Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7880 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7633 - Vermeidung „unbilliger Härten“ bei Spielhallen? Anfrage des Abgeordneten Adrian Mohr (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 17.03.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 24.03.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 19.04.2017, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag aus 2012 erfasst auch gewerbliche Spielhallen. Er schreibt ein Verbot von Mehrfachkonzessionen (mehrere eigenständige Spielhallen unter einem Dach oder im baulichen Verbund) vor und legt fest, dass es zwischen zwei Spielhallen einen Mindestabstand geben muss. Allerdings führt dieser Staatsvertrag in § 29 Abs. 4 auch aus, dass zur Vermeidung „unbilliger Härten“ über den 30.06.2017 hinaus eine Befreiung vom Mindestabstand und dem Verbot der Mehrfachkonzessionen erteilt werden kann. Das Nähere dazu sollen Ausführungsbestimmungen der Länder regeln. Alle Bundesländer mit Ausnahme Niedersachsens haben in der Vergangenheit solche Empfehlungen und Vollzugshinweise erarbeitet und den kommunalen Erlaubnisbehörden zur Verfügung gestellt. Selbst dort, wo eine Kommune den Betreibern gewerblicher Spielhallen auf Grundlage des Glücksspieländerungsstaatsvertrages einen Härtefall zuerkennen will, weil im Vertrauen auf die gültige Rechtslage investiert wurde und entsprechende Investitionen abzuschreiben sind, darf die Kommune diese Entscheidung offenkundig nicht eigenverantwortlich treffen. Sie muss alle Anträge dem Wirtschaftsministerium zur Entscheidung vorlegen. Obwohl diesbezügliche Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen sind, sollen in Niedersachsen auf Basis von Vorgaben des Wirtschaftsministeriums ab dem 01.07.2017 unverzüglich Schließungsverfügungen erlassen werden. Sollte bei diesen bereits laufenden Gerichtsverfahren sowie bei absehbaren weiteren juristischen Auseinandersetzungen die Rechtsauffassung der Kläger bestätigt werden, rechnen Experten mit beträchtlichen Schadensersatzforderungen, die dann auf die Kommunen als Prozessgegner zukommen würden. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Ziele des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) sind: 1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7880 2 2. durch ein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken, 3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten, 4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt, die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden und 5. Gefahren für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten vorzubeugen. Zu diesem Zweck ist ein Abschnitt des GlüStV speziell dem legalen Betrieb von Spielhallen gewidmet . In diesem findet sich auch die angesprochene Härtefallregelung. Wegen des Gesetzesauftrags und der Gesetzessystematik müssen Härtefallanerkennungen die Ausnahme darstellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der GlüStV seit seinem Inkrafttreten im Jahr 2012 eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen hat. Damit sind die wirtschaftlichen Folgen für die von Schließung betroffenen Spielhallenbetreiber regelmäßig aufgefangen. Für einzelne Standorte kann das bedeuten, dass die dortigen Investitionskosten noch nicht amortisiert sind. Aus Sicht der Landesregierung ist entscheidend, ob der betroffene Betreiber durch die Schließung in wirtschaftliche Not gerät, also von Insolvenz bedroht und dies unverschuldet und unvermeidbar ist. Dies wird nach Einschätzung der Landesregierung jedoch nur in sehr wenigen Fällen der Fall sein. Die Kommunen prüfen das in jedem vorgebrachten Einzelfall. 1. Warum hat das Land Niedersachsen zu den im Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag ausdrücklich genannten „unbilligen Härten“ keine Ausführungsbestimmungen für die Kommunen in Niedersachsen herausgegeben? Die Landesregierung hat bereits frühzeitig Handlungsempfehlungen entwickelt, die nach Abstimmung in einer Arbeitsgruppe, der Angehörige der verschiedenen Erlaubnisbehörden und ein Vertreter der kommunalen Spitzenverbände angehörten, im Mai 2015 allen befassten Behörden an die Hand gegeben wurden. Die Handlungsempfehlungen wurden seitdem weiterentwickelt und zusätzlich rechtsgutachterlich geprüft. Entsprechende Informationen ergingen an die zuständigen Kommunen im November 2015 und Januar 2016. 2. Warum dürfen die Kommunen in Niedersachsen - unter Bezugnahme auf die Härtefallklausel des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages - entsprechende Entscheidungen in kommunaler Zuständigkeit nicht eigenverantwortlich treffen und müssen stattdessen dahin gehende Anträge dem Wirtschaftsministerium vorlegen? Die Härtefallprüfung ist integraler Bestandteil der Antragsprüfung. Zuständige Behörden sind die kommunalen Gebietskörperschaften. Sie entscheiden, ob ein Härtefall vorliegt. Aus den in der Vorbemerkung der Landesregierung ausgeführten Gründen ist vor einer Härtefallanerkennung die jeweilige Aufsichtsbehörde zu beteiligen. Einen Gestaltungsrahmen sieht der GlüStV nicht vor. Das zuständige Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hat die Kommunen angewiesen, beabsichtigte Härtefallanerkennungen vor Bescheiderteilung der jeweiligen Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Dieses erfolgte, weil einige Kommunen weitgehende Härtefallanerkennungen beabsichtigten , wodurch der GlüStV bzw. das NGlüSpG faktisch ins Leere gelaufen wäre. Außerdem besteht weiterhin ein hohes Interesse an einer möglichst einheitlichen Umsetzung dieser Gesetzesregelung in Niedersachsen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7880 3 3. Wenn es wegen nicht abgeschriebener Investitionen und der dennoch erfolgten Ablehnung eines Härtefallantrages zu juristischen Auseinandersetzungen kommt, so wird die örtlich zuständige Kommune zum Prozessgegner, nicht aber das Land Niedersachsen. Wer trägt hier die Prozesskosten sowie etwaige Schadenersatzverpflichtungen? Ein unverhältnismäßiges Prozessrisiko zulasten der Städte und Kreise besteht aus Sicht der Landesregierung nicht. Selbstverständlich stehen den betroffenen Gewerbetreibenden alle rechtsstaatlichen Mittel zur Verfügung, die geltende Rechtslage und die darauf basierenden Antragsentscheidungen überprüfen zu lassen. Eine hohe Zahl von Streitverfahren und die Intensität der Auseinandersetzungen durch die Ausgestaltung des GlüStV und des niedersächsischen Ratifizierungsgesetzes waren aufgrund der wirtschaftlichen Folgen für die Spielhallenbetreiber schon zum Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses in der 16. Legislaturperiode des Landtages absehbar. Ein Gesetz, das im öffentlichen Interesse den Zweck verfolgt, u. a. die Zahl von Betrieben zu reduzieren, wird immer zur Folge haben, dass die zu diesem Zweck getroffenen Entscheidungen einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Es ist absehbar, dass die Mehrzahl der Antragstellerinnen/Antragsteller, die keine Erlaubnis nach dem GlüStV erhalten und zur Betriebsschließung aufgefordert werden, hiergegen Rechtsmittel erheben werden. Beklagte sind die Erlaubnisbehörden, also kommunale Gebietskörperschaften. Prozesskosten entstehen letzteren nur, wenn die angegriffenen Verwaltungsakte für rechtswidrig erkannt und infolgedessen aufgehoben werden. Davon geht die Landesregierung nicht aus. Im Gegenteil erfahren die bisher gerichtsüberprüften Verwaltungsentscheidungen ganz überwiegend Bestätigung . Außerdem stehen im Mai 2017 Entscheidungen z. B. des Verwaltungsgerichts Oldenburg für den Zuständigkeitsbereich von drei Erlaubnisbehörden an, die auf Grundlage der Handlungsempfehlungen entschieden wurden. Aus diesen Entscheidungen erwartet die Landesregierung grundsätzliche Hinweise, die absehbar den Vollzug in Niedersachsen bestätigen und widrigenfalls Anlass und ausreichend zeitliche Gelegenheit bieten, in der Masse gleichartiger Verfahren auf rechtliche Bedenken in erster gerichtlicher Instanz zu reagieren. Dadurch wird ein etwaiges Prozessrisiko auf Einzelfälle beschränkt. Ein drohendes Schadenersatzrisiko erkennt die Landesregierung nicht. Betroffen sind Bestandsspielhallen , diese gelten bis zum 30.06.2017 als mit den einschlägigen Regelungen des GlüStV vereinbar. Schaden könnte frühestens durch eine Schließung nach dem 30.06.2017 eintreten und dies auch nur dann, wenn das Verwaltungshandeln für rechtswidrig erkannt würde. Die Landesregierung erwartet, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Vorgehensweise zumindest erstinstanzlich durch die Gerichte überprüft ist, ein eventueller Schadenseintritt könnte damit vermieden werden. Für Kosten, die kommunalen Gebietskörperschaften infolge der Umsetzung einer rechtswidrigen fachaufsichtlichen Weisung durch das Land entstehen, gilt daneben der Erstattungsanspruch nach § 6 Abs. 4 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 11.04.2017 seine Entscheidung vom 07.03.2017, Az.: 1 BvR 1314/12, 1 BvR 1630/12, 1 BvR 1694/13, 1 BvR 1874/13, zu den Spielhallenregelungen der Länder Berlin, Bayern und Saarland veröffentlicht. Zwar sind die jeweiligen Länderregelungen mit den niedersächsischen Bestimmungen nicht wortgleich, dennoch enthält die Entscheidung nach erster Einschätzung durchaus wichtige Hinweise für die Situation in Niedersachsen, auch wenn die für Niedersachsen relevante Härtefallproblematik darin nicht im Mittelpunkt steht. Die Ausführungen des BVerfG zu den Übergangsregelungen erlauben aus Sicht der Landesregierung Rückschlüsse darauf, dass die Härtefallregelung restriktiv auszulegen ist. Das Gericht sieht durch die Übergangsfrist die wirtschaftliche Betroffenheit der Spielhallenbetreiber in der Regel für ausreichend berücksichtigt an und verneint ausdrücklich einen Anspruch auf Vollamortisation getätigter Investitionen. Wenn es keinen Anspruch auf Vollamortisation gibt und es für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der damit verbundenen Grundrechtseingriffe unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit bereits genügt (wie auch von der Landesregierung vertreten), die bestehenden Übergangsregelungen für die Verfassungskonformität heranzuziehen, dann bleibt für den Härtefall kaum noch Raum (Regel -Ausnahme-Verhältnis). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7880 4 Zudem hat das BVerfG unmissverständlich ausgeführt, dass die Modalitäten zur Auflösung von Konkurrenzverhältnissen (Verbot von Mehrfachkomplexen, Abstandsregelungen) keiner Normierung durch den Gesetzgeber bedurften. Damit sind intensiv umstrittene Rechtsfragen zum Vollzug des GlüStV in Niedersachsen im Sinne der Landesregierung beantwortet. Im Ergebnis ist das Prozessrisiko damit deutlich minimiert. 4. Beabsichtigt das Land, den Kommunen in einem solchen Falle den ihnen entstandenen Schaden zu ersetzen? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Wie sollen Kommunen ab 01.07.2017 rechtssicher Schließungsverfügungen gegenüber Spielhallen und deren Betreibern erlassen, wenn hierzu anhängige Gerichtsverfahren noch laufen? Siehe hierzu zunächst die Antwort zu Frage 3. Ergänzend wird angemerkt, dass Bestandsspielhallen ab dem 01.07.2017 der glücksspielstaatsvertragsrechtlichen Erlaubnis bedürfen. Für Spielhallen gilt also ein Ausübungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt . Der Weiterbetrieb ohne Erlaubnis ist damit gesetzlich verboten und muss nicht im Einzelfall angeordnet werden. Die Durchsetzung gesetzlicher Verbote stellt ein öffentliches Interesse dar. (Ausgegeben am 26.04.2017) Drucksache 17/7880 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7633 Vermeidung „unbilliger Härten“ bei Spielhallen? Anfrage des Abgeordneten Adrian Mohr (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr