Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7900 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7647 - Gibt es in Niedersachsen eine Zukunft für Sauen haltende Betriebe? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 22.03.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 27.03.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 12.04.2017, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Der Schweinemarkt befand sich im Jahr 2016 in einer schweren Krise. Das andauernde Preistief scheint zwar gebrochen, doch die Preise der Vorjahre werden nicht erzielt. Lag 2013 ein Kilogramm Schweinefleisch im Durchschnitt bei 1,70 Euro, erzielte man im vergangenen Krisenjahr mit einem Kilogramm Schweinefleisch im Durchschnitt nur 1,48 Euro. In diesem Jahr liegt der Preis bislang bei durchschnittlich 1,53 Euro/kg (Quelle: www.agrar-boerse.de). Laut der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V. (ISN) falle Optimismus bezüglich der zukünftigen Entwicklung schwer (Quelle: www.schweine.net). Zu groß seien die Anforderungen , die Politik und Gesellschaft an die Schweinehalter stellten. Das Magdeburger Kastenstandurteil , der Kastrations- und Kupierverzicht, die TA-Luft oder die novellierte Düngeverordnung stellten die Schweinehalter laut ISN auf eine Probe. Insbesondere durch den gesetzlich festgeschriebenen Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration zum 01.01.2019 befürchteten die Schweinehalter erhebliche Strukturveränderungen vom Sauen haltenden Betrieb bis hin zum Schlachtbetrieb. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Im Dritten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) (BGBl I S. 2182, 3911) wurde durch Änderung der §§ 5 und 6 und Neufassung des § 21 Abs. 1 die Kastration von unter acht Tage alten männlichen Schweinen neu geregelt. In der Folge ist die bislang übliche Praxis der Kastration ohne Betäubung ab dem 1. Januar 2019 verboten. Das Gesetz wurde am 13.12.2012 von CDU/FDP im Deutschen Bundestag und am 01.02.2013 im Bundesrat beschlossen. Die damalige CDU-FDP-Landesregierung hielt die Frist für den Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration für zu lang. Der zuständige Minister Gert Lindemann erklärte per Pressemitteilung am 14.12.2012: „Der gestrige Beschluss des Bundestages bringt den Tierschutz in Deutschland zwar ein gutes Stück voran. Aber ich hätte mir bei einigen Zeitzielen ein deutlich schnelleres Vor- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7900 2 gehen gewünscht. Hier bleibt der Bund nun leider hinter unserem Tierschutzplan Niedersachsen zurück. Ich werde aber unsere gesteckten Ziele nicht zurücknehmen, sondern weiter mit aller Kraft an schnellen Verbesserungen für das Tierwohl arbeiten. Um es deutlich zu sagen, wenn wir in den laufenden wissenschaftlichen Versuchen praxisgerechte Lösungen für ein Mehr an Tierwohl gefunden haben, werden wir diese auch umsetzen und nicht auf die Termine des Bundes warten. Niedersachsen bleibt weiter Vorreiter für den Tierschutz in Deutschland“, unterstreicht Minister Lindemann . Auch die betäubungslose Ferkelkastration sollte nach Ansicht Lindemanns schneller beendet werden , im Tierschutzplan ist als Ziel Ende 2015 vorgesehen. „Die Forschung muss hier deutlich verstärkt werden, es ist gut, dass der Bund zusätzliche Mittel hierfür zur Verfügung stellt. Die praxistauglichen Lösungen müssen so schnell wie möglich in die Ställe und zur guten fachlichen Praxis erklärt werden“, so Lindemann. Minister a. D. Lindemann gab in der Bundesratsentscheidung am 01.02.2013 für die damalige CDU/FDP-Landesregierung Niedersachsens ebenfalls keine Ablehnung, sondern eine schnellere Umsetzung zu Protokoll, indem er die Fristen zum Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration sogar für zu lang erklärte: „Ich mache keinen Hehl daraus, dass die erneut vorgelegte Fassung des Gesetzes hinter unseren Erwartungen zurückbleibt. Wichtige Anliegen der Länderkammer für eine Verbesserung des Tierschutzes wurden vom Bundestag nicht berücksichtigt. Insbesondere halte ich die vorgesehenen Übergangsfristen, innerhalb deren schmerzhafte Eingriffe noch ohne Betäubung durchgeführt werden dürfen, für zu lang. Ein Beispiel ist die betäubungslose Ferkelkastration. Beim Schenkelbrand sollte schon jetzt eine Schmerzausschaltung selbstverständlich sein. Ausdrücklich begrüße ich es, dass der Fachausschuss des Bundesrates erneut empfiehlt, das Zufügen erheblicher Schäden beim Tier künftig unter Strafe zu stellen und klare Regelungen für die Etablierung von sogenannten Tierschutzindikatoren zu schaffen. Aber wir müssen mehr tun, als es im Rahmen der Novellierung des Tierschutzgesetzes möglich ist. Mein Land hat daher 2011 eine Weiterentwicklung des Tierschutzes mit Hilfe des ‚Tierschutzplans Niedersachsen‘ auf den Weg gebracht. Hierzu gehört die notwendige Antibiotikaminimierung in der Tierhaltung, die sich die VSMK auf der Basis niedersächsischer Vorschläge mit breiter Mehrheit zu Eigen gemacht hat. Niedersachsen hat auf Landes- wie auf Bundesebene weitere tierhaltungsbezogene Projekte angeschoben , die auch in diesem Zusammenhang zu sehen sind: – die Verbringensverordnung zur Durchsetzung der pflanzenbedarfsgerechteren Düngung der bei der Tierhaltung anfallenden Nährstoffe; – großgewerbliche Tierhaltungsanlagen, die wir ohnehin nicht staatlich fördern, sollen nicht (mehr) im Außenbereich privilegiert sein, sondern einer ordnungsgemäßen Bauleitplanung mit Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen; – ein Erlass zum Brandschutz in Ställen und zum obligatorischen Einsatz von Abluftfiltern ist verkündungsreif fertiggestellt. ‚Nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann.‘ Das habe ich bereits vor einem halben Jahr an dieser Stelle deutlich gemacht. Auch wenn die jetzige Gesetzesfassung nicht in allen Punkten zufriedenstellend ist, möchte ich daran erinnern, dass mit der Gesetzesnovelle bereits im letzten Jahr die EU-Versuchstierrichtlinie umgesetzt werden sollte. Wenn sich Deutschland EU-rechtskonform verhalten will, darf keine weitere Zeit verloren werden, geltendes EU-Recht umzusetzen. Niedersachsen wird sich daher bei der Abstimmung über die Anrufung des Vermittlungsausschusses enthalten.“ (Bundesratsprotokoll vom 01.02.2013). Die Bundesregierung hat dem Deutschen Bundestag im Dezember 2016 fristgerecht den gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 zu fertigenden Bericht über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration vorgelegt (BT-Drs. 18/10689). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7900 3 1. Hat die Landesregierung eine Abschätzung der Folgen für Schweine haltende Betriebe in Niedersachsen vorgenommen, die sich durch die Umsetzung des Verzichts auf die betäubungslose Kastration ergeben? Eine eigene Folgenabschätzung der damaligen CDU/FDP-Landesregierung für Schweine haltende Betriebe in Niedersachsen bei der Verabschiedung des Gesetzes in Bundestag und Bundesrat ist nicht bekannt. Der Bericht der Bundesregierung über den Stand der Entwicklung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen Ferkelkastration (BT-Drs. 18/10689) enthält eine Abschätzung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen des Verzichts auf die betäubungslose Kastration. Unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten wurde dabei nach Aussage der Bundesregierung Rechnung getragen . Hinsichtlich des kalkulatorischen Gewinns ergibt sich laut Bericht der Bundesregierung demnach folgende Reihenfolge: Jungebermast unter günstigen Voraussetzungen - Immunokastration - Kastration ohne Betäubung - Jungebermast unter weniger günstigen Voraussetzungen - Kastration mit Betäubung. 2. Hat die Landesregierung eine Abschätzung der Folgen für Schlachtunternehmen in Niedersachsen vorgenommen, die sich durch die Umsetzung des Verzichts auf die betäubungslose Kastration ergeben? Die Bundesregierung geht in ihrem Bericht zur betäubungslosen Ferkelkastration auf die möglichen Auswirkungen des Verzichts auf die betäubungslose Ferkelkastration, u. a. auch für Schlachtunternehmen , ein. Für die Schlachtunternehmen dürfte die Frage der Vermarktung von Fleisch unkastrierter Eber im Vordergrund stehen. Dem Bericht der Bundesregierung zufolge gehen Expertenschätzungen davon aus, dass die chirurgische Kastration unter Narkose einen Anteil von bis zu 50 % ausmachen könnte. Daher ist anzunehmen, dass ein großer Teil der an die Schlachthöfe gelieferten männlichen Schweine auch weiterhin kastriert sein dürfte. Hinsichtlich der Vermarktung des Fleisches von nicht kastrierten Ebern ist neben der Fettqualität insbesondere die Frage nach einem möglichen Ebergeruch von Bedeutung. Die Gefahr des Auftretens von Geruchsabweichungen ist demnach bei der Jungebermast wesentlich höher als bei der Mast von (Immuno-)Kastraten und bei weiblichen Tieren. Die Entwicklung von zuverlässigen, automatisierten Verfahren zur Geruchsdetektion am Schlachtband ist auch nach Ansicht der Bundesregierung wichtig, sodass entsprechende Forschungsarbeiten fortgeführt werden sollten. Gleichwohl haben sich nach Aussage der Bundesregierung die Schlachtunternehmen, die bereits Jungeber schlachten, mit dem Verfahren der „menschlichen Nase“ arrangiert. Fleisch von Ebern, das eine Geruchsabweichung aufweist und daher nicht mehr für die Frischfleischvermarktung zur Verfügung steht, könnte für Schlachtunternehmen ein Problem darstellen. Bislang wurde allerdings von Schlachtunternehmen, die Jungeber bereits jetzt in nennenswertem Umfang schlachten, nach Kenntnis der Bundesregierung nicht thematisiert, dass die Schlachtkörper dieser Tiere in nennenswerter Anzahl Geruchsabweichungen aufweisen. 3. Sieht die Landesregierung einen praktikablen Weg für die Schweinehalter und Schlachtunternehmen in Niedersachsen, um den Verzicht auf die betäubungslose Kastration ab 2019 umsetzten zu können? Wenn ja, wie sieht dieser Weg aus? Schon die damalige CDU/FDP-Landesregierung hat sogar einen schnelleren Weg zum Verzicht auf die betäubungslose Kastration vor 2019 möglich gehalten. Die Wirtschaft (Deutscher Bauernverband e. V., Verband der Fleischwirtschaft e. V. und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels e. V.) hat schon im Jahr 2008 mit der „Düsseldorfer Erklärung“ in Deutschland das Ziel des baldmöglichen Verzichts auf die Ferkelkastration, unter Ausschluss jeglicher Risiken für die Verbraucher und die Tiere, formuliert. In Deutschland wird seitdem die Umstellung auf Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration von der QS Qualität und Sicherheit GmbH in der dafür eingerichteten Koordinierungsplattform „Verzicht auf betäubungslose Ferkelkastration“ koordinierend begleitet . Die Teilnehmer setzen sich zusammen aus Vertretern der Landwirtschaft, des Tierschutzes, der Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7900 4 Wissenschaft, des Lebensmitteleinzelhandels, der Fleischwirtschaft, der Schlachtung und der Verarbeitung . Das BMEL nimmt als Gast an den Sitzungen teil. Der Weg zum Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration wurde also schon sehr frühzeitig von Vertretern der Landwirtschaft und Fleischwirtschaft begleitet, sodass diese die Möglichkeit hatten und haben, den Weg zum Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration mitzugestalten. 4. Was unternimmt die Landesregierung in Niedersachsen, um diesen Weg zu unterstützen ? Im Rahmen des Tierschutzplans werden verschiedene Alternativen zur betäubungslosen Kastration zusammengetragen und die Vor- und Nachteile diskutiert und bewertet. Aktuell diskutiert werden die Kastration unter Narkose, die Immunokastration und die Ebermast. 5. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz von Isofluran zur Narkose bei der Kastration rechtlich? Gemäß § 56 a Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) darf eine Tierärztin/ein Tierarzt apothekenpflichtige Arzneimittel, zu denen Isofluran gehört, der Tierhalterin/dem Tierhalter u. a. nur verschreiben oder an diese/diesen nur abgeben, wenn sie zugelassen und nach der Zulassung für das Anwendungsgebiet bei der behandelten Tierart bestimmt sind. Isofluran ist als hochwirksames Inhalationsnarkotikum für verschiedene Tierarten, bisher aber noch nicht als Arzneimittel für die Anwendung bei Schweinen bzw. Ferkeln, zugelassen. Nach Auskunft des für die Zulassung von Arzneimitteln zuständigen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kann ein entsprechendes Verfahren zur Zulassung von Isofluran auch für die Tierart Schwein bis Herbst 2018 erfolgreich abgeschlossen sein. Ein Verfahren zur Festsetzung von Rückstandshöchstmengen für Isofluran beim Schwein als eine Voraussetzung einer Zulassung soll laut BVL bereits eingeleitet worden sein. Bis zu der vorgesehenen Zulassung besteht nur die Möglichkeit, Isofluran bei Schweinen in Form einer Umwidmung auf Basis einer Einzelfallentscheidung unter der geltenden arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 56 a Abs. 2 AMG anzuwenden: „Soweit die notwendige arzneiliche Versorgung der Tiere (ansonsten) ernstlich gefährdet wäre und eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier nicht zu befürchten ist, darf der Tierarzt bei Einzeltieren oder Tieren eines bestimmten Bestandes abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Satz 3, nachfolgend bezeichnete zugelassene oder von der Zulassung freigestellte Arzneimittel verschreiben, anwenden oder abgeben: 1. soweit für die Behandlung ein zugelassenes Arzneimittel für die betreffende Tierart und das betreffende Anwendungsgebiet nicht zur Verfügung steht, ein Arzneimittel mit der Zulassung für die betreffende Tierart und ein anderes Anwendungsgebiet; 2. soweit ein nach Nummer 1 geeignetes Arzneimittel für die betreffende Tierart nicht zur Verfügung steht, ein für eine andere Tierart zugelassenes Arzneimittel.“ „Bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, darf das Arzneimittel jedoch nur durch den Tierarzt angewendet oder unter seiner Aufsicht verabreicht werden und nur pharmakologisch wirksame Stoffe enthalten, die in Tabelle 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 aufgeführt sind. Der Tierarzt hat die Wartezeit anzugeben; das Nähere regelt die Verordnung über tierärztliche Hausapotheken.“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7900 5 6. Hat die Landesregierung in Niedersachsen Forschungsaktivitäten bezüglich des sogenannten vierten Weges (Kastration unter Schmerzausschaltung - z. B. durch örtliche Betäubung mit Lidocain oder Procain) angeschoben, und wie sehen diese aus? Gegenwärtig stehen nach Einschätzung der Facharbeitsgruppe Schweine des Tierschutzplans Niedersachsen und auch der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern drei praxiserprobte Verfahren zum Verzicht auf die betäubungslose Ferkelkastration zur Verfügung: die chirurgische Kastration unter Narkose einschließlich Schmerzausschaltung, die Jungebermast sowie Ebermast mit Impfung gegen den Ebergeruch („Immunokastration“). Alle drei Methoden bieten die Möglichkeit, den rechtlich vorgegebenen Verzicht auf die betäubungslose Kastration spätestens ab dem 31.12.2018 umzusetzen. Schweinehalterinnen und Schweinehalter können selbst entscheiden, welches der drei genannten Verfahren zur Anwendung im eigenen Betrieb am besten geeignet ist. Die Bundesregierung sieht in ihrem Bericht ebenfalls die Jungebermast, Immunokastration und Kastration unter Narkose als geeignete Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration an. Die Entwicklungen, Erörterungen und Praxiserfahrungen der Jahre 2012 bis 2016 haben demnach weder dazu geführt, eine der drei alternativen Verfahren zu verwerfen, noch sei bisher eine vierte Alternative hinzugekommen. 7. Mit welchen Mehrkosten rechnet die Landesregierung für einzelne Tierhalter, die durch den Verzicht auf die betäubungslose Kastration entstehen? Die Kosten für die chirurgische Kastration unter Narkose belaufen sich laut Bericht der Bundesregierung auf 2,20 bis 6 Euro (Inhalationsnarkose) bzw. 1,50 bis 6,00 Euro (Injektionsnarkose) je männliches Schwein. Die Kosten für die Immunokastration beziffert die Bundesregierung in ihrem Bericht auf ca. 3,50 bis 4,00 Euro je männliches Schwein. Hier könnten sich die Mehrkosten jedoch durch verbesserte Leistungen in der Mast sowie durch andere Einsparungen (z. B. keine Kastration) kompensieren, sodass sich dieses Verfahren hinsichtlich des kalkulatorischen Gewinns von der Kastration ohne Betäubung so gut wie nicht unterscheidet. Die Jungebermast verursacht laut Bericht der Bundesregierung keine zusätzlichen Kosten, abgesehen von einer eventuell notwendigen Investition in eine geeignete Fütterungsanlage. Mitunter könne die Jungebermast sogar einen positiven finanziellen Effekt haben. Folgenabschätzungen, die für weitreichende Änderungen des Tierschutzrechtes und der Tierschutzpolitik vorgenommen werden, sollten sich jedoch nicht auf das Ausrechnen der einzelbetrieblichen Mehrkosten beschränken, sondern müssen umfassend ausgelegt sein und beispielsweise auch die Auswirkungen auf die Märkte, die Akzeptanz der Nutztierhaltung und das Verbraucherverhalten analysieren. Niedersachsen hat sich daher im Bundesrat (BR-Drs. 779/16) für eine gemeinsame Nutztierstrategie von Bund und Ländern eingesetzt, die zum Ziel hat, den Tierschutz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung weiter zu verbessern sowie eine für Landwirte und Behörden notwendige Planungsund Rechtssicherheit und mehr Akzeptanz für eine tiergerechte Nutztierhaltung in der Bevölkerung zu schaffen. 8. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Ferkelerzeugung in Niedersachsen rentabel bleibt? Der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration ist zu Zeiten einer CDU/FDP-Bundesregierung beschlossen worden (siehe Vorbemerkungen) und wird bundesweit umgesetzt. Niedersachsen setzt auf aktive Unterstützung durch bessere Marktmechanismen für die schon jetzt oft nicht mehr rentable Ferkelerzeugung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7900 6 Neben einer neugeplanten Förderprämie für Ferkel mit Langschwanz und für freies Abferkeln setzt sich die Landesregierung darüber hinaus für einen gemeinsamen Bund-Länder-Fahrplan für den Ausstieg aus dem Kastenstand ein. Die aktuelle Unsicherheit bezüglich des Magdeburger Urteils soll durch eine zügige Novelle der Tierschutznutztierhaltung gemäß dem einstimmigen AMK-Beschluss beseitigt werden. Wenn der Bund sich hier nicht bewegt, droht ein weiterer Verlust ferkelerzeugender Betriebe in Niedersachsen. 9. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass in niedersächsischen Betrieben Ferkel in Zukunft nicht durch unbetäubt kastrierte Ferkel aus dem Ausland ersetzt werden? Einige Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen haben bereits angekündigt, in absehbarer Zeit kein Fleisch von betäubungslos kastrierten bzw. nur noch Fleisch von unkastrierten Schweinen vermarkten zu wollen. Diese Anforderung soll für alle Zulieferer, auch für solche aus dem Ausland, gelten. Die QS-Qualität und Sicherheit-GmbH beispielsweise, über die ein Großteil der Schweine in Deutschland gebündelt wird, hat angekündigt, dass „Importferkel“ für QS-Mäster in Deutschland ab 2019 im Herkunftsland nur noch nach den Vorgaben der deutschen Gesetzgebung kastriert werden dürfen. Auf diese Weise kann eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den durch die nationale Rechtslage künftig durch höhere Anforderungen mehr belasteten Produzenten und möglicherweise weniger belastete Produzenten in anderen Ländern geschaffen werden. Die Landesregierung hat zudem die Empfehlung des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz an den Bundesrat (BR-Drs. 774/1/16) unterstützt, wonach sich die Bundesregierung u. a. für eine Harmonisierung der EU-weiten Vorgaben hinsichtlich eines Verbots der betäubungslosen Kastration von Ferkeln einsetzen soll, um ein einheitlich hohes Tierschutzniveau zu erreichen und Wettbewerbsverzerrungen unter den Ferkelerzeugern zu vermeiden. 10. Gibt es Konzepte der Landesregierung, um die Tierhalter bei der Umsetzung ab 2019 zu unterstützen und deren Wettbewerbsfähigkeit zu fördern? Eine finanzielle Unterstützung der „Kastration mit Betäubung“ nach 2018 ist aus beihilferechtlichen Gründen nicht möglich, da Beihilfen grundsätzlich nur für Maßnahmen zulässig sind, die über die einschlägigen gesetzlichen Grundanforderungen hinausgehen (siehe Rahmenregelung der EU für staatliche Beihilfen im Agar- und Forstsektor und in ländlichen Gebieten 2014 bis 2020, Amtsblatt der Europäischen Union, C 204, vom 01.07.2014, Seite 42, Nr. 1.1.5.2). (Ausgegeben am ) (Ausgegeben am 27.04.2017) Drucksache 17/7900 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7647 Gibt es in Niedersachsen eine Zukunft für Sauen haltende Betriebe? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke und Frank Oesterhelweg (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz