Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7231 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7011 - Wie wichtig ist Erdgas für Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 25.11.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 06.12.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 06.01.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Die deutsche Erdgasbranche hat Ende Oktober in einem Brief an die Bundesregierung vor „falschen Weichenstellungen“ im Klimaschutzplan 2050 in Bezug auf den Ausstieg aus der Erdgasnutzung gewarnt. Insbesondere kritisieren die zehn Energieverbände die Bestrebungen der Bundesregierung , im Heizungsmarkt künftig nur noch Wärmepumpen zuzulassen, die mit sogenanntem Ökostrom betrieben werden. Nach Auffassung der Erdgasbranche steht dies im Widerspruch zur Präambel des Klimaschutzplans, die Bezahlbarkeit und Technologieoffenheit betont. Die Branche bezeichnet Erdgas in dem Schreiben als einzige fossile Energie, die das Potenzial habe , aufgrund ihrer „Flexibilität sowohl Partner der erneuerbaren Energien zu sein als auch selbst erneuerbar zu werden“. Weiter heißt es: „Durch die Aufnahme von erneuerbarem Strom wird die Gasinfrastruktur zur Batterie der Energiewende.“ Vorbemerkung der Landesregierung Niedersachsen ist dem Klimaschutz verpflichtet. Die Landesregierung teilt das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, wenn möglich unter 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu beschränken. Entsprechend verfolgt Niedersachsen das Ziel, seine Energieversorgung bis 2050 nahezu vollständig auf erneuerbare Quellen umzustellen und den Ausstoß von Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. Erdgas ist der fossile Energieträger mit dem geringsten Treibhausgasausstoß. Die Nutzung von Erdgas statt anderer fossiler Energieträger führt zu einer deutlichen Senkung der Treibhausgasemissionen . Entsprechend hat sich die Landesregierung beispielsweise für eine Förderung des Brennstoffwechsels von Kohle zu Gas im Rahmen der Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungs- Gesetzes ausgesprochen. Erdgas kommt somit eine wichtige Rolle im Übergang hin zu einer Energieversorgung fast ausschließlich auf Basis von erneuerbaren Energien zu. Erdgas bleibt in der Übergangszeit wichtiger fossiler Energieträger in CO2-armen Erdgaskraftwerken, im Wärmesektor und in geringerem Umfang im Verkehrssektor. Die heutige Gasinfrastruktur eignet sich auch für Transport und Speicherung von Biogas, elektrolytisch-synthetisch erzeugtem Methan und in begrenztem Umfang für Transport und Speicherung von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff. Nach entsprechender Umrüstung lassen sich auch größere Mengen Wasserstoff transportieren und speichern. Deshalb setzt sich die Landesregierung für den Erhalt der Gasinfrastruktur ein, auch wenn heute noch nicht feststeht , welche Teile in welchem Umfang langfristig benötigt werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7231 2 Aktuell ist Niedersachsen auf eine sichere Gasversorgung angewiesen. Die Versorgung mit Erdgas wird größtenteils durch Importe und in geringerem Umfang durch Förderung in Niedersachsen sichergestellt . Aufgrund des naturgegebenen Endes der heimischen Förderung wird es mit dem Ende der Förderung zu einem Strukturwandel in der Branche kommen. 1. Wie sieht die Landesregierung die Bedeutung von Erdgas für die Versorgungssicherheit ? Der niedersächsische Primärenergieverbrauch (PEV) von Naturgasen lag gemäß niedersächsischer Energiebilanz im Jahr 2014 bei 365,2 Petajoule. Dies entspricht einem Anteil von 27,6 % am PEV. Damit waren die Naturgase in dem Jahr der wichtigste Energieträger in Niedersachsen. Sie werden auch in naher Zukunft zu den bedeutenden Energieträgern zählen. Die Erdgasförderung in Niedersachsen hat 2015 zu rund 9 % den deutschen Bedarf abgedeckt. Die niedersächsische Förderindustrie leistet damit einen wirkungsvollen Beitrag zur Sicherung der bundesweiten Energieversorgung und verringert so die Abhängigkeit von Erdgasimporten. Eine sichere Erdgasversorgung kann am besten durch einen offenen, transparenten und liquiden Erdgas- Binnenmarkt gewährleistet werden. Aus dem Jahresbericht des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) „Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2015“ ergibt sich, dass sich der Rückgang der heimischen Erdgasförderung weiter fortsetzt. Auch die Summe der sicheren und wahrscheinlichen Erdgasreserven ist wie in den letzten Jahren weiter zurückgegangen. Am 1. Januar 2016 betrug die Summe der sicheren und wahrscheinlichen Erdgasreserven deutschlandweit 74,389 Milliarden m³. Als sicher wurden hiervon 46,390 Milliarden m³ und als wahrscheinlich 27,999 Milliarden m³ eingestuft . Von den insgesamt 74,389 Milliarden m³ zum Januar 2016 eingestuften Reserven befinden sich 73,136 Milliarden m³ in niedersächsischen Lagerstätten (sicher 45,268 Milliarden m³; wahrscheinlich 27,868 Milliarden m³). Am 1. Januar 2016 wurde zuletzt eine Reservenschätzung hinsichtlich der Erdgasreserven vorgenommen . Der Reserven-/Verbrauchsquotient (früher statische Reichweite) wird errechnet aus den sicheren und wahrscheinlichen Erdgasreserven und der letztjährigen Fördermenge. Dieser Quotient verringerte sich zum Stichtag auf 8 Jahre gegenüber dem letztjährigen Wert von 8,8 Jahren. Damit setzt sich der Trend weiter fort. 2. Wie hoch ist die derzeitige Versorgung mit Erdgas in Niedersachsen (bitte für Strom und Wärme angeben)? Nach Angaben des Landesamtes für Statistik Niedersachsen liegen folgende Informationen über Aufkommen und Abgabe von Gas an Letztverbraucher vor: 2014 (in MWh) 2015 (in MWh) insgesamt 91 440 569 96 332 205 Elektrizitätsversorgung (Strom einschließlich KWK) 4 823 916 4 455 023 Wärme- und Kälteversorgung (reine Heizkraftwerke) 1 603 031 1 388 070 Verarbeitendes Gewerbe sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 31 847 785 35 728 080 Haushaltskunden 33 695 522 36 378 670 Sonstige Letztverbraucher 19 470 315 18 382 362 darunter Abgabe an Erdgastankstellen 264 625 251 986 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7231 3 3. Die Landesregierung hat beim Runden Tisch Energiewende eine 100-Prozent-Versorgung mit erneuerbaren Energien propagiert. Was bedeutet das für die niedersächsische Erdgasförderung. Die Erdgasförderung in Deutschland und damit vor allem in Niedersachsen ist aufgrund der seit mehreren Jahrzehnten andauernden Erdgasgewinnung sowie der zunehmend schwierigeren geologischen und lagerstättentechnischen Bedingungen (kleine bzw. mature Lagerstätten, große Teufen , gering permeables Trägergestein) seit mehreren Jahren rückläufig (siehe Antwort zu Frage 1). Es ist Aufgabe der Landesregierung, sich frühzeitig auf die begrenzte Verfügbarkeit der fossilen Rohstoffe einzustellen, daher wurde auch im Rahmen des Runden Tisches Energiewende ein Gutachten „Szenarien zur Energieversorgung in Niedersachsen im Jahr 2050“ präsentiert, aus dem hervorgeht, unter welchen Rahmenbedingungen und Aspekten eine Energieversorgung auf Verzicht von fossilen Rohstoffen erfolgen kann. Dabei wurde deutlich, dass Power-to-X-Technologien und die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff mittels Strom aus erneuerbaren und die synthetische Erzeugung von Methan aus diesem Wasserstoff eine wichtige Rolle in der künftigen Energieversorgung einnehmen werden. 4. Soll diese beendet werden und wann? Wie aus der Antwort zu Frage 1 sowie aus Berichten des LBEG zu entnehmen ist, sind die Erdgasreserven in Niedersachsen rückläufig. Ob und in welchem Umfang die Erdgasindustrie zukünftig Vorkommen wirtschaftlich und umweltverträglich erschließen und damit die statische Reichweite verlängern kann, bleibt abzuwarten. Der jährlich vom LBEG neu berechnete Reserven-/Verbrauchsquotient geht derzeit ungeachtet dessen rein rechnerisch von einem Ende der Gasreserven in Deutschland im Jahr 2024 aus. 5. Was heißt das für die Mitarbeiter in dieser Industrie? Wie bereits in den Vorbemerkungen und den Antworten auf die vorangegangenen Fragen verdeutlicht , wird die Gasinfrastruktur als Speicher- und Transportfunktionen für mit erneuerbaren Energien erzeugte Gase aller Voraussicht nach auch in einem nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien basierenden Energieversorgungssystem eine zentrale Rolle spielen. Daher ergeben sich in diesem Bereich erhebliche Zukunftspotenziale. Die Landesregierung setzt sich zugleich intensiv dafür ein, dass ein aufgrund der derzeit rückläufigen Fördermengen in Niedersachsen festzustellender Personalabbau im Bereich der Erdgasförderung maßvoll und möglichst sozialverträglich vollzogen wird. Zugleich setzt sich die Landesregierung dafür ein, Niedersachsen als Standort der zukünftigen Technologien zu stärken. 6. Wie soll diese grundlastfähige und flexible Energiequelle konkret ersetzt werden? Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Energieversorgung in Niedersachsen bis 2050 nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Dazu bedarf es zunächst eines ambitionierten Ausbaus der erneuerbaren Energien, bei dem in den letzten Jahren erhebliche Fortschritt erzielt werden konnten, wie beispielsweise die Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Anteils am Stromverbrauch verdeutlicht. Studien, die ein auf erneuerbaren Energien basierendes Energieversorgungssystem analysieren, zeigen, dass eine Versorgungssicherheit auf dem heutigen Niveau sichergestellt werden kann. Voraussetzung ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien durch den Ausbau komplementärer Flexibilitätsoptionen wie insbesondere Energiespeicher sowie einer stärkeren Sektorkopplung flankiert werden. Die Landesregierung setzt sich daher intensiv dafür ein, dass geeignete Rahmenbedingungen für komplementäre Flexibilitätsoptionen und die Sektorkopplung geschaffen werden. Hierzu zählt insbesondere, dass Energiespeicher zukünftig nicht mehr als Letztverbraucher eingestuft werden. (Ausgegeben am 16.01.2017) Drucksache 17/7231 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7011 - Wie wichtig ist Erdgas für Niedersachsen? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz