Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7557 - Abregelung von Biogasanlagen bei Stromüberschuss Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 06.03.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 09.03.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 05.04.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Bei Stromüberschuss im Rahmen des Einspeisemanagements werden Biogasanlagen ebenso wie andere Erzeuger von erneuerbarer Energie vom Netz genommen. Bei längerer Abschaltung der Biogasanlagen kann dies zu technischen Problemen an der Anlage führen. Anlagen mit Wärmeauskopplung können zudem die Wärmenetze nicht bedienen. Aus diesem Grund hat das Land Schleswig-Holstein beschlossen, Biogasanlagen mit Wärmeauskopplung nachrangig abzuschalten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung sieht mit großer Sorge, dass der Umfang der Einspeisemanagementmaßnahmen nach §§ 14, 15 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat. Einspeisemanagementmaßnahmen führen dazu, dass das bestehende Potenzial zur regenerativen Stromerzeugung nicht maximal ausgenutzt wird. In der Folge wird auch das Potenzial der vorhandenen regenerativen Stromerzeugungsanlagen zur Reduktion des nationalen CO2-Ausstoßes nicht optimal ausgeschöpft, was den Zielen der Energiewende diametral entgegensteht . Das übergeordnete Ziel muss aus Sicht der Landesregierung darin bestehen, Einspeisemanagementmaßnahmen - soweit aus Sicht der Netz- und Systemstabilität möglich - generell zu vermeiden . Die Landesregierung hat sich entsprechend schon frühzeitig dafür eingesetzt, dass vorhandene Potenziale zur Entlastung der Stromnetze effektiv genutzt werden. Exemplarisch ist in diesem Zusammenhang beispielsweise auf einige von Niedersachsen initiierte Bundesratsbeschlüsse zu verweisen (z. B. BR-Drs. 356/16 oder BR-Drs. 310/16[B], Ziffer 42 c). Potenziale zur Netzentlastung ergeben sich insbesondere im Bereich des konventionellen Must-run. Eine von den Übertragungsnetzbetreibern in Auftrag gegebene Studie aus dem April 2016 hat ergeben, dass derzeit selbst bei negativen Strompreisen etwa 25 GW an konventionellen Erzeugungskapazitäten fortlaufend Strom produzieren. Eine wirksame Reduktion dieser konventionellen Dauerproduktion auf den für die Netzstabilität erforderlichen Must-run könnte somit Netzkapazitäten in erheblichem Umfang für die regenerative Stromerzeugung öffnen und damit zur Reduktion der Einspeisemanagementmaßnahmen beitragen. Darüber hinaus können auch eine umfassendere Einbindung von zuschaltbaren Lasten und eine Optimierung der Netzsteuerung zu einer Entlastung der Stromnetze beitragen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 2 1. Wie bewertet die Landesregierung die bestehende Abschaltregelung? Nach § 14 EEG dürfen Netzbetreiber die Einspeisung von Strom aus Erneuerbare-Energien- sowie KWK-Anlagen bei Netzüberlastungen nur nachrangig reduzieren. Für den Fall einer solchen Einspeisereduzierung (Abregelung) sieht § 15 EEG als Rechtsfolge eine Entschädigung vor. Diese Regelungen, die den Vorrang erneuerbarer Energien untermauern, sind aus Sicht der Landesregierung unerlässlich. Im Hinblick auf die detaillierte operative Umsetzung von Einspeisemanagementmaßnahmen wurde der Bundesnetzagentur mit § 85 Abs. 2 Nr. 2 EEG eine Festlegungskompetenz übertragen. Danach kann die Bundesnetzagentur insbesondere Kriterien für eine Reihenfolge der abzuregelnden Erneuerbare -Energien- und KWK-Anlagen festlegen. Die Bundesnetzagentur hat in diesem Zusammenhang bislang keine formale Festlegung vorgenommen, sondern einen Leitfaden zum Einspeisemanagement entwickelt, der sehr allgemeine Kriterien zur Abschaltreihenfolge vorgibt. Vor dem Hintergrund der Zunahme der Einspeisemanagementmaßnahmen nicht nur in Niedersachsen erscheint es aus Sicht der Landesregierung jedoch erforderlich, dass die Bundesnetzagentur von ihrer Festlegungskompetenz Gebrauch macht und detaillierte Kriterien vorgibt. Das übergeordnete Ziel sollte darin bestehen, dass auch bei Engpasssituationen die größtmögliche Strommenge aus erneuerbaren Energien in das Stromnetz eingespeist wird. 2. Welche Probleme können bei einer Abschaltung von Biogasanlagen entstehen? Biogasanlagen können in Hauptkomponenten eingeteilt werden, und zwar in den Fermenter und das Blockheizkraftwerk (BHKW). Eine Abschaltung der Biogasanlage wird für diese beiden Komponenten betrachtet: Die biologischen Prozesse im Fermenter lassen sich nicht unmittelbar abschalten. Bei einer Abschaltung des BHKW laufen die gasbildenden Prozesse im Fermenter selbst bei Unterbrechung der Anlagenfütterung mit Substraten weiter. Für eine flexible Biogasanlage ist es daher von Vorteil, wenn hinreichend Speicherkapazitäten für das sukzessiv produzierte Gas zur Verfügung stehen. Bei modernen Anlagen ist dies meist ein zusätzlich zum Gasspeicher im Fermenter externer Gasspeicher . Probleme können vorliegen, wenn ein zu gering dimensionierter Gasspeicher bei der BHKW- Abschaltung schon relativ gefüllt ist, sodass bei weitergehendem Gasbildungsprozess das Speichervolumen erschöpft wird. Ab einem gewissen Füllstand muss dann Gebrauch von der sogenannten Notfackel gemacht werden. Abhilfe kann im Vorfeld ein sogenanntes Biogasmanagement durch geeignete Fahrpläne sein. Nach längerer Fütterungspause der Anlage können Prozessstörungen beim Wiedereinsetzen der Fütterung mit dem Ziel der maximalen Biogasrate entstehen. Das BHKW lässt sich direkt abschalten, sodass kurzzeitig kein Strom und keine Wärme mehr erzeugt werden. Unterliegt ein BHKW einer häufigen An- und Abschaltung, kann dies grundsätzlich den Motorenverschleiß erhöhen. 3. Wie oft wurden im vergangenen Jahr Biogasanlagen abgeregelt, und wie viele davon hatten Wärmeauskopplung? Die Bundesnetzagentur veröffentlicht seit 2015 die sogenannten Quartalsberichte zu Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen, in denen die Meldungen der Netzbetreiber zu Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen wie beispielsweise dem Redispatch oder dem Einspeisemanagement nach §§ 14, 15 EEG zusammengeführt werden (abrufbar unter www.bnetza.de). Aktuell (24.03.2017) liegen somit Daten zum Einspeisemanagement nach §§ 14, 15 EEG bis einschließlich des dritten Quartals 2016 vor, die in den nachfolgenden Tabellen für Niedersachen (Tabelle 1) und Deutschland (Tabelle 2) zusammengefasst sind: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 3 Tabelle 1: Einspeisemanagement nach §§ 14, 15 EEG in Niedersachsen (Quelle: BNetzA) Energieträger 2015 2016 (Quartal 1 bis 3) Ausfallarbeit [GWh] Anteil Ausfallarbeit [GWh] Anteil Wind (Onshore) 380,26 89 % 115,47 93 % Biomasse (einschl. Biogas ) 34,92 8 % 6,10 5 % Solar 11,34 3 % 2,19 2 % KWK-Strom 1,21 0 % 0,38 0 % DKG-Gase 0,84 0 % 0,20 0 % Laufwasser 0,37 0 % 0,03 0 % Wind (Offshore) 0,00 0 % 0,00 0 % Abfall 0,00 0 % 0,00 0 % KWK-Wärme 0,00 0 % 0,00 0 % Speicherwasser 0,00 0 % 0,00 0 % Geothermie 0,00 0 % 0,00 0 % Gesamt 428,94 124,38 Tabelle 2: Einspeisemanagement nach §§ 14, 15 EEG in Deutschland (Quelle: BNetzA) Energieträger 2015 2016 (Quartal 1-3) Ausfallarbeit [GWh] Anteil Ausfallarbeit [GWh] Anteil Wind (Onshore) 4110,57 89 % 2431,09 93 % Biomasse (einschl. Biogas ) 364,37 8 % 49,68 5 % Solar 227,65 3 % 107,17 2 % KWK-Strom 1,50 0 % 0,97 0 % DKG-Gase 0,89 0 % 0,20 0 % Laufwasser 3,01 0 % 0,45 0 % Wind (Offshore) 14,30 0 % 6,48 0 % Abfall 0,00 0 % 0,00 0 % KWK-Wärme 0,00 0 % 0,00 0 % Speicherwasser 0,00 0 % 0,00 0 % Geothermie 0,00 0 % 0,00 0 % Gesamt 4722,3 2596,04 4. Welche konkreten Folgen hatte das jeweils für das jeweilige Wärmenetz? In der Regel muss die Versorgung für ein Wärmenetz entsprechend dem Wärmebedarf in dem jeweiligen Zeitraum aufrechterhalten werden. Die fehlende Wärmeerzeugung durch das abgeschaltete BHKW kann durch Wärmespeicher, Zusatzkessel, E-Heizer oder Wärmepumpen ausgeglichen werden. Kurze Unterbrechungen können durch Einspeisung aus dem Wärmespeicheraggregat gedeckt werden. Bei längeren Unterbrechungen wird die durch das abgeschaltete BHKW fehlende Wärmequelle durch andere Wärmequellen ersetzt. 5. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag einer bundesweiten Abschaltreihenfolge ? Die Landesregierung hält eine bundesweite Regelung, die transparente, sachgerechte und handhabbare Kriterien für die operative Umsetzung des Einspeisemanagements vorgibt, für sinnvoll und erforderlich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7777 4 6. Würde das Land Niedersachsen dem Vorbild Schleswig-Holsteins folgen, falls eine bundesweite Lösung nicht gefunden werden kann? Nach derzeitiger Rechtslage obliegt die Zuständigkeit zur Ausgestaltung operativer Details des Einspeisemanagements im Anwendungsbereich des § 14 EEG der Bundesnetzagentur, der hierfür in § 85 EEG eine Festlegungskompetenz eingeräumt wurde. (Ausgegeben am 12.04.2017) Drucksache 17/7777 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7557 Abregelung von Biogasanlagen bei Stromüberschuss Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Gero Hocker und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz