Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7590 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7390 - Was plant die Landesregierung beim Hygienebarometer? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe, Horst Kortlang und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 13.02.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 16.02.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 13.03.2017, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten In einem Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 29. Dezember 2016 wurde berichtet, die Landesregierung plane für 2017 die Einführung eines Hygienebarometers. Die Kommunen würden dann verpflichtet, den betroffenen Betrieben wie Restaurants und Schlachtereien die Ergebnisse der anlasslosen gebührenfinanzierten Lebensmittelkontrollen auszuhändigen. Die Kontrollergebnisse sollten in einer anschaulichen Form dargestellt werden, sodass sie den Kunden auf freiwilliger Basis zugänglich gemacht werden könnten. Zunächst sei die Umsetzung der Regelung in den Pilotregionen Stadt Braunschweig, Landkreis Celle und Stadt Hannover geplant. Vorbemerkung der Landesregierung Das Thema Transparenz in der Lebensmittelüberwachung/Veröffentlichung der Ergebnisse der amtlichen Betriebskontrollen wird auf verschiedenen Ebenen der Verwaltung, in der Politik und in der Verbraucherschaft seit Jahren auch unter den Stichworten „Kontrollbarometer“ bzw. „Hygienebarometer “ diskutiert. Nun soll, anknüpfend an die guten Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern, auch in Niedersachsen ein freiwilliges System aufgebaut werden, um mehr Transparenz für Lebensmittelunternehmen und Verbraucherschaft zu erreichen. In einer Projektgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern kommunaler Behörden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums sowie in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Niedersachsen wurde das Hygienebarometer so umsetzungsreif gestaltet, dass es in einem Pilotprojekt getestet werden kann. Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt und Anregungen der betroffenen Unternehmensverbände fließen in die Überlegungen zur landesweiten Einführung ein. Inhaltlich orientiert sich das Hygienebarometer an der bundeseinheitlichen Risikobeurteilung von Lebensmittelbetrieben nach AVV Rahmen-Überwachung (AVV RÜb), die auch seit Jahren in den niedersächsischen Behörden der Lebensmittelüberwachung angewandt wird. Nach einer routinemäßigen Kontrolle erhalten die betroffenen Betriebe eine Bescheinigung über die Hygienebeurteilung in Form eines Hygienebarometers. Nur Betriebsarten mit mehr als 100 Betrieben in Niedersachsen und mit Relevanz für die Verbraucherinnen und Verbraucher sollen eine Bescheinigung zum Hygienebarometer erhalten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7590 2 Die relevanten Betriebsarten werden zu folgenden fünf Betriebskategorien zusammengefasst: A) Gastronomie (Gaststätten, Imbisse, Cafés, Eisdielen), B) Einzelhandel, Fleischerei- und Bäckereifilialen (nur Verkauf), C) Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung (Küchen in Schulen, Kindergärten und Altenheimen , Großküchen, Kantinen), D) Bäckereien, Konditoreien (eigene Herstellung), E) Fleischereien. Die Bescheinigung zum Hygienebarometer kann im Lebensmittelbetrieb wie ein Schulzeugnis ausgehängt werden. Eine Verpflichtung zum Aushang besteht nicht. 1. Stehen die Stadt Braunschweig, der Landkreis Celle und die Stadt Hannover als Pilotregionen für das Hygienebarometer zur Verfügung? Die Zusage der Landeshauptstadt Hannover liegt vor, mit dem Landkreis Celle und der Stadt Braunschweig finden noch Gespräche statt. 2. Für wann ist die Einführung des Hygienebarometers in den Pilotregionen und landesweit geplant? Das Pilotprojekt soll im Frühjahr 2017 für einige Monate getestet werden. Die landesweite Einführung ist für Sommer/Herbst 2017 geplant. 3. Welche Fragestellungen sollen in der Pilotphase geklärt werden? In der Pilotphase soll geklärt werden, ob der technische Ablauf mittels des Softwaresystems BALVI funktioniert und ob der Zeitaufwand neben der normalen Kontrolltätigkeit angemessen und ohne zusätzliches Personal bei den kommunalen Behörden leistbar ist. Weiterhin wird gegebenenfalls notwendiger Änderungsbedarf an der inhaltlichen Ausgestaltung ermittelt. 4. Hält die Landesregierung den Zeitraum zwischen dem Start der Pilotphase und der landesweiten Einführung für ausreichend, um die zuvor genannten Fragestellungen zu klären ? Die Landesregierung geht davon aus, dass der Zeitraum vor dem Hintergrund der zu klärenden Fragestellung ausreicht. 5. Mit welchem zusätzlichen Verwaltungsaufwand rechnet die Landesregierung durch das Hygienebarometer bei der betroffenen Verwaltung und in den Betrieben? Das Hygienebarometer basiert auf einem bestehenden Kontrollsystem. Daher wird mit einem minimalen zusätzlichen Aufwand gerechnet. Wie hoch dieser konkret ist, soll in der Pilotphase mit den beteiligten kommunalen Behörden ermittelt werden. 6. In welcher Form sollen die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen dargestellt werden? Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen sollen in einer Mitteilung der Hygienepunkte an den Lebensmittelunternehmer dargestellt werden, die neben der Gesamtbewertung auch die Bewertung der einzelnen Aspekte „Verlässlichkeit der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen“, „Betriebliche Eigenkontrollen“ und „Hygienemanagement“ aufzeigt (vergleichbar mit einem Schulzeugnis ). Außerdem soll diese Mitteilung eine Grafik enthalten, die die Bewertung der kontrollierten Be- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7590 3 triebsstätte im Vergleich zu den aktuell erhobenen landesweiten Ergebnissen dieser Betriebskategorie zeigt. 7. Wie soll die Vergleichbarkeit von festgestellten Verstößen bei der Darstellung des Gesamtergebnisses gewährleistet werden? Die Kontrollergebnisse, die für das Hygienebarometer herangezogen werden, stammen aus der seit Jahren in der Lebensmittelüberwachung praktizierten Risikobeurteilung von Lebensmittelbetrieben nach AVV RÜb. Diese ist nicht auf die Feststellung von Verstößen ausgerichtet, sondern stellt für die drei Hauptmerkmale „Verlässlichkeit der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen “, „betriebliche Eigenkontrollen“ und „Hygienemanagement“ Tendenzen der Mängelausprägung fest. Für die Durchführung der Risikobeurteilung nach AVV RÜb existieren ein bundeseinheitlicher grober Leitfaden und ein detaillierterer landeseinheitlicher Leitfaden, mit denen eine größtmögliche Vergleichbarkeit der Beurteilungen in den zuständigen Kontrollbehörden sichergestellt wird. 8. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik von DEHOGA Niedersachsen, die Kontrollergebnisse seien immer nur Momentaufnahmen, weil in jedem Betrieb mal Kleinigkeiten beanstandet würden, die sich gleich negativ auf die Gesamtbewertung auswirkten? Zur Feststellung der Tendenzen der Mängelausprägung in den Hauptmerkmalen „Verlässlichkeit der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen“, „betriebliche Eigenkontrollen“ und „Hygienemanagement “ werden die Einzelmerkmale „Einhaltung lebensmittelrechtlicher Bestimmungen“, „Rückverfolgbarkeit“, „Mitarbeiterschulung“, „HACCP-Verfahren“, „Untersuchung von Produkten“, „Temperatureinhaltung (Kühlung)“, „Bauliche Beschaffenheit (Instandhaltung)“, „Reinigung und Desinfektion“, „Personalhygiene“, „Produktionshygiene“, „Schädlingsbekämpfung“ geprüft. Ein Großteil dieser Merkmale bezieht sich auf das Management eines Betriebes und stellt keine Momentaufnahme dar. Mit 0 bis 18 von 80 möglichen Hygienemangelpunkten lässt sich im Übrigen noch ein „sehr gut“ in der Gesamtbeurteilung erreichen, mit 19 bis 39 Hygienemangelpunkten noch eine „gute“ Gesamtbeurteilung. Eine Auswertung vom Januar 2017 zu den in niedersächsischen Betrieben erreichten Hygienemangelpunkten zeigte, dass der Großteil der Betriebe eine „sehr gute“ und „gute“ Gesamtbeurteilung im Hygienebarometer erreichen würde. Da Betriebe bisher hauptsächlich bei Verstößen ein Feedback der Behörde erhalten, bekommen nach Einführung des Hygienebarometers auch die guten Betriebe eine qualifizierte Rückmeldung. Daher ist das Hygienebarometer eine Motivation für gut wirtschaftende Betriebe. 9. Plant die Landesregierung nach der zunächst freiwilligen Teilnahme der Betriebe eine verpflichtende gesetzliche Regelung? Nein. Das freiwillige System in Niedersachsen soll nach zwei bis drei Jahren der Durchführung evaluiert werden. Es soll beispielsweise geprüft werden, ob die transparente Information der Lebensmittelüberwachung an die Lebensmittelbetriebe die Eigenkontrolle der Lebensmittelbetriebe verbessert hat. Erst nach Vorliegen dieser Erkenntnisse können weitere Verbesserungen geprüft werden . 10. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass das Oberlandesgericht Münster den Testlauf für ein Hygienebarometer in Nordrhein-Westfalen gekippt hat, weil die Darstellung in Form einer dreistufigen Ampel zu oberflächlich sei? Der Grund für die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Münster (Az. 13 A 846/15 u. a.) lag in der Feststellung der Nichtanwendbarkeit des Verbraucherinformationsgesetzes für die von der Verbraucherzentrale angefragten Informationen. In der Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichtes Münster vom 12. Dezember 2016 heißt es: „Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster hat mit insgesamt neun Urteilen die erstinstanzlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7590 4 Düsseldorf und Minden im Ergebnis bestätigt. Die Weitergabe der von der Verbraucherzentrale nachgefragten Informationen - insbesondere Name und Anschrift des Gastronomiebetriebs sowie der im Rahmen der Risikobeurteilung ermittelte Punktwert - finde im Verbraucherinformationsgesetz keine rechtliche Grundlage. Das Ergebnis der behördlichen Risikobeurteilung in Form eines Punktwerts sei keine Information, zu der nach diesem Gesetz Zugang zu gewähren wäre. Der Wert gebe keine Auskunft über konkret festgestellte Abweichungen von lebensmittelrechtlichen Vorschriften . Es handele sich auch nicht um eine Auswertung einer behördlichen Überwachungsmaßnahme . Der Punktwert lasse keine Rückschlüsse auf konkrete Ergebnisse der Betriebskontrolle zu; eine Weitergabe des Werts entspreche aus diesem Grund auch nicht dem Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes , Transparenz zu schaffen.“ (Ausgegeben am 15.03.2017) Drucksache 17/7590 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7390 Was plant die Landesregierung beim Hygienebarometer? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe, Horst Kortlang und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz