Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6980 - Ist für Hoferbinnen/Hoferben trotz Einschränkungen durch Geruchsimmissions-Richtlinie und TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) eine Zukunft in der Landwirtschaft möglich? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Hans-Heinrich Ehlen (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 23.11.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 28.11.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 22.12.2016, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Im Rahmen der 109. Plenarsitzung vom 27.10.2016 wurde unter TOP 28 die abschließende Beratung des Antrages „Bürokratie abbauen - Tierwohlleistungen honorieren - gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung ermöglichen“ der CDU-Landtagsfraktion - Drs. 17/4712 - vorgenommen. Der Abgeordnete Dammann-Tamke schilderte ausweislich des Protokolls während der Sitzung den folgenden Fall: „Eine junge Hoferbin oder ein junger Hoferbe möchten von einem alten, konventionellen Bodenhaltungsstall - mit, sagen wir mal, round about 3 000 Plätzen - auf Freilandhaltung umstellen, da das Kannibalismusproblem, das natürlich aufgrund des Verzichts auf das Schnabelkürzen massiv ansteigt , nach Auffassung der Beratung sonst nicht in den Griff zu bekommen ist. Für dieses gewählte Beispiel ist die Frage ‘bio oder konventionell?‘ im Übrigen völlig irrelevant“. Der Abgeordnete Dammann-Tamke berichtet weiter, dass der Hof eine Dorfrandlage habe. Platz wäre dementsprechend vorhanden. Einen Antrag zur Baugenehmigung würde die Erbin/der Erbe keinesfalls stellen. Ursächlich dafür seien die folgenden Gründe: 1. Mit Beginn der Baumaßnahmen verliert der Stall seinen Bestandschutz. 2. Aufgrund der Geruchsimmissions-Richtlinie bzw. der kumulierten Immissionen ist der Stall an gegebenem Standort nicht mehr genehmigungsfähig. 3. Auch eine Bestandsabstockung wäre in der Dorfrandlage aufgrund der nachbarschaftlichen Vorbelastungen weder wirtschaftlich noch genehmigungsfähig. 4. Eine Aussiedlung des Betriebes ist nur wirtschaftlich darstellbar, wenn ein wesentlicher Wachstumsschritt gemacht wird. 5. Momentan wäre es bei genanntem Betrieb aufgrund der guten Flächenausstattung sogar noch als privilegiertes landwirtschaftliches Bauvorhaben möglich. 6. Zukünftig fällt das Privileg durch die Pläne der Bundesumweltministerin Hendricks weg. 7. Aufgrund der Abstände des Standortes zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft sind die Standorte im Außenbereich schon heute nicht mehr genehmigungsfähig. 8. Die NEC-Richtlinien (Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe 2001/81/EG) werden aufgrund des derzeitigen technischen Stands für diese Art von Stallhaltung nicht einzuhalten sein. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 2 9. Die sich in der Beratung befindende Novellierung der TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) wird in dieser Gemarkung jeden Standort ausschließen, da es keine Technik gibt, die die ehrgeizigen Vorgaben im Hinblick auf Reduzierung von klimaschädlichen Gasen erfüllen kann. „Zusammenfassend lässt sich sagen: Der gute Vorsatz, eine Investition, die die Zukunft einer Landwirtschaftsfamilie sichern könnte, auf den Weg zu bringen und gleichzeitig etwas im Sinne des Tierschutzplanes für mehr Tierwohl und gesellschaftliche Akzeptanz zu tun, wird im Keim erstickt.“ Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Sofern es sich bei der von der Hoferbin bzw. dem Hoferben konkret geplanten Baumaßnahme um ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) handeln sollte, hinge die Zulässigkeit des Vorhabens auch davon ab, dass es bauplanungsrechtliche Anforderungen erfüllt. Die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens richten sich nach dessen Standort. Die Fallschilderung lässt nicht eindeutig erkennen, ob das konkrete Bauvorhaben ganz bzw. teilweise im Außen-, im (unbeplanten) Innenbereich der Gemeinde oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt. Falls das Vorhaben ganz oder teilweise im Außenbereich liegen sollte, ist es nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und es einem landwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Nach der Sachverhaltsschilderung (z. B. Grund Nr. 2 gegen die Stellung eines Bauantrags) ist allerdings davon auszugehen, dass dem Bauvorhaben aufgrund der damit verbundenen Geruchsimmissionen öffentliche Belange entgegenstehen. Insbesondere ist davon auszugehen, dass das Vorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Diese Vorschrift nimmt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug auf die Begriffsbestimmung der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ in § 3 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). Dementsprechend ist der Maßstab des Baurechts im Hinblick auf die Immissionen nicht strenger als der des Immissionsschutzrechts. Bei einem Vorhabenstandort innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, der nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, kommt es nach § 34 Abs. 1 BauGB darauf an, dass das Vorhaben sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche , die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Je nachdem, ob das betreffende Vorhaben dem vorgefundenen Rahmen der näheren Umgebung entspricht oder ob es diesen überschreitet, erfolgt des Weiteren die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Gebot der Rücksichtnahme bzw. die Prüfung, ob durch das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche Spannungen hervorgerufen oder bestehende Spannungen verstärkt werden. Die Beurteilung, ob durch die mit dem jeweiligen Vorhaben verbundenen Immissionen bodenrechtlich beachtliche Spannungen hervorgerufen bzw. verstärkt werden, erfolgt von den unteren Bauaufsichtsbehörden unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Eigenart der näheren Umgebung . Im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme ist - wie bei einem Standort im Außenbereich - zu prüfen, ob das Vorhaben aufgrund der damit verbundenen Immissionen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG hervorrufen kann. Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ist ein Bauvorhaben planungsrechtlich zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Art der baulichen Nutzung wird durch Festsetzung eines Baugebietes entsprechend der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bestimmt; für Stallbauvorhaben kommt vor allem ein Dorfgebiet Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 3 nach § 5 BauNVO in Betracht. Ein Bauvorhaben ist gemäß § 15 BauNVO im Einzelfall unzulässig, wenn davon Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Ausführungen zum Gebot der Rücksichtnahme gelten entsprechend. 1. Wie positioniert sich die Landesregierung bezüglich des genannten Falls? Wie kann die genannte Familie sich auch in Zukunft ihren Lebensunterhalt sichern, ohne den Hof aufzugeben oder entsprechende wirtschaftliche Einbußen erleiden zu müssen? Ohne nähere und konkrete Angaben ist es nicht möglich, eine Bewertung dieses Einzelfalls vorzunehmen . Die Geruchs-Immissions-Richtlinie (GIRL) wurde als gemeinsamer Runderlass des MU, des MS, des ML und des MW am 23.07.2009 von der Vorgängerregierung als Verwaltungsvorschrift in Niedersachsen eingeführt. Damit bekamen die niedersächsischen Landkreise, kreisfreien Städte und großen selbstständigen Städte als Genehmigungsbehörden für Tierhaltungsanlagen ein Instrumentarium für eine Beurteilung von Geruchsimmissionen an die Hand. Im Dezember 2015 hat die Landesregierung den Interministeriellen Arbeitskreis „Nachhaltige Nutztierhaltung “ eingerichtet. Die Federführung liegt bei ML, MU und MS arbeiten aktiv mit. Neben den Ministerien sind Akteurinnen und Akteure aus folgenden Organisationen ständig beteiligt: – Kommunale Spitzenverbände, – Landvolk Niedersachsen, – Landwirtschaftskammer Niedersachsen, – Niedersächsische Landgesellschaft, – Niedersächsische Geflügelwirtschaft, – Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, – Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland, – Niedersächsische Landgesellschaft, – Landesvereinigung ökologischer Landbau, – Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen, – Deutscher Tierschutzbund, Landesverband Niedersachsen. Der Arbeitskreis hat das Ziel, mögliche Hemmnisse für landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Tierhaltung zugunsten einer Verbesserung des Tierwohls umstellen wollen, abzubauen. Dazu werden Fragen des Tierschutzes erörtert, Zielkonflikte mit dem Genehmigungsrecht dargestellt und mögliche Lösungswege aufgezeigt. 2. Wie soll dieser Betrieb sicherstellen, dass der Verzicht auf das Schnabelkürzen nicht zu weiteren tierschutzrelevanten Problemen wie Federpicken und Kannibalismus führen wird, wenn eigentlich nötige bauliche Änderungen aufgrund bürokratischer Hürden nicht umgesetzt werden können? Es gibt Betriebe, die bereits seit mehreren Jahren zeigen, dass die Haltung von Legehennen mit intaktem Schnabel möglich ist und das Risiko für das Auftreten von Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus nicht größer sein muss als bei Herden mit gekürztem Schnabel. Untersuchungen in Betrieben, die im gleichen Haltungssystem sowohl kupierte als auch nicht kupierte Herden nebeneinander gehalten haben, zeigten, dass entweder beide Herden „gut“ oder beide „schlecht“ durchliefen. Mit dem Schnabelkürzen wurden vorhandene Probleme im Bereich Haltung und Management bisher - wenn überhaupt - lediglich symptomatisch behandelt. Kannibalismus wird durch das Schnabelkürzen nicht verhindert, es werden allenfalls die Verletzungen minimiert, die sich die Hennen mit kupierten Schnäbeln gegenseitig zufügen können. Stattdessen muss versucht werden, durch eine insgesamt optimierte Haltung der Jung- und Legehennen mögliche Ursachen für Verhaltensstörungen abzustellen. Dabei haben sich in wissenschaftlichen Untersuchungen Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 4 in Niedersachsen und anderen Bundesländern u. a. folgende Aspekte als besonders wichtig heraus gestellt: ausreichend hohe Gewichte der Jung- und Legehennen, damit körperliche Reserven für mögliche Stresssituationen in der Legeperiode geschaffen werden; Abstimmung zwischen Aufzucht und Legebetrieb, u. a. hinsichtlich Fütterung, Lichtregime, Gesundheitsmanagement; ausreichende und geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten für Jung- und Legehennen; qualitativ hochwertiges Futter; intensive Tierbetreuung und -beobachtung, damit mögliche Probleme frühzeitig erkannt und rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Dazu gibt es inzwischen umfangreiche Hilfestellungen für die Tierhalterinnen und Tierhalter zur Umsetzung in die Praxis, wie beispielsweise die „Niedersächsischen Empfehlungen zur Verhinderung von Federpicken und Kannibalismus bei Jung- und Legehennen“ (ML, erste Veröffentlichung 2013) sowie den Managementleitfaden der LWK Niedersachsen „Minimierung von Federpicken und Kannibalismus bei Legehennen mit intaktem Schnabel“ (2016). 3. Wie will die Landesregierung mit der GIRL-Richtlinie (Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe 2001/81/EG) nach dem Urteilsspruch des OVG Lüneburg in Zukunft umgehen? Es wird davon ausgegangen, dass mit dem in Bezug genommenen „Urteilsspruch des OVG Lüneburg “ das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (OVG) vom 09.06.2015 - 1 LC 25/14 - gemeint ist. In dieser Entscheidung führt das Gericht Folgendes aus: Sind in einem Dorfgebiet die Immissionsrichtwerte der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) bereits überschritten, kann eine Genehmigung zum Bau eines weiteren, zur Immissionsbelastung in relevanter Weise beitragenden Maststalls auch dann nicht erteilt werden, wenn dadurch die Immissionsbelastung - etwa aufgrund von Immissionsminderungsmaßnahmen an vorhandenen Ställen - insgesamt gleich bleibt oder abnimmt , aber weiterhin oberhalb der Richtwerte liegt. Das OVG geht in diesen Fällen von einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aus. Mit Beschluss vom 07.04.2016 - 4 B 37.15 - hat das Bundesverwaltungsgericht gegen diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts die Revision zugelassen. In den Gründen seiner Entscheidung legt das Bundesverwaltungsgericht dar, das OVG sei in seinem Urteil von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidungserheblich abgewichen. Nach dieser Rechtsprechung dürften bei der Beurteilung, ob in dem jeweiligen Einzelfall das Gebot der Rücksichtnahme gewahrt werde, bestehende Vorbelastungen nicht außer Betracht bleiben. Was von einem genehmigten Betrieb - legal - an Belastungen verursacht werde, könne die Schutzwürdigkeit der vorhandenen Wohnbebauung mindern. Daraus folge, dass - sofern nicht die vorhandenen Immissionen bereits die Grenze des schweren und unerträglichen Eingriffs überschritten und auch die Voraussetzungen des § 22 des Bundesimmissionsschutzgesetzes nicht vorlägen - bei der Erweiterung eines legalen Betriebes nur zu prüfen sei, ob eine Verschlechterung der Immissionslage zu erwarten sei. Angesichts dieser Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts wird das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung als oberste Bauaufsichtsbehörde etwaige Genehmigungen für Betriebserweiterungen , die im Widerspruch zu dem o. g. Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg erteilt werden, fachaufsichtlich nicht beanstanden, wenn diese Genehmigungen im Einklang mit der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner o. g. Entscheidung dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Revisionsverfahren abzuwarten. Die Erlasslage in Niedersachsen besagt, dass in einem Gebiet mit überschrittenen Immissionswerten eine beantragte Erhöhung der Tierzahl dann zulässig ist, wenn die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Reduzierung der Anlagenemissionen nachweislich zu einer deutlichen Verminderung der von dieser Anlage verursachten Immissionen führt. Die Ausführungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.04.2016 zur Zulassung der Revision gegen das Urteil des OVG Lüneburg vom 09.06.2015 berechtigen zur Annahme, dass das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich diese Sichtweise teilt und das Urteil des OVG Lüneburg aufgehoben wird. Aus diesem Grund besteht derzeit kein Anlass, von der bisherigen Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Beurteilung von Gerüchen abzuweichen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 5 4. In vielen Gebieten liegen Klagen bei den Oberverwaltungsgerichten zur Entscheidung vor. Inwiefern setzt sich die Landesregierung für eine Änderung im Sinne von Landwirtschaft und Tierhaltung bei der in der Beratung befindlichen technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) aktiv ein? Die TA Luft aus dem Jahr 2002 ist an den weiterentwickelten Stand der Technik entsprechend den europäischen Vorgaben in den Merkblättern bzw. Schlussfolgerungen über die besten verfügbaren Techniken (bvT) anzupassen, die mit Inkrafttreten der europäischen Richtlinie über Industrieemissionen (RL 2010/75/EG) eine deutliche Stärkung erhalten haben. Das BMUB hat einen Referentenentwurf der TA Luft mit Stand vom 09.09.2016 übermittelt. Niedersachsen wird sich im weiteren Beratungsprozess dafür einsetzen, dass sowohl die Belange des Umweltschutzes als auch die Belange des Tierschutzes in einer angemessenen und ausgewogenen Art und Weise berücksichtigt werden. 5. Welche sonstigen Maßnahmen unternimmt die Landesregierung unter Bezug auf den oben genannten Fall, um Familien eine Zukunft in der Landwirtschaft zu ermöglichen? Mit der Einrichtung des Interministeriellen Arbeitskreises „Nachhaltige Nutztierhaltung“ verfolgt die Landesregierung das Ziel, mögliche Hemmnisse für landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Tierhaltung zugunsten einer Verbesserung des Tierwohls umstellen wollen, abzubauen. Dazu wurden die teilnehmenden Organisationen gebeten, Einzelfälle zu benennen und Hintergrundinformationen zu liefern. Die jeweiligen Zielkonflikte zwischen Tierschutz, Umweltschutz und Zielen im Zusammenhang mit dem Baurecht wurden herausgearbeitet und aufgezeigt. Im nächsten Schritt wurden unter Berücksichtigung der Rechtslage und eines möglichen Ermessensspielraums mögliche Lösungen vorgeschlagen, die die Landesregierung direkt unterstützen kann. Für die Fallbeispiele, für die kein Ermessensspielraum besteht, sollen im nächsten Schritt der entsprechende Rechtsbereich und die verantwortliche Ebene (Land, Bund, EU) benannt werden. Im Ergebnis soll erarbeitet werden, welche Rechtsänderungen gegebenenfalls erforderlich wären, um dem Ziel einer nachhaltigen Tierhaltung den Vorrang zu gewähren. 6. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung, um die die genannten Hürden für die Investition in tiergerechtere Haltungssysteme, bei denen die Tierzahl nicht erhöht wird, abzubauen? Bei den im Beispiel genannten Hürden handelt es sich in den meisten Fällen um Rechtsvorschriften , die sich aus dem EU-Recht oder dem Bundesrecht ergeben. Auch die GIRL ist zwar derzeit noch eine Verwaltungsvorschrift der Länder, wird aber voraussichtlich mit der Novelle der TA Luft in Bundesrecht überführt werden. An diesen Rechtsvorschriften kann die Landesregierung also nicht ohne weiteres ansetzen, um die Schwierigkeiten bei der Investition in tiergerechte Haltungssysteme zeitnah abzumildern. Als weiteres Argument wurden wirtschaftliche Gründe genannt, die in vielen Fällen der Investition in tiergerechte Stallsysteme oder Haltungsverfahren entgegenstehen. An dieser Stelle setzt die Landesregierung mit zwei konkreten Fördermaßnahmen an: – Pfeil-Förderung Tierwohl-Maßnahme Seit dem 01.12.2015 wird in Niedersachsen die Haltung von Legehennen mit unkupierten Schnäbeln und die Haltung von Mastschweinen mit unkupierten Ringelschwänzen gefördert. Dafür stehen insgesamt stehen 28 Millionen Euro für die laufende Förderperiode bereit. Für die Legehennen werden konkrete Haltungsbedingungen vorgegeben, die der Antragsteller erfüllen muss, um die Prämie von ca. 1,70 Euro pro Tier und Jahr zu erhalten. Die Ringelschwanzprämie ist eine erfolgsorientierte Maßnahme. Landwirte, die ihr Haltungssystem so gestalten, dass auf das immer noch routinemäßig praktizierte Kupieren der Schwänze verzichtet werden kann, haben einen Mehraufwand gegenüber ihren Kollegen, die dies nicht tun. Dieser Mehraufwand wird mit der Zahlung von 16,50 Euro pro Mastschwein ausgeglichen, wenn jederzeit mindestens 70 % der förderfähigen Tiere den intakten Ringelschwanz aufweisen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 6 Niedersachsen plant zwei weitere Teilmaßnahmen „Ferkelaufzucht“ und „Sauenhaltung“ ab dem 01.11.2017. Pro Ferkel mit intaktem Ringelschwanz soll eine Prämie von 5 Euro gezahlt werden. In der Sauenhaltung soll es für die Einhaltung von deutlich über den derzeit geltenden Standards liegenden Haltungsbedingungen bis zu 150 Euro Prämie geben. – Agrarinvestionsprogramm (AFP): Mit dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) verfügt das Land über eine Fördermaßnahme , die auf Investitionen in tiergerechtere Haltung fokussiert ist. Seit 2014 ist das AFP deutlich auf Tierschutzaspekte ausgerichtet worden. Stallbauvorhaben werden nur noch gefördert, wenn deren Tierschutzstandards weit über den gesetzlichen Anforderungen liegen. In Niedersachsen kommt von der Anlage 1 des GAK-Rahmenplans nur die höhere Stufe („Premiumförderung“) zur Anwendung . Zusätzlich hat ML in Zusammenarbeit mit den Tierschutzexperten des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit einen Katalog mit noch höheren Anforderungen an die Haltung entwickelt. Für die Einhaltung dieser Anforderungen werden ein erhöhter Fördersatz und Zusatzpunkte gewährt. Darüber hinaus wird im Zuge der Auswahl der zu fördernden Projekte (Ranking ) das Einhalten bestimmter weiterer Kriterien mit Zusatzpunkten honoriert. 7. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um sich auch auf Bundesebene für Erleichterungen stark zu machen? Niedersachsen beteiligt sich unter Berücksichtigung der in Antwort 4 genannten Maßstäbe aktiv am Beratungsprozess zur Novellierung der TA Luft. Darüber hinaus werden u. a. im IMAK „Nachhaltige Nutztierhaltung“ Möglichkeiten im Hinblick auf Erleichterungen für landwirtschaftliche Betriebe diskutiert . 8. Welche Auswirkungen wird die Neuregelung der NEC-Richtlinie auf die niedersächsische Landwirtschaft haben? Bei den gemäß der NEC-Richtlinie einzuhaltenden Emissionshöchstmengen an Ammoniak, die seit 31.12.2010 einzuhalten sind und seitdem von Deutschland überschritten werden, ist die Landwirtschaft für 95 % der Ammoniakemissionen in Deutschland verantwortlich. Mit der Einigung über die Fortschreibung der Ziele in der NERC-Richtlinie sind die Reduktionsziele für Niedersachsen mit einem derzeitigen Anteil von ca. 25 % der gesamten Ammoniakemissionen Deutschlands von besonderer Relevanz. Deutschland muss den Ausstoß an Ammoniak in den kommenden Jahren bis 2030 um 29 % zum Bezugsjahr 2005 vermindern und hat damit im Vergleich zu den anderen EU-Ländern die höchste Last zu schultern. Ob bzw. inwieweit sich Auswirkungen auf die niedersächsische Landwirtschaft ergeben werden, kann zurzeit noch nicht abgeschätzt werden. Zunächst bleibt abzuwarten, welche Strategien der Bund zur Erreichung der von der NERC-Richtlinie vorgegebenen Reduktionsziele entwickeln wird. 9. Wurde die genannte Thematik im IMAK „Nachhaltige Nutztierhaltung“ diskutiert? Ja, die genannte Thematik wurde unter Einbeziehung eines Experten vom KTBL und der entsprechenden Fachleute aus den beteiligten Ressorts intensiv im IMAK diskutiert. Die Landesregierung fordert den Bund auf, im Rahmen der Novellierung der TA Luft eine intensive Folgenabschätzung durchzuführen. 10. Zu wann darf mit den Ergebnissen des IMAK gerechnet werden? Laut Kabinettsbeschluss vom 28. November 2016 wurde der IMAK bis zum 31.12.2017 verlängert. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 7 11. Wie viel Wertschöpfung und wie viele Arbeitsplätze einschließlich des vor- und nachgelagerten Bereichs sind in Niedersachsen mit der Nutztierhaltung verbunden? Daten zur Wertschöpfung und zur Anzahl der Arbeitsplätze, die in Niedersachsen im landwirtschaftlichen Bereich einschließlich der vor- und nachgelagerten Bereiche mit der Nutztierhaltung verbunden sind, werden in dieser Form - also insgesamt - nicht erhoben. Die folgenden Daten können aber einen Überblick über die Bedeutung der Nutztierhaltung in Niedersachsen geben. – Daten der Volkswirtschaftlichen und Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR und LGR) Die Bruttowertschöpfung (BWS) der Land- und Forstwirtschaft einschließlich der Fischerei gesamt betrug 2014 in Niedersachsen 3,0 Milliarden Euro (VGR der Länder, Berechnungsstand August 2015/Februar 2016). Der Anteil der Tierhaltung an der BWS wird nicht ermittelt. Betrachtet man den Produktionswert der Landwirtschaft in Niedersachsen 2014 (LGR) in Höhe von 12,3 Milliarden Euro, so hat die tierische Erzeugung daran mit 7,3 Milliarden Euro einen Anteil von ca. 60 %. Im Produktionswert sind - anders als bei der BWS - die Vorleistungen wie beispielsweise Futtermittel, Treibstoffe, Pflanzenschutzmittel etc. noch enthalten. – Arbeitskräfte in der Landwirtschaft Im Rahmen der Agrarstrukturerhebungen (ASE) - werden durch das Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) regelmäßig die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft erhoben. Daten liegen hier zuletzt aus der ASE 2013 vor. Zu diesem Zeitpunkt wurden insgesamt 140 200 Arbeitskräfte (AK) in der Landwirtschaft in Niedersachsen gezählt, umgerechnet auf Arbeitskräfteeinheiten (AKE = entspricht einer vollen AK) waren das 73 300 AKE. Betrachtet man die Betriebe nach ihrer betriebswirtschaftlichen Ausrichtung (Tabelle 1), arbeiten 37 900 Arbeitskräfte in Futterbaubetrieben, 12 500 Arbeitskräfte in Veredlungsbetrieben und 4 600 Arbeitskräfte in Viehhaltungsverbundbetrieben, also auf Betrieben mit einem Schwerpunkt in der Viehhaltung. Allerdings sind diese Arbeitsplätze nicht vollständig der Tierhaltung zuzuordnen, da es sich in der Landwirtschaft i. d. R. um Mischarbeitsplätze handelt. Tabelle 1: Arbeitskräfte in landwirtschaftlichen Betrieben in Niedersachsen 2013 nach betriebswirtschaftlicher Ausrichtung Betriebswirtschaftliche Ausrichtung Betriebe Arbeitskräfte Arbeitsleistung Personen AK-E Anzahl in Tsd. Ackerbau 10,7 48,6 18,0 Gartenbau 0,9 11,8 6,5 Dauerkulturen 0,7 10,9 3,0 Futterbau 16,1 37,9 26,6 Veredlung 5,2 12,5 8,7 Pflanzenbauverbund 0,2 2,9 0,9 Viehhaltungsverbund 1,9 4,6 3,3 Pflanzenbau- Viehhaltungsverbund 3,7 11,0 6,3 insgesamt 1) 39,5 140,2 73,3 1) Abweichungen zur Summe der Teilwerte durch Rundungen möglich Quelle: Daten des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN), Agrarstrukturerhebung 2013 Auch die Differenzierung der Arbeitsleistung (AKE) nach der Art der Tierhaltung (Tabelle 2) stellt nur die gesamte Arbeitsleistung der jeweiligen Betriebe - also z. B. der Rinder haltenden Betriebe - unabhängig von der Art der Arbeit (Ackerbau, Viehhaltung) dar. Bei dieser Darstellung kann eine Arbeitskraft in der Tabelle auch mehrfach dargestellt sein, sofern ein Betrieb verschiedene Tierarten hält. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7205 8 Tabelle 2: Arbeitskräfte in tierhaltenden Betrieben in Niedersachsen 2013 Betriebe mit der Haltung von Betriebe Arbeitsleistung AK-E Anzahl in Tsd. Rindern 19,0 33,6 - darunter mit Milchkühen 11,4 23,8 Schweinen 9,1 16,8 - darunter mit Zuchtsauen 2,8 5,5 Schafen 2,2 3,2 Ziegen 0,9 1,4 Legehennen 5,1 7,8 Masthühnern 1,1 2,0 Truthühnern 0,5 0,8 Quelle: Daten des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN), Agrarstrukturerhebung 2013 (Ausgegeben am 06.01.2017) Drucksache 17/7205 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/6980 Ist für Hoferbinnen/Hoferben trotz Einschränkungen durch Geruchsimmissions-Richtlinie und TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) eine Zukunft in der Landwirtschaft möglich? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Hans-Heinrich Ehlen (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz