Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8454 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8345 - Kerncurriculum für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung Sekundarbereich II Anfrage des Abgeordneten Ulf Thiele (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 15.06.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 21.06.2017 Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums namens der Landesregierung vom 12.07.2017, gezeichnet In Vertretung Erika Huxhold Vorbemerkung des Abgeordneten In einer durch das Kultusministerium herausgegebenen Präsentation zum Kerncurriculums für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung (GE), Sekundarbereich II, Schuljahrgänge 10 bis 12 werden u. a. vier verschiedene Varianten der Schullaufbahn für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung dargestellt. So bestehen demnach für die Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt GE folgende Möglichkeiten: – Klassen 1 bis 12 an der Förderschule GE, – Klassen 1 bis 9 Förderschule GE; dann ein Jahr BBS (BVJ), – Klassen 1 bis 9/10 inklusiv; dann Förderschule GE, – Klassen 1 bis 9/10 inklusiv; dann ein Jahr BBS (BVJ). Weiter wird in der Präsentation darauf hingewiesen, dass die Schulpflicht für alle Schulpflichtigen endet, die mindestens ein Jahr lang eine berufsbildende Schule (BBS) im Vollzeitunterricht besucht haben. Demnach wechseln Schülerinnen und Schüler, die sich für die Variante „Schuljahrgänge 1 bis 9 Förderschule, dann ein Jahr BBS (BVJ)“ entscheiden, von den Förderschulen GE im Alter von durchschnittlich 15 Jahren an eine BBS (BVJ). Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weise ich darauf hin, dass ich ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung meiner Fragen habe, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. 1. In welcher Form wird im Rahmen der Beschulung an BBS bzw. im BVJ Sorge für die Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt GE Sorge getragen, um zu gewährleisten , dass die Schülerinnen und Schüler die Schule erfolgreich abschließen? Ab Schuljahresbeginn 2018/2019 wird die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, die bis Klasse 9 oder 10 inklusiv beschult wurden, an berufsbildenden Schulen gesetzlich verpflichtend. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten ermöglichen es die berufsbildenden Schulen jedoch bereits seit mehreren Jahren, dass diese Schülerinnen und Schüler dort unterrichtet werden können. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8454 2 Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, die eine berufsbildende Schule besuchen möchten, werden dort in der Regel im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) beschult. Im BVJ ist eine Klassenbildung ab neun Schülerinnen und Schülern möglich, die durchschnittliche Klassengröße betrug in den letzten Jahren ca. zwölf Schülerinnen und Schüler. In den Klassen kann teilweise eine Doppelbesetzung, d. h. eine zweite Lehrkraft vorgehalten werden. Für Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung können darüber hinaus personenbezogen bis zu fünf Lehrerwochenstunden zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Alle Berufseinstiegsschulen (BVJ und Berufseinstiegsklassen [BEK]) verfügen außerdem über mindestens eine sozialpädagogische Fachkraft. Diese sozialpädagogischen Fachkräfte unterstützen die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte und wirken mit bei dem Bestreben, die Schülerinnen und Schüler nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 2. Wie wird der inklusive Unterricht dieser Schüler an den berufsbildenden Schulen sonderpädagogisch unterstützt? Die o. a. personenbezogenen zusätzlichen fünf Stunden werden von Lehrkräften gegeben, die über eine sonderpädagogische Qualifikation und/oder langjährige Erfahrungen im Bereich der Zusammenarbeit mit Werkstätten für behinderte Menschen verfügen. In der Regel handelt es sich dabei um Förderschullehrkräfte, die die Jugendlichen bereits im Rahmen der inklusiven Beschulung im Sekundarbereich I unterrichtet bzw. begleitet haben. 3. Ist eine Rückkehr an eine Förderschule GE für Schülerinnen und Schüler möglich, die weniger als ein Jahr eine berufsbildende Schule im Vollzeitunterricht besucht haben? a) Wenn ja, in welchen Jahrgang würden die Schülerinnen und Schüler an der Förderschule GE wieder eingeschult? Ja, eine Rückkehr an eine Förderschule im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ist für Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung möglich. Der zu besuchende Schuljahrgang richtet sich nach dem Schulbesuchsjahr der Schülerin bzw. des Schülers. Da es in Förderschulen im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung nicht unüblich ist, jahrgangsgemischte Klassen zu bilden, ist die Rückkehr der Schülerin bzw. des Schülers in solch eine jahrgangsgemischte Klasse möglich. b) Wenn nein, warum nicht? Entfällt. c) Welche weiteren schulischen Möglichkeiten ergeben sich für diese Schülerinnen und Schüler? Weitere schulische Möglichkeiten sind in § 69 Abs. 4 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) aufgezeigt: „1Schulpflichtige Jugendliche im Sekundarbereich II, die nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis stehen und in besonderem Maße auf sozialpädagogische Hilfe angewiesen sind, können ihre Schulpflicht durch den Besuch einer Jugendwerkstatt erfüllen, die auf eine Berufsausbildung oder eine berufliche Tätigkeit vorbereitet. 2In besonders begründeten Ausnahmefällen kann die Berufseinstiegsschule (§ 17 Abs. 3) auch die Erfüllung der Schulpflicht durch den Besuch einer anderen Einrichtung mit der in Satz 1 [Jugendwerkstatt] genannten Aufgabenstellung gestatten. 3Die Erfüllung der Schulpflicht erfolgt auf der Grundlage eines einzelfallbezogenen Förderplans, der von der Einrichtung nach Satz 1 oder 2 und der Berufseinstiegsschule (§ 17 Abs. 3) gemeinsam aufzustellen ist.“ Die in der Vorbemerkung des Fragestellers angeführte Präsentation des Kultusministeriums, in der vier verschiedene Möglichkeiten des Besuchs des Sekundarbereichs II bzw. der berufsbildenden Schule aufgezeigt sind, ist inhaltlich korrekt, kann aber darüber hinaus in der Weise ergänzt wer- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8454 3 den, dass Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, die eine Förderschule im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung besuchen, auf Antrag der Erziehungsberechtigten auch zu einem späteren Zeitpunkt als nach Klasse 9 diese Schule verlassen und auf eine berufsbildende Schule wechseln können. 4. Unter den in der Veranstaltungsdatenbank gebündelten Qualifizierungsangeboten für den schulischen Bildungsbereich in Niedersachsen werden Fortbildungsmodule zur Inklusion in der Sekundarstufe I angeboten. a) Ist geplant, hier auch Fortbildungsmodule zur Inklusion in der Sekundarstufe II anzubieten ? Die Vorbereitung und Begleitung der Lehrkräfte der allgemeinen Schulen bei der Inklusion ist eine Aufgabe, für die die Landesregierung große Anstrengungen unternimmt. Darum hat das Kultusministerium umfangreiche und differenzierte Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote initiiert und auf diese Weise viele tausend Lehrkräfte fort- und weitergebildet. Grundsätzlich ist die Umsetzung der inklusiven Schule eine Aufgabe, bei der alle Lehrkräfte gefragt sind. Das Ziel ist es, möglichst alle Lehrkräfte darin zu befähigen, Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf gemeinsam zu unterrichten. Für die berufsbildenden Schulen wurde landesweit die „Qualifizierungsoffensive Inklusive BBS“ konzipiert. Das Konzept dieser Qualifizierungsoffensive für Lehrkräfte gliedert sich in vier Aufgabenfelder : – Qualifizierung eines Expertenteams: Ein Expertenteam, bestehend aus 21 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren unterschiedlichster Professionen, wurde ab Herbst 2014 zusammengestellt, aus- und regelmäßig weitergebildet. Dieses Team ist für die Durchführung von entsprechenden Fortbildungen der Lehrkräfte bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der berufsbildenden Schulen zuständig. – Durchführung einer niedersachsenweiten Fortbildungsreihe: Mindestens zwei Personen je BBS werden qualifiziert, davon eine Person aus der Schulleitung. Bei 137 öffentlichen berufsbildenden Schulen werden somit ca. 270 Personen fortgebildet. Hierbei geht es nicht darum, diese Lehrkräfte bzw. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für einen inklusiven Unterrichtseinsatz zu qualifizieren , sondern darum, die Inklusion in der eigenen Schule zu organisieren. Diese Fortbildungen wurden bzw. werden im Zeitraum von 2016 bis 2017 durchgeführt. Ein erster vollständiger Durchgang, in dem alle berufsbildenden Schulen einbezogen waren, ist erfolgt. – Bedarfsorientierte Fortbildungsangebote: Es laufen derzeit die Vorbereitungen für Fortbildungsveranstaltungen , die zum Ziel haben, Lehrkräfte, die in inklusiven Klassen unterrichten, fachlich zu unterstützen. – Erstellung einer Handreichung: Die Handreichung „Handlungsoptionen für die inklusive berufsbildende Schule“ wurde entwickelt und wird noch in diesem Jahr den Schulen zur Verfügung gestellt. Die Fortbildungsbedarfe der allgemeinbildenden und der berufsbildenden Schulen sind sehr unterschiedlich . Lehrkräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der berufsbildenden Schulen haben langjährige Erfahrungen mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlichster sonderpädagogischer Förderschwerpunkte. Neu ist jedoch im Zuge der aufsteigenden Inklusion, dass berufsbildende Schulen nun zum ersten Mal oder verstärkt Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung unterrichten. Die „Qualifizierungsoffensive Inklusive BBS“ trägt diesem Umstand Rechnung. In die gymnasiale Oberstufe des Sekundarbereichs II der allgemeinbildenden Schulen werden keine Schülerinnen und Schüler, die zieldifferent unterrichtet werden (Förderschwerpunkte Lernen und geistige Entwicklung), aufgenommen. Somit gibt es - bezogen auf den Sekundarbereich II und die beiden genannten Förderschwerpunkte - keinen speziellen Fortbildungsbedarf bei den Lehrkräften des Sekundarbereichs II. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8454 4 b) Wenn ja, wo und ab wann? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 a verwiesen. c) Wenn nein, warum nicht? Entfällt. (Ausgegeben am 18.07.2017) Drucksache 17/8454 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8345 Kerncurriculum für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung Sekundarbereich II Anfrage des Abgeordneten Ulf Thiele (CDU) Antwort des Niedersächsischen Kultusministeriums