Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8484 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8328 - Wieso hat die Landesregierung bei der UVP-Pflicht beim Windpark Apensen ihre Meinung geändert? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Horst Kortlang und Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 14.06.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 19.06.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 13.07.2017, gezeichnet In Vertretung Almut Kottwitz Vorbemerkung der Abgeordneten Der Windpark Ruschwedel/Apensen/Hedendorf wurde im Jahr 2000 mit 21 Windenergieanlagen errichtet . Zu diesem Zeitpunkt existierten die 2001 beschlossenen Regelungen der §§ 3 a bis f des UVG noch nicht, sodass keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, was heute bei einem Windpark ab 20 Anlagen verpflichtend ist. Im Juni 2015 erteilte der zuständige Landkreis Stade die Genehmigung zur Erweiterung des Windparks um zwei weitere Anlagen. Der Landkreis lehnt eine UVP-Pflicht für den erweiterten Windpark mit dem Hinweis ab, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des Windparks keine UVP-Pflicht bestanden habe und die Umweltverträglichkeitsvorprüfung ergeben habe, dass keine UVP für eine Erweiterung des Windparks um zwei Anlagen erforderlich sei. Obwohl die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Weshalb musste beim Windpark in Apensen keine UVP durchgeführt werden?“ (Drs. 17/5047) der Abgeordneten Horst Kortlang, Dr. Gero Hocker und Christian Grascha antwortete: „Da zu den Anlagen bislang keine UVP durchgeführt worden ist und ihre Anzahl den 20er-Schwellenwert überschreitet , hätte nun erstmals eine UVP durchgeführt werden müssen, welche die Umweltauswirkungen der vorhandenen und der nunmehr hinzugetretenen Anlagen erfasst und bewertet“, wurden die Baumaßnahmen für die beiden Anlagen dennoch begonnen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Was macht die Landesregierung gegen die trotz Kenntnis einer UVP-Verpflichtung errichteten Windräder in Apensen?“ (Drs. 17/7953) antwortete die Landesregierung hingegen, dass ein Verzicht auf eine UVP vertretbar sei, obwohl sich „bei einer Gesamtschau der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen rechtliche Zweifel an der Entscheidung, keine UVP durchzuführen, aufdrängen“. Diese Antwort leistete die Landesregierung „nach nochmaliger intensiver Überprüfung der Sach- und Rechtslage, die in der Kürze der zur Beantwortung der damaligen Kleinen Anfrage (Drs. 17/5047) zur Verfügung stehenden Zeit nicht in jeglicher Hinsicht erschöpfend durchgeführt werden konnte“. Vorbemerkung der Landesregierung Zu der UVP-Pflicht des Windparks Apensen sind zwei Kleine Anfragen von der Landesregierung schriftlich beantwortet worden. In der Antwort auf die erste Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Weshalb musste beim Windpark in Apensen keine UVP durchgeführt werden?“ (Drucksache 17/5047) antwortete die Landesregierung: „Da zu den Anlagen bislang keine UVP durchgeführt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8484 2 worden ist und ihre Anzahl den 20er Schwellenwert überschreitet, hätte nun erstmals eine UVP durchgeführt werden müssen, welche die Umweltauswirkungen der vorhandenen und der nunmehr hinzugetretenen Anlagen erfasst und bewertet“. Diese Antwort gab - wie sich allerdings erst später herausstellte - nur eine rechtliche Meinung zu der hier vorliegenden Fragestellung wieder. Der der Kleinen Anfrage zugrundeliegende Sachverhalt wies insoweit eine Komplexität auf, als die 21 Bestandsanlagen des hier in Rede stehenden Windparks Apensen zu einem Zeitpunkt genehmigt wurden, zu dem die Frist für die Umsetzung der ersten UVP-Änderungsrichtlinie bereits abgelaufen, aber die Umsetzung in nationales Recht noch nicht erfolgt war. Insoweit wurden die 21 Anlagen keiner UVP unterzogen. Bei der Erweiterung des Windparks Apensen um zwei weitere Anlagen stellte sich für die Landesregierung die Frage, ob § 3 b Abs. 3 UVPG auf die vorliegende Konstellation analog Anwendung findet. § 3 b Abs. 3 UVPG regelt in seinem direkten Anwendungsbereich den Fall, dass die bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhaben durch die Änderungen oder Erweiterungen erstmalig UVP-pflichtig werden. Der Sinn und Zweck des § 3b Abs. 3 UVPG besteht darin, die bisher nicht UVP-pflichtigen Vorhaben einer UVP zu unterziehen, sobald sie die Schwellenwerte durch die Änderungen oder Erweiterungen erreichen. Eine vergleichbare Sachlage dürfte nach Ansicht der Landesregierung auch in der vorliegenden Fallkonstellation der Erweiterung des Windparks Apensen angenommen werden, weil die 21 Windkraftanlagen bislang keiner UVP unterzogen waren und der Schwellenwert für eine zwingende UVP überschritten wurde. Diese Auffassung lag der Beantwortung der Kleinen Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Weshalb musste beim Windpark in Apensen keine UVP durchgeführt werden?“ (Drucksache 17/5047) zugrunde. In der Folgezeit äußerte sich sowohl der Landkreis Stade in seiner Eigenschaft als Genehmigungsbehörde als auch der Vorhabenträger zu der Rechtsauffassung der Landesregierung. Die einschlägige Vorschrift für die Genehmigung der zwei Windenergieanlagen des Windparks Apensen sei § 3 e Abs. 1 Nr. 2 UVPG. Eine (analoge) Anwendbarkeit von § 3 b UVPG verbiete sich angesichts des klaren Wortlauts des § 3 e UVPG. Vor dem Hintergrund, dass eine einschlägige Rechtsprechung zu der hier in Rede stehenden Rechtsfrage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung durch den Landkreis Stade nicht vorlag und auch weiterhin nicht existierte und auch die Literatur das Rechtsproblem nicht aufgriff, erschien diese Rechtsauffassung insgesamt vertretbar, sodass die Entscheidung des Landkreises Stade, keine UVP für das Änderungsvorhaben durchzuführen, nicht weiter beanstandet wurde. Entsprechend wurde der Landtag in der zweiten Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung „Was macht die Landesregierung gegen die trotz Kenntnis einer UVP- Verpflichtung errichteten Windräder in Apensen?“ (Drucksache 17/8239) informiert. 1. Aus welchem Grund konnte die Sach- und Rechtslage bei der Beantwortung der ersten Kleinen Anfrage (Drs. 17/5047) nicht erschöpfend überprüft werden? Wie in der Vorbemerkung der Landesregierung angemerkt, zeichnet sich die vorliegende Sachverhaltskonstellation dadurch aus, dass die 21 Bestandsanlagen des hier in Rede stehenden Windparks Apensen zu einem Zeitpunkt genehmigt wurden, zu dem die Frist für die Umsetzung der ersten UVP-Änderungsrichtlinie bereits abgelaufen, aber die Umsetzung in nationales Recht noch nicht erfolgt war. Es ist naheliegend, dass der Gesetzgeber es unbewusst unterlassen hat, diese besondere, der Nichtbeachtung der Umsetzungsfrist der ersten UVP-Änderungsrichtlinie geschuldete Konstellation einer Regelung zuzuführen. Insofern mag man sich darüber streiten, welche Regelungen des UVPG auf den vorliegenden Spezialfall Anwendung finden. Da das vorliegende rechtliche Problem weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung behandelt wurde, bildete sich das Meinungsspektrum dazu erst im Laufe des Diskurses mit allen Beteiligten des Genehmigungsverfahrens . 2. Wird die Landesregierung hinsichtlich der in der Antwort auf die zweite kleine Anfrage (Drs. 17/7953) geäußerten Bedenken ob der Rechtslage eine Bundesratsinitiative initiieren , und wenn nein, warum nicht? Nach dem neuen Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung (das am 28.06.2017 vom Bundestag beschlossen und dem am 07.07.2017 vom Bundesrat zugestimmt wurde) wird die UVP-Pflicht für Änderungen der Altanlagen, bei deren Zulassung das UVPG noch Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8484 3 nicht in Kraft oder eine entsprechende UVP-Pflicht für Anlagen dieser Art noch nicht vorgesehen war, in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 geregelt. Insofern sieht die Landesregierung keine Veranlassung, eine Bundesratsinitiative zu initiieren. 3. Inwieweit ist die Entscheidung sicher rechtskonform, wenn sich der Landesregierung „bei einer Gesamtschau der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen rechtliche Zweifel an der Entscheidung, keine UVP durchzuführen, aufdrängen“? Rechtliche Zweifel geben Anlass zu einer näheren Überprüfung der Rechtslage, begründen aber keine Rechtsunkonformität. Wie in der Antwort auf die zweite Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung (Drucksache 17/8239) bereits angemerkt, erscheint das Verhalten des Landkreises Stade, das Änderungsvorhaben keiner UVP zu unterziehen, nach nochmaliger Überprüfung vertretbar . Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber mit dem neuen § 9 Abs. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung die Einbeziehung der Altanlagen in die Prüfpflicht nunmehr ausdrücklich regelt. Dieses Aktes hätte es nicht bedurft, wenn sich diese Verpflichtung zweifelsfrei aus der bisherigen Rechtslage ergeben hätte. 4. Welche Folgen hätte es für die Windräder, wenn deren Errichtung ohne UVP nicht rechtskonform wäre? Wenn festgestellt würde, dass die für das Vorhaben erteilte Genehmigung rechtswidrig ist, wäre unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls von der Genehmigungsbehörde zu prüfen, ob die Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes i. V. m. § 48 Absätze 1 und 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zurückgenommen werden soll beziehungsweise zurückgenommen werden muss. (Ausgegeben am 20.07.2017) Drucksache 17/8484 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8328 Wieso hat die Landesregierung bei der UVP-Pflicht beim Windpark Apensen ihre Meinung geändert? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Horst Kortlang und Christian Grascha (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz