Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8239 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7953 - Was macht die Landesregierung gegen die trotz Kenntnis einer UVP-Verpflichtung errichteten Windräder in Apensen? Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 26.04.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 04.05.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 06.06.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Der Windpark Ruschwedel/Apensen/Hedendorf wurde im Jahr 2000 mit 21 Windenergieanlagen errichtet . Zu diesem Zeitpunkt existierten die 2001 beschlossenen Regelungen der §§ 3 a bis f des UVG noch nicht, sodass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, was heute bei einem Windpark ab 20 Anlagen verpflichtend ist. Im Juni 2015 erteilte der zuständige Landkreis Stade die Genehmigung zur Erweiterung des Windparks um zwei weitere Anlagen. Der Landkreis lehnt eine UVP-Pflicht für den erweiterten Windpark mit dem Hinweis ab, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Windparks keine UVP-Pflicht bestanden habe und die Umweltverträglichkeitsvorprüfung ergeben habe, dass keine UVP für eine Erweiterung des Windparks um zwei Anlagen erforderlich sei. Obwohl die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Weshalb musste beim Windpark in Apensen keine UVP durchgeführt werden?“ (Drs. 17/5047) der Abgeordneten Horst Kortlang, Dr. Gero Hocker und Christian Grascha antwortete „Da zu den Anlagen bislang keine UVP durchgeführt worden ist und ihre Anzahl den 20er Schwellenwert überschreitet , hätte nun erstmals eine UVP durchgeführt werden müssen, welche die Umweltauswirkungen der vorhandenen und der nunmehr hinzugetretenen Anlagen erfasst und bewertet“, wurden die Baumaßnahmen für die beiden Anlagen dennoch begonnen. Vorbemerkung der Landesregierung Nach nochmaliger intensiver Überprüfung der Sach- und Rechtslage, die in der Kürze der zur Beantwortung der damaligen Kleinen Anfrage (Drs.17/5047) zur Verfügung stehenden Zeit nicht in jeglicher Hinsicht erschöpfend durchgeführt werden konnte, ist aus Sicht der Landesregierung Folgendes festzustellen: Die erste UVP-Änderungs-Richtlinie, nach der die UVP-Pflicht der Windfarmen seinerzeit EG-rechtlich zu beurteilen war, war bis zum 14.03.1999 in das deutsche Recht umzusetzen. Sie erlegte den Mitgliedstaaten die Pflicht auf, die Windfarm-Projekte, welche einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, im Wege einer Einzelfallprüfung oder durch die Festlegung von Schwellenwerten beziehungsweise Kriterien zu bestimmen. Dieser Pflicht war die Bundesrepublik Deutschland bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nicht nachgekommen. Sie wurde vielmehr erst mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz am 03.08.2001 erfüllt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8239 2 Die 21 Bestandsanlagen des hier in Rede stehenden „Windparks Apensen“ wurden zu einem Zeitpunkt - aufgeteilt auf drei eigenständige Verfahren - genehmigt, zu dem die Frist für die Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie abgelaufen, aber die Umsetzung in nationales Recht noch nicht erfolgt war. Demnach existierte im fraglichen Genehmigungszeitpunkt noch kein einschlägiger Schwellenwert . Auch war nicht rechtlich gesichert, dass aufgrund einer Direktwirkung der UVP-Änderungsrichtlinie eine Einzelfallprüfung hätte durchgeführt werden müssen. Es war mithin seinerzeit zumindest rechtlich vertretbar, das (Grund-)Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen . Was das im Juni des Jahres 2015 genehmigte Änderungsvorhaben - Errichtung und Betrieb zweier weiterer Einzelanlagen - betrifft, erlegten die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen dem Landkreis Stade nach ihrem Wortlaut lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls auf. Diese hat der Landkreis unter Einbeziehung der Auswirkungen des Grundvorhabens - 21 Anlagen - durchgeführt und ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gesetzlich eingeräumten Einschätzungsprärogative zu einem fachlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Fraglich ist allerdings, ob der Gesetzgeber dadurch, dass er nach geltendem Recht bei einer Windfarm mit 20 Einzelanlagen oder mehr zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht, das Ergebnis der Vorprüfung des Einzelfalls in Richtung der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht präjudiziert hat. Des Weiteren drängen sich auch bei einer Gesamtschau der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen rechtliche Zweifel an der Entscheidung, keine UVP durchzuführen, auf. Beispielsweise findet sich keine Erklärung dafür, warum bei einem bislang nicht einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogenem Grundvorhaben von 19 Einzelanlagen, welches um zwei weitere Anlagen erweitert werden soll, nach dem Wortlaut des Gesetzes und daher unstrittig eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Erweiterungsvorhaben durchzuführen wäre, für einen Fall wie hier, in dem das Grundvorhaben den Schwellenwert zur zwingenden UVP-Pflicht von 20 Anlagen überschreitet, hingegen nicht. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber es unbewusst unterlassen hat, diese besondere, der Nichtbeachtung der Umsetzungsfrist der genannten ersten UVP- Änderungsrichtlinie geschuldete Konstellation, einer Regelung zuzuführen. Einschlägige Rechtsprechung zu der hier angesprochenen Rechtsfrage lag im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung durch den Landkreis Stade allerdings nicht vor und existiert auch weiterhin nicht. Ebenso wenig greift die Literatur das Rechtsproblem auf. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des Landkreises Stade, keine UVP für das Änderungsvorhaben durchzuführen, insgesamt vertretbar. 1. Wie bewertet die Landesregierung das Vorgehen des Landkreises, trotz Kenntnis einer UVP-Verpflichtung den Windpark ohne UVP zu erweitern? Nach nochmaliger Überprüfung erscheint - entsprechend der Vorbemerkung der Landesregierung - das Verhalten des Landkreises vertretbar. 2. Dürfen die neuen Anlagen nach Auffassung der Landesregierung weiter betrieben werden und, wenn ja, aufgrund welcher Rechtsvorschrift? Die neuen Anlagen dürfen weiter betrieben werden. Grundlage ist die vom Landkreis Stade erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. 3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung gegen den Betrieb der ohne UVP errichteten Anlagen? Wie in der Vorbemerkung der Landesregierung dargestellt, war die Entscheidung des Landkreises Stade, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, vertretbar. Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz sieht vor diesem Hintergrund keine Veranlassung fachaufsichtliche Maßnahmen zu ergreifen, die darauf gerichtet wären, ein Einschreiten gegen den Betrieb der Anlagen zu veranlassen. (Ausgegeben am 08.06.2017) Drucksache 17/8239 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/7953 Was macht die Landesregierung gegen die trotz Kenntnis einer UVP-Verpflichtung errichteten Windräder in Apensen? Anfrage der Abgeordneten Horst Kortlang, Dr. Gero Hocker und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz