Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7665 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7521 - Salafisten-TV made in Niedersachsen? - Wie ist der aktuelle Stand? Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 28.02.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 03.03.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 27.03.2017, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung der Abgeordneten Im Rahmen der Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner und Jörg Bode (FDP) in der Drucksache 17/7206) blieb die Frage nach Kenntnissen der Landesregierung über Informationen bezüglich des Studiostandortes für den vom salafistischen Prediger Muhamed Ciftci (alias Abu Anas) geplanten islamistischen Fernsehsender „Islam TV“ weitgehend unbeantwortet. Vorbemerkung der Landesregierung Bei Muhamed Ciftci handelt es sich um einen politischen Salafisten, der zu den maßgeblichen Protagonisten innerhalb der salafistischen Szene in Deutschland zu rechnen ist. Er ist insbesondere als Imam in der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig aktiv und hält darüber hinaus Vorträge im gesamten Bundesgebiet und im Ausland. Sein neuestes Dawa-Projekt ist die beabsichtigte Gründung des ersten islamischen deutschsprachigen TV-Senders. 1. Welche neuen Erkenntnisse hat die Landesregierung über das angebliche Projekt in den vergangenen drei Monaten gewonnen? Zu dem von Ciftci geplanten Projekt konnte in den vergangenen drei Monaten die Erkenntnis erlangt werden, dass der Produktionsstandort in der Türkei liegen soll. 2. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, dass „Islam TV“ ab kommender Woche in Deutschland zu sehen sein wird? Der Landesregierung liegen bislang keine Erkenntnisse zum genauen Starttermin von „Islam-TV“ vor. 3. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, in welchem Medium „Islam TV“ übertragen wird? Hierzu liegen der Landesregierung bislang keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es gibt Hinweise, dass „Islam-TV“ über Satellit in Deutschland empfangbar sein soll. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7665 2 4. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, wie häufig „Islam TV“ zu sehen sein soll (einmal oder mehrmals am Tag, einmal oder mehrmals pro Woche, einmal oder mehrmals im Monat)? Zum Programmumfang von „Islam-TV“ liegen der Landesregierung bislang keine Erkenntnisse vor. 5. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, wie lange jeweils eine Sendung dauern soll? Hierzu liegen der Landesregierung bislang keine Erkenntnisse vor. 6. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über den Produktionsort von „Islam TV“? Sollte es bei der Darstellung bleiben, dass die Produktion im Ausland stattfinden wird, wird um Erklärung gebeten, wo und welche Erkenntnisse der Annahme begründen , dass in einem bestimmten anderen Land produziert wird. Nach derzeitigem Kenntnisstand der Landesregierung soll „Islam-TV“ von der Türkei aus betrieben werden. Dies ist das Ergebnis der bisherigen Erkenntnisverdichtung zu „Islam-TV“ durch die niedersächsischen Sicherheitsbehörden. 7. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Geldgeber, die das Projekt finanzieren ? Hierzu liegen der Landesregierung bislang keine Erkenntnisse vor. 8. Wie beurteilt die Landesregierung das Projekt hinsichtlich der Gefahr, dass in der Sendung radikale Inhalte vermittelt werden? Da bisher keine Sendungen publiziert wurden, kann hierzu derzeit keine abschließende Aussage getroffen werden. Die geplante Gründung des TV-Senders durch Ciftci wird von der Landesregierung kritisch gesehen, da die Gefahr besteht, dass im Programm salafistische Positionen verbreitet werden, die mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind und eventuell auch zu einer Radikalisierung von Zuschauern führen könnten. 9. Gibt es aus Sicht der Landesregierung für niedersächsische Behörden eine Handhabe, das Projekt zu verbieten? Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Stellungnahme bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) angefordert worden, die im Nachfolgenden aufgeführt wird: 1. Rechtliche Voraussetzungen Private Veranstalter von Rundfunk bedürfen in Deutschland einer Zulassung. Für bundesweiten Rundfunk richten sich die Zulassungsvoraussetzungen nach den §§ 20, 20 a des Rundfunkstaatsvertrages (RStV). Danach darf eine Zulassung nur an eine natürliche oder juristische Person erteilt werden, die a) unbeschränkt geschäftsfähig ist, b) die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, nicht durch Richterspruch verloren hat, c) das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht nach Artikel 18 GG verwirkt hat, d) als Vereinigung nicht verboten ist, e) ihren Wohnsitz oder Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, einem sonstigen Mietgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum hat und gerichtlich verfolgt werden kann, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7665 3 f) die Gewähr dafür bietet, dass sie unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und der auf dieser Grundlage erlassenen Verwaltungsakte Rundfunk veranstaltet. Handelt es sich um eine juristische Person, die Rundfunk veranstalten will, müssen die Voraussetzungen a-c und f von deren gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertretern erfüllt sein. Daneben muss die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze (§ 3 RStV) sowie der Programmgrundsätze (§ 41 RStV) des Rundfunkstaatsvertrages durch den Veranstalter gewährleistet sein. Hierzu gehört u. a., die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Rundfunkveranstalter sollen mit ihren Angeboten dazu beitragen, die Achtung von Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, vor Glauben und Meinungen anderer zu stärken (vgl. § 3 Abs. 1 RStV). Die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung soll gefördert und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hingewirkt werden. Die verfassungsmäßige Ordnung sowie die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten (vgl. § 41 RStV). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, ist eine bundesweite Zulassung durch die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) zu erteilen. Ein Ermessen der Landesmedienanstalt besteht dann nicht. Die Zulassung ergeht losgelöst von der Zuweisung entsprechender Übertragungskapazitäten. 2. Übertragungsweg und Standort des Senders a) Auf welchem Übertragungsweg Rundfunk verbreitet wird, spielt grundsätzlich keine Rolle (z. B. Antenne, Kabel, Satellit, Internet etc.). Insoweit ist Rundfunk technologieneutral. Rundfunk ist vielmehr von Telemedien und nicht zulassungsbedürftigem Rundfunk anhand der nachfolgenden Kriterien abzugrenzen. Einfachgesetzlich wird Rundfunk als ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst definiert. Er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter der Benutzung elektromagnetischer Schwingungen (vgl. § 2 Abs. 1 RStV). Kein zulassungsbedürftiger Rundfunk hingegen sind Angebote, die weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden, zur unmittelbaren Wiedergabe aus Speichern von Empfangsgeräten bestimmt sind, ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen, nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind oder aus Sendungen bestehen, die jeweils gegen Einzelentgelt freigeschaltet werden (vgl. § 2 Abs. 3 RStV). Sofern Islam-TV (vorausgesetzt es handelt sich um Rundfunk) z. B. technisch sicherstellt, dass nicht mehr als 500 Nutzer zeitgleich zusehen können, bedürfte es keiner rundfunkrechtlichen Zulassung. Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes und kein Rundfunk sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV). Entscheidend dürfte sein, ob „Islam-TV“ zeitgleich (live) entlang eines Sendeplans für die Allgemeinheit ausgestrahlt wird oder ob die geplanten Inhalte zum individuell bestimmten Abruf zur Verfügung gestellt werden. Im ersten Fall dürfte es sich um Rundfunk handeln, im zweitgenannten Fall handelt es sich um ein Telemedium. b) Der Sendestandort hat Einfluss auf die Zuständigkeit und Anwendbarkeit deutschen Rechts. Der Rundfunkstaatsvertrag ist für Fernsehveranstalter nur anwendbar, wenn sie in Deutschland niedergelassen sind. Ein Fernsehveranstalter ist in der Bundesrepublik niedergelassen, wenn 1. die Hauptverwaltung in Deutschland liegt und die redaktionellen Entscheidungen über das Programm hier getroffen werden, 2. die Hauptverwaltung in Deutschland liegt und die Entscheidungen über das Programm in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union getroffen werden, jedoch Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7665 4 – ein wesentlicher Teil des mit der Bereitstellung des Programm betrauten Personals in Deutschland tätig ist oder – ein wesentlicher Teil des mit der Bereitstellung des Programm betrauten Personals sowohl in Deutschland als auch dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union tätig ist oder – ein wesentlicher Teil des mit der Bereitstellung des Programms betrauten Personals weder in Deutschland noch dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union tätig ist, aber der Fernsehveranstalter in Deutschland zuerst seine Tätigkeit begann und eine dauerhafte und tatsächliche Verbindung mit der Wirtschaft Deutschlands fortbesteht, oder 3. die Hauptverwaltung in Deutschland liegt, und die redaktionellen Entscheidungen über das Programm in einem Drittstaat getroffen werden oder umgekehrt und vorausgesetzt, ein wesentlicher Teil des mit der Bereitstellung des Programms betrauten Personals ist in Deutschland tätig. Ist ein Fernsehveranstalter in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union niedergelassen, was sich ebenfalls nach den vorgenannten Kriterien bestimmt (vgl. Artikel 2 Abs. 3 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste - AVMD), so unterliegt er der Rundfunkregulierung des jeweiligen Mitgliedstaates in dem er niedergelassen ist. Aufgrund der Harmonisierung des Rechts für den Bereich des Rundfunks durch die AVMD-Richtlinie handelt es sich dabei jeweils um eine vergleichbare Rechtslage. Für Fernsehveranstalter, die aufgrund ihrer Niederlassung weder der Rechtshoheit Deutschlands oder der eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegen, gelten die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages und damit auch die Zulassungspflicht nur noch für den Fall, wenn sie entweder eine in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Satelliten-Bodenstation für die Aufwärtsstrecke nutzen oder aber eine der Bundesrepublik Deutschland zugewiesene Übertragungskapazität eines Satelliten nutzen. Liegt auch keines dieser Kriterien vor, dann gilt der Rundfunkstaatsvertrag nur noch in dem Fall, dass der Rundfunkveranstalter in Deutschland gemäß den Artikeln 49 bis 55 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABI. Nr. C 115 vom 09.05.2008, S. 47, niedergelassen ist. Sofern „Islam TV“ also außerhalb der Europäischen Union veranstaltet würde und keines der vorgenannten Kriterien zuträfe, wäre damit weder deutsches Recht noch vergleichbares Recht eines Mitgliedstaates anwendbar. 3. Rechtliche Möglichkeiten Den Landesmedienanstalten stehen verschiedene rechtliche Maßnahmen gegen Verstöße gegen den Rundfunkstaatsvertrag sowie den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zur Verfügung. Diese sind jedoch danach zu unterscheiden, ob es sich um Rundfunk oder Telemedien handelt. a) Rundfunk Liegen Verstöße gegen den Rundfunkstaatsvertrag vor, können die Landesmedienanstalten gemäß § 38 Abs. 2 RStV eine Beanstandung oder Untersagung aussprechen. Ferner kann eine erteilte Zulassung zurückgenommen oder widerrufen werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Landesmedien aufgrund der im Grundgesetz garantierten Rundfunkfreiheit nicht präventiv tätig werden dürfen (Verbot der Vorabzensur). Erst wenn Verstöße eingetreten sind, können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden und notfalls mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Sofern es sich bei „Islam TV“ um Rundfunk i. S. d. RStV handeln sollte und keine Zulassung erteilt wurde, handelt es sich zudem um eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 RStV. Diese kann gemäß § 49 Abs. 2 RStV mit einer Geldbuße bis zu 500 000 Euro geahndet werden. b) Telemedien Bei der Aufsicht über Telemedien sind die Landesmedienanstalten begrenzt auf Verstöße gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Sofern in Telemedien ohne entsprechende Jugendschutzvorkehrungen unzulässige (§ 4 JMStV) oder entwicklungsbeeinträchtigende Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7665 5 (§ 5 JMStV) Angebote Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht werden, trifft die zuständige Landesmedienanstalt die erforderlichen Maßnahmen. Neben der Beanstandung und Untersagung können die Landesmedienanstalten im Bereich der Telemedienaufsicht zusätzlich die Sperrung des Angebots anordnen (§ 20 Abs. 4 JMStV i. V. m. § 59 Abs. 2 bis 4 RStV). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, bei Ordnungswidrigkeiten (§ 24 Abs. 1 JMStV) ein Bußgeld bis zu 500 000 Euro zu verhängen. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gilt nur gegenüber deutschen Anbietern von Telemedien, sodass er nicht auf ausländische Anbieter von Telemedien anwendbar ist. Da Zweck des JMStV ist, Kinder und Jugendliche effektiv vor jugendgefährdenden Angeboten in elektronischen Informationsund Kommunikationsmedien zu schützen, ist der Begriff des Anbieters von Telemedien nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 JMStV nach einhelliger Auffassung im Sinne des Jugendschutzes weit auszulegen. Entscheidend für die Annahme der Anbietereigenschaft ist, ob der Betroffene Einfluss auf Einzelheiten der inhaltlichen Gestaltung der Internetseite hat, wobei die Möglichkeit zur Einflussnahme auf den Inhalt des Angebots ausreichend ist. Sofern Herr Ciftci als Verantwortlicher ermittelt würde, könnte daher auch dann gegen ihn vorgegangen werden, wenn sich das Telemedium selbst auf einem ausländischen Server befände. Dies jedoch nur dann, wenn Herr Ciftci sich in der Bundesrepublik aufhalten würde. 10. Wenn ja, welche und durch wen? Siehe Antwort zu Frage 9. (Ausgegeben am 29.03.2017) Drucksache 17/7665 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7521 Salafisten-TV made in Niedersachsen? - Wie ist der aktuelle Stand? Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport