Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8360 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8137 - Kopplungsgeschäfte beim Erwerb von Eintrittskarten für Fußballspiele: Prüfverfahren der Landeskartellbehörde Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 17.05.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 23.05.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 22.06.2017, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung der Abgeordneten Kartellrechtliche Fragen bei der Gestaltung von Verträgen rücken in der letzten Zeit stärker in den Fokus von Medien und Justiz. Dies gilt insbesondere für die Kopplung von Eintrittskarten an weitere Produkte, etwa verpflichtend abzunehmende und zu nutzende Busfahrkarten oder Eintrittskarten für zusätzliche Events, die man als Kunde, für sich genommen, nicht gekauft hätte. Im letzten Jahr hat das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage eines Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag erklärt, das Bundeskartellamt prüfe die Kopplung der Vergabe von Tickets für die Fußball-EM 2016 in Frankreich an eine Mitgliedschaft im Fanclub Nationalmannschaft (Thüringer Allgemeine, 10.02.2016). Dieser Fall zeigt eine erhöhte Sensibilität der Kartellwächter gegenüber der eingeübten Praxis rechtlich fragwürdiger Kopplungsgeschäfte. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW) hat hingegen auf eine Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (Drucksache 17/4976) erklärt, aus Sicht der Landeskartellbehörde sei die von der FDP „zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.05.1987 - Az. KVR 4/86 nicht einschlägig“. Vorbemerkung der Landesregierung Das Bundeskartellamt hat gegen den Deutschen Fußball Bund (DFB) ein Kartellverwaltungsverfahren eingeleitet, weil dieser den Ticketerwerb für die Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft 2016 an eine kostenpflichtige Mitgliedschaft im Fan-Club Nationalmannschaft gekoppelt hat. Das Bundeskartellamt will diese Praxis wettbewerbsrechtlich überprüfen , weil eine derartige Kopplung einen Ausbeutungsmissbrauch darstellen könnte. Kopplungsverträge können missbräuchlich sein, wenn ein Unternehmen, das für das Kopplungsprodukt marktbeherrschend ist, mithilfe dieser Stellung den Wettbewerb auf dem Markt für das gekoppelte Produkt ausschaltet oder beschränkt. Die Hebelwirkung des Kopplungsvertrags hängt vom Grad der Marktmacht für das Kopplungsprodukt und von dessen Zusammenhang mit der Nachfrage nach dem gekoppelten Produkt ab. Wird eine Verdrängungswirkung der Kopplung bejaht , so kann die Vereinbarung gleichwohl gerechtfertigt werden. Ein Missbrauch kann zu verneinen sein, wenn die Güter sachlich sinnvoll in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen. Ob ein Sachzusammenhang vorliegt, bestimmt sich nicht aus Sicht der Vertragsparteien, sondern ist anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Er ist dann gegeben, wenn „überzeugende“ bzw. „zwingende“ Gründe für die Zusammenfassung der Leistungen sprechen. Das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8360 2 Auf die Vorbemerkungen der Landesregierung auf die Antworten der Kleinen Anfragen zur schriftlichen Beantwortung in den Drs. 17/1771 und 17/5235 und auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 3 der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Drs. 17/5235 wird verwiesen. 1. Wie viele Mitarbeiter (und davon Volljuristen) arbeiten in der niedersächsischen Landeskartellbehörde , und wie viele Vorgänge prüft die Behörde durchschnittlich im Jahr? Im Referat für Wettbewerb- und Energiekartellrecht, Landeskartellbehörde sind sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon zwei Volljuristen, beschäftigt. Die Tätigkeiten der Landeskartellbehörde bzw. des Referats sind vielschichtig und reichen von der Durchführung von Sektoruntersuchungen im Wesentlichen im Energiebereich über die Prüfung von Eingaben von Bürgern oder Unternehmen, der Durchführung von Bußgeld- und Kartellverwaltungsverfahren bis zur Anfertigung fachlicher Stellungnahmen. Darüber hinaus ist das Referat für die Betreuung von Gesetzesvorhaben , die einen wettbewerbsrechtlichen Bezug aufweisen, zuständig. Eine Erfassung der Fallzahlen wird nicht vorgenommen. 2. Wie kommt die Landeskartellbehörde zur dem Ergebnis, die in der Einleitung zitierte Entscheidung sei nicht einschlägig (bitte Prüfvermerk beifügen)? Zunächst ist klarzustellen, dass das in der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung des Abgeordneten Oetjen (FDP) vom 07.01.2016 (Drs. 17/4976) genannte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) das dortige Kopplungsgeschäft nicht per se für nichtig erklärt hat, vielmehr wurde das Kopplungsgeschäft „nur“ in bestimmter Höhe der Ticketverkäufe für nicht mehr gerechtfertigt gehalten und auch nur insoweit das Kopplungsgeschäft rechtmäßig untersagt. Siehe Vorbemerkung. 3. Das MW schreibt, dass Sicherheitsaspekte als „sachliche Rechtfertigung“ für eine Kopplung von Karten an die Anreise mit einem vorgegeben Verkehrsmittel ausreichten. Wäre die Kopplung also ohne begründeten Sicherheitsaspekt rechtswidrig? Im Fall der Ausgabe von Kombitickets für das Spiel im April 2014 fehlte es bereits an einer marktbeherrschenden Stellung des Unternehmens. Darüber hinaus lag das sogenannte Niedersächsische Modell nach Auffassung der Landeskartellbehörde auch nicht in Konflikt mit den wettbewerblichen Zielen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Es wurde weder Marktmacht auf dem eigenen Markt zur Behinderung von Wettbewerbern auf einem Drittmarkt ausgenutzt noch eine Verteuerung durch eine ungünstigere Preisstruktur geschaffen. In Anlehnung an die Kosten für eine Gruppenfahrt mit der Bahn wurde die Hin- und Rückfahrt mit dem Bus von dem Gastverein Hannover 96 für 8 Euro angeboten, die darüber hinaus gehenden Kosten wurden vom Verein subventioniert. Siehe Vorbemerkung. 4. Dem Kombiticket liegt eine Absprache zwischen Innenministerium, Vereinen und Polizei zugrunde. Für Fußballfans bleibt nur die Wahl zwischen dem Kauf oder Nichtkauf der Tickets. Klagen gegen die genannte Absprache vor dem Verwaltungsgericht sind nicht möglich. Für die Wahrung der Verbraucherinteressen hat die Landeskartellbehörde insofern eine besondere Sorgfaltspflicht. Hat die Landeskartellbehörde eine eigene Prüfung der sicherheitsbezogenen Argumente für die Partie zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 im April 2014 vorgenommen oder sich die Lagebeurteilung des Landesinnenministeriums zu eigen gemacht (bitte Prüfvermerk beifügen)? Die Landeskartellbehörde war mit der Angelegenheit weder im April 2014 befasst, noch bestand Veranlassung in der Zeit nach der bisher einmaligen Durchführung des sogenannten Niedersächsischen Modells ein Kartellverwaltungsverfahren zu eröffnen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8360 3 Siehe Antwort der Landesregierung auf Frage 3 der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Drs. 17/5235. Im Fall der Ausgabe von Kombitickets für das Spiel im April 2014 waren diverse Voraussetzungen für ein kartellbehördliches Einschreiten nicht gegeben, sodass eine vertiefte Prüfung allein der sachlichen Rechtfertigung durch sicherheitsbezogene Argumente entbehrlich war. Diverse andere Voraussetzungen waren ersichtlich nicht erfüllt. Siehe auch Vorbemerkung und Antwort auf Fragen 3 und 4 der Landesregierung zur Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung in der Drs. 17/1771. 5. Mit welcher Expertise wurden die Sicherheitsargumente des Innenministeriums geprüft ? Siehe Antwort auf Frage 4. 6. Wurde für die Prüfung externer Sachverstand eingeholt? Siehe Antwort auf Frage 5. 7. Ist die Landeskartellbehörde der Auffassung, ohne „Kombiticket“ hätte die Sicherheit beim Spiel zwischen Braunschweig und Hannover 96 seinerzeit nicht in dem Maße gewährleistet werden können, wie es mit „Kombiticket“ der Fall gewesen sein soll? Die Lagebeurteilung hinsichtlich der Gewährleistung der Sicherheit bei einem Fußballspiel ist grundsätzlich Aufgabe der jeweiligen Veranstalter und der Polizeibehörden und nicht etwa der Landeskartellbehörde . Eine originäre Einschätzung hinsichtlich polizeilicher Lagebeurteilungen und Einsatzauswertungen kann und muss daher nicht durch die Landeskartellbehörde erfolgen. Sollten sicherheitsrelevante Umstände in tatsächlicher Hinsicht ausnahmsweise für eine kartellrechtliche Beurteilung beachtlich sein, greift die Landeskartellbehörde grundsätzlich auf den vorhandenen Sachverstand bei den niedersächsischen Behörden zurück. Die Landeskartellbehörde unterzieht die ermittelten Tatsachen sodann der rechtlichen Beurteilung, soweit dies für ein etwaiges Kartellverwaltungsverfahren relevant ist. 8. Wenn ja, wie kommt die Landeskartellbehörde zu diesem Ergebnis? Soweit die kartellrechtliche Unbedenklichkeit des Kombitickets für das Spiel im April 2014 in der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung vom 07.01.2017 in der Drs. 17/5235 auch auf die sachliche Rechtfertigung durch Sicherheitsbedenken gestützt wurde, basierte die Einschätzung der Kombitickets als sicherheitsförderndes Modell auf den Auskünften des Ministeriums für Inneres und Sport, welche sich die Landeskartellbehörde insoweit zu eigen gemacht hat. Dass das „Niedersächsische Modell“ greift, die Sicherheitslage im Zusammenhang mit dem Fußballspiel im April 2014 zu entschärfen, ergibt sich auch aus einem Vergleich der eingeleiteten Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Fußballspiel im April 2014, wonach im Zusammenhang mit dem Hinspiel zwischen den genannten Vereinen im November 2013 insgesamt 272 Strafverfahren eingeleitet wurden, während im Zusammenhang mit dem Rückspiel im April 2014 lediglich zehn Strafverfahren eingeleitet wurden. Diese Korrelation lässt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Kausalität zwischen Sicherheitskonzept und polizeilich relevanten Vorfällen schließen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8360 4 9. Ist das Kombiticket bei „Risikospielen“ aus Sicht der Landeskartellbehörde grundsätzlich „geeignet, erforderlich und angemessen“ und kartellrechtliche Bedenken überlagernd ? Ob das sogenannte Kombiticket bei Risikospielen „geeignet, erforderlich und angemessen“ ist, hat die Landeskartellbehörde nicht zu entscheiden. Eine etwaige Entscheidung zugunsten der ausschließlichen Abgabe von Kombitickets trifft gegebenenfalls der jeweilige Veranstalter. Ob sogenannte Kombitickets kartellrechtlich bedenklich sind, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung der Tickets, der Marktmacht des Unternehmens und den weiteren Umständen des Einzelfalles ab. Pauschale Aussagen zur kartellrechtlichen Zulässigkeit oder Bedenklichkeit von Kopplungsangeboten verbieten sich. Die kartellrechtliche Prüfung einer bestimmten Geschäftspraxis bezieht sich stets auf den jeweiligen Einzelfall. Im Fall der Abgabe von Kombitickets für das Spiel im April 2014 bestanden keine kartellrechtlichen Bedenken. (Ausgegeben am 23.06.2017) Drucksache 17/8360 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8137 Kopplungsgeschäfte beim Erwerb von Eintrittskarten für Fußballspiele: Prüfverfahren der Landeskartellbehörde Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr