Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8088 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7854 - Mehr Einbrüche in unmittelbarer Nähe der Landesaufnahmebehörde? Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Björn Försterling und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 06.04.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 12.04.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 12.05.2017, gezeichnet In Vertretung Stephan Manke Vorbemerkung der Abgeordneten Die Braunschweiger Zeitung berichtet am 5. April 2017, dass die Zahl der Einbrüche in Häuser und Wohnungen in unmittelbarer Nähe zur Landesaufnahmebehörde (LAB) in Braunschweig auffällig gestiegen sei. „Über die Täter könne die Polizei zwar nur spekulieren, es spreche jedoch einiges dafür, dass sie unter den Bewohnern der LAB zu finden seien.“ Ebenfalls sei ein Anstieg der Ladendiebstähle in der Braunschweiger Innenstadt zu verzeichnen, die eindeutig Bewohnern der LAB zuzuordnen seien. Der Braunschweiger Kripo-Chef Ulf Küch habe bereits im Februar Bedenken geäußert, „dass in der LAB immer mehr Menschen lebten, die dort eigentlich nichts zu suchen hätten und aufgrund ihrer mangelnden Perspektive leicht in die Kriminalität abrutschen könnten.“ Das Innenministerium habe diese Sorgen jedoch nicht geteilt. Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ist gemäß § 47 des Asylgesetzes verpflichtet, alle Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern für die Dauer des Asylverfahrens und im Falle der Ablehnung bis zur Ausreise oder Abschiebung unterzubringen. Die §§ 48 bis 50 des Asylgesetzes bleiben unberührt. Darüber hinaus nimmt die Behörde keinerlei Asylbewerber auf, die bereits auf die Kommunen verteilt wurden und deren Asylantrag abgelehnt worden ist. Es ist bekannt, dass sich auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen auch Personen aufhalten, die bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Gerade zu diesem Zweck wurden an jedem Standort der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen Zentrale Ermittlungsgruppen der Polizei eingerichtet. Diese organisatorische Maßnahme hat sich bewährt und wird insofern auch zukünftig fortgeführt. Bei Straftätern werden alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Beschleunigung der Asylverfahren und ihre zügige Rückführung sicherzustellen. 1. Wie ist das Innenministerium mit den Warnhinweisen seitens der Polizei, dass die hohe Zahl der abgelehnten Asylbewerber in der LAB in Kralenriede zu erhöhter Kriminalität führen könnte, umgegangen? Die Beobachtung der Kriminalitätslage ist ständige Aufgabe der Polizei. Sie ist eng verzahnt mit den in der Polizeiorganisation implementierten Analysestellen, der Polizeiführung und operativen Streifen- und Ermittlungsdiensten. Sie erfolgt im Rahmen der Alltagsorganisation wie auch lagean- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8088 2 gepasst und phänomenbezogen nach besonderen Aspekten. Temporär kann sich daraus eine besondere Aufbauorganisation ableiten, wie es in der Vergangenheit beispielsweise mit der Einrichtung zentraler Ermittlungsgruppen (Soko ZErm) an den Standorten der Landesaufnahmebehörde geschehen ist. Insofern sind bereits deutlich vor der in Rede stehenden Medienberichterstattung wirksame polizeiliche Maßnahmen und Reaktionen erfolgt. Die Polizeiinspektion Braunschweig erstellt quartalsweise und anlassbezogen Lageberichte zur Kriminalitäts- und Einsatzentwicklung im Zusammenhang mit der Situation um die Landesaufnahmebehörde , Standort Braunschweig. Das Innenministerium hat sich anlässlich der Berichterstattung am 5. April durch die Polizeidirektion Braunschweig berichten lassen und erachtet die mitgeteilten Maßnahmen als angemessen und zielführend. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. 2. Wie beurteilt die Landesregierung den Anstieg der Einbruchkriminalität im Umfeld der LAB Braunschweig und den Anstieg der Ladendiebstähle in der Innenstadt? Verlässliche Daten für die Darstellung von Kriminalitätsentwicklungen in Niedersachsen werden auf der Grundlage der nach festgelegten Regeln erstellten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) generiert . Die PKS weist für den Bereich „Kralenriede“ - in diesem Stadtteil befindet sich der Standort Braunschweig der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - für das Jahr 2015 insgesamt 27 Wohnungseinbruchdiebstähle auf. Im vergangenen Jahr 2016 wurden dort 16 dieser Taten polizeilich registriert. Für das erste Quartal 2017 liegen keine PKS-Daten vor. Um dem Bedarf einer quantitativen Einordnung gerecht zu werden, wurde in Ermangelung nutzbarer PKS-Daten eine sogenannte NIVADIS-Auswertung im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem beauftragt. Durch die Polizeidirektion Braunschweig wurden mittels NIVADIS-Auswertung für das laufende Jahr 2017 (Stand: 24. April 2017) insgesamt zehn Wohnungseinbrüche mit Tatort Kralenriede recherchiert , in einem davon wurde der Auswertungsmerker „Flüchtling“ verwendet. Die Validität einer solchen Analyse unterliegt prozessimmanenten Einschränkungen: grundsätzlich dient eine NIVADIS-Auswertung der Schaffung einer Datengrundlage für operative Maßnahmen der Polizei. So sollen beispielsweise neue Kriminalitätsphänomene unmittelbar erkannt, neue Brennpunkte der Kriminalität lokalisiert oder ermittelten Tatverdächtigen weitere Delikte zugeordnet werden. Diese Daten können sich im Rahmen noch laufender polizeilicher Ermittlungsverfahren ändern, beispielsweise , weil sich herausstellt, dass ein Handy nicht gestohlen, sondern nur verlegt wurde, oder weil Straftaten erst Tage oder Wochen nach der Tatzeit angezeigt werden. Aus diesem Grunde sind diese Daten grundsätzlich nur für den internen Gebrauch bestimmt und weichen in der Regel von den später veröffentlichten PKS-Zahlen ab. Die im Zeitraum vom 18. März bis 2. April dieses Jahres festgestellte Anzahl von zehn Wohnungseinbrüchen stellte eine auffällige Zunahme dar und hat insofern ein angepasstes polizeiliches Handeln ausgelöst. Zu den polizeilichen Maßnahmen gehören u. a.: – Einsatz des Präventionsteams mit dem „Polizei-Infomobil“ auf Parkplätzen in Kralenriede, – Einsatz verstärkter, offener und verdeckter polizeilicher Präsenz, – verstärkte Kontrollmaßnahmen von Personen und Fahrzeugen zu relevanten Zeiten sowie – verstärkte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Seit dem 2. April ist es im Stadtteil Kralenriede zu keinem erneuten Wohnungseinbruchdiebstahl gekommen (Stand: 24. April 2017). Der Bereich der „Braunschweiger Innenstadt“ wird von der PKS so nicht erfasst. Die PKS erfasst den Bereich „Stadtkern“, der einige Areale, die der „Braunschweiger Innenstadt“ zugerechnet werden , nicht einbezieht. So wird beispielsweise das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Einkaufszentrum „Schloss-Arkaden“ mit ca. 150 Einzelhandelsgeschäften nicht im PKS-Bereich „Stadtkern“ erfasst. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8088 3 Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für den Bereich „Stadtkern“ für das Jahr 2015 insgesamt 530 Ladendiebstähle auf. Im vergangenen Jahr 2016 wurden dort 327 dieser Taten polizeilich registriert . In Ermangelung von PKS-Daten für 2017 (s. o.) hat die Polizeidirektion Braunschweig mittels NIVADIS-Auswertung für 2017 (Stand: 24. April 2017) insgesamt 155 Ladendiebstähle mit Tatort „Stadtkern“ recherchiert, davon wurde in 36 Fällen der Auswertungsmerker „Flüchtling“ angewendet . Bezüglich der eingeschränkten Validität der NIVADIS-Auswertung wird auf die oben stehenden Ausführungen verwiesen. Im Hinblick auf die genannten Vorjahreswerte stellen die im Stadtkern polizeilich registrierten Ladendiebstähle derzeit aus rein quantitativer Sicht keine auffällige Situation dar. 3. Ist auch in der Umgebung anderer Standorte der LAB ein Anstieg der Einbruchkriminalität zu verzeichnen? Wenn ja, an welchen? Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen betreibt derzeit fünf Erstaufnahmeeinrichtungen mit insgesamt elf Außenstellen. Die Standorte der Erstaufnahmeeinrichtungen befinden sich in Bramsche , Braunschweig, Friedland, Oldenburg und Osnabrück. Des Weiteren ist in Bad Fallingbostel /Oerbke ein sogenanntes Ankunftszentrum eingerichtet. In der Umgebung des Grenzdurchgangslagers Friedland war mit Blick auf die PKS-Zahlen 2016 ein Anstieg der Wohnungseinbrüche zu verzeichnen. Während in der Gemeinde Friedland ein Rückgang von 14 Wohnungseinbruchdiebstählen in 2015 auf neun Fälle in 2016 zu verzeichnen ist, stiegen die Zahlen in der Nachbargemeinde Rosdorf von vier Wohnungseinbruchstählen im Jahr 2015 auf neun Fälle im Jahr 2016. In keinem aufgeklärten Fall aus den vorgenannten Gemeinden wurden Asylbewerberinnen oder Asylbewerber als Tatverdächtige oder Beschuldigte bekannt. Bezüglich der Erstaufnahmeeinrichtung Braunschweig wird auf die Beantwortung der Frage 2 verwiesen . An den übrigen Standorten der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ist in den genannten Zeiträumen kein Anstieg der Wohnungseinbruchdiebstähle zu verzeichnen. 4. Wie hoch ist der Anteil von abgelehnten Asylbewerbern sowie von Asylbewerbern mit geringer Bleibeperspektive in den jeweiligen Standorten der LAB (bitte nach Standorten aufschlüsseln)? Unter den nachfolgend aufgeführten abgelehnten Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sind die Personen aufgeführt, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, sowie solche Personen, die in Niedersachsen geduldet sind. Darüber hinaus haben keine gute Bleibeperspektive Menschen, die aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29 a AsylG kommen. Dies sind - neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Union - Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik ), Montenegro, Senegal und Serbien. Antragstellende aus sicheren Herkunftsstaaten sind verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes und im Falle einer Ablehnung des Asylantrages bis zur freiwilligen Ausreise oder Abschiebung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Der Anteil der Bewohnerinnen und Bewohner der LAB NI aus diesen sicheren Herkunftsstaaten beträgt: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8088 4 Stichtag 26.04.2017 Stichtag 18.04.2017 Standort Belegung abgelehnte Asylbewerberinnen /Asylbewerber Anteil an Gesamtbele - gung Belegung Asylbewerberinnen /Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive Anteil an Gesamtbelegung Bramsche 679 160 23,56 % 615 267 43,41 % Braunschweig 817 451 55,20 % 779 589 75,61 % Fallingbostel 371 3 0,81 % 453 35 7,73 % Friedland 588 41 6,97 % 195 0 0 Oldenburg 238 77 32,35 % 250 188 75,20 % Osnabrück 175 47 26,86 % 185 165 89,19 % 5. Wie viele Personen wurden aus den einzelnen Standorten der LAB in den Jahren 2016 und 2017 in ihre Heimatländer zurückgeführt (bitte nach Standorten aufschlüsseln)? Aus den nachfolgend aufgeführten Daten ergeben sich gemäß Meldung der LAB NI die Abschiebungen der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, für die die LAB NI voll umfänglich aufenthaltsrechtlich zuständig waren, da diese dort untergebracht waren. In der Beantwortung der Frage 6 in der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Flüchtlingssituation und Familiennachzug in Niedersachsen im Jahr 2016“ (Drucksache 17/7309) wurde die Anzahl der Gesamtabschiebungen aus den Einrichtungen des Landes herangezogen. Diese umfasst auch Landabschiebungen, die von der LAB NI für die kommunalen Ausländerbehörden durchgeführt worden sind. Es ergibt sich daher eine Abweichung von 86 Personen zu den nachfolgend aufgeführten Daten für das Jahr 2016. 2016 Standort Abschiebungen freiwillige Ausreisen Bramsche 2 319 Braunschweig 75 467 Fallingbostel 0 0 Friedland 0 83 Oldenburg 9 55 Osnabrück 1 150 Gesamt 87 1.074 2017 Standort Abschiebungen freiwillige Ausreisen Bramsche 3 73 Braunschweig 21 126 Fallingbostel 0 0 Friedland 0 10 Oldenburg 22 92 Osnabrück 3 50 Gesamt 49 351 6. Wie gedenkt die Landesregierung, die Situation in Braunschweig zu entschärfen? Gemäß § 47 Abs. 1 a AsylG ist das Land Niedersachsen verpflichtet, alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten für die Dauer des Asylverfahrens und im Falle der Ablehnung bis zur Ausreise oder Abschiebung unterzubringen. Insofern können bzw. müssen sich auch abgelehnte Asylsuchende rechtmäßig in der LAB NI aufhalten. Diese werden dabei - wie alle Bewohnerinnen und Bewohner der LAB NI - durch den Sozialdienst der LAB NI betreut. Darüber hinaus befinden sich die Leitung der LAB NI und die Polizeidirektion Braunschweig - auch wegen dieses Personenkreises - bereits seit letztem Jahr in enger Abstimmung, um auf etwaige Vorfälle angemessen reagieren zu können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. (Ausgegeben am 16.05.2017) Drucksache 17/8088 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7854 Mehr Einbrüche in unmittelbarer Nähe der Landesaufnahmebehörde? Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Björn Försterling und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport