Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7403 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7311 - Sturmflutschäden an der Gaststätte „Luv Up“ in Jemgum Anfrage des Abgeordneten Ulf Thiele (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 23.01.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 30.01.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 13.02.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung des Abgeordneten Die Sturmflut in der Nacht zum 27.12.2016 hat auch in Ostfriesland Schäden verursacht. Betroffen ist u. a. die Gaststätte „Luv Up“ in Jemgum. Die Gaststätte ist direkt an der Ems gelegen und wird seit dem Jahr 2012 durch einen sogenannten Sommerdeich geschützt. Dennoch wurde der Schutzdeich überspült, und Wasser drang bis zu einem halben Meter Höhe in das Gebäude ein. Das zurückweichende Wasser lief aufgrund geschlossener Durchlassrohre im weiteren Verlauf nur bis zur Krone des Schutzdeiches ab, sodass sich ein See rund um die Gaststätte bildete. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hat in der Presseberichterstattung darauf hingewiesen, dass Prognosen von einen Wasserstand von ca. zwei Metern über dem mittleren Tidehochwasser ausgingen. Der tatsächliche Wasserstand lag dann laut NLWKN bei 2,05 m (siehe Artikel der Ostfriesen-Zeitung vom 28.12.2016). Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, dass das Emssperrwerk zu schließen ist, sobald am Pegel in Gandersum ein Wasserstand von mehr als 2,10 m über dem mittleren Tidehochwasser vorausgesagt wird. Allerdings war der Pegelstand in Soltborg, 3 km stromaufwärts, mit 2,17 m über dem dortigen mittleren Tidehochwasser höher (siehe Artikel der Rheiderland-Zeitung vom 29.12.2016). Nach Schäden mit einer Schadensumme von rund 10 000 Euro infolge einer Sturmflut im Januar 2012 war im Februar des gleichen Jahres in Abstimmung mit dem NLWKN, der Rheider Deichacht, dem Landkreis Leer, der Gemeinde Jemgum und dem Verein „Luv Up“ als Schutzmaßnahme ein sogenannter Sommerdeich um das tief liegende Gebäude direkt an der Ems gezogen worden. Die Höhe des Deiches wurde seinerzeit anhand der Wasserstände bei Schiffsüberführungen bemessen , nicht anhand der Wasserstände bei Sturmfluten. Der Deich ist über die Jahre an verschiedenen Stellen teilweise um mehr als 20 cm versackt und hat sich bei der vergangenen Sturmflut als nicht ausreichender Schutz erwiesen (siehe Artikel der Rheiderland-Zeitung vom 30.12.2016). Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehe ich davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da es sich nach meiner Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handelt und der Rechercheaufwand gering ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7403 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Aufgabe des Emssperrwerks bei Gandersum ist es, den Sturmflutschutz hinter den Emsdeichen und im Leda-Jümme-Gebiet erheblich zu verbessern. Das Sperrwerk kehrt Sturmfluten, die höher als 3,70 m über Normalnull am Pegel Gandersum, der am Betriebsanleger des Emssperrwerks errichtet ist, auflaufen, und gewährleistet dadurch einen deutlich höheren Sicherheitsstandard als eine kontinuierliche Anpassung der 110 km langen Hauptdeiche entlang der Unterems. Darüber hinaus sichert seine Staufunktion die Flexibilität des Schifffahrtsweges Ems zwischen Papenburg und Emden und damit den Erhalt der Wirtschaftskraft der Region. Seit Inbetriebnahme des Emssperrwerks wurde es elfmal aus Gründen des Sturmflutschutzes geschlossen . Die Schließungen erfolgten nach den Festlegungen des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) für das Emssperrwerk vom 14.08.1998. Gemäß diesem Beschluss dient das Sperrwerk der Kehrung von Sturmfluten, die höher als NHN +3,70 m auflaufen. Die Schließung des Sperrwerks hat hierfür bereits bei NHN +3,50 m zu erfolgen, damit eine Kehrung entsprechender Sturmfluten gewährleistet ist. Für den Zeitpunkt der Schließung ist der Wasserstand am Pegel Gandersum maßgeblich. Die Schließung des Emssperrwerks erfolgt bei einer Überschreitung des mittleren Tidehochwassers (MThw) um mehr als 1,90 m, sofern eine Überschreitung des MThw um weitere 20 cm auf 2,10 m zu erwarten ist. 1. Warum wurde das Emssperrwerk nicht - wie es sich zunächst abzeichnete - ab 17.00 Uhr geschlossen? Konnte sicher davon ausgegangen werden, dass keine Schäden an Gebäuden entlang der Ems zu erwarten waren? Bei der Sturmflut am 26.12.2016 wurde ein Wasserstand von MThw +2,10 m am Pegel Gandersum nicht erreicht, sodass eine Schließung unterbleiben konnte. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 2. Betrachtet die Landesregierung den um die Gaststätte errichteten Schutzdeich nach wie vor als ausreichende Schutzmaßnahme? Die Gaststätte „Luv Up“ befindet sich in der Gemeinde Jemgum im Vorlandbereich der Ems, also außendeichs, und wurde in der Vergangenheit bereits bei Wasserständen überflutet, die niedriger waren als die tatsächlichen Wasserstände bei der o. g. Sturmflut. Um von dem Eigentümer der Gaststätte Schaden abwenden zu können, müsste das Emssperrwerk deutlich früher geschlossen werden, als bisher vorgesehen und für alle Betroffenen rechtlich bindend im PFB geregelt. Diese Zusammenhänge hat der NLWKN am Freitag, den 20.01.2017 in einem Termin bei der Gemeinde Jemgum mit Anliegern, Gemeinde und Landkreis erläutert und besprochen. Abgesehen davon haben nach Deichrecht im Vorland befindliche Liegenschaften keinen Anspruch auf einen Hochwasserschutz , sondern selbst Vorsorge zu treffen. Die Frage, ob eine Schutzmaßnahme im Rahmen der Eigenvorsorge ausreichend ist, entzieht sich der Beurteilung durch die Landesregierung. Die Gemeinde und der Landkreis wollen die im Bereich der Gaststätte bereits vorhandene Verwallung (in der Fragestellung als Schutzdeich bezeichnet) instand setzen und das Gelände insgesamt höhenmäßig neu einmessen lassen sowie eventuell weitere Maßnahmen ergreifen. 3. Wie erklärt die Landesregierung die oben erwähnten abweichenden Messdaten des NLWKN von 2,05 m und der Messung in Soltborg von 2,17 m? Soltborg liegt vom Emssperrwerk aus betrachtet stromaufwärts. In diesem Verlauf der Ems wird an den Standorten Terborg, Leerort, Weener und Papenburg der Wasserstand kontinuierlich aufgezeichnet und seitens des NLWKN insbesondere bei Schiffsüberführungen für die Beurteilung der Wasserstände in der Ems genutzt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7403 3 Im Falle der Kehrung von Sturmfluten mithilfe des Emssperrwerks sind die stromabwärts gelegenen Pegel Pogum, Emden-neue Seeschleuse, Knock und Borkum von Relevanz. Aufgrund der Daten dieser Pegel wird eine Sturmflutschließung des Emssperrwerks beurteilt. Faktoren wie Windrichtung und Windgeschwindigkeit bestimmen die Höhen der auflaufenden Tide. Durch den sich nach stromauf verengenden Flusslauf werden ebenfalls die Wasserstandshöhen beeinflusst. Somit ist es nachvollziehbar, dass der Pegel in Soltborg aufgrund seiner Lage, der Windwirkung und der Flussbreite Werte aufweist, die vom unterhalb liegenden Pegel Gandersum abweichen. 4. Waren dem NLWKN die höheren Messwerte aus Soltborg bekannt? Wenn ja, warum wurden die Messdaten nicht zur Beurteilung herangezogen? Nein, die höheren Messwerte aus Soltborg waren nicht bekannt, da es sich bei diesem Standort um keinen Pegelstandort handelt. Die dem NLWKN bekannten Daten des Pegels Leerort werden in der Nähe der Ortschaft Soltborg erfasst, sind aber für die Entscheidung zur Kehrung von Sturmfluten mithilfe des Emssperrwerks nicht relevant. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Beabsichtigt der NLWKN eine Ausweitung der Messstellen und eine damit einhergehende Verfeinerung des Messprogramms? Nein. 6. Nimmt der NLWKN diesen Vorfall zum Anlass, Änderungen an den Schließvorgaben des Sperrwerkes vorzunehmen? Wenn ja, wie sehen diese aus? Nein. Die Schließungsregelung wurde unter Abwägung der Belange aller Betroffenen, insbesondere der Eigentümer und Nutzer der hochwassergefährdeten Flächen sowohl oberhalb als auch unterhalb des Sperrwerks, durch Planfeststellungsbeschluss festgelegt. 7. Ist beabsichtigt, die Schutzmaßnahmen für Gebäude entlang der Ems dahin gehend zu überprüfen, ob bei Nichtschließung des Sperrwerkes die Sicherheit von Menschenleben sowie Hab und Gut der Menschen gewährleistet ist? Nein. Auf die Vorbemerkungen sowie die Antworten zu den Fragen 2 und 6 wird ergänzend hingewiesen . 8. Beabsichtigt die Landesregierung, den Besitzern der Gaststätte den durch die nicht ausreichenden Schutzmaßnahmen entstandenen finanziellen Schaden auszugleichen? Nein. (Ausgegeben am 21.02.2017) Drucksache 17/7403 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7311 Sturmflutschäden an der Gaststätte „Luv Up“ in Jemgum Anfrage des Abgeordneten Ulf Thiele (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz