Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7443 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7300 - Verlangt § 4 AsylbLG vom Arzt eine Diagnose ohne Untersuchung? Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Bley (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 23.01.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 30.01.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 16.02.2017, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung der Abgeordneten Der Landkreis Cloppenburg soll gegenüber einem dort niedergelassenen Zahnarzt, der einen über akute Schmerzen klagenden Asylbewerber versorgt hat, die Abrechenbarkeit eines Befundes mit der Begründung verweigert haben, eine Beratung sei ausreichend. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlicher Leistungen zu gewähren . Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehe ich davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da es sich nach meiner Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handelt und der Rechercheaufwand gering ist. Vorbemerkung der Landesregierung Für Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) ist der Leistungsumfang bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland in den §§ 4 und 6 AsylbLG abschließend bundeseinheitlich geregelt . Danach sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zu Genesung, zu Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist (§ 4 Abs. 1 AsylbLG). Eine Gewährung als sonstige Leistung (§ 6 AsylbLG) kommt darüber hinaus nur in Betracht, wenn sie im Einzelfall zu Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7443 2 Leistungsberechtigte, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, erhalten gemäß § 2 AsylbLG Leistungen entsprechend den Regelungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und damit Leistungen im Krankheitsfall auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung. Für die Dauer der ersten 15 Monate des Leistungsbezugs sind die betroffenen Personen somit nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Die zuständigen Leistungsbehörden - in Niedersachsen sind dies die Landkreise, kreisfreien Städte, die Stadt Göttingen und die Region Hannover - haben die ärztliche und zahnärztliche Versorgung sicherzustellen. In der Regel wird den Leistungsberechtigten ein Behandlungsschein in Papierform durch die zuständige Leistungsbehörde ausgehändigt, der berechtigt, zur ärztlichen Behandlung einen Arzt nach Wahl aufzusuchen . Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolgt durch die Leistungsbehörden. Soweit bei der nachfolgenden Beantwortung auf den der Fragestellung zugrunde liegenden Fall Bezug genommen wird, liegt dem ein Bericht des Landkreises Cloppenburg zugrunde. 1. Sind die Landkreise berechtigt, einem über akute Schmerzen klagenden Asylbewerber aufgrund der Einschätzung des zuständigen Sachbearbeiters den Behandlungsschein für einen Arztbesuch zu verweigern? Nein. Die Leistungsbehörden händigen Leistungsberechtigten, die über akute Schmerzen klagen, Behandlungsscheine aus. Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über Fälle vor, in denen einem über akute Schmerzen klagenden Leistungsberechtigten die Aushändigung eines Behandlungsscheins durch eine Sachbearbeiterin oder einen Sachbearbeiter einer Leistungsbehörde verweigert worden wäre. Auch in dem der Fragestellung zugrunde liegenden Fall ist die Aushändigung des Behandlungsscheins nicht verweigert worden. 2. Wem obliegt die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen zur Behandlung akuter Schmerzzustände im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erforderlich sind? Die Entscheidung, welche Maßnahmen zur Behandlung akuter Schmerzzustände erforderlich sind, hat der behandelnde Arzt oder Zahnarzt zu treffen. Für die vom Arzt oder Zahnarzt vorzunehmende Abrechnung enthalten die von den Leistungsbehörden ausgegebenen Behandlungsscheine ausdrückliche Hinweise auf die eingeschränkte Kostenübernahme ausschließlich für akute Erkrankungen und Schmerzzustände. Seitens der Leistungsbehörde werden die Abrechnungen lediglich auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit geprüft. In Zweifelsfällen kann die Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsamtes eingeholt werden. 3. Zu welchen Handlungen ist der behandelnde Arzt verpflichtet und berechtigt, um feststellen zu können, ob ein akuter Schmerzzustand vorliegt? Die Entscheidung zum Umfang der ärztlichen Leistung obliegt dem Arzt oder Zahnarzt nach fachlicher Maßgabe. Der Umfang von Behandlungsmaßnahmen orientiert sich hierbei beispielsweise an Praxisratgebern der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) bzw. Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN). Auf den Internetseiten der KVN und KZVN finden sich zahlreiche Hinweise für Ärzte und Zahnärzte zur Behandlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden. 4. Wenn seitens des Arztes festgestellt wird, dass kein akuter Schmerzzustand vorliegt und daher Leistungen nach § 4 AsylbLG nicht zu gewähren sind: Was kann der Arzt für seine Tätigkeit, die zu dieser Feststellung führte, gegenüber dem Landkreis abrechnen ? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7443 3 Eine Abrechnungsmöglichkeit hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Für die allgemeine Diagnoseerhebung bei nicht notwendiger weiterer Behandlungsbedürftigkeit wird in der Regel eine symptombezogene Untersuchung durchgeführt und mit der Leistungsbehörde abgerechnet . 5. Gibt es landesweit einheitliche Vorgaben oder Empfehlungen gegenüber der Ärzteschaft , welche Leistungen im Rahmen von § 4 AsylbLG abrechnungsfähig sind oder entscheidet jeder Landkreis nach eigenen Ermessen, was als abrechnungsfähig erachtet wird und was nicht? Für die Anwendung der bundeseinheitlich geltenden Regelungen des AsylbLG gibt es verschiedene Auslegungshilfen. So haben die Ärztekammern und Zahnärztekammern der Bundesländer, die Bundesärztekammer und die Bundeszahnärztekammer sowie weitere Verbände (KVN, KZVN, u. a.) auf ihren Internetseiten zahlreiche Leitfäden, Praxisratgeber und Handlungsempfehlungen zum Leistungsrecht nach dem AsylbLG für Ärzte und Zahnärzte veröffentlicht. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen „Ratgeber Gesundheit für Asylsuchende in Deutschland“ herausgegeben. Eigene Vorgaben des Landes für die Anwendung dieser bundesgesetzlichen Vorschrift bestehen nicht. (Ausgegeben am 24.02.2017) Drucksache 17/7443 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7300 - Verlangt § 4 AsylbLG vom Arzt eine Diagnose ohne Untersuchung? Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Bley (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport