Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8204 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7995 - „Fall Homann“ (NOZ, 25. April 2017): Wurde die Landesregierung „eiskalt ausmanövriert“ (ebenda)? Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 04.05.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 08.05.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 06.06.2017, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Die Produktionsstätten des Unternehmens Homann Feinkost sind von einer möglichen Verlagerung und somit Schließung im Landkreis Osnabrück bedroht. Eine Bündelung von Standorten soll in Sachsen erfolgen. Veränderungen am Standort in Dissen haben sich bereits seit Juni 2016 angedeutet . Wirtschaftsminister Lies sucht nun das Gespräch mit der Konzernleitung, um Informationen „über die immer noch nicht offizielle Entscheidung von Müller zu bekommen“ (http://www. noz.de/deutschland-welt/wirtschaft/artikel/886055/mueller-manager-wollen-mit-lies-ueber-homannsprechen ). „Das Land sei nicht von der aktuellen Entscheidung des Konzerns informiert worden und habe daher auch keine Möglichkeit gehabt, Argumente für die niedersächsischen Standorte vorzubringen“ (http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/osnabrueck_emsland/1200-Jobs-weg- Homann-schliesst-zwei-Werke,homann138.html). Vorbemerkung der Landesregierung Die HOMANN Feinkost GmbH (HOMANN), die seit 2012 zur Unternehmensgruppe Theo Müller (UTM) gehört, verfügt über sieben Produktionsstandorte. Mit Ausnahme der Standorte Sassnitz und Rögätz, an denen Fisch verarbeitet wird, produzieren die übrigen fünf Standorte Feinkostsalate und Dressings. Neben den beiden niedersächsischen Standorten Dissen und Lintorf in Bad Essen gibt es Standorte im nordrhein-westfälischen Bottrop, im thüringischen Floh und im polnischen Poznań. Im April 2015 teilte HOMANN dem MW mit, dass es mittel- und langfristig umfangreiche Investitionen an seinen Standorten plane. Die Planungen sähen bis ca. 2021 ein Investitionsvolumen von ca. 250 bis 300 Millionen Euro vor. Davon könnten ca. 150 bis 200 Millionen Euro an den Standorten Dissen oder Lintorf investiert werden. Vor diesem Hintergrund wurde am 6. Mai 2015 im MW ein Gespräch mit HOMANN zu den Fördermöglichkeiten in Niedersachsen geführt. Als Ergebnis wurde verabredet, dass HOMANN auf MW zukommt, sobald die Planungen konkreter sind, um weitere Gespräche zu führen. Als Zeithorizont war die zweite Jahreshälfte 2015 in Auge gefasst, da die Vorschläge zur künftigen Struktur der Marke und deren Standorten bis Juni 2015 abgeschlossen sein sollten. Im Herbst 2015 ist HOMANN auf niedersächsische Kommunen hinsichtlich möglicher Standorte für ein neues Werk zugegangen. Ende Mai 2016 wurde von HOMANN gegenüber MW mitgeteilt, dass die Standortsuche noch immer laufe und man sich bei Bedarf melden würde. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8204 2 In einem Schreiben an Kommunen vom 26. Mai 2016 hat die HOMANN-Gruppe mitgeteilt, dass geplant sei, die neue Produktionsstätte im Raum Osnabrück zu errichten. Kommunen, die sich um die Ansiedlung des neuen Produktionswerkes bewerben möchten, wurden in diesem Scheiben aufgefordert , bis zum 22. Juni ein verbindliches Angebot abzugeben. In Zusammenhang mit diesem „Bieterverfahren“ hat MW Anfang Juni 2016 dem Landkreis Osnabrück Fördermöglichkeiten von MS und MU im Zusammenhang mit „Städtebauförderung“ und „Brachflächenrecycling“ übermittelt. Die Stadt Dissen hat im Rahmen dieses Verfahrens die seitens HOMANN immer konkreteren Anforderungsprofile an das am Standort Dissen angebotene Grundstück und an die Infrastrukturen kurzfristig erfüllt. Nach Informationen, die MW im September 2016 erhielt, sollten zu dem Zeitpunkt nur noch drei Standorte im Auswahlverfahren sein: neben dem nordrhein-westfälischen Borgholzhausen noch Ostercappeln und Dissen in Niedersachsen, wobei Dissen die größten Aussichten auf den Zuschlag habe. Die Entscheidung durch UTM stünde unmittelbar bevor. Anfang November 2016 hieß es dann aus Werkskreisen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien über einen Aushang am Schwarzen Brett darüber informiert worden, dass sich die Entscheidungsfindung bis zum Sommer 2017 hinziehen könne. Bis zum 20. April dieses Jahres hat es keine Information des Unternehmens gegeben, dass auch das sächsische Leppersdorf unter den möglichen Standorten ist. Insoweit war auch die Favorisierung dieses Standortes nicht bekannt. 1. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen bei? Die Landesregierung misst der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen eine enorme Bedeutung bei. Die Ernährungswirtschaft ist die zweitgrößte Branche des Landes und deutschlandweit führend in der Produktion hochwertiger Lebensmittel - ob Fleisch, Fisch, Milch und Käse, Feinkost oder Obst und Gemüse. Komplette Wertschöpfungsketten und eine hohe Konzentration von leistungsfähigen Unternehmen aus vor- und nachgelagerten Sektoren tragen zur Produktion sicherer Lebensmittel bei. Der Nordwesten Niedersachsens ist zudem eines der weltweit führenden Zentren der tierischen Veredelungswirtschaft. 2. Welche Bedeutung hat die Unternehmensgruppe Theo Müller für Niedersachsen? UTM ist ein Konzern mit insgesamt etwa 27 000 Beschäftigten. Er verfügt über Produktions- und Vertriebsstandorte in Deutschland, Großbritannien, Irland, Niederlanden, Italien, Polen, Tschechien und Israel sowie Honkong und China. Der größte Teil der hergestellten Lebensmittel sind Molkereiprodukte, die einerseits unter bekannten Markennamen (z. B. Müller, Weihenstephan, Sachsenmilch, Käserei Loose) oder als Handelsmarken und Basis-Milchprodukte wie Butter, H-Milch, Laktosepulver und Molkeprotein vertrieben werden. Ein weiterer Teil der Unternehmensgruppe ist im Bereich gekühlte Feinkostsalate, Saucen und Fischspezialitäten aktiv. Diese gelangen entweder unter Markennamen (z. B. Homann, Nadler, Lisner , Hamker, Pfennigs und Hopf) oder als Handelsmarken in den Lebensmitteleinzelhandel. Auch NORDSEE gehört zur UTM, in der Gastronomiekonzepte für verschiedene Verbrauchergruppen gebündelt sind. Weiterhin gehören ein Verpackungsunternehmen, ein Logistikunternehmen, ein Nutzfahrzeug-Serviceunternehmen und ein Frucht verarbeitendes Unternehmen zur Unternehmensgruppe . Nach eigenen Angaben erwirtschaftete UTM zuletzt mit ca. 27 000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 5,6 Milliarden Euro. Die größten Produktionsstandorte von UTM liegen in Bayern und Sachsen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8204 3 In Niedersachsen stellen mehr als 90 000 Beschäftigte in mehr als 3 200 Betrieben Lebens- und Futtermittel sowie Getränke her. Die Zahl der Erwerbstätigen im Cluster Agribusiness Niedersachsen ist in 2015 auf über 390 000 angewachsen. Davon entfallen auf die beiden zu UTM gehörenden HOMANN-Produktionswerke in Dissen und Lintorf etwa 1 400 Beschäftigte. Hinzu kommt noch eine nicht genau bestimmbare Zahl an Beschäftigten, die im vor- und nachgelagerten Bereich der HOMANN-Produktionswerke bzw. bei niedersächsischen NORDSEE-Filialen tätig sind. Konzerne wie UTM, die in einer Region wie dem Osnabrücker Land mehr als 1 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, haben eine große Bedeutung für Niedersachsen. 3. Seit wann weiß die Landesregierung von generellen Verlagerungsabsichten von Homann Feinkost? Am 21. April 2017 wurde Herr Minister Lies vom Landkreis Osnabrück über die geplante Konzentration von vier Homann-Produktionsstandorten im sächsischen Leppersdorf per E-Mail informiert. 4. Was hat die Landesregierung seit Juni 2016, als erste Verlagerungsabsichten bekannt geworden sind, konkret zur Sicherung der Produktionsstätten und Arbeitsplätze unternommen ? Siehe Vorbemerkung. 5. An welchen Gesprächsterminen hat die Landesregierung in den letzten Monaten bezüglich Homann Feinkost teilgenommen? Siehe Vorbemerkung. 6. Hat die Landesregierung vor der 17. Kalenderwoche 2017 Aktivitäten gegenüber der Unternehmensgruppe Theo Müller entfaltet, um Niedersachsen als Produktionsstandort weiterzuentwickeln? Siehe Vorbemerkung. 7. Wenn ja, welche Aktivitäten wurden wann getätigt? Siehe Vorbemerkung. 8. Hat die Landesregierung nach der 17. Kalenderwoche 2017 Aktivitäten gegenüber der Unternehmensgruppe Theo Müller entfaltet, um Niedersachsen als Produktionsstandort weiterzuentwickeln? Ja. 9. Wenn ja, welche Aktivitäten wurden wann getätigt? Die Landesregierung hat in dem Gespräch am 9. Mai 2017 mit großem Nachdruck auf die Vorzüge des Standortes Dissen, insbesondere auf die große Zahl vorhandener und motivierter Fachkräfte sowie auf die Nähe zum Hauptabsatzmarkt in Nordrhein-Westfalen, hingewiesen und eine Revision der Entscheidung angeregt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8204 4 10. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse dieser Aktivitäten? Mit Bedauern und Unverständnis haben Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies zur Kenntnis genommen, dass es - so das Unternehmen - aller Voraussicht nach bei der Schließung der niedersächsischen Homann-Standorte und einer Verlegung in das sächsische Lepperdorf oder alternativ nach Polen bleiben soll. 11. Was unternimmt die Landesregierung, um Produktionsstätten der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen zu halten? Die Landesregierung bietet - wie allen Unternehmen - auch den Unternehmen der Ernährungswirtschaft Rahmenbedingungen, in denen sie sich entwickeln können. Dazu gehören insbesondere eine gute Verkehrsinfrastruktur, eine breit aufgestellte Forschungslandschaft, Branchen- und Technologienetzwerke , ein ausreichendes Angebot hervorragend qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter , ein breites Angebot an Gewerbeflächen, innovative Unternehmen sowie passgenaue Fördermöglichkeiten , soweit die EU-Beihilfevorschriften diese zulassen. Mit den Schlüsselindustrien in Niedersachsen, zu denen die Ernährungsindustrie gehört, führt die Landesregierung regelmäßig Branchendialoge durch, um u. a. sich abzeichnende Bedürfnisse dieses so wichtigen Sektors frühzeitig erkennen zu können. 2013 hat die Landesregierung die Landesinitiative Ernährungswirtschaft bis Ende 2017 verlängert, um insbesondere in der Ernährungswirtschaft Innnovationspotenziale zu mobilisieren und neue Technologien für die breite Anwendung in den Unternehmen zu erschließen. 12. Was unternimmt die Landesregierung, um Produktionsstätten der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen zu entwickeln? Siehe Antwort zu Frage 11. 13. Welche direkten und nachgelagerten Auswirkungen würde eine Schließung der Produktions - und Vertriebsstätten von Homann Feinkost haben? An Spekulationen, welche direkten und nachgelagerten Auswirkungen eine Schließung der Produktions - und Vertriebsstätten von HOMANN Feinkost haben könnten, möchte sich die Landesregierung grundsätzlich nicht beteiligen. Zu erwarten sind allerdings langfristig Gewerbesteuerausfälle für Dissen und Bad Essen sowie Rückgänge bei den Anteilen aus der Einkommensteuer. 14. Welche Folgen könnten bzw. werden die sich abzeichnenden bzw. angedachten Verlagerungen und Standortschließungen für den Landkreis Osnabrück und die betroffenen Gemeinenden haben? Siehe Antwort zu Frage 13. 15. Was spricht aus Sicht der Landesregierung für den Erhalt der tradierten Produktionsstätten am Teutoburger Wald? Für einen Standort in der Region sprechen insbesondere die große Zahl vorhandener und motivierter Fachkräfte sowie die Nähe zum Hauptabsatzmarkt in Nordrhein-Westfalen. 16. Unter welchen Bedingungen könnten die Produktionsstätten des Marktführers für Feinkostsalate gegebenenfalls sogar am Standort erweitert werden? UTM könnte die von der Stadt Dissen bereitgestellte Gewerbefläche in der vom Unternehmen geforderten Größe von 20 ha plus 5 ha Erweiterungspotenzial sofort übernehmen. Das Bau- und Pla- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8204 5 nungsrecht für das Grundstück ist gegeben. Der Bebauungsplan ist ganz individuell nach den Vorgaben und Wünschen von HOMANN entwickelt worden. 17. Wann ist die Landesregierung mit der Landesregierung in Sachsen bezüglich der Vorgänge um Homann Feinkost in Kontakt getreten? Frau Staatssekretärin Behrens hat sich am 26. April 2017 telefonisch über die Aktivitäten der sächsischen Landesregierung im Hinblick auf die Konzentration der HOMANN-Produktionsstandorte in sächsischen Leppersdorf vom dortigen Staatssekretär Herrn Hartmut Mangold informieren lassen. Herr Minister Lies hat sich mit Herrn Staatsminister Dulig am Rande der Verkehrsministerkonferenz am 27./28. April 2017 in Hamburg zu der möglichen Konzentration der HOMANN-Produktionsstandorte in Leppersdorf ausgetauscht. 18. Was haben die Gespräche mit der Landesregierung in Sachsen ergeben? Der sächsische Staatsminister Martin Dulig hat am 26. April 2017 öffentlich klargestellt, dass der Freistaat Sachsen für die von der Müller-Gruppe bislang lediglich präferierte Ansiedlung von Homann in Leppersdorf zu keinem Zeitpunkt Beihilfen aus EU-Mitteln oder sonstige rechtswidrige Beihilfen gewährt habe und dies auch nicht beabsichtige. 19. Würde die Landesregierung selber Subventionen in Betracht ziehen, um die tradierten Produktionsstätten von Homann Feinkost in Niedersachsen zu halten? Diese Frage stellt sich der Landesregierung nicht, da nennenswerte Subventionen an den tradierten Produktionsstätten von HOMANN in Niedersachsen nicht möglich sind. Aufgrund der wirtschaftlichen Stärke der Region Osnabrück gehören sowohl Stadt als auch Landkreis Osnabrück seit etlichen Jahren nicht zur Gebietskulisse der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW). Demzufolge ist in dieser Region eine einzelbetriebliche Investitionsförderung nicht zulässig. Gleiches gilt nach den Entscheidungen der Europäischen Kommission auch für den Bereich der Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur. Auch dieses Instrument darf derzeit nur in den strukturschwachen Gebieten des Landes eingesetzt werden. Denkbar ist eine Förderung aus den Programmen der Innovationsförderung, aus den Arbeitsmarktprogrammen oder den Programmen zur CO2-Minimierung, soweit ihr entsprechende Projekte des Unternehmens gegenüberstehen. 20. Wenn ja, welche EU-Mittel und sonstigen Fördermittel würden hierfür infrage kommen? Siehe Antwort zu Frage 19. 21. Bis zu welcher Höhe würde oder könnte die Landesregierung Subventionen einsetzen, um die bedrohten Arbeitsplätze in Niedersachsen zu halten? Siehe Antwort zu Frage 19. (Ausgegeben am 07.06.2017) Drucksache 17/8204 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7995 „Fall Homann“ (NOZ, 25. April 2017): Wurde die Landesregierung „eiskalt ausmanövriert“ (ebenda)? Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr