anlage 2) leichter zu erfüllen als für übliche Ställe. Für Schweinehaltung mit Auslauf werden im Rahmen der Projektauswahl zusätzliche Punkte gewährt . Indirekt wird diese Haltungsform auch im Rahmen der Ringelschwanzprämie gefördert, denn in dem hier geltenden „Kriterienkatalog zur Verbesserung des Tierwohls“ wird der Aspekt „Zugang zu Auslauf“ mit drei Punkten bewertet, insgesamt sind zehn Punkte erforderlich, um an der Tierwohl- Maßnahme teilnehmen zu können. 3. Wie möchte die Landesregierung die Genehmigungsfähigkeit von Offenstallneubauten verbessern? Der Interministerielle Arbeitskreis „Nachhaltige Nutztierhaltung“ wurde mit Kabinettsbeschluss vom Dezember 2015 eingerichtet. Die Federführung liegt bei ML, MU und MS arbeiten aktiv mit. Neben den Ministerien sind Akteurinnen und Akteure aus folgenden Organisationen ständig beteiligt: – Kommunale Spitzenverbände, – Landvolk Niedersachsen, – Landwirtschaftskammer Niedersachsen, – Niedersächsische Landgesellschaft, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7195 2 – Niedersächsische Geflügelwirtschaft, – Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, – Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland, – Niedersächsische Landgesellschaft, – Landesvereinigung ökologischer Landbau, – Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen, – Deutscher Tierschutzbund, Landesverband Niedersachsen. Der Arbeitskreis hat das Ziel, mögliche Hemmnisse für landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Tierhaltung zugunsten einer Verbesserung des Tierwohls umstellen wollen, abzubauen. Dazu werden Fragen des Tierschutzes erörtert, Zielkonflikte mit dem Genehmigungsrecht aufgezeigt und entsprechende Lösungswege erarbeitet. Dabei werden u. a. auch Probleme im Zusammenhang mit der „Offenstallhaltung“ behandelt. Als ein erstes Zwischenergebnis wurde festgestellt, dass es aktuell keine geltende DIN gibt, die Planungs - und Berechnungsgrundlagen hinsichtlich der Emissionswerte für Offenställe definiert. So ist davon auszugehen, dass die Emissionen aus Offenställen derzeit zu hoch bewertet werden. Das Landwirtschaftsministerium wird sich nochmals schriftlich an den DIN-Ausschuss mit der dringenden Bitte wenden, die DIN 18910-1 entsprechend zu ergänzen. 4. Wie bewertet die Landesregierung Bauanträge, die - einhergehend mit einer Reduzierung der Besatzzahlen - einen geschlossenen Schweinestall in einen Offenstall umwandeln möchten? Grundsätzlich begrüßt die Landesregierung die Umwandlung von geschlossenen Stallsystemen in offene Stallsysteme, die mit einer Reduzierung der Besatzzahlen verbunden ist. Bei dem Umstellungsprozess sind eine Vielzahl von Einzelaspekten zu berücksichtigen, die in den Sitzungen des IMAK „Nachhaltige Nutztierhaltung“ mit dem Ziel, das Tierwohl zu erhöhen, intensiv diskutiert werden . Voraussetzung ist, dass die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen erfüllt werden und dass an Standorten mit einer Überschreitung von Immissionswerten der Immissionsbeitrag der Anlage reduziert wird. Sofern die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Prüfung feststellt, dass es sich bei einer Baumaßnahme um ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) - Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung - handelt, ist eine Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit vorzunehmen. Dabei wird in dem jeweiligen Einzelfall die Vereinbarkeit mit den bauplanungsrechtlichen Anforderungen geprüft. Bei einem Vorhaben im Außenbereich ist dies insbesondere die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen; eine (nicht abschließende) Aufzählung öffentlicher Belange enthält § 35 Abs. 3 BauGB. Im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Umbaumaßnahmen wird aufgrund der damit potenziell verbundenen Geruchsimmissionen besonderes Augenmerk auf die Frage gerichtet, ob das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorrufen kann. Diese Vorschrift nimmt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug auf die Begriffsbestimmung der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ in § 3 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). Dementsprechend ist der Maßstab des Baurechts im Hinblick auf die Immissionen nicht strenger als der des Immissionsschutzrechts. Eine Reduzierung der Besatzzahlen wird sich auf das Ergebnis dieser Prüfung tendenziell positiv auswirken, aber nicht in allen Fällen dazu führen, dass das Vorhaben mit dem öffentlichen Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB vereinbar ist. Ferner wird von den unteren Bauaufsichtsbehörden regelmäßig ermittelt, ob das Vorhaben nach den konkreten Umständen des Einzelfalls den öffentlichen Belang der Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Bei einem Vorhabenstandort innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, der nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, kommt es nach § 34 Abs. 1 BauGB darauf an, dass das Vorhaben sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche , die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschlie- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7195 3 ßung gesichert ist. Je nachdem, ob das betreffende Vorhaben dem vorgefundenen Rahmen der näheren Umgebung entspricht oder ob es diesen überschreitet, erfolgt des Weiteren die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Gebot der Rücksichtnahme bzw. die Prüfung, ob durch das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche Spannungen hervorgerufen oder bestehende Spannungen verstärkt werden. Die Beurteilung, ob durch die mit dem jeweiligen Vorhaben verbundenen Immissionen bodenrechtlich beachtliche Spannungen hervorgerufen bzw. verstärkt werden, erfolgt von den unteren Bauaufsichtsbehörden unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Eigenart der näheren Umgebung . Im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme ist - wie bei einem Standort im Außenbereich - zu prüfen, ob das Vorhaben aufgrund der damit verbundenen Immissionen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG hervorrufen kann. Auch hier gilt, dass eine Reduzierung der Besatzzahlen die Chancen dafür erhöht, dass sich das jeweilige Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ist ein Stallbauvorhaben planungsrechtlich zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Art und zum Maß der baulichen Nutzung sowie den überbaubaren Grundstücksflächen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Art der baulichen Nutzung wird durch Festsetzung eines Baugebietes entsprechend der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bestimmt; für Stallbauvorhaben kommt vor allem ein Dorfgebiet nach § 5 BauNVO in Betracht. Die Errichtung eines Stallbauvorhabens in offener oder geschlossener Ausführung ist regelmäßig nicht Gegenstand der planungsrechtlichen Festsetzungen durch die Gemeinden. Ein Stallbauvorhaben - offen oder geschlossen - ist gemäß § 15 BauNVO im Einzelfall unzulässig, wenn davon Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Ausführungen zum Gebot der Rücksichtnahme gelten hier entsprechend. Daneben ist die bauliche Änderung auch durch die Bauaufsichtsbehörde am Maßstab des materiellen Bauordnungsrechts (z. B. Standsicherheit) zu prüfen. 5. Wie möchte die Landesregierung die Anreize für den Neubau von Offenställen schaffen ? Es ist das erklärte Ziel der Landesregierung, das Tierwohl in der Nutztierhaltung zu erhöhen. Diese Entwicklung ist von der Gesellschaft gewünscht, und diese Entwicklung unterstützen auch unsere Landwirte, die gerne in eine tiergerechte Haltung investieren würden und so ihre Produktion in Richtung Qualität ausbauen möchten. Der Neubau von Offenställen ist eine gute Maßnahme, die diese Zielrichtung unterstützt und über das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) gefördert werden kann. Diese Maßnahme wird auch im IMAK „Nachhaltige Nutztierhaltung“ intensiv diskutiert und fachlich bewertet. Dieses Vorgehen soll dazu beitragen, die bestehenden grundsätzlichen Zielkonflikte zwischen den Aspekten des Verbraucherschutzes, des Schutzes der Wohnbevölkerung, des Umwelt- und Klimaschutzes sowie des Tierschutzes aufzuzeigen und mögliche Lösungen darzustellen . 6. Wie möchte die Landesregierung sicherstellen, dass Bauanträge für Offenställe genehmigungsfähig sind? Die aktuell gültigen gesetzlichen Regelungen stehen einer Genehmigung von Offenställen nicht entgegen. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Vorhaben nicht entgegenstehen. 7. Welche finanzielle Förderung gibt es für den Bau von konventionellen Offenställen durch die Landesregierung, und welche Förderung ist in Zukunft geplant? Siehe Antwort zu Frage 2 in Bezug auf die AFP-Förderung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7195 4 Die ELER-Tierwohl-Maßnahme wird voraussichtlich zum 01.12.2017 um je eine Maßnahme für die Sauenhaltung und für die Ferkelaufzucht ergänzt. Für beide Maßnahmen sind verschiedene Haltungsmaßnahmen vorgegeben, die die Teilnahme an dieser Förderung ermöglichen. Aspekte wie „Außenklima“, „Zugang zu Auslauf“ oder die Schaffung „getrennter Klimabereiche“ werden in den hier geltenden Kriterienkatalogen besonders hoch bewertet werden. 8. Wie bewertet die Landesregierung die Haltung in Offenställen hinsichtlich ihres Vermeidungspotenzials beim Schwanzbeißen? Das Auftreten von Schwanzbeißen ist eine Verhaltensstörung und multifaktoriell bedingt. Es wird u. a. durch suboptimale Haltungsbedingungen ausgelöst, die dem Tier nicht erlauben, arttypische Verhaltensweisen auszuüben. So ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass die Tiere ca. 70 % ihrer wachen Zeit mit Wühlen verbringen, ein Verhalten, das ursprünglich der Nahrungssuche diente. Insofern kann ein Offenstall u. a. durch das Angebot von unterschiedlichen Klimazonen zu einer tiergerechten Haltung beitragen. 9. Welchen Auswirkungen werden die Neuregelungen zur NEC-Richtlinie auf EU-Ebene auf die Umstellung auf Offenstallhaltungssysteme in Niedersachen haben, und wie bewertet die Landesregierung diese Regelung? Bei den gemäß der NEC-Richtlinie einzuhaltenden Emissionshöchstmengen an Ammoniak, die seit 31.12.2010 einzuhalten sind und seitdem von Deutschland überschritten werden, ist die Landwirtschaft für 95 % der Ammoniakemissionen in Deutschland verantwortlich. Mit der Einigung über die Fortschreibung der Ziele in der NERC-Richtlinie sind die Reduktionsziele für Niedersachsen mit einem derzeitigen Anteil von ca. 25 % der gesamten Ammoniakemissionen Deutschlands von besonderer Relevanz. Deutschland muss den Ausstoß an Ammoniak in den kommenden Jahren bis 2030 um 29 % zum Bezugsjahr 2005 vermindern und hat damit im Vergleich zu den anderen EU- Ländern die höchste Last zu schultern. Ob bzw. inwieweit sich Auswirkungen auf die Umstellung auf Offenhaltungssysteme ergeben werden, kann zurzeit noch nicht abgeschätzt werden. Zunächst bleibt abzuwarten, welche Strategien der Bund zur Erreichung der von der NERC-Richtlinie vorgegebenen Reduktionsziele entwickeln wird. Da Freilandhaltungen nur ca. 2 % der Ammoniakemissionen ausmachen, plädiert Niedersachsen primär dafür, Emissionsreduktionen aus geschlossenen Stallanlagen, etwa durch den Einbau von Filtern, vorzunehmen. (Ausgegeben am 04.01.2017) Drucksache 17/7195 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6908 Was unternimmt die Landesregierung zur Förderung der Offenstallhaltung von Schweinen? Anfrage des Abgeordneten Christian Calderone (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz