Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7694 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7540 - Mehr Proportionalität in der Bankenregulierung? Anfrage der Abgeordneten Reinhold Hilbers, Sebastian Lechner, Adrian Mohr, Heinz Rolfes, Heiner Schönecke und Dr. Stephan Siemer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 02.03.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 06.03.2017 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 29.03.2017, gezeichnet Peter-Jürgen Schneider Vorbemerkung der Abgeordneten Infolge der globalen Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2010 wurde im Bankensektor eine Vielzahl von Regulierungsmaßnahmen umgesetzt. Der Sparkassenverband Niedersachsen vertritt in einem an den Fragesteller gerichteten Schreiben die Auffassung, dass die Regulierungsdichte mittlerweile eine Qualität erreicht habe, die insbesondere kleine und mittlere Kreditinstitute zunehmend belaste und in Teilen auch überlaste. Nach den EU-Regeln würden einheitliche Mindestanforderungen für alle Kreditinstitute unabhängig von ihrer Größe gelten. Die aus Sicht des Sparkassenverbandes starren, uniformen Regeln erzeugten Wettbewerbsnachteile für kleine und mittlere Institute; denn dort führe dieser Ansatz zu einem überproportionalen und unverhältnismäßigen hohen Aufwand. Die derzeit gültigen Regulierungsmaßnahmen sollten daher besser auf die Belange regional mittelständischer Kreditinstitute mit einem risikoarmen Geschäftsmodell ausgerichtet werden. Es solle kein regulierungsfreier Raum entstehen, sondern ein angemessener und wirksamer Ansatz gewählt werden. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband habe sich zur Weiterentwicklung der Bankenregulierung mit dem Papier „Small and Simple Banking Box: Ein Vorschlag für mehr Proportionalität in der Bankenregulierung“ positioniert. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 55, gehen wir davon aus, dass der Landesregierung die Beantwortung der Anfrage in weniger als einem Monat möglich und zumutbar ist, da es sich nach unserer Auffassung um einen eng begrenzten Sachverhalt handelt und der Rechercheaufwand gering ist. Vorbemerkung der Landesregierung Als Reaktion auf die 2007/2008 einsetzende Finanzmarktkrise hat die Europäische Union (EU) eine tief greifende Reform des Regulierungsrahmens für Finanzdienstleistungen durchgeführt, um die im europäischen Finanzsektor tätigen Institute krisenfester zu machen. Nennenswert ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Eigenmittelverordnung, CRR) und die Richtlinie 2013/36/EU (Eigenkapitalrichtlinie, CRD) über Aufsichtsanforderungen für und die Beaufsichtigung von Instituten, die Richtlinie 2014/59/EU über die Sanierung und Abwicklung von Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7694 2 Kreditinstituten (BRRD) sowie die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRMR). Der Grundstein dieser Rechtsakte wurde nicht zuletzt im Baseler Ausschuss gelegt. Auch wenn die Reformen dazu geführt haben, dass das Finanzsystem an Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber vielen Arten möglicher Schocks und Krisen gewonnen hat, konnten damit noch nicht alle ermittelten Probleme in vollem Umfang behoben werden. Verbleibende Schwachstellen sollen nunmehr durch die aktuellen Reformbestrebungen der EU in Bezug auf die CRR und CRD beseitigt, noch ausstehende Reformelemente eingeführt und bestehende Vorschriften verbessert werden. Verbesserungspotenzial wird nicht nur, aber auch seitens der Kommission u. a. darin gesehen, dass der bestehende Regulierungsrahmen mit größerer Verhältnismäßigkeit , insbesondere mit Rücksicht auf die Situation kleinerer und weniger komplexer Institute , angewandt werden kann. Die Landesregierung stimmt der Auffassung der Kommission zu und begrüßt die unionsrechtlichen regulatorischen Vorhaben vor dem Hintergrund, dass zur Schaffung von mehr Proportionalität in der EU-weit harmonisierten Bankenregulierung auf europäischer Ebene angesetzt werden muss. Das Initiativrecht derartiger unionsrechtlicher Regulierungsbestrebungen liegt gemäß dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) grundsätzlich bei der Kommission. Diese erarbeitet u. a. finanzmarkt- und bankenregulatorische Vorschläge und unterrichtet diesbezüglich die Mitgliedstaaten. Gesamtstaatlich verhandelt die Bundesregierung, grundsätzlich ohne Beteiligung der Länder, zu einem Vorhaben der Europäischen Union im Rat der Europäischen Union (Rat) oder in den Beratungsgremien der Kommission. Die Länder werden an der innerstaatlichen Willensbildung in Angelegenheiten der Europäischen Union beteiligt, wirken aber nicht individuell, sondern durch den Bundesrat mit. Die Einzelheiten dazu regelt das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union. Danach unterrichtet die Bundesregierung umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Bundesrat über alle Vorhaben im Rahmen der EU, die für die Länder von Interesse sein können. Der Bundesrat setzt sich vor diesem Hintergrund im Rahmen des regulären Bundesratsverfahrens inhaltlich mit den jeweiligen regulatorischen Vorschlägen der Kommission auseinander und nimmt zu diesen gegenüber der Bundesregierung und ausnahmsweise auch gegenüber der Kommission Stellung. Die Bundesregierung und die Kommission entscheiden jeweils, inwieweit sie sich der Auffassung des Bundesrates anschließen. Im anschließenden sogenannten ordentlichen Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union ist eine weitere Beteiligungsmöglichkeit der Länder nicht vorgesehen. Nach Einleitung des Verfahrens durch die Kommission berät und beschließt das Europäische Parlament sowie anschließend der Rat über den Rechtsetzungsvorschlag, zum Teil sogar unter mehrfacher Beteiligung beider Organe . Zwar vertritt im Rat der Bundesminister der Finanzen die Verhandlungsposition der Bundesregierung zu den finanzmarkt- und bankenregulatorischen Vorhaben der Europäischen Union, wie sie innerstaatlich unter Beteiligung der Länder durch den Bundesrat festgelegt wurde, doch agiert er dabei nur als ein Ratsmitglied von derzeit 28 Mitgliedern, weshalb auch insoweit die zur Durchsetzung bundesdeutscher Interessen erforderlichen Mehrheiten hergestellt werden müssen. Erschwert wird dies vor dem Hintergrund, dass das Bankensystem der Bundesrepublik Deutschland mit den sogenannten drei Säulen in Gestalt der Kreditbanken, der öffentlichen Banken einschließlich der Sparkassen und den genossenschaftlichen Banken eine Besonderheit innerhalb der EU darstellt. Die Bereitschaft anderer Mitgliedstaaten zu Kompromisslösungen im Kontext der Finanzmarktregulierung zugunsten der Spezialitäten der Bundesrepublik Deutschland ist dementsprechend gering. Ihren Abschluss findet die Rechtssetzung im Bereich der Finanzmarktregulierung schließlich, wenn auf nationaler Ebene im Wege des im Grundgesetz verankerten Gesetzgebungsverfahrens unter Beteiligung der Länder durch den Bundesrat zur Umsetzung etwaiger Richtlinien Bundesgesetze erlassen bzw. mit EU-Verordnungen konkurrierende Bundesgesetze aufgehoben oder angepasst werden. Das im Bereich der Finanzmarktregulierung vorherrschende Verfahren zur Schaffung, Änderung oder Ergänzung des regulatorischen Rahmens ist infolge der EU-weiten Harmonisierung samt der daraus folgenden Beteiligung der EU, der 28 Mitgliedstaaten sowie schließlich der Länder unter Berücksichtigung der jeweiligen Partikularinteressen sowie der nationalstaatlichen Gegebenheiten des Bankenwesens komplex und bietet für die Landesregierung nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Einflussnahme. Dennoch steht die Landesregierung unverändert hinter der europäischen Idee Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7694 3 und der europäischen Integration einschließlich deren institutionellem Rahmen. Auch befürwortet die Landesregierung weiterhin die Regulatorik im Bereich des Finanzmarktes sowie des Bankenwesens , die im Nachgang zur Finanzmarktkrise zum Zwecke der Stabilisierung des Finanzsektors dringend erforderlich war und darüber hinaus auch heute noch vielfach erforderlich ist. Gleichzeitig verkennt die Landesregierung nicht, dass die Vielzahl an regulatorischen Neuerungen die Institute vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen stellt, die speziell kleinere und mittlere Institute zunehmend belasten und überlasten bzw. von diesen nur noch mit unverhältnismäßigem Aufwand bewältigt werden können. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Inhalte des Positionspapiers des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes „Small and Simple Banking Box: Ein Vorschlag für mehr Proportionalität in der Bankenregulierung“ zur Weiterentwicklung? Das Positionspapier des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes „Small an Simple Banking Box: Ein Vorschlag für mehr Proportionalität in der Bankenregulierung“ stellt aus Sicht der Landesregierung einen wichtigen Beitrag im aktuellen regulatorischen Prozess dar, im Rahmen dessen u. a. auch das Ziel verfolgt wird, dem Prinzip der Proportionalität in der Bankenregulierung stärker als bisher Beachtung zu schenken. 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung des Sparkassenverbandes Niedersachsen, wonach die derzeitige Bankenregulierung infolge der starren, uniformen Regeln zu Wettbewerbsnachteilen für kleine und mittlere Institute führen, weil diese Regulatorik dort einen überproportionalen und unverhältnismäßigen hohen Aufwand verursacht? Die Landesregierung schließt nicht aus, dass es aufgrund der regulatorischen Anforderungen an kleine und mittlere Kreditinstitute zu Wettbewerbsnachteilen kommen kann, weshalb die Landesregierung , wie der Sparkassenverband Niedersachsen auch, der Auffassung ist, dass bei der Ausgestaltung regulatorischer Anforderungen an Kreditinstitute das Proportionalitätsprinzip stärker berücksichtigt werden sollte. 3. Welche Initiativen hat die Landesregierung seit 2013 ergriffen, um der Benachteiligung von kleinen und mittelständischen Kreditinstituten durch die aktuelle Bankenregulatorik entgegenzuwirken? Die Landesregierung hat sich im Rahmen des in der Vorbemerkung beschriebenen Rechtsetzungsverfahrens im Bundesrat an der Ausgestaltung des unionsrechtlichen und bundesgesetzlichen Rahmens der Bankenregulierung beteiligt. 4. Welche Initiativen plant die Landesregierung in den kommenden zwölf Monaten, um der Benachteiligung von kleinen und mittelständischen Kreditinstituten durch die aktuelle Bankenregulatorik entgegenzuwirken? Der Finanzminister hat sich im Februar mit einem Schreiben an den Bundesminister der Finanzen gewandt und diesen um Unterstützung für die Anliegen der Sparkassen gegenüber den europäischen Gremien gebeten. Aktuell arbeitet die Landesregierung an einem gemeinsamen Entschließungsantrag mit dem Land Baden-Württemberg zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen“ (BR-Drs. 38/17), der in der 956. Sitzung des Bundesrates am 31. März 2017 zur Abstimmung steht. Darüber hinausgehend hängt die weitere zukünftige Beteiligung der Landesregierung bezüglich der bankenregulatorischen Bestrebungen der EU entscheidend von deren Beratung im Bundesrat ab. (Ausgegeben am 31.03.2017) Drucksache 17/7694 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7540 Mehr Proportionalität in der Bankenregulierung? Anfrage der Abgeordneten Reinhold Hilbers, Sebastian Lechner, Adrian Mohr, Heinz Rolfes, Heiner Schönecke und Dr. Stephan Siemer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums