Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7082 - Mit dem Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz zurück ins Jahr 1994? Hat die rotgrüne Landesregierung Angst vor Gender Mainstreaming? Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Burkhard Jasper, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 05.12.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 09.12.2016 Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 12.01.2017, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Mit ihrem am 29.08.2016 an den Landtag übersandten Entwurf eines Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) will die Landesregierung beim Gesetzesziel, die Unterrepräsentanz von Frauen in bestimmten Besoldungs- und Entgeltgruppen sowie in Gremien abzubauen, zum Frauenförderansatz des NGG von 1994 zurückkehren (s. Gesetzesbegründung II.2.). Dabei wurde in Niedersachsen bereits 1998 mit der Einführung von Gender Mainstreaming ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel im politischen Umgang mit der Geschlechterfrage vollzogen: Die bisherige frauenbezogene Fokussierung wurde abgelöst durch den Blick auf die von Männern und Frauen sowohl aktiv als auch passiv gestalteten Geschlechterverhältnisse, und es wurde der politische Anspruch formuliert, das Thema „Gleichstellung“ nicht länger als Sondergruppenthema zu diskutieren, sondern es als Querschnittsthema zu verankern. Schon damals wurde der Anspruch formuliert, dass eine echte und nachhaltige Gleichstellung von Männern und Frauen nur durch die Veränderung der das jeweilige Geschlecht benachteiligenden Strukturen erreicht werden kann (Gender Mainstreaming) und nicht durch eine bloße Beseitigung der Folgen struktureller Defizite (Frauenförderung). Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass bei Frauen der Aufstieg in Führungspositionen durch ihre Familienaufgaben erschwert wird, es somit in den allermeisten Fällen immer noch die Frauen sind, die sich in der Pflicht sehen, die familiären Aufgaben mit dem Beruf zu vereinbaren bzw. ihnen diese Aufgabe auch als Selbstverständlichkeit gesellschaftlich zugeschoben wird. Dennoch verfolgt die Landesregierung nach eigenem Bekunden mit ihrem Gesetzentwurf künftig nicht mehr das Ziel, die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit für beide Geschlechter zu fördern, um damit Chancengleichheit für Frauen und Männer herzustellen. Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage, ob der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf eines NGG geeignet ist, die nach ihrer eigenen Auffassung durch Familienarbeit verursachten Benachteiligungen im Erwerbsleben zu beseitigen oder ob damit lediglich eine Sichtweise perpetuiert wird, die der Frau immer noch die Rolle eines defizitären Wesens zuschiebt, das per se förderungsbedürftig ist. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landes- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 2 behörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Mensch Gerechtigkeit, angemessene Teilhabe und Wertschätzung erfährt - unabhängig vom Geschlecht. Auf dem Weg zu dieser geschlechtergerechten Gesellschaft hat Niedersachsen als erstes Bundesland das Grundprinzip Gender Mainstreaming anerkannt. Gender Mainstreaming ist der Prozess, durch den die nach Geschlechtern differenzierende Sichtweise in die Hauptausrichtung integriert und als Bestandteil der politischen und administrativen Konzepte aufgenommen wird. Die am häufigsten zu lesende Definition von Gender Mainstreaming ist angelehnt an die des Europarats von 1998 und lautet: „Gender Mainstreaming besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse, mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung beteiligten Akteurinnen und Akteure den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen.“ Das englische Wort „gender“ bezeichnet das Geschlecht als soziale Kategorie - in Abgrenzung zum Wort „sex“ für die biologische Kategorie. Mit Gender sind die gesellschaftlichen Geschlechterrollen gemeint, die Vorstellungen und Erwartungen, wie Frauen und Männer sind bzw. sein sollten. Soziales Geschlecht drückt aus, dass Frauen und Männer kulturell und sozial unterschiedlich geprägt werden und Rollen und Eigenschaften annehmen, die anerzogen und weitergegeben werden. „Mainstream“ bedeutet wörtlich übersetzt Hauptstrom. In der praktischen Anwendung der Strategie Gender Mainstreaming, also der Umsetzung ins Konkrete , geht es darum zu reflektieren - Wie wirkt sich das, was wir tun, planen und umsetzen auf Frauen und auf Männer aus? - Was bedeutet eine Maßnahme, ein Gesetz, eine Budgetkürzung, für Frauen, für Männer? - Welche Wirkungen sind frühzeitig zu berücksichtigen? Der niedersächsische Gender-Weg zeichnet sich dadurch aus, dass einerseits vergleichbare Maßnahmen und Entwicklungen wie in den anderen Bundesländern vollzogen wurden. Darüber hinaus wurden jedoch neue Instrumente und Grundlagen entwickelt, die später als Basis für andere Länder dienten. Ein Meilenstein in der Einführung des Gender Mainstreaming war die Festschreibung dieses Prinzips im April 2004 in die Geschäftsordnung der Landesregierung: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist durchgängiges Leitprinzip. Es ist bei allen politischen, Norm gebenden und verwaltenden Maßnahmen zu beachten (Gender-Mainstreaming)“. Gender Mainstreaming ist somit eine Querschnitts- und Daueraufgabe für die gesamte Landesverwaltung. Die Umsetzung liegt seitdem in der Verantwortung der fachlich zuständigen Bereiche. Allerdings wurde mit dem später folgenden Paradigmenwechsel innerhalb der Landesregierung und der Novellierung des NGG 2010 Gender Mainstreaming häufig als Vereinbarkeit von Familie und Beruf (und damit falsch) verstanden, obwohl dieser Ansatz weit mehr erfasst. Die aktuelle Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG-E) soll das Gesetz wieder zu einem Instrument wirksamer Gleichstellungspolitik machen. Es knüpft dabei an das NGG vom 15.06.1994 (Nds. GVBl. S. 246) an und normiert die Maßnahmen, mit denen Frauen eine gleiche Berücksichtigung auch in den Führungsämtern des öffentlichen Dienstes verschafft werden kann. Während das NGG 2010 sich in allen Zielen im gleichen Maße an Männer und Frauen wandte, differenziert die Novelle: Frauen sind zu fördern, bis sie in den Besoldungs- und Entgeltgruppen, in denen sie unterrepräsentiert sind, hälftig beteiligt sind. Das Ziel, auch Unterrepräsentanz von Män- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 3 nern abzubauen, wurde aufgegeben. Grund dafür ist, dass der Unterrepräsentanz von Frauen und Männern andere Mechanismen zu Grunde liegen. Im Hinblick auf alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind Frauen und Männer etwa gleich repräsentiert. Frauen sind aber vor allem in Führungspositionen deutlich in der Unterzahl, Männer bei den Service-Diensten, in Erziehungs- und Pflegeberufen . Bei Frauen korrespondiert ihre mangelnde Repräsentanz in Führungspositionen in der Regel mit einer starken Präsenz in den Eingangsämtern. Frauen sind damit im Potenzial für die Entscheidung über Führungspositionen durchaus vertreten, sie werden nur nicht im selben Maße wie Männer ausgewählt. Hier kann eine Auswahlregelung im NGG, die bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zur bevorzugten Berücksichtigung der Frau verpflichtet, Abhilfe schaffen. Männer hingegen sind in den Care-Berufen unterrepräsentiert, weil sie sich gar nicht erst bewerben. Gründe dafür liegen u. a. in der im Vergleich geringen Bezahlung und dem geringen gesellschaftlichen Ansehen dieser Berufe. Der Abbau der Unterrepräsentanz von Männern in erzieherischen und pflegenden Berufen kann deswegen nicht über eine Auswahlregelung des NGG, sondern muss durch die Aufwertung dieser Berufe in Angriff genommen werden. Sowohl an Frauen als auch an Männer adressiert sind wie bisher die Ziele der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Abbau oder Ausgleich von Diskriminierungen wegen des Geschlechts. 1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass Gleichberechtigung im Sinne von Chancengleichheit eine Veränderung von benachteiligenden Strukturen voraussetzt? Falls ja, wie werden durch die Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzentwurfs benachteiligende Strukturen verändert? Falls nein, weshalb nicht? Die bisher erlassenen Regelungen zur Gleichstellung der Geschlechter haben über die Jahre wirksame Strukturen geschaffen. Es gab in Niedersachsen - zuletzt neben den Hochschulen - insgesamt 3 813 Dienststellen, die das NGG anwenden: 363 Landesdienststellen, 489 Kommunen und 2 961 Schulen. Im Bereich der Landesverwaltung und der Kommunen hatten rund 90 % der Dienststellen eine Gleichstellungsbeauftragte, die bei den Kommunen häufig ehrenamtlich tätig war1. Die Schulen hatten zu etwa 70 % eine Gleichstellungsbeauftragte bestellt. Einen Gleichstellungsplan hatten 362 Landesbehörden und Kommunen sowie 474 Schulen2. Die niedersächsische Landesregierung hat in - bislang - vier Berichten3 über die Umsetzung des NGG berichtet. Der Frauenanteil in den öffentlichen Verwaltungen hat sich seit dem Inkrafttreten des NGG deutlich erhöht. Nach dem Vierten Bericht über die Durchführung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2012 (Drs. 17/2479) sind Frauen im öffentlichen Dienst des Landes und der Kommunen stark vertreten: Insgesamt hatten sie 2012 nach Kopfzahl einen Anteil von 59,2 % an allen Beschäftigten. Der Frauenanteil reicht dabei von 52,3 % bei den obersten Landesbehörden über 58,2 % in der sonstigen Landesverwaltung bis 60,6 % bei den Kommunen. Auch wenn berücksichtigt wird, dass Frauen deutlich häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten, ihr Anteil am tatsächlichen Beschäftigungsvolumen also unter dem nach Köpfen liegt, sind Frauen und Männer im öffentlichen Dienst des Landes und der Kommunen etwa gleich stark repräsentiert . Deutlich ist aber auch, dass die Beteiligung von Frauen nach wie vor von niedrigen zu höheren Besoldungs - bzw. Entgeltgruppen stark absinkt. Eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen in höheren und Führungspositionen ist bei weitem nicht erreicht. 1 Nach dem NGG 2010 (§ 19 i. V. m. § 15) müssen nur Dienststellen mit mindestens 50 Beschäftigten eine Gleichstellungsbeauftragte bestellen. Zur Bestellung einer hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten waren bis zum 31.10.2016 nur die kreisfreien und großen selbständigen Städte, die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen sowie die Landkreise und die Region Hannover verpflichtet (§ 8 Abs. 1 NKomVG). 2 Auch hier sind die Dienststellen zur Aufstellung nur verpflichtet, wenn sie mindestens 50 Beschäftigte haben . Das ist z. B. bei dem Großteil der Schulen nicht der Fall. 3 1. Bericht vom 12.01.2000, Drs. 14/1290; 2. Bericht vom 02.12.2004, Drs. 15/1500; 3. Bericht vom 14.01.2010, Drs. 16/2107; 4. Bericht vom 03.12.2014, Drs. 17/2479. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 4 Dabei kann ausgeschlossen werden, dass die Frauen schlechter qualifiziert sind als ihre männlichen Mitstreiter. So verlassen deutlich mehr Frauen die Schule mit allgemeiner Hochschulreife als Männer. Und deutlich mehr Männer als Frauen bleiben ohne Schulabschluss. Auch bei den Hochschulabschlüssen haben Frauen die Männer überholt. Nachdem feststeht, dass Frauen im Potenzial für die Entscheidung über Führungspositionen durchaus vertreten sind und dennoch nicht im selben Maße wie Männer ausgewählt werden, bedarf es der neuen Auswahlregelung im NGG. § 7 Abs. 5 Satz 1 NGG-E (Novellierung im Entwurf) hat dagegen nicht die Intention, Strukturen zu verändern. Zu einer umfassenden nachhaltigen Veränderung der Strukturen der Geschlechterverhältnisse dient in Niedersachsen weiterhin der in den Vorbemerkungen ausgeführte Gender Mainstreaming Ansatz. 2. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass das Geschlecht der Grund dafür ist, dass Frauen beim Aufstieg in höhere Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen benachteiligt sind? Falls ja, weshalb? Wie bereits in Antwort 1 dargestellt, haben Frauen mindestens die gleiche Qualifikation wie Männer , aber ungleiche Chancen beim Aufstieg in höhere Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass lange Zeit der Arbeitsmarkt sowie die Führungsebenen nur durch Männer geprägt waren. Daraus hat sich eine Vorstellung von erfolgreicher Karriere entwickelt , die auf der typischen Erfahrung eines Mannes mit einer ununterbrochenen Erwerbstätigkeit basiert. Zudem werden Führungskräfte immer noch mit vermeintlich „männlichen“ Eigenschaften wie Belastbarkeit, Selbstsicherheit und Dominanz assoziiert, die Frauen nicht im gleichen Maße zugetraut, bzw. zugeschrieben werden. Zu den Geschlechtsstereotypen gehört auch, dass gewisse Voraussetzungen gelten, um als Person für Führungspositionen infrage zu kommen; dazu gehört z. B. häufig ein allumfassender Verfügbarkeitsanspruch. 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass der Staat Einfluss auf die Veränderung tradierten Rollenverhaltens von Männern und Frauen nehmen kann und sollte? Falls ja, weshalb? Sofern tradiertes Rollenverhalten die Gleichberechtigung von Frauen und Männern behindert: ja. Dies leitet sich aus Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und Art. 3 Abs. 2 Niedersächsische Verfassung (NV) ab, in denen es heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ (Art. 3 Abs. 2 GG) und „Die Achtung der Grundrechte, insbesondere die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, ist eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise.“ (Art. 3 Abs. 2 NV) 4. Geht die Landesregierung davon aus, dass sich Männer und Frauen in ihren Berufsund Studieninteressen nicht unterscheiden, oder sieht sie geschlechtsspezifische Unterschiede in den Interessen? In den letzten 10 Jahren liegt der Frauenanteil bei den Studierenden konstant sowohl bundesweit als auch in Niedersachsen bei ca. 50 %. Deutliche Unterschiede gibt es bei der Wahl der Studienfächer . Während der Frauenanteil in den Geisteswissenschaften bei über 70 %, in Humanmedizin /Gesundheitswissenschaften bei knapp 70 %, in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bei knapp 60 % und den Kunstwissenschaften bei knapp 65 % liegt, ist er in den Natur- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 5 wissenschaften (seit Eingruppierung der Informatik in die Ingenieurwissenschaften ab 2015) und den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften (seit Eingruppierung der Veterinärmedizin in diese Fächergruppe ab 2015) nahezu ausgeglichen. In den Ingenieurwissenschaften liegt der Frauenanteil in Niedersachsen dagegen im Jahr 2015 bei nur etwa 20 %. In den Lehramtsstudiengängen liegt der Frauenanteil unter den Studierenden in den letzten Jahren wiederum bei 72 %, im Lehramt für Grund-, Haupt- oder Realschulen bei über 80 %. In der Wissenschaft werden die Gründe für diese Unterschiede kontrovers diskutiert. Der Landesregierung liegen insofern keine gesicherten eindeutigen Erkenntnisse darüber vor, aus welchen Gründen sich das Studienwahlverhalten unterscheidet. Bei den Ausbildungsverträgen kann festgestellt werden, dass die meisten Verträge mit weiblichen Auszubildenden in den Berufen Kauffrau für Büromanagement, Verkäuferin, Kauffrau im Einzelhandel , Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte sowie Industriekauffrau abgeschlossen werden. Bei den jungen Männern rangieren KFZ-Mechatroniker, Industriemechaniker, Kaufmann im Einzelhandel, Elektroniker und der Anlagemechaniker Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik auf den ersten Plätzen.4 Auch die Berufsfelder Erziehung, Hauswirtschaft, Gesundheit und Pflege sind weiblich dominiert (z. B. Beschäftigte in ambulanter Pflege: 88 %; in Pflegeheimen 85 %)5. Frauen insbesondere mit Kindern „wählen“ aufgrund von gesellschaftlichen Traditionen und Leitbildern , aber auch aufgrund von gesetzlichen Regelungen (z. B. Minijobs, Ehegattensplitting) überproportional mehr Minijobs oder sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit. 5. Falls die Landesregierung geschlechtsspezifische Unterschiede sieht, weshalb behauptet sie dann eine Kausalität bei der Unterrepräsentanz von Männern in Service- und Care-Berufen wegen der schlechten Bezahlung dieser Berufe? Nach Auffassung der Landesregierung spricht die Feststellung, dass es in der aktuellen realen Berufsausübung und im Studienwahlverhalten zwischen Frauen und Männern Unterschiede gibt, nicht dagegen, dass Männer seltener Service- und Care-Berufe anwählen. Die Unterrepräsentanz von Männern in Service- und Care-Berufen hat viele Ursachen. Ein Beweggrund ist die vergleichsweise schlechte Bezahlung. Darüber hinaus gibt es weitere Ursachen. Zu nennen sind hier insbesondere tradierte Rollenverständnisse, die sich immer noch in einer geschlechtssegregierten Berufswahl und -ausübung niederschlagen. 6. Werden Service- und Care-Berufen nur deshalb schlecht bezahlt, weil Frauen diese gerne wählen? Beabsichtigt die Landesregierung eine Initiative zur Aufwertung schlecht bezahlter Berufe ? Falls ja, wann? Falls nicht, weshalb nicht? Nein. Der vergleichsweise schlechteren Bezahlung in Service- und Care-Berufen liegen eine Arbeitsmarktstruktur sowie Werte und Normen zugrunde, die Frauen bzw. frauentypische Tätigkeiten benachteiligen. Das Phänomen der Abwertung von Tätigkeiten, sobald viele Frauen in einem Arbeitsbereich beschäftigt sind, findet sich insbesondere in westlichen europäischen Ländern. Die Landesregierung begleitet alljährlich den Equal Pay Day öffentlichkeitswirksam und macht damit auf die unterschiedliche Vergütungshöhe von Frauen und Männern aufmerksam, die insgesamt bei 21% liegt (LSN 2015). Sie unterstützt darüber hinaus alle Initiativen für eine geschlechtergerechte Entlohnung. Die Einführung des Mindestlohns und das derzeit in der Abstimmung befindliche Entgeltgleichheitsgesetz sind bedeutende Schritte dorthin. Im Rahmen der Fachkräfteinitiative setzt sich die Landesregierung gemeinsam mit den dort zusammengeschlossenen Partnern für eine Verbesserung der Frauenerwerbstätigkeit, insbesondere 4 BIBB PI vom 17.02.2015 5 Lt. Destatis; Amtliche Pflegestatistik 2013 S.5ff; Männliche Fachkräfte in KiTas 2,4 %; Gleichnamige Studie des BMFSFJ 2013 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 6 durch stärkere Beteiligung von Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), ein. Die Landesregierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Pflegeberufe aufzuwerten. Hierzu gehören insbesondere das kürzlich vom Landtag verabschiedete Gesetz über die Pflegekammer Niedersachsen, die Absicherung der Schulgeldfreiheit in der Altenpflegeausbildung oder das Förderprogramm zur Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum, mit dem z. B. Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden können. Ein angemessenes Einkommensniveau trägt zu einer Aufwertung eines Berufsbildes bei. Deshalb haben die Niedersächsische Sozialministerin, der Vorstandsvorsitzende der AOK Niedersachsen und der Leiter der vdek-Landesvertretung Niedersachsen (Verband der Ersatzkassen) bereits am 17.12.2015 eine Gemeinsame Erklärung zum Einkommen der Altenpflegekräfte in Niedersachsen unterzeichnet. Darin heißt es: „Die Deckung des Fachkräftebedarfs in der Altenpflege erfordert vielfältige Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes der Altenpflege. Ein angemessenes Einkommensniveau kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Es ist Aufgabe der Sozialpartner , in diesem Sinne attraktive Arbeitsbedingungen in der Altenpflege zu schaffen. Die AOK Niedersachsen und die vdek-Landesvertretung unterstützen dies durch die Berücksichtigung von tarifvertraglichen Bindungen bei den Vergütungsverhandlungen für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen . AOK Niedersachsen, vdek-Landesvertretung Niedersachsen und das Land Niedersachsen setzen darauf, dass diese Zusage einen Impuls gibt, die Bezahlung von Beschäftigten in der Altenpflege nach Tarifverträgen auszuweiten. Sie stimmen darin überein, dass mit der Berücksichtigung von Tarifzahlungen auch eine Weiterleitung von Vergütungserhöhungen seitens der Arbeitgeber an die Pflegekräfte sichergestellt und überprüfbar sein muss.“ Eine inhaltlich gleiche Erklärung wurde am 12.04.2016 auch von den drei kommunalen Spitzenverbänden in Niedersachsen abgegeben. Darüber hinaus befürwortet die Landesregierung die Einführung einer generalistischen Pflegeausbildung und ist hierzu am 16.12.2016 einem Entschließungsantrag der Länder Bremen und Hamburg im Bundesrat beigetreten, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, damit das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss kommt. 7. Geht die Landesregierung davon aus, dass Männer und Frauen jeweils in sich homogene Gruppen mit gleichen Interessen, Wahrnehmungen und gleichem Verhalten sind? Falls nein, welche anderen Ursachen als Diskriminierung könnte es nach Auffassung der Landesregierung für eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsfunktionen noch geben? Nein. Die Ursachen für eine Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsfunktionen sind vielfältig: Zu beobachten ist beispielsweise das Phänomen, dass hochqualifizierte Frauen trotz gleicher Qualifikation meist ab der mittleren Managementebene nicht weiter aufsteigen. Hierbei handelt es sich um eine Barriere in Form einer gläsernen (durchsichtigen) Decke, die zwischen erreichten beruflichen Positionen und gewünschten Positionen eingezogen ist. Mit der gläsernen Decke sind alle unsichtbaren Prozesse und Faktoren gemeint, die Frauen effektiv vom Zugang zu Führungspositionen abhalten. Zu diesen Prozessen zählt auch eine „Männerkultur“, in der männliche Vorgesetzte Männer - teils unbewusst - eher als Frauen fördern. Diese Bevorzugung kann zur männlichen Statussicherung und zu einer Manifestierung der derzeitigen Situation in Führungsebenen führen. 8. Sieht die Landesregierung die Ursachen von Unterrepräsentanz von Frauen in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen eher innerhalb der Arbeitsorganisationen - also in den Verwaltungen - oder eher im privaten Bereich? Sowohl als auch. Die Landesregierung strebt grundsätzlich danach, die Unterrepräsentanz von Frauen abzubauen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 7 9. Welche Konzepte hat die Landesregierung, um insbesondere bei Männern und Frauen mit Kinderbetreuungsaufgaben auf eine Änderung tradierten Rollenverhaltens hinzuwirken ? In der niedersächsischen Landesverwaltung bildet das Personalmanagementkonzept DRiN - „Demografiesicheres und ressourcenbewusstes Personalmanagement in Niedersachsen“ den Rahmen für die Gestaltung eines familienbewussten Personalmanagements. Die wesentlichen Handlungsfelder sind u. a. die Arbeitszeit und Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Personalentwicklung und Services, insbesondere für Familien. Die inhaltliche Ausgestaltung obliegt den Dienststellen der Landesverwaltung. Die Landesregierung unterbreitet eine Vielzahl von Maßnahmen und hat dazu in der Kleinen Anfrage „Frauen und Gleichstellungspolitik“ (Drs.17/6714) ausführlich geantwortet. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung erarbeitet zurzeit in enger Zusammenarbeit mit dem Landesarbeitsforum ‚Die aktive Väterrolle in der Familienarbeit und Kindererziehung zu stärken‘ ein Handlungskonzept für die zukünftige Väterarbeit in Niedersachsen. Ziel wird u. a. sein, die Änderung von tradiertem Rollenverhalten von Männern und Frauen im Allgemeinen zu unterstützen. 10. Versteht die Landesregierung Gender Mainstreaming als reines Frauenförderkonzept? Nein. Die Gender Mainstreaming Strategie trifft auf die gewachsenen Strukturen der Frauenförderung und zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie sich an Frauen und Männer gleichermaßen richtet. Wie in der Vorbemerkung ausgeführt, wurde Gleichstellung als Gemeinschaftsaufgabe in alle Bereiche der Landesverwaltung integriert. Die Situation der Frauen wird nicht nur als defizitär oder exklusiv problematisiert, sondern die Geschlechterverhältnisse als Ganzes rücken in den Fokus des Verwaltungshandelns. Gender Mainstreaming und sogenannte Frauenförderung, da wo noch nötig, ergänzen und stärken sich gegenseitig. 11. Wäre es für die Landesregierung denkbar, dass das Gesetzesziel des Abbaus von Unterrepräsentanz von Frauen in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen im Laufe der Zeit durch die gesellschaftliche Entwicklung und ein verändertes Rollenverständnis der jüngeren Generation ganz von selbst erreicht wird, ohne dass es dieses Gesetzentwurfs bedürfte? Nein. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt haben, gelingt es nicht, dass das Gesetzesziel, der Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen in höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen, ganz von selbst erreicht wird. 12. Was trägt dieser Gesetzentwurf und insbesondere § 7 Abs. 5 Satz 1 dazu bei, um die jüngere Generation in ihrem veränderten Rollenverständnis zu unterstützen? Die Gesetzesregelung des § 7 Abs. 5 NGG-E ist ein klares Signal der Landesregierung, wie ernst es ihr mit der Chancengleichheit beim Zugang zu Führungspositionen ist. Das Rollenverständnis einer Generation ist darüber hinaus nicht Gegenstand des § 7 NGG-E. 13. Ein zentraler Befund der aktuellen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Was junge Frauen wollen“ aus 2016 ist die Feststellung: „Es kann als Erfolg der Familien- und Gleichstellungspolitik der letzten Jahre interpretiert werden, dass Gleichberechtigung in gleicher Wertigkeit Frauen und Männer in den Blick nehmen soll. Das ist seitens der Frauen heute eine klare Absage und Distanzierung von einer „Frauenförderung“. Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund dieses Befundes die Sinnhaftigkeit der von ihr nun beabsichtigten Rückkehr zum Frauenförderansatz von 1994 beim Abbau von Unterrepräsentanz, obwohl sich in den letzten zehn Jahren in der niedersäch- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 8 sischen Landesverwaltung der Frauenanteil insgesamt und auch in Führungspositionen stetig erhöht hat? Zahlreiche Studien haben in den letzten Jahren die Wünsche und Vorstellungen junger Frauen und Männer untersucht. Sie haben aber auch aufgezeigt, wie sehr Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen . So belegt die zitierte Studie, dass häufig mit der Familiengründung auch eine Rückkehr zu traditionellen Rollenteilungen erfolgt, ein sogenannter „Realitätsschock“. Beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf fallen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander: 60 % der Paare mit Kindern unter drei Jahren wollen, dass beide Elternteile arbeiten gehen und sich die Familienaufgaben teilen, nur 14 % realisieren dies.6 Im Kontext der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen ist ein zentraler Befund dieser Studie, dass die Mehrheit der jungen Frauen davon überzeugt ist, dass sich ohne gesetzliche Maßnahmen und Druck (Sanktionen) wenig ändern wird. So fordern die jungen Frauen von der Politik, das Quotengesetz7 lediglich als ersten Etappenschritt zu sehen und umgehend verbindliche Mindestanteile für Frauen in Führung vorzugeben. Dies ist eine Bestätigung für die Neuregelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 NGG-E. 14. Sieht die Landesregierung Anzeichen dafür, dass in der niedersächsischen Landesverwaltung der Trend der stetigen Erhöhung des Frauenanteils sowohl insgesamt als auch in Führungspositionen bald enden könnte? Falls ja, welche Anzeichen sind das? Nein. Die bereits zur Beantwortung der Frage 1 zitierten vier Berichte über die Durchführung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes zeigen, dass eine paritätische Besetzung in Führungspositionen im öffentlichen Dienst in Niedersachsen noch lange nicht erreicht ist; die Landesregierung vermag auch keinen „Trend“ zu erkennen. Wie in der Beantwortung zur Kleinen Anfrage „Frauen und Gleichstellungspolitik“ (Drs. 17/6714) ausführlich dargestellt, sind die Entwicklungen zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen in der Landes- und Kommunalverwaltung langsam und in dieser Form für die Landesregierung nicht hinnehmbar. Die Landesregierung begrüßt deshalb die Entschließung des Landtages „Gleichstellungspolitik strategisch denken und wirksam umsetzen - Für eine zukunftsfähige Neuauflage des NGG“ (Drs. 17/5198 vom 17.02.2016) und teilt deren Auffassung, dass die Verbesserung des Frauenanteils in Führungspositionen ein wichtiges Ziel der Frauenpolitik ist. 15. Ein weiterer zentraler Befund derselben Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist die Feststellung : „Wenn Kinder da sind, wollen Männer mehr Zeit mit den Kindern verbringen - z. B. durch eine längere Elternzeit. Aber das ist nicht rational und Männer stoßen innerhalb der Betriebe auf erhebliche Widerstände, wenn sie mehr als zwei oder drei Monate Elternzeit nehmen wollen (von kritisch-ironischen Fragen bis hin zum Verlust von Projekten und finanziellen Gratifikationen).“ Wie bewertet die Landesregierung vor dem Hintergrund dieses Befundes die von ihr beabsichtigte Streichung der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit als eigenständiges Gesetzesziel? Nach § 1 Abs. 1 Ziffer 3 NGG-E sind Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Frauen und Männer ihre Erwerbstätigkeit mit ihrer Familienarbeit vereinbaren können. Die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienarbeit ist und bleibt Ziel der Landesregierung und ist im Weiteren in den §§ 12 bis 14 NGG-E verankert. 6 Familienreport BMFSFJ 2014 (S. 10); Quelle: Berechnung auf Basis von „Familien in Deutschland“ (FiD), SOEP. 7 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (BGBl. I 2015, S. 642) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 9 16. Welche Konzepte hat die Landesregierung, um die in der Landesverwaltung beschäftigten Männer für eine längere Elternzeit bzw. für Teilzeitarbeit zu interessieren? Wie aus der genannten Studie ersichtlich, ist der Wunsch von Männern, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen, z. B. durch eine längere Elternzeit, vorhanden. Förderliche Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie Kinderbetreuung, Tele- und Heimarbeit pp., bestehen. Die dienstrechtlichen und arbeitsrechtlichen Möglichkeiten der Beurlaubung und der Teilzeitarbeit, die aufgrund gesetzlicher Regelungen und dienstlicher Vereinbarungen bestehen, stehen männlichen und weiblichen Beschäftigten in der Landesverwaltung gleichermaßen zur Verfügung. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 9 verwiesen. 17. Hat die Landesregierung Belege dafür, dass die Gesamtheit der in Vollzeit arbeitenden Frauen schlechter beurteilt wird als die Gesamtheit der in Vollzeit arbeitenden Männer? Die Auswahl für Führungspositionen im öffentlichen Dienst wird maßgeblich durch die Beurteilung der Bewerberinnen und Bewerber beeinflusst. Die Auswertung der Literatur und die Erfahrungen in der Vergangenheit zeigen, dass Frauen und Männer sowie Vollzeit- und Teilzeitkräfte statistisch relevant unterschiedlich beurteilt werden.8 Die Landesregierung hat deswegen in dem Kabinettsbeschluss zu „Frauen in Führung“ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung beauftragt, nach jeder Regelbeurteilungsrunde die Beurteilungsdaten der Ministerialebene zusammenzustellen und der Landesregierung zu berichten, ob Beurteilungsverzerrungen erkennbar geworden sind und was gegen ihre Wiederholung unternommen werden kann. Ein entsprechender Bericht, der u. a. die hier aufgeworfene Frage beantworten soll, ist derzeit in Arbeit. Zudem wird gemeinsam mit dem Ministerium für Inneres und Sport ein Konzept zur Geschlechtergerechtigkeit bei Beurteilungen erstellt. Der Gesetzentwurf enthält Vorgaben über die Geschlechtergerechtigkeit von Beurteilungen und Zeugnissen (§ 8 NGG-E) sowie über die Überprüfung von Regelbeurteilungen auf statistisch relevante Unterschiede zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten . 18. Sieht die Landesregierung in einer schlechteren Beurteilung einer teilzeitbeschäftigten Frau gegenüber einem mit derselben Tätigkeit vollzeitbeschäftigten Mann eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts? Es ist nach wie vor davon auszugehen, dass die in Teilzeit arbeitenden Personen geschlechtsunabhängig durchschnittlich schlechter beurteilt werden. Da Männer nur in sehr geringer Anzahl einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, kann keine statistische Auswertung erfolgen. 19. Sieht die Landesregierung in einer schlechteren Beurteilung eines teilzeitbeschäftigten Mannes gegenüber einer mit derselben Tätigkeit vollzeitbeschäftigten Frau eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts? Siehe Antwort zu Frage 18. 8 Vgl. z. B. Friedel Schreyögg: Geschlechtergerecht beurteilen – Arbeitshilfe zur Erstellung dienstlicher Beurteilungen, S. 19 ff. Hrsg.: Gleichstellungsstelle für Frauen München April 2006. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 10 20. Da die Landesregierung von der Annahme ausgeht, dass Frauen wegen der Familienarbeit daran gehindert werden, in höhere Besoldungsgruppen aufzusteigen, weshalb differenziert der Gesetzentwurf beim Gesetzesziel der Beseitigung von Unterrepräsentanz von Frauen in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen dann nicht zwischen Frauen ohne Kinderbetreuungsaufgaben und Frauen mit Kinderbetreuungsaufgaben? Die Landesregierung geht davon aus, dass sowohl Frauen als auch Männer Familie (Eltern und häufig auch Kind/er) haben und damit, je nach Lebensphase, auch Familienaufgaben wahrnehmen müssen oder diese delegieren. Dazu gehört neben der Kinderbetreuung auch zunehmend die Pflege Angehöriger. Familienarbeit hat generell Einfluss auf die Berufstätigkeit und es ist für Männer und Frauen eine Herausforderung, diese in Einklang zu bringen. Die Landesregierung strebt danach , für beide Geschlechter die Vereinbarung zu ermöglichen. Es wird kein Anlass gesehen, hier zwischen kinderlosen Bediensteten und Eltern zu differenzieren. 21. Wie möchte die Landesregierung ohne eine solche Differenzierung erreichen, dass die Unterrepräsentanz von Frauen in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen letztlich nicht nur durch kinderlose Frauen, sondern auch durch Frauen mit Familienaufgaben beseitigt wird? Siehe Antwort zu Frage 20. Im Übrigen gibt es keine geschlechtsspezifischen Erhebungen der Landesregierung darüber, in welchem Anteil Personen mit und ohne Kinder Führungspositionen wahrnehmen. 22. Wäre es für die Landesregierung ein erstrebenswertes gleichstellungspolitisches Ziel, wenn künftig in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen zwar zu 50 % Frauen vertreten sind, diese aber ganz überwiegend kinderlos sind, während die in diesen Besoldungsgruppen vertretenen Männer weiterhin zwar überwiegend Väter sind, aber die Kinderbetreuungsaufgaben ihren nicht erwerbstätigen oder teilzeitbeschäftigten Ehefrauen /Lebensgefährtinnen/eingetragenen Lebenspartnerinnen überlassen können /sollen/wollen? Nein. 23. Falls nein, was trägt der Gesetzentwurf im Allgemeinen und was die Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 im Besonderen dazu bei, um genau diese Entwicklung zu verhindern? Das NGG richtet sich an alle Frauen und differenziert nicht nach Frauen mit Kindern/kinderlosen Frauen. 24. Wie hoch sind in den obersten Landesbehörden in den Besoldungsgruppen ab A 15 bzw. Entgeltgruppen ab E 15 aufwärts die Anteile der Frauen mit Kinderbetreuungsaufgaben im Verhältnis zu allen Frauen dieser Besoldungs- oder Entgeltgruppen? Bitte für jede Besoldungs- oder Entgeltgruppe einzeln ermitteln. Es muss nicht nach Ressorts differenziert werden. Sollten seitens der Landesregierung dennoch datenschutzrechtliche Bedenken wegen möglicher Rückschlüsse auf einzelne Personen bestehen, würde es hilfsweise auch ausreichen, aus allen Besoldungs- und Entgeltgruppen ab A 15 bzw. E 15 aufwärts eine einzige Gruppe zu bilden und lediglich die Gesamtzahl der dort vertretenen Frauen sowie die darin enthaltene Gesamtzahl der Frauen mit Kinderbetreuungsaufgaben zu ermitteln. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl der aktiv Kinder betreuenden Landesbediensteten vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 11 25. Woran liegt es nach Auffassung der Landesregierung, dass Frauen, die Führungspositionen bekleiden, ganz überwiegend keine Kinderbetreuungsaufgaben zu erfüllen haben ? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass Frauen in Führungspositionen „ganz überwiegend“ keine Kinderbetreuungsaufgaben zu erfüllen haben. 26. Möchte die Landesregierung mit dem Gesetzentwurf erreichen, dass sich dies ändert? Falls ja, wie? Falls nein, weshalb nicht? Siehe Antwort zu Frage 25. 27. Könnte § 7 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzentwurfs dazu führen, dass eine Frau ohne Kinderbetreuungsaufgaben bei gleicher Eignung gegenüber einem Mann mit Kinderbetreuungsaufgaben bevorzugt wird? Falls ja, ist dieses Ergebnis von der Landesregierung beabsichtigt und weshalb? § 7 Abs. 5 Satz 1 NGG-E fokussiert sich auf die Umsetzung von Art. 3 GG und Art. 3 NV. Ziel ist der gleichberechtigte Zugang zu Führungspositionen ohne Betrachtung der derzeitigen oder zukünftigen individuellen Lebensplanung der in der Landesverwaltung beschäftigten Frauen und Männer. 28. Mit welchen Konzepten möchte die Landesregierung zur Auflösung der Geschlechterdifferenzen beitragen, damit bei der Diskussion um tatsächliche oder gefühlte gesellschaftliche Ungleichheiten die Aufmerksamkeit nicht mehr sofort reflexartig auf das Geschlecht gelenkt wird? Die Landesregierung ist sich der „Geschlechterdifferenzen“ bewusst und will diese auch nicht „auflösen “. 29. Wie ist es mit dem Prinzip des Gender Mainstreamings zu vereinbaren, dass der Gesetzentwurf es nicht zulässt, dass Männer zu Gleichstellungsbeauftragten bestellt werden können, Frauen in dieser Funktion aber auch männliche Interessen vertreten sollen ? Wie bisher im NGG 1994 und NGG 2010 sind auch nach § 20 Abs. 1 NGG-E in der Landesverwaltung weiterhin nur weibliche Gleichstellungsbeauftragte und Vertreterinnen zu bestellen. Das ist darin begründet, dass von den Gesetzesthemen „Unterrepräsentanz in Führungspositionen“ und „Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit“ noch immer sehr viel mehr Frauen als Männer betroffen sind. Mit dem Gesetz zur Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts und anderer Gesetze vom 22. April 2005 (Nds. GVBl. S. 110) wurde u. a. die Bezeichnung „Frauenbeauftragte“ durch die Bezeichnung „Gleichstellungsbeauftragte“ ersetzt um deutlich zu machen, dass die Gleichstellungsbeauftragten sich grundsätzlich für den Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen beider Geschlechter einsetzen sollen. Dabei hat der Gesetzgeber daran festgehalten, dass auch weiterhin nur eine Frau in das Amt der Gleichstellungsbeauftragten berufen werden kann. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass „die tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten es derzeit noch erfordern, dass die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sich überwiegend um die Belange der weiblichen Bevölkerung kümmern, denn sie ist es, die aufgrund der strukturellen Rahmenbedingungen nicht immer eine gleichberechtigte Stellung erlangen kann. Der in der Verfassung enthaltene Auftrag zur Verwirklichung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen erfordert unter den gegenwärtigen Gegebenheiten Maßnahmen, die überwiegend durch frauenfördernde Elemente gekennzeichnet sind“ (siehe Landtags-Drucksache 15/1490). Dies gilt inhaltlich auch nach Inkrafttreten des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 12 (NKomVG) ab 01.11.2016 weiter, da die entsprechenden Vorschriften inhaltlich nicht verändert wurden. Auch im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG bestehen keine Bedenken gegen die Bestellung „nur“ weiblicher Gleichstellungsbeauftragter. Ein dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG unterfallendes Merkmal kann als Eignungsmerkmal i. S. d. Art. 33 Abs. 2 GG nämlich ausnahmsweise herangezogen werden, wenn aufgrund der Anforderungen des Amtes Bewerber ohne die fragliche Eigenschaft ungeeignet sind und besondere verfassungsrechtliche Gründe für die Schaffung eines solchen Amts sprechen (s. Urteil des BAG vom 18.03.2010, 8 AZR 77/09). 30. Wie soll bei Auswahlverfahren und der Beseitigung von Unterrepräsentanz verfahren werden, wenn Trans- oder Intersexuelle die gleiche fachliche Qualifikation wie eine Frau haben? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich im Falle der Anwendung der Quotenregelung gemäߧ 7 NGG-E in einem Einzelfall eine Frau und eine Person, deren Trans- oder Intersexualität bekannt ist, mit tatsächlich gleicher fachlicher Qualifikation in ein Auswahlverfahren begeben. In einem solchen Fall wäre eine Einzelfallentscheidung im Sinne der dann geltenden Gesetze (insbesondere AGG, NGG und SGB IX) zu treffen. 31. Wie soll verfahren werden, wenn durch eine Auswahlentscheidung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzentwurfs anstelle von Unterrepräsentanz von Frauen nun Überrepräsentanz vorliegt? Dann findet die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 NGG-E keine Anwendung. 32. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs ist es auch Ziel des Gesetzes, das Handeln der Verwaltung stärker durch Frauen zu prägen. Wird das Handeln der Verwaltung gegenüber dem Bürger nach Auffassung der Landesregierung eher durch die handelnde, also sachbearbeitende Ebene oder eher durch die Führungsebene geprägt? Das Handeln der Verwaltung wird durch Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf allen entsprechenden Ebenen geprägt. 33. Falls das Handeln der Verwaltung gegenüber dem Bürger nach Auffassung der Landesregierung trotz Überrepräsentanz von Frauen insgesamt nicht ausreichend durch Frauen geprägt wird, begründet sie dies mit der Unterrepräsentanz von Frauen in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen? Falls ja, bitte schlüssig erläutern, weshalb die generelle Überrepräsentanz von Frauen in der Verwaltung das Handeln der Verwaltung nicht ausreichend prägt. Siehe Antwort zu Frage 32. 34. Ist die öffentliche Verwaltung in Niedersachsen nur dann eine gute und gerechte Verwaltung , wenn in allen Besoldungs- und Entgeltgruppen genau 50 % Frauen und 50 % Männer vertreten sind? Falls ja, weshalb möchte die Landesregierung dann nicht auf den Abbau von Überrepräsentanz von Frauen in den Besoldungs- und Entgeltgruppen hinwirken, in denen Frauen überrepräsentiert sind? Falls nein, weshalb sieht sie in der (noch vorhandenen) Überrepräsentanz von Männern in den oberen Besoldungs- und Entgeltgruppen eine Diskriminierung von Frauen? Es dürfte inzwischen unbestritten sein, dass eine paritätische Besetzung eine Perspektiverweiterung ermöglicht, die die Situation, Bedürfnisse und Bedarfe von Frauen und Männern noch besser gleichermaßen in den Blick nimmt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7244 13 Auch unter dem Gesichtspunkt der Qualität der Verwaltungsprodukte ist eine stärkere Beteiligung von Frauen eine wichtige Maßnahme. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen wirkt sich positiv auf die Arbeitskultur aus, ermöglicht die Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven und kann damit bessere Ergebnisse erzielen. Zusätzlich wird die Arbeitgeberattraktivität der Landes- und Kommunalverwaltung weiterhin gesteigert. Die Landesregierung wird sich deshalb dem mehrdimensionalen Wandel stellen und die Teilhabe von Frauen in Führungspositionen und Gremien vorantreiben . 35. Wie soll verfahren werden, wenn in Auswahlgesprächen entgegen § 6 Abs. 2 des Gesetzentwurfs von Vertretern oder Vertreterinnen der Dienststelle dennoch Fragen nach der Familienplanung und der Sicherstellung der Kinderbetreuung gestellt werden? Hat der Verstoß Konsequenzen? Falls ja, welche? Das Stellen der Fragen nach der Familienplanung und der Sicherstellung der Kinderbetreuung in Auswahlgesprächen stellt seit 1994 § 8 Abs. 1 NGG und § 12 Abs. 2 NGG 2010 einen Gesetzesverstoß dar. Beschwerden oder Klageverfahren sind nicht bekannt, sodass davon auszugehen ist, dass Personalstellen der Landesverwaltung hierzu ausreichend sensibilisiert sind. Darüber hinaus sind Landesbedienstete zu gesetzestreuem Verhalten verpflichtet. (Ausgegeben am 20.01.2017) Drucksache 17/7244 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7082 - Mit dem Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetz zurück ins Jahr 1994? Hat die rot-grüne Landesregierung Angst vor Gender Mainstreaming? Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen, Volker Meyer, Burkhard Jasper, Gudrun Pieper und Annette Schwarz (CDU) Antwort des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung