Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8395 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8191 - Gesamtschule oder Gymnasium - Wie bewertet die Landesregierung die Schulsituation in Göttingen? Anfrage des Abgeordneten Kai Seefried (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 29.05.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 06.06.2017 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 30.06.2017, gezeichnet In Vertretung Erika Huxhold Vorbemerkung des Abgeordneten In der Stadt Göttingen gibt es neben den Gymnasien als weiterführenden allgemeinbildenden Schulen nur Gesamtschulen, da alle Haupt- und Realschulen auslaufen und keine Oberschule eingeführt wurde. In Drucksache 17/7350 Nr. 33 schreibt das Kultusministerium zum Thema „Aufnahmen von Schülerinnen und Schülern an Gesamtschulen ohne alternative Haupt-, Real- und Oberschulen“, die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in den Sekundarbereich I von Gesamtschulen könne „nur beschränkt werden, wenn im Gebiet des Schulträgers 1. eine Hauptschule, eine Realschule und ein Gymnasium oder 2. eine Oberschule und ein Gymnasium geführt werden.“ Weiter führt das Kultusministerium aus: „Wenn weder 1. eine Hauptschule, eine Realschule und ein Gymnasium noch 2. eine Oberschule und ein Gymnasium im Gebiet des Schulträgers geführt werden, ist eine Aufnahmebeschränkung nicht mehr gegeben und die Gesamtschule ist zur Aufnahme aller Schülerinnen und Schüler im Gebiet des Schulträgers verpflichtet.“ Tatsächlich aber waren zuletzt zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die nach der Grundschule den 5. Schuljahrgang einer Göttinger Gesamtschule besuchen wollten und abgelehnt wurden, darauf angewiesen, mangels Alternativen auf ein Gymnasium zu gehen - auch, wenn dies nicht die von ihnen ursprünglich gewünschte Schulform war. Wie die Tageszeitung taz am 21.03.2017 berichtete, sei erst im März 2017 im Göttinger Stadtrat eine neue Schulsatzung beschlossen worden, die vorsehe, dass „Kinder, die keinen Platz an eine[r] der städtischen Gesamtschulen bekommen, die neue IGS in Bovenden besuchen sollen“. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8395 2 Vorbemerkung der Landesregierung In § 106 Abs. 8 Satz 4 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) in der bis zum 31.07.2015 geltenden Fassung war die Ermächtigung verankert, dass das Kultusministerium per Verordnung Schulträger von der Pflicht befreien konnte, Hauptschulen, Realschulen oder Gymnasien zu führen, wenn diese Schulen aufgrund der Schülerzahlen neben einer Gesamtschule nicht in ausreichender Gliederung geführt werden konnten. Auf der Grundlage dieser Rechtslage hat die Stadt Göttingen mit Antrag vom 27.10.2014 die Errichtung einer dritten Gesamtschule im Stadtgebiet und damit die Genehmigung zum jahrgangsweisen Auslaufen der Haupt- und Realschulen in der Stadt Göttingen beantragt. Die Genehmigung dieser schulorganisatorischen Maßnahmen durch die Schulbehörde ist zum 01.08.2015 erfolgt. Die Befreiung von der Pflicht zum Führen von Haupt- und Realschulen in der Stadt Göttingen ist daher nicht nach § 106 Abs. 2 NSchG in der ab 01.08.2015 geltenden Fassung erfolgt. Vielmehr ist die Befreiung bereits nach § 106 Abs. 8 Satz 4 NSchG in der bis zum 31.07.2015 geltenden Fassung in Verbindung mit der „Verordnung über die Befreiung von Schulträgern einer Gesamtschule von der Pflicht zur Führung anderer Schulformen“ ausgesprochen worden. Da mit der Schulgesetznovellierung zum 01.08.2015 die o. g. Verordnung nicht aufgehoben wurde, blieben die bis dahin existierenden Befreiungen bestehen. An die Stelle der Befreiung durch die Verordnung ist die gesetzliche Regelung in der ab 01.08.2015 geltenden Fassung des § 106 Abs. 2 NSchG getreten. Mit dem Wegfall der Verordnungsermächtigung in § 106 Abs. 8 Satz 4 NSchG a. F. ist § 59 a Abs. 2 NSchG - Aufnahmebeschränkungen - textlich angepasst worden. 1. Wie viele Schülerinnen und Schüler, die sich in Göttingen für die Aufnahme im 5. Schuljahrgang einer IGS beworben haben, dort aber nicht aufgenommen wurden, haben sich seit dem Schuljahr 2013/2014 an einem Gymnasium der Stadt Göttingen angemeldet (bitte je Schuljahr und je Gymnasium einzeln aufführen)? Der Schulträger Stadt Göttingen legt für die Gesamtschulen und für die Gymnasien gestaffelte Anmeldetermine fest, wobei die Anmeldetermine zur Aufnahme an den Göttinger Gesamtschulen üblicherweise bis zu zwei Wochen vor den Anmeldeterminen für die Aufnahme an den Gymnasien liegen (in den Jahren bis 2014 auch vor denen der Realschulen und Hauptschulen). Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in der Stadt Göttingen, die an den städtischen Integrierten Gesamtschulen nicht aufgenommen werden, haben die Möglichkeit, sich an einem der städtischen Gymnasien anzumelden . Sofern sie sich dazu entschließen, tun sie dies gemeinsam mit all denjenigen Schülerinnen und Schülern, die von vorneherein einen Platz an einem Gymnasium begehren, zu dem später angesetzten, zweiten Anmeldetermin. Bei diesem Anmeldeverfahren werden seitens der Gymnasien keine Angaben von den Schülerinnen und Schülern eingeholt, ob diese zuvor von anderen Schulen abgelehnt worden seien. Daher können die Gymnasien keine systematische, etwa nach Schuljahren differenzierte Ermittlung der infrage stehenden Anzahl vorweisen. Die von vier Göttinger Gymnasien vorgelegten Angaben sind insoweit als grobe Schätzungen zu betrachten. Das Max-Planck-Gymnasium führt aus, dass eine Rekonstruktion grundsätzlich nicht möglich sei. Für den gesamten Zeitraum von 2013/14 bis 2017/18 (fünf Schuljahre) machen die Schulen folgende Angaben: THG Göttingen: weniger als zehn Schülerinnen und Schüler, OHG Göttingen: ca. 30 Schülerinnen und Schüler, FKG Göttingen: weniger als zehn Schülerinnen und Schüler, HG Göttingen: ca. 65 Schülerinnen und Schüler, MPG Göttingen: keine Angaben. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8395 3 2. Wie bewertet die Landesregierung die folgende Einschätzung der Schulsituation in Göttingen durch Göttinger Gymnasialschulleiter: „Tatsächlich, argumentieren die Gymnasien , hätten sie zuletzt immer mehr Jugendliche beschult, die das Abitur absehbar nicht erreichten. Leidtragende seien die Schüler selbst. Sie würden am Gymnasium überfordert und seien eigentlich in den auslaufenden Haupt- und Realschulen, in Oberschulen oder eben Gesamtschulen besser aufgehoben.“ (taz vom 21.03.2017)? Die Anzahl der unter 1. genannten Schülerinnen und Schüler bestätigt die angeführte Einschätzung der Schulsituation durch „Göttinger Gymnasialschulleiter“ nach Auffassung der Landesregierung nicht. Lediglich an einem Gymnasium wurden schätzungsweise durchschnittlich 13 Schülerinnen und Schüler pro Schuljahr aufgenommen, die von den Göttinger Gesamtschulen zuvor nicht aufgenommen worden waren. An allen anderen Göttinger Gymnasien wurden pro Schuljahr durchschnittlich geschätzt weniger als fünf dieser Schülerinnen und Schüler aufgenommen. Allen Schülerinnen und Schülern werden, u. a. durch die Nutzung der von der Landesregierung mit der Wiedereinführung des neunjährigen Bildungsgangs an Gymnasien und an den nach Schulzweigen gegliederten Kooperativen Gesamtschulen zusätzlich gewährten Förderstunden, Fördermaßnahmen angeboten. Hierzu können die Schulen auch sogenannte „Poolstunden“ verwenden, die ihnen durch den Klassenbildungserlass zur Verfügung stehen, sowie Stunden im Rahmen der Ganztagsangebote der Schulen. 3. Wie gewährleistet die Landesregierung vor diesem Hintergrund, a) dass jede Schülerin/jeder Schüler in Göttingen bestmöglich gefördert wird, auch rückwirkend die Schülerinnen und Schüler, die in der Vergangenheit bereits unfreiwillig an ein Gymnasium gehen mussten, b) dass Eltern in Göttingen eine tatsächliche Wahlfreiheit der wohnortnahen weiterführenden Schulform für ihr Kind besitzen, auch rückwirkend für Eltern von Schülerinnen und Schülern, die in der Vergangenheit bereits unfreiwillig an ein Gymnasium gehen mussten, c) dass die Gymnasien in Göttingen dem gymnasialen Anspruch gerecht werden? Zu Frage 3a): Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu Frage 3b): Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 NSchG haben die Erziehungsberechtigten die Wahl zwischen den Schulformen , die zur Verfügung stehen. Dies sind in der Stadt Göttingen seit dem 01.08.2015 die Schulformen Gesamtschule und Gymnasium; außerhalb der Stadt Göttingen im Landkreis Göttingen besteht ein Aufnahmeanspruch auf Schulen des gegliederten Schulwesens (§ 105 Abs. 1 Nr. 4 NSchG). Mit der Befreiung von der Pflicht zur Führung von Schulen des gegliederten Schulwesens konnte die Stadt Göttingen die Aufnahme an der Schulform Gesamtschule nicht mehr beschränken (§ 59a Abs. 2 NSchG a. F.). Die Vorschrift des § 59a Abs. 5 NSchG bleibt hiervon unberührt. Zu Details wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung und die Beantwortung der Fragen 1, 2 und 4 der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Aufnahmeverfahren an Göttinger Gesamtschulen “ in der Drucksache 17/7771 verwiesen. Die Rechtsauffassung der Landesregierung zur Aufnahmebeschränkung ist dem Schulträger in verschiedenen Schreiben und Gesprächen verdeutlicht worden. Zu Frage 3c): Nach Auffassung der Landesregierung werden die Göttinger Gymnasien ihrem gymnasialen Anspruch gerecht. Bezogen auf die Abiturprüfungen der letzten Jahre ist zudem festzustellen, dass in Göttingen regelmäßig Ergebnisse deutlich oberhalb des Landesdurchschnitts erzielt werden (z. B. 2015: GÖ: 2,41/ Land NI: 2,59; 2016: GÖ: 2,36/ Land NI: 2,59). Dies wird durch die Ergebnisse der Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8395 4 landesweiten Vergleichsarbeiten sowie durch die Erfahrungen der Schulaufsicht, z. B. bei der Wahrnehmung des Abiturvorsitzes durch Dezernentinnen und Dezernenten der Niedersächsischen Landesschulbehörde, gestützt. 4. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Entwicklung in Göttingen die Schulgesetzänderung, nach der die Gesamtschule ersetzende Schulform sein kann? Für die bis zum 31.07.2015 geltenden Fassung des NSchG geltende Rechtslage zur Frage der Befreiung nach § 106 Abs. 4 Satz 8 NSchG a. F. und der ab 01.08.2015 geltenden Fassung zur ersetzenden Schulform nach § 106 Abs. 2 Satz 2 NSchG wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Durch die „Verordnung über die Befreiung von Schulträgern einer Gesamtschule von der Pflicht zur Führung anderer Schulformen“ wurden nach alter Rechtslage bis zum 31.07.2015 insgesamt 28 Schulträger von der Pflicht zur Führung von Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen, zwölf weitere Schulträger von der Pflicht zur Führung von Realschulen und Hauptschulen und zwei weitere Schulträger von der Pflicht zur Führung von Hauptschulen befreit. Die Befreiung von der Pflicht zum Führen von Haupt- und Realschulen für die Stadt Göttingen war für die Landesregierung daher ein üblicher Vorgang auch vor Inkrafttreten der Schulgesetznovellierung zum 01.08.2015. Rechtlich hat sich durch die Neufassung des NSchG zum 01.08.2015 keine Veränderung für die Situation in der Stadt Göttingen ergeben. (Ausgegeben am 06.07.2017) Drucksache 17/8395 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8191 - Gesamtschule oder Gymnasium - Wie bewertet die Landesregierung die Schulsituation in Göttingen? Anfrage des Abgeordneten Kai Seefried (CDU) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums