Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7232 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7029 - Bei wie vielen Flüchtlingen können kurz- und mittelfristig verlässliche Kompetenzdaten abgefragt werden? (Teil 2) Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 05.12.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 08.12.2016 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 09.01.2017, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten In der Antwort auf die Drucksache 17/4751 mit dem Titel „Bei wie vielen Flüchtlingen können kurzund mittelfristig verlässliche Kompetenzdaten abgefragt werden?“ führt die Landesregierung in ihrer Vorbemerkung aus: „Im Zeitraum vom 01.06.2015 bis 31.05.2017 führt das Ministerium für Wirtschaft , Arbeit und Verkehr in Kooperation mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit (BA) das Projekt ‚Kompetenzen erkennen. Gut angekommen in Niedersachsen ‘ durch. Ziel ist es insbesondere, Schutzsuchenden mit längerfristiger Bleibeperspektive schon frühzeitig nach ihrer Aufnahme in Niedersachsen durch eine zeitnahe Kompetenzdokumentation individuell geeignete Chancen für die Beteiligung am Erwerbsleben und damit auf eine verbesserte gesellschaftliche Teilhabe zu eröffnen.“ Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Das Kooperationsprojekt „Kompetenzen erkennen. Gut angekommen in Niedersachsen“ wurde am 01.06.2015 mit einer Laufzeit von zwei Jahren gestartet und wurde von der Regionaldirektion Niedersachsen -Bremen und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gemeinsam finanziert. Weitere Kooperationspartner waren das Ministerium für Inneres und Sport und die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen, welche die Erstaufnahmeeinrichtungen verwaltet. Ziel des Projektes war es, durch freiwillige Dokumentation vorhandener berufsrelevanter Qualifikationen und Berufserfahrungen von Asylsuchenden und Flüchtlingen frühzeitig Potenziale für den Arbeitsmarkt zu identifizieren und die erhobenen Daten zur gezielten Nutzung der Kommunen und Arbeitsverwaltungen für personenbezogene Vermittlungsdienstleistungen bereitzustellen. In den fünf Erstaufnahmeeinrichtungen Friedland, Braunschweig, Bramsche, Osnabrück und Oldenburg des Landes Niedersachsen wurde der erste Kontakt seitens der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu den Asylsuchenden und Flüchtlingen durch jeweils zwei Vermittlungsfachkräfte pro Erstaufnahmeeinrichtung geknüpft. In den sogenannten Perspektivengesprächen durch den Sozialdienst der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen wurde zunächst das vorhandene Qualifikationspotenzial identifiziert, und Asylsu- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7232 2 chende und Flüchtlinge mit einer voraussichtlich hohen Bleibeperspektive wurden an die Vermittlungsfachkräfte weitergeleitet. In einem zweiten Schritt erfolgte mittels eines Erstgespräches durch die BA eine umfassendere Kompetenzerhebung. Auf dieser Grundlage wurden die Asylsuchenden und Flüchtlinge, nach Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung und Zuweisung in die Kommunen, in den regulären Vermittlungsprozess der dann zuständigen Agentur für Arbeit bzw. des zuständigen Jobcenters einbezogen. Als Reaktion auf den anhaltenden Zugang von Asylsuchenden und Flüchtlingen nach Deutschland werden in allen Bundesländern sogenannte Ankunftszentren als erste und zentrale Stelle für neu angekommene Flüchtlinge eingerichtet. Im Anschluss an den Asylprozess können Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive in den Ankunftszentren zwei Dienstleistungen der BA auf freiwilliger Basis wahrnehmen. In Gruppeninformationen informiert die BA über ihre Rolle, Ziele, Aufgaben und Leistungen, gibt Auskünfte zu Arbeit, Ausbildung und Praktika in Deutschland. Im Rahmen der Datenübernahme /-ersterfassung ruft eine BA-Mitarbeiterin/ein BA-Mitarbeiter die bereits im Asylverfahren erfassten Stammdaten des Asylberechtigten auf und ergänzt Daten zu beruflichen Vorerfahrungen und Qualifikationen. Zum 01.09.2016 hatte die BA im Juni 2016 die Einrichtung dieses Dienstleistungsangebots mit Kompetenz-Dokumentation in den Ankunftszentren angekündigt. In Niedersachsen hat der Bund Ankunftszentren in Bad Fallingbostel und in Bramsche eingerichtet. Am Standort Bramsche hat die BA bereits ihre Arbeit aufgenommen, im Ankunftszentrum Bad Fallingbostel soll das im Januar 2017 geschehen. Vor diesem Hintergrund wurde das Projekt „Kompetenzen erkennen. Gut ankommen in Niedersachsen“ vorzeitig zum 31.08.2016 beendet. 1. Wie viele Personen konnten bis heute von dem o. g. Programm profitieren? Im Zeitraum Juli 2015 bis August 2016 wurden durch den Sozialdienst der Landesaufnahmebehörde insgesamt 1 915 Perspektivengespräche geführt. In diesem Rahmen wurde mithilfe von Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern ein Fragebogen zur freiwilligen Selbstauskunft über schulische und berufliche Qualifikationen sowie wesentliche Stationen des Lebenslaufs ausgefüllt. Daran anschließend haben spezialisierte Vermittlungsfachkräfte 1 374 Arbeitsmarktgespräche durchgeführt und eine Erfassung in den IT-Verfahren der BA vorgenommen. Nach Stand November 2016 haben 835 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (60,8 %) in den regionalen Arbeitsagenturen und Jobcentern vorgesprochen. 2. Wie und mit welchen Instrumenten ist angesichts der zurückgegangenen Flüchtlingszahlen auch in Niedersachsen eine landesweite Umsetzung des Modellprojekts auf alle Flüchtlingsunterkünfte in Niedersachsen zeitnah zu erreichen? Auf die grundsätzlichen Ausführungen zur Erfassung von beruflichen Vorerfahrungen und Qualifikationen in den Ankunftszentren in der Vorbemerkung wird verwiesen. 3. Was wurde seit der Beantwortung der vorgenannten Anfrage für eine zügige Übersetzung vorhandener Leistungsnachweise und - gegebenenfalls unter Einbindung der Kammern - Anerkennung entsprechender Qualifikationen unternommen? Das Niedersächsische Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (NBQFG) wurde im Rahmen der Umsetzung der geänderten Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG novelliert. Die Gesetzesänderungen traten zum 15.06.2016 in Kraft. Sie beinhalten Verbesserungen für Anerkennungsinteressierte . Insbesondere wurde mit dem neuen § 13 a NBQFG der Europäische Berufsausweis in das niedersächsische Recht eingeführt. Er bietet ein alternatives, elektronisch geführtes Anerkennungsverfahren . Beantragt werden kann der Berufsausweis für Berufe, die seitens der Europäischen Kommission bestimmt worden sind. Bislang sind dies – Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger, – Apothekerinnen und Apotheker, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7232 3 – Physiotherapeutinnen und -therapeuten, – Bergführerinnen und Bergführer, – Immobilienmaklerinnen und -makler. Weiterhin ermöglicht der neue § 13 c NBQFG die Gewährung eines partiellen Zugangs nach den Voraussetzungen der Berufsanerkennungsrichtlinie. Damit besteht die Möglichkeit, bei geeigneten Berufsbildern eine Anerkennung für einzelne, abgrenzbare Tätigkeitsfelder auszusprechen. Erwartet werden z. B. Erleichterungen für die Anerkennung des Berufs der Erzieherin/des Erziehers. Antragstellende haben jetzt bei reglementierten Berufen die Möglichkeit, ihren Anerkennungsantrag über den Einheitlichen Ansprechpartner online zu stellen. Einheitliche Ansprechpartner sind über das Dienstleisterportal Niedersachsen zur Umsetzung der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie zu finden; sie unterstützen bei Formalitäten und Verfahren. Zudem wurden Anerkennungsinteressierten durch die Gesetzesänderung über die europarechtlichen Vorgaben hinaus Ansprüche auf unabhängige Beratung sowie auf Ausgleich von wesentlichen Unterschieden durch die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen auch in nichtreglementierten Berufen eingeräumt. Hierfür hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die bestehende Kofinanzierung der Beratungs- und Qualifizierungsangebote des IQ Netzwerkes Niedersachsen ausgeweitet. So wurde die Landesförderung 2016 gegenüber 2015 auf bis zu 960 000 Euro verdoppelt. Insbesondere konnten mit der Landesförderung die Strukturen und Kapazitäten der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung des Netzwerkes weiter ausgebaut werden. Zum 01.01.2016 wurde bei der Zentralstelle für Ausländische Bildungswesen eine länderübergreifende Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe eingerichtet. Die Gutachtenstelle bündelt Fachwissen und trägt zu bundesweit einheitlichen Anerkennungsentscheidungen bei. Die für die Anerkennungsverfahren zuständigen Stellen in den Ländern werden hierdurch unterstützt. Die Gutachtenstelle ist zunächst als Projekt mit einer dreijährigen Laufzeit angelegt. Um Anerkennungsinteressierten, die Schwierigkeiten haben, die Verfahrenskosten zu tragen, die Antragstellung zu erleichtern, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit der „Richtlinie über die Förderung von Anerkennungsinteressierten mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen “ vom 03.11.2016 ein Förderinstrument geschaffen, das geringverdienende Anerkennungssuchende unterstützt, soweit diese keine anderweitige Leistungen beispielsweise nach dem SGB II oder SGB III, erhalten. Anträge können seit dem 01.12.2016 gestellt werden. Übernommen werden können insbesondere Gebühren und Auslagen im Rahmen des Berufsanerkennungsverfahrens wie weitere Kosten, z. B. für Übersetzungen. Kosten zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse können durch die Arbeitsverwaltung im Rahmen des Vermittlungsbudgets nach § 44 SGB III (i. V. m. § 16 Abs. 1 SGB II) übernommen werden, soweit dies für die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Die förderbaren Aufwendungen umfassen auch Aufwendungen, die durch die Vorlage der Unterlagen entstehen , beispielsweise Übersetzungen, Beglaubigungskopien und Gebühren für Gutachten. Die BA hat den Agenturen und Jobcentern (gemeinsame Einrichtungen) Hinweise/Arbeitshilfen zur Verfügung gestellt, die es den Vermittlungsfachkräften ermöglichen, zielgerichtete und effiziente Beratungen für eine Anerkennung ausländischer Befähigungsnachweise zu führen. Zuletzt wurde mit einer Arbeitshilfe vom 15.09.2016 eine aktualisierte Fassung herausgegeben. Sie unterstützt die Integrations- und Vermittlungsfachkräfte mit Hinweisen für die Beratung und benennt weitere Informationsangebote . Die Beratung in den Arbeitsagenturen und Jobcentern in Bezug auf die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen beinhaltet in der Regel folgende Bausteine: – Einschätzung der Integrationschancen, – Verweis an weitergehende Beratungseinrichtungen oder die zuständige Stelle für die Antragstellung , – Einsatz von Förderinstrumenten nach Bedarf und im Ermessen, – gegebenenfalls Aushändigung von Informationsmaterial. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7232 4 Wenn mit dem Kunden oder der Kundin im Gespräch ermittelt wurde, dass ein Anerkennungsverfahren sinnvoll sein könnte oder Anhaltspunkte festgestellt worden sind, die ein Anerkennungsverfahren sinnvoll erscheinen lassen, empfiehlt die Integrations- bzw. Vermittlungsfachkraft eine vertiefte Beratung durch eine spezialisierte Beratungseinrichtung und ermittelt gegebenenfalls bereits die für die Anerkennung zuständige Stelle. Beratungen werden durch die zuständigen Stellen selbst oder das Förderprogramm Integration durch Qualifizierung angeboten. 4. Wie können aktuell bei fehlenden Unterlagen Praktika zur Qualifikationsfeststellungen ausgestaltet werden, um Hemmnisse bei der Arbeitsvermittlung zu vermeiden oder zu reduzieren? Die Landesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 6 in der Drucksache 17/5094. Zwischenzeitlich hat sich der Stand nur in einer Hinsicht verändert. Das am 06.08.2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz umfasst Erleichterungen beim Zugang zu Instrumenten der Berufsausbildungsförderung und damit auch zu Praktika im Rahmen berufsvorbereitender Bildungsmaßnahmen (§ 132 SGB III). Die Sonderregelung ist bis 31.12.2018 befristet. (Ausgegeben am 16.01.2017) Drucksache 17/7232 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7029 - Bei wie vielen Flüchtlingen können kurz- und mittelfristig verlässliche Kompetenzdaten ab-gefragt werden? (Teil 2) Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr