Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8164 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7913 - Ist Minister Meyer verantwortlich für das Kükentöten infolge des Geflügelpestgeschehens? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Hans-Heinrich Ehlen und Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 20.04.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 28.04.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 29.05.2017, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Die Vogelgrippe hat für niedersächsische Brütereien erhebliche Folgen. Am 26.12.2016 lag die erste Brüterei in einem Beobachtungsgebiet, d. h. in einer Restriktionszone, in der weitreichende Verbringungsverbote und Bewirtschaftungsvorlagen gelten. Am 27.12.2016 kamen zwei weitere Brütereien hinzu. Vor diesem Hintergrund hatte ein renommierter Fachtierarzt für Geflügel bereits am 26.12.2016 die Landkreise Cloppenburg und Oldenburg darauf hingewiesen, dass voraussichtlich nur noch eine nationale Verbringung von Bruteiern und Eintagsküken möglich sei. Erhebliche Vermarktungsprobleme seien zu erwarten. Eine schnelle rechtliche Klärung zum Export von Eintagsküken würde notwendig . Am 27.12.2016 nahmen daraufhin Vertreter der Brütereien an der Sitzung des Vogelgrippe- Krisenstabes des Landkreises Cloppenburg teil. Mitarbeiter des LAVES und des FLI waren ebenfalls anwesend. Die Einschränkungen des Exports von Küken wurden besprochen. Lösungen gab es vonseiten der Behörden nicht. Die Brütereien betonten, dass nur noch Bruteier in Brutschränke eingelegt würden, wenn für die geschlüpften Küken im Inland ein Stallplatz vorhanden sei. Ihr Anliegen , Bruteier vor dem Schlupf in Brütereien außerhalb der Restriktionsgebiete zu verbringen, um daraus geschlüpfte Küken anschließend restriktionsfrei vermarkten zu können, sei abgelehnt worden . Am 30.12.2016 gab es trotz entsprechender Hinweise eines von der Geflügelwirtschaft beauftragten Fachanwaltes keine behördliche Zustimmung. Am 03.01.2017 wiederholte die Geflügelwirtschaft in der Sitzung des Krisenstabes des Landkreises Cloppenburg ihren durch eine Fachanwaltskanzlei rechtsförmlich geprüften Vorschlag zum Export von Bruteiern und Eintagsküken. Das LAVES wies darauf hin, dass ein Export nur mit Zustimmung der obersten Veterinärbehörde des Empfängerlandes möglich sei. Dies setzte einen Antrag des Bundes, d. h. des BMEL, beim Empfängerland voraus. Das BMEL sei zu einem Antrag nicht bereit. Am 04.01.2017 wiesen Vertreter der Geflügelwirtschaft im Rahmen einer Sitzung des Landeskrisenstabes im Beisein von Minister Meyer auf das Problem des Verbringens von Bruteiern und Eintagsküken aus Restriktionsgebieten hin. Am 09.01.2017 trugen Vertreter der Geflügelwirtschaft in einem Gespräch mit dem Amtschef des BMEL und der Leiterin der nationalen Veterinärbehörde die Probleme mit dem Verbringen von Bruteiern und Eintagsküken aus Restriktionsgebieten vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8164 2 Am 10.01.2017 wurde im Krisenstab des Landkreises Cloppenburg von Behördenseite incl. LAVES mitgeteilt, dass am 17. und 18.01.2017 auf EU-Ebene Vertreter der Mitgliedstaaten zum Thema beraten würden. Die Geflügelwirtschaft wies auf die zeitlich drängenden Probleme hin. Das ML lud für den 11.01.2017 nach Hannover ein. Der Geflügelwirtschaft wurde erläutert, dass eine Exportgenehmigung für Eintagsküken möglich erscheine und eine Genehmigung durch die kommunalen Veterinärbehörden unter Bedingungen erteilt werden könne. Die Vertreter der Landkreise machten deutlich, dass sie nur mit Zustimmung der obersten Veterinärbehörde der Exportabwicklung zustimmen würden. Dem Vorschlag der Geflügelwirtschaft wurde mit 14-tägiger Verzögerung gefolgt. Die genannte Verzögerung war ursächlich für das notwendige Töten von Eintagsküken, die nicht in Ställe außerhalb Deutschlands exportiert werden durften. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Festgestellte Ausbrüche der Geflügelpest in einem Nutzgeflügelbestand haben eine Reihe von weitreichenden seuchenhygienischen Anordnungen und Restriktionen zur Folge, die sich aus den Vorgaben der Geflügelpest-Verordnung und den Gemeinschaftsvorschriften der Richtlinie 2005/94/EG ergeben. Die Landesregierung hat sich frühzeitig auf allen Ebenen dafür stark gemacht , wirtschaftliche Schäden für Freiland- und Hobbyhalter genauso wie für Geflügelmastbetriebe und Brütereien unter Beachtung des Tier- und Seuchenschutzes zu minimieren. 1. Warum ist dem erläuterten Anliegen der Geflügelwirtschaft nicht gefolgt worden, um das Kükentöten vermeiden zu können? Unternehmen der Geflügelwirtschaft haben drei Anliegen vorgebracht, um die wirtschaftlichen Auswirkungen zu begrenzen: Änderung der Gebietskulisse für die Festlegung des Beobachtungsgebiets , behördliche Genehmigung des Verbringens von Bruteiern (vor dem Schlupf) aus Brütereien in Restriktionszonen in Brütereien außerhalb der Restriktionszonen sowie Genehmigung des innergemeinschaftlichen Verbringens bzw. Exports von Bruteiern und Eintagsküken. Zur Änderung der Gebietskulisse: Dem Antrag einer Brüterei im Landkreis Oldenburg, die Gebietskulisse für das Beobachtungsgebiet dahin gehend zu ändern, dass sie nicht mehr von seuchenhygienischen Restriktionen betroffen wäre , wurde seitens des Landkreises nicht entsprochen. Auch eine entsprechende Klage gegen die tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung des Landkreises beim Verwaltungsgericht Oldenburg blieb ohne Erfolg. Die Entscheidung des Landkreises zur Festlegung des Beobachtungsgebietes ist auch aus Sicht der Landesregierung tierseuchenfachlich begründet und sinnvoll. Zur Genehmigung des Verbringens von Bruteiern (vor dem Schlupf) aus Brütereien in Restriktionszonen in Brütereien außerhalb der Restriktionszonen: Mögliche Ausnahmen von dem gemäß Geflügelpest-Verordnung vorgesehenen, grundsätzlichen Verbringungsverbot von Bruteiern und Eintagsküken aus Beobachtungsgebieten ergeben sich aus §§ 28 und 29 dieser Verordnung und können von der zuständigen Veterinärbehörde auf Antrag unter bestimmten Bedingungen genehmigt werden. Sowohl Bruteier als auch Eintagsküken können mit Ausnahmegenehmigung innerstaatlich verbracht werden, wenn seuchenhygienisch keine Bedenken bestehen. Diese Rechtslage hat die Fachabteilung des Ministeriums den Landkreisen Oldenburg und Cloppenburg auf Nachfrage am 30.12.2016 schriftlich bestätigt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8164 3 Zur Genehmigung des innergemeinschaftlichen Verbringens bzw. Exports von Bruteiern und Eintagsküken : Ein innergemeinschaftliches Verbringen in andere Mitgliedstaaten ist gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 3 b der Geflügelpest-Verordnung für Eintagsküken (nicht aber für Bruteier) aus einem Beobachtungsgebiet grundsätzlich möglich, sofern die Eintagsküken aus Bruteiern stammen, die in Betrieben außerhalb von Restriktionszonen gelegt wurden. Allerdings wies das Bundesministerium am 29.12.2016 auf Anfrage der Fachabteilung des ML darauf hin, dass das geltende EU-Recht möglicherweise nicht zulasse, Eintagsküken innergemeinschaftlich zu verbringen, die zuvor (als Bruteier) auf Grundlage der Geflügelpest-Verordnung aus einem Sperrbezirk oder einem Beobachtungsgebiet in Betriebe im Inland außerhalb der Restriktionszonen verbracht wurden. Auch dies ist den genannten Landkreisen am 30.12.2016 schriftlich mitgeteilt worden. Da Gemeinschaftsvorschriften zur Geflügelpest nicht durch nationale Interpretation einseitig geändert werden können, musste eine abschließende Klärung mithilfe des Bundesministeriums bei der EU-Kommission erreicht werden. Das Thema wurde am 11.01.2017 auf einer Besprechung des ML mit Vertretern der Wirtschaftsverbände und betroffenen Unternehmen sowie der Veterinärbehörden ausführlich erörtert. Dabei wurden, in Erwartung einer baldigen rechtlichen Klarstellung durch die EU-Kommission, die behördlicherseits und unternehmensseitig zu erbringenden Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des innergemeinschaftlichen Handels erläutert. Dabei spielte auch die Frage der Genehmigung des Verbringens durch die Veterinärbehörde des aufnehmenden Landes eine wichtige Rolle. Eine derartige Genehmigung hatten die niedersächsischen Betriebe zu dem Zeitpunkt nicht vorgelegt. Auf Initiative Deutschlands wurde schließlich auf EU-Ebene in einer Arbeitsgruppensitzung der EU- Kommission am 17./18.01.2017 die Regelung des Artikels 30 Buchst. c) Unterbuchst. iii) der Richtlinie 2005/94/EG dahin gehend klargestellt, dass Eintagsküken aus einer Brüterei im Beobachtungsgebiet , die aus Bruteiern geschlüpft sind, die weder aus einem Sperrbezirk noch aus einem Beobachtungsgebiet stammen und nicht mit Eintagsküken oder Bruteiern aus diesen Gebieten in Berührung gekommen sind, in andere Mitgliedstaaten verbracht werden können. Damit waren die Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit des innergemeinschaftlichen Handels mit Eintagsküken und ein innergemeinschaftliches Verbringen von Eintagsküken ausgeräumt. 2. Warum hat Minister Meyer nicht selbst die Entscheidungen getroffen? Da Gemeinschaftsrecht betroffen war, konnten rechtssichere Entscheidungen der Zulässigkeit bestimmter Ausnahmen von Restriktionen auf Grundlage der Geflügelpest-Verordnung nicht auf Landesebene getroffen werden. 3. Warum haben LAVES und ML im Krisenstab des Landkreises Cloppenburg nicht an Lösungsmöglichkeiten mitgearbeitet? Die Aussage ist falsch. Das LAVES hat in enger fachlicher Abstimmung mit der Fachabteilung des Ministeriums kontinuierlich im Krisenstab des Landkreises Cloppenburg an der Erarbeitung konstruktiver Lösungsvorschläge mitgewirkt. 4. Warum wurde von Minister Meyer eine Strafverfolgung der Brütereien eingeleitet, obwohl die kommunalen Veterinärbehörden dazu keine Veranlassung sahen? Aufgrund der Recherche für die Antwort auf die Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung in der Drucksache 17/7350 Nr. 22 wurde dem Ministerium die Tötung von über 550 000 Putenküken im Zusammenhang mit dem Geflügelpestgeschehen in 2016/2017 von den Landkreisen mitgeteilt. Die Tötung von Küken ohne vernünftigen Grund stellt einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Es ist fraglich, ob dafür ein vernünftiger Grund nach dem Tierschutzgesetz vorlag oder ob nicht Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8164 4 Bruteier vor dem Schlupf mangels Abnehmer hätten reduziert werden müssen. Das Tierschutzgesetz unterscheidet hier eindeutig zwischen Bruteiern und bereits geschlüpften, lebensfähigen Küken . Die Landkreise Cloppenburg und Oldenburg wurden daher um Prüfung gebeten, ob ein „vernünftiger Grund“ im Sinne des Tierschutzgesetzes für die Tötung der Küken vorlag. Dieser Bitte kamen die Landkreise nach. Nach Einschätzung der Landkreise war der „vernünftige Grund“ für die Tötung der nicht vermarktungsfähigen weiblichen Putenküken gegeben. Nach fachlicher Prüfung unter Berücksichtigung des durch die Landkreise geschilderten Sachverhalts kam das ML jedoch zu dem Ergebnis, dass der Verdacht auf Vorliegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz besteht, und forderte die betroffenen Landkreise daher auf, den Vorgang an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben. 5. Muss durch ein Rechtsgutachten geklärt werden, ob Minister Meyer in Verantwortung für sich und seine Behörden ursächlich und schuldhaft zum durch Verbringung und Export vermeidbaren Töten von Eintagsküken beigetragen hat? Nein. (Ausgegeben am 31.05.2017) Drucksache 17/8164 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7913 Ist Minister Meyer verantwortlich für das Kükentöten infolge des Geflügelpestgeschehens? Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Hans-Heinrich Ehlen und Frank Oesterhelweg (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz