Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/7998 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7818 - Wer darf Einsicht in eine Todesbescheinigung erhalten? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 03.04.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 11.04.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 05.05.2017, gezeichnet In Vertretung Jörg Röhmann Vorbemerkung des Abgeordneten Im Niedersächsischen Bestattungsgesetz heißt es in § 6 Abs. 4 Satz 1: „Die untere Gesundheitsbehörde hat Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Todesumstände glaubhaft machen, auf Antrag Einsicht in die Todesbescheinigung zu gewähren oder Auskünfte daraus zu erteilen, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen beeinträchtigt werden.“ Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Die in § 6 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes geregelten Voraussetzungen für Auskünfte aus der Todesbescheinigung gehen auf einen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP aus dem Jahr 2004 zurück (Entwurf eines Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen [BestattG] vom 02.06.2004, Drs. 17/1150, S. 3 und S. 13 zu § 4 Abs. 4) und haben ihre endgültige Fassung in den weiteren parlamentarischen Beratungen gefunden (vgl. Drs. 15/2584, S. 7 zu § 4 Abs. 4). 1. Wer gehört zu dem unter § 6 Abs. 4 Satz 1 genannten Personenkreis und wer nicht? Nach dem Gesetzestext hat die untere Gesundheitsbehörde Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Todesumstände glaubhaft machen, auf Antrag Einsicht in die Todesbescheinigung zu gewähren oder Auskünfte daraus zu erteilen, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen beeinträchtigt werden. Somit ist Antragstellerinnen und Antragstellern, die ein berechtigtes Interesse darlegen, Auskunft zu erteilen, wenn nicht schutzwürdige Belange der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen entgegenstehen. Personen, die ein berechtigtes Interesse nicht nachzuweisen vermögen, gehören nicht zum Personenkreis der Auskunftsberechtigten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7998 2 Von der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses ist auszugehen z. B. bei Anfragen von Versicherungsträgern, aber auch bei Ersuchen von Angehörigen, die den Verdacht haben, dass der Tod durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursacht oder mitverursacht sein könnte (vgl. die Gesetzesbegründung, Drs. 15/1150, Besonderer Teil B, S. 13). Schutzwürdige Belange der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen stehen z. B. entgegen, wenn bei der Feststellung von Erbkrankheiten schwerwiegende Belange der Angehörigen gegen eine Auskunft beispielsweise gegenüber einer Versicherung sprechen (vgl. Schriftlicher Bericht, Drs. 15/2584, S. 7). Im schriftlichen Bericht zum Gesetzentwurf wird ergänzend ausgeführt: „Zu Absatz 4 Satz 1 empfiehlt der Ausschuss klarzustellen, dass in die Abwägung über die Erteilung von Auskünften aus der Todesbescheinigung nicht nur die Belange der verstorbenen Person, sondern auch die ihrer Angehörigen einzubeziehen sind. Dafür spricht zum einen, dass zumindest umstritten ist, inwieweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - das dem Schutz personenbezogener Daten zugrunde liegt - mit dem Tod des Berechtigten erlischt und daher für sich genommen die Verweigerung von Auskünften zu rechtfertigen vermag. Außerdem geht der Ausschuss davon aus, dass in seltenen Fällen tatsächlich schwerwiegende Belange der Angehörigen gegen eine Auskunft sprechen können, beispielsweise bei der Feststellung von Erbkrankheiten. Eine nähere Bestimmung des Kreises der Angehörigen erschien dem Ausschuss entbehrlich. Dabei geht er davon aus, dass das Gewicht, mit dem die Belange von Angehörigen in die Abwägung einzustellen sind, vom Grad der Verwandtschaft mitbestimmt wird. Belange von entfernten Angehörigen dürften praktisch kaum einmal ins Gewicht fallen. Daher wurde auf eine Konkretisierung des Angehörigenbegriffs, wie sie etwa durch eine Teilbezugnahme auf § 6 Abs. 3 möglich gewesen wäre, verzichtet“ (Drs. 15/2584, S. 7). In § 6 Abs. 3 des Gesetzentwurfs ist vorgesehen worden, welche Personen vorbehaltlich eines schriftlich geäußerten Willens der verstorbenen Person in der dort aufgeführten Rangfolge für die Bestattung zu sorgen haben. 2. Gehören Angehörige wie Ehegatten, Kindern und Eltern, also Angehörige gemäß der gesetzlichen Erbfolge, automatisch zu diesem Personenkreis? Nein. Der Personenkreis bestimmt sich nach dem in der Antwort zu Frage 1 dargelegten Abwägungsprozess des berechtigten Interesses mit den schutzwürdigen Belangen. 3. Womit kann ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Todesumstände glaubhaft gemacht werden? Ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Todesumstände kann nach der Gesetzesbegründung (Drs. 15/1150, Besonderer Teil B, S. 13) damit glaubhaft gemacht werden, dass Versicherungen wegen der Todesumstände anfragen oder Angehörige um Einsichtnahme ersuchen, die den Verdacht haben, dass der Tod durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursacht oder mitverursacht sein könnte. 4. Hat ein Angehöriger, der im Besitz einer über den Tod hinaus geltenden Generalvollmacht ist, ein Recht auf Einsicht in die Todesbescheinigung des Vollmachtgebers? Mit einer Generalvollmacht wird die bevollmächtigte Person zur Wahrnehmung der Rechte der bevollmächtigenden Person befugt. Bezogen auf die Frage nach dem Recht auf Einsicht in die Todesbescheinigung des Vollmachtgebers bedeutet dies, dass die bevollmächtigte Person das Einsichtsrecht der verstorbenen Person wahrzunehmen berechtigt ist. Den Fall der Einsichtnahme einer verstorbenen Person in ihre eigene Todesbescheinigung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen , sondern vielmehr mit dem in der Antwort zu Frage 1 erläuterten Abwägungsprozess zwischen dem berechtigten Interesse der Einsicht nehmenden Person und den schutzwürdigen Belangen der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen eine behördliche Prüfungspflicht der unteren Gesundheitsbehörde festgelegt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7998 3 5. In welchen konkreten Fällen wird beispielsweise Ehegatten, Kindern, Eltern, also Angehörigen gemäß der gesetzlichen Erbfolge, eine Kopie der Todesbescheinigung verweigert ? Das in § 6 Abs. 4 Satz 1 BestattG normierte Recht auf Einsichtnahme in die und auf Auskunftserteilung aus der Todesbescheinigung unterscheidet nicht zwischen Angehörigen gemäß der gesetzlichen Erbfolge der verstorbenen Person und anderen Personen, wie sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, nach dem Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Todesumstände glaubhaft machen, berechtigt sind, einen Antrag auf Einsicht in die Todesbescheinigung oder auf Auskunftserteilung daraus zu stellen. Ob einem derartigen Antrag von der unteren Gesundheitsbehörde stattzugeben ist, richtet sich zum einen danach, wie die antragstellende Person ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht hat, und zum anderen danach, ob schutzwürdige Belange der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen entgegenstehen. Den Belangen der Angehörigen , auch in der gesetzlichen Erbfolge der verstorbenen Person, ist von Gesetzes wegen somit dahin gehend Rechnung zu tragen, dass sie einer Einsichtnahme von oder Auskunftserteilung an Personen, die einen dahin gehenden Antrag gestellt haben, entgegenstehen können. Im Ergebnis ist Ehegatten, Kindern oder Eltern als Angehörigen gemäß der gesetzlichen Erbfolge eine Kopie der Todesbescheinigung zu verweigern, wenn sie kein berechtigtes Interesse glaubhaft machen oder schutzwürdige Belange der verstorbenen Person oder anderer Angehöriger entgegenstehen. Als konkretes Beispiel ist in der parlamentarischen Behandlung vom beratenden Ausschuss davon ausgegangen worden, dass bei der Feststellung von Erbkrankheiten Belange der Angehörigen gegen eine Auskunft sprechen können (vgl. Drs. 15/2584, S. 7). Soweit Angehörige eine Kopie der Todesbescheinigung verlangen, ist festzustellen, dass die untere Gesundheitsbehörde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BestattG nur zur Einsichtnahmegewährung oder Auskunftserteilung verpflichtet ist, nicht zur Herausgabe einer Kopie. (Ausgegeben am 09.05.2017) Drucksache 17/7998 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7818 Wer darf Einsicht in eine Todesbescheinigung erhalten? Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung