Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8365 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8133 - Stellen „Schäden der regelmäßigen Gänseäsungen“ die Zukunft der Grünlandnutzung infrage ? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung , eingegangen am 18.05.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 23.05.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 26.06.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Am 13. Mai 2017 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Niedersachsen eine Grünlandtagung in Leer veranstaltet, an der auch die Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Christian Meyer und Stefan Wenzel, teilgenommen haben (http://www.fraktion.gruene-niedersachsen.de/ service/detail-termin/gruenlandtagung-in-leer.html, Abrufdatum: 16.05.2017). Auf der Internetseite der Fraktion ist die Ankündigung der Veranstaltung mit folgender Frage überschrieben: „Was muss Politik leisten, um Grünlandnutzung aus Sicht der Landwirtschaft und des Naturschutzes zukunftsfähig zu erhalten?“ Weiter heißt es: „Mit der Bewirtschaftung von Grünland erhalten Weidetierhalterinnen und -halter in Niedersachsen einen großen Teil der Kulturlandschaft. Aber auch für den Tierschutz sowie für den Wasser-, Hochwasser-, Boden-, Arten- und Biotopschutz leisten sie einen wichtigen Beitrag. (…) Für Landwirtinnen und Landwirte in der Küstenregion stellen zudem die Schäden der regelmäßigen Gänseäsungen auf ihren Grünlandflächen eine zusätzliche Belastung dar.“ Vorbemerkung der Landesregierung Niedersachsen besitzt für zahlreiche hier überwinternde nordische Gänsearten eine internationale Verantwortung und damit einhergehend auch entsprechende Schutzverpflichtungen. Um letzteren gerecht zu werden, hat Niedersachsen insgesamt 16 EU-Vogelschutzgebiete mit einer Fläche von ca. 125 000 ha (hier: ohne EU-Vogelschutzgebiet Niedersächsisches Wattenmeer) gemeldet, in denen Gänsearten wertbestimmend sind. In den Hauptrastgebieten der nordischen Gänse bietet das Land Niedersachsen seit dem Jahr 2000 mit Unterstützung der Europäischen Union Agrarumweltmaßnahmen an. Diese verfolgen das naturschutzfachliche Ziel ruhige, störungsarme Äsungsflächen für die überwinternden Gänse zur Verfügung zu stellen. Landwirte, die sich an den Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel beteiligen, erhalten für eintretende Biomasseverluste und den entstehenden Mehraufwand in der Flächenbearbeitung einen finanziellen Ausgleich. Die Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel erfreuen sich großer Beliebtheit. Derzeit werden landesweit ca. 24 000 ha Acker- und Grünlandflächen mit Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gänse bewirtschaftet. Dafür wendet das Land Niedersachsen mit Unterstützung der EU derzeit einen Finanzbetrag von ca. 7 Mio. Euro auf. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8365 2 1. Ist es nach Auffassung der Landesregierung notwendig, das Problem der „Schäden der regelmäßigen Gänseäsungen“ zu lösen, um die Grünlandnutzung zukunftsfähig zu erhalten ? Der Erhalt des Grünlandes ist in vielerlei Hinsicht anzustreben. Dies gilt für extensiv bewirtschaftete Flächen ebenso wie für die traditionellen Grünlandstandorte im Norden bzw. Nordwestniedersachsens , die vornehmlich der Milcherzeugung dienen. Grünlandflächen sind nicht nur Produktionsgrundlage für bäuerliche Betriebe, sie fungieren auch als - wichtige CO2-Senke, - Habitate für Tier- und Pflanzenarten, - unverzichtbarer Wasser- und Erosionsschutz, - wertvoller Bestandteil des Landschaftsbildes und - Standort für die Produktion von hochwertigen Grundnahrungsmitteln wie Milch und Fleisch. Für die Zukunftsfähigkeit der Grünlandnutzung ist vor allem für die Bewirtschafter ein gutes Einkommen notwendig. Die Milchpreise, die im Grünland erreicht werden, sind bei weitem nicht kostendeckend . Niedersachsen hilft mit dem Weidemilchprogramm und diversen ELER-Prämien gezielt die Zukunftsfähigkeit einer umweltschonenden Grünlandbewirtschaftung zu sichern, kann aber Einkommensverluste durch die Milchkrise von teilweise mehr als 50 % nicht ausgleichen. Das Land bietet in den Hauptgebieten der Gänserast Agrarumweltmaßnahmen für „Nordische Gastvögel“ an. Diese dienen der Herstellung ruhiger störungsarmer Äsungsflächen. Die mit der Duldung der Gänse einhergehenden landwirtschaftlichen Einkommensverluste werden bei Teilnahme an den Agrarumweltmaßnahmen ausgeglichen. 2. Welche konkreten Lösungsansätze hat die Landesregierung derzeit für das Problem der „Schäden der regelmäßigen Gänseäsungen“, und wie werden diese Lösungsansätze umgesetzt? Das Land bietet in den Hauptgebieten der Gänserast, die gleichzeitig auch EU-Vogelschutzgebiete für diese Artengruppe darstellen, Agrarumweltmaßnahmen an. Sie zielen darauf ab, ruhige störungsarme Äsungsflächen herzustellen. Für die Duldung der nordischen Gänse auf ihren Flächen in der Zeit vom 01.11. bis 31.03. des darauffolgenden Jahres erhalten teilnehmende Landwirte einen finanziellen Ausgleich für auftretende Biomasseverluste und den Mehraufwand bei der Flächenbewirtschaftung . Derzeit werden ca. 24.000 ha Acker- und Grünlandflächen mit solchen Agrarumweltmaßnahmen bewirtschaftet. Dafür wendet das Land mit Unterstützung der Europäischen Union insgesamt ca. 7 Mio. Euro pro Jahr auf. Zusätzlich kommt in den Hauptgebieten der Gänserast das Rastspitzenmodell für Acker zur Anwendung , wenn auf betroffenen Ackerflächen durch Gänse verursachte Großschadensereignisse auftreten. Dabei tritt eine Expertenkommission zusammen, die den Schaden unmittelbar nach Meldung durch den Landwirt vor Ort aufnimmt. Zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt eine zweite Begehung um zu ermitteln, ob und in welchem Ausmaß sich die betroffenen Kulturen erholt haben. Auszahlungen für Gänsefraßschäden erfolgen, wenn ein Schwellenwert von 530 Euro pro ha überschritten wird. In diesem Schwellenwert enthalten sind bereits die Zahlungen aus den Agrarumweltmaßnahmen . In der Entwicklung befindet sich derzeit ein Rastspitzenmodell für den Grünlandbereich . Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz erarbeitet derzeit eine Billigkeitsrichtlinie für nordische Gastvögel, um bei besonders gravierenden Ertragsminderungen infolge von Rastspitzen Zahlungen aus dem Rastspitzenmodell rechtskonform gewährleisten zu können . Die Gänsejagd ist als Teil des Gänsemanagements zu betrachten und in dieses zu integrieren. Dabei sind die Interessen von Landwirtschaft, Naturschutz und Jagd gleichermaßen ernst zu nehmen, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8365 3 um Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen zu mindern, Rast- und Überwinterungsgebiete der nordischen Arten zu sichern und die Bejagung der heimisch brütenden Arten zu gewährleisten. Bislang werden Agrarumweltmaßnahmen für nordische Gastvögel ausschließlich in den Hauptgebieten der Gänserast (gleichzeitig EU-Vogelschutzgebiete) angeboten. Das Land hat daher im Rahmen des Gänsemanagements die Jagdzeiten so ausgerichtet, dass sie diesem Umstand Rechnung tragen. Die Bejagung wurde außerhalb von EU-Vogelschutzgebieten mit bedeutenden Vorkommen überwinternder Gänse so ausgeweitet, dass die hier brütenden Grau-, Kanada- und Nilgänse frühzeitig ab dem 1. August bis (unverändert) 15. Januar intensiv bejagt werden können. Ziel ist es, ein weiteres Anwachsen der Brutpopulationen zu verhindern. In EU- Vogelschutzgebieten, in denen nordische Gänsearten wie Ringel-, Weißwangen-, Saat-, Bläss-, oder Graugänse signifikant vorkommen und über Agrarumweltmaßnahmen Ausgleichszahlungen an Landwirte erfolgen, hat dagegen das Schutz- und Ruhebedürfnis der Gänse Vorrang. In diesen Gebieten mit weitgehender Jagdberuhigung sollen diese Arten keinen erhöhten Nahrungsbedarf durch ständiges Aufscheuchen erfahren. Mit der vom Landesgesetzgeber neu eingeführten Intervalljagd wird die Jagdintensität in diesen EU-Vogelschutzgebieten weiter differenziert: In der Zeit bis zum Eintreffen der nordischen Gänse, also bis zum 30. September, werden die vorkommenden Grau-, Kanada- und Nilgänse intensiv bejagt . Ab dem 1. Oktober werden durch Bildung von Teilräumen, in denen nur zu bestimmten Zeiten gejagt werden kann, parallel Ruhezonen geschaffen. Im 14-tägigen Turnus von Jagd- und Ruhezonen können diese Arten dann bis 30. November in den zur Jagd freigegebenen Teilräumen bejagt werden. 3. Ist es nach Auffassung der Landesregierung notwendig, dass sich die Landesregierung über die von Wildgänsen verursachten Schäden auf Grün- und Ackerland vor Ort auf den Flächen informiert, um einen Eindruck vom Ausmaß dieser Schäden zu bekommen und Maßnahmen zu entwickeln, um diese zukünftig zu verhindern? Regelmäßig haben sich Mitglieder der Landesregierung sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörden über die Schäden auf Gras- und Ackerland vor Ort informiert. Ferner hat das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz eine Neubewertung der Gänserast in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen der Gänserast auf landwirtschaftliche Kulturen zu ermitteln. Die Neubewertung der Gänserast bildet die Grundlage künftiger Zahlungen im Rahmen der Agarumweltmaßnahmen. 4. Haben sich die teilnehmenden Minister Meyer oder Wenzel im Rahmen der Grünlandtagung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die von Wildgänsen verursachten Schäden auf Grün- und Ackerland vor Ort auf den Flächen informiert, um einen Eindruck vom Ausmaß dieser Schäden zu bekommen und Maßnahmen zu entwickeln, um diese zukünftig zu verhindern, wenn ja, welcher Minister hat dies wann und wo getan? Die Grünlandtagung der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen fand öffentlich in Leer statt. Dort wurde mit betroffenen Landwirten, die auch schon von den Ministern vor Ort wegen auftretender Gänseschäden besucht worden waren, diskutiert. Im Rahmen des öffentlichen Programms der Grünlandtagung fand nach Kenntnis der Landesregierung kein Vor-Ort Besuch betroffener Flächen statt. 5. Haben sich die Minister Meyer oder Wenzel bei anderen Gelegenheiten über die von Wildgänsen verursachten Schäden auf Grün- und Ackerland vor Ort auf den Flächen informiert , um einen Eindruck vom Ausmaß dieser Schäden zu bekommen und Maßnahmen zu entwickeln, um diese zukünftig zu verhindern, wenn ja, welcher Minister hat dies wann und wo getan? Minister Meyer hat sich mehrfach vor Ort informiert und mit betroffenen Landwirten diskutiert. Herr Minister Wenzel hat am 18.11.2016 einen Hof in Jemgum (Landkreis Leer) besucht und dabei auch Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8365 4 Gänseäsungsflächen in Augenschein genommen. Frau Staatssekretärin Kottwitz hat am 13.04.2016 an einer Sitzung des auf Basis einer Landtagsentschließung eingerichteten Arbeitskreises Gänsemanagement in Hinte (Landkreis Aurich) teilgenommen. Diese Sitzung war ebenfalls mit einer Besichtigung von Gänseäsungsflächen verbunden. Weitere Besuche vor Ort zur Erörterung der Konflikte mit überwinternden Gänsen fanden durch Herrn Minister Wenzel bzw. Frau Staatssekretärin Kottwitz am 02.04.2014, am 09.04.2014 (Leer), am 21.05.2014 (Leer) und am 15.10.2014 (Hinte) statt. (Ausgegeben am 27.06.2017) Drucksache 17/8365 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8133 - Stellen „Schäden der regelmäßigen Gänseäsungen“ die Zukunft der Grünlandnutzung infra-ge? Anfrage der Abgeordneten Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz