Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8492 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8356 - Versalzung des Grundwassers in der Gemeinde Giesen: Mögliche Belastungen durch die Althalde aus der früheren Kaliproduktion Anfrage der Abgeordneten Ottmar von Holtz, Volker Bajus und Regina Asendorf (GRÜNE) an die Landesregierung, eingegangen am 21.06.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 23.06.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 20.07.2017, gezeichnet In Vertretung Dr. Frank Nägele Vorbemerkung der Abgeordneten In der Gemeinde Giesen wurde im Werk Siegfried-Giesen bis in die Mitte der 1980er-Jahre Kali gefördert . Rückstände aus der damaligen Produktion wurden aufgehaldet. Die Halde ist nicht abgedeckt . Das Werk Siegfried-Giesen gilt heute als Reservebergwerk. Aktuell läuft ein Planfeststellungsverfahren zur Wiederinbetriebnahme. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) weist auf dem NIBIS@Kartenserver (http://nibis.lbeg.de/cardomap3/?TH=HUEK200VERSALZ) westlich und östlich, im Nahbereich der Althalde, eine Grundwasserversalzung von mehr als 250 mg Chlorid pro Liter aus. Darüber hinaus wird an einer Messstelle am Bruchgraben zwischen B 6/Sarstedt und Ahrbergen in einer Tiefenstufe 1 (bis 20 m) ein Chloridgehalt von über 500 mg/l ausgewiesen. Gleiches gilt für eine Messstelle in den Giftener Teichen. Die gemessenen Werte sind höher als in vergleichbaren Arealen von Niedersachsen und liegen über dem relevanten Grenzwert für Trinkwassergewinnung (250 mg/l). Infrage steht nun, was die Ursachen der Salzbelastungen sind und inwiefern Auswaschungen aus der Halde dafür verantwortlich sein können. Die Verunreinigung von Grundwasserkörpern verstößt gegen das Verbesserungsgebot bzw. Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) und des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Ziel der EU-WRRL ist u. a. der Schutz des Grundwassers und der aquatischen Ökosysteme. Dazu gehören im Weiteren auch die mit diesen im direkten Zusammenhang stehenden Landökosysteme und Feuchtgebiete. Dabei sollen eine nachhaltige Wassernutzung auf der Grundlage eines langfristigen Schutzes der vorhandenen Ressourcen gefördert und ein stärkerer Schutz und Maßnahmen zur Verbesserung der aquatischen Umwelt umgesetzt werden. An vergleichbaren Halden an anderen Standorten wie beim K+S-Werk in Philippsthal oder in Hattdorf wurden zudem giftige Schwermetalle im Grundwasser nachgewiesen (http://hessenschau.de/ wirtschaft/giftige-schwermetalle-durch-ks-halde,ks-schwermetalle100.html). Damit stellt sich die Frage, ob eine ähnliche Situation auch in Giesen vorliegt. Vorbemerkung der Landesregierung Für die Wiederinbetriebnahme des Hartsalzwerks Siegfried-Giesen wird derzeit vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) ein Planfeststellungsverfahren einschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens wurde für Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8492 2 die Bestandsaufnahme des Grund- und Oberflächenwassers im Projektgebiet ein umfangreiches Monitoring durchgeführt. Der Bereich der Althalde befindet sich im Projektgebiet. Die Ergebnisse des Monitorings sind in der Planfeststellungsunterlage I-9 dokumentiert, abrufbar unter http://nibis.lbeg.de/LBEGVeroeffentlichungen/Planfeststellungsverfahren/SG/I/I-9%20Bericht %20zur%20Errichtung%20von%20Grundwassermessstellen/I-9%20Bericht%20Grundwassermess stellen%20-%20Anlagen/. Die gemessenen Werte können dort dem Bericht zu den Grundwassermessstellen der Fugro Consult GmbH, z.B. unter Anlage 13.1 für das Frühjahr 2013 entnommen werden. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Ursachen der Grundwasserversalzung im Umkreis der Althalde bei Giesen? Die Niederschlagswässer von Rückstandshalden der Kaliindustrie werden soweit wie möglich mit Haldenrandgräben gefasst und von dort kontrolliert abgeleitet. Da die älteren Rückstandshalden jedoch nicht über eine künstliche Basisabdichtung verfügen, ist bei diesen Halden ein teilweises Einsickern von Haldenwässern in den Untergrund möglich und findet auch statt. Im Bereich des Bergwerks Siegfried-Giesen wurde in Teilbereichen das Vorhandensein höher mineralisierter Grundwässer festgestellt, wobei Chlorid und Sulfat als Hauptparameter zu nennen sind. Die höchsten Mineralisationen sind im unmittelbaren nördlichen Grundwasserabstrom von Althalde und Werksgelände (Messstelle: GWM 14-fl) festzustellen, was auf eine Beeinflussung durch die Halde hinweist. Darüber hinausgehende Hinweise zur Versalzung des Grundwassers gibt eine Übersichtskarte, die das LBEG auf dem NIBIS-Kartenserver veröffentlicht hat. Diese Übersichtskarte zeigt im Bereich Sarstedt/Giesen mehrere Gebiete, in denen der untere Teil des Grundwasserleiters versalzt ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Grundwasser im Kontakt zu natürlichen Salzvorkommen im tieferen Untergrund vor allem Sulfat und Chlorid gelöst hat. Bei entsprechenden hydrogeologischen Bedingungen können diese versalzenen Wässer in die oberflächennahen Grundwasserleiter aufgedrungen sein. 2. In welcher Qualitätsstufe gemäß EU-WRRL ist das Grundwasser in der Gemeinde Giesen eingestuft? Innerhalb des Gemeindegebiets Giesen sind drei Grundwasserkörper (GWK) nach EG-WRRL ausgewiesen . Name der GWK sowie deren mengenmäßige und chemische Zustandsbewertung sind der unten stehenden Tabelle zu entnehmen. Der schlechte chemische Zustand des GWK „Innerste mesozoisches Festgestein links“ ist auf Belastungen durch den Parameter Cadmium zurückzuführen. Länderbezeichnung Name des GWK Mengenmäßiger Zustand Chemischer Zustand NI08_06 Leine mesozoisches Festgestein rechts 3 gut gut NI08_05 Innerste mesozoisches Festgestein links gut schlecht NI08_03 Innerste mesozoisches Festgestein rechts gut gut Quellen: – Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (2015): Niedersächsischer Beitrag zu den Bewirtschaftungsplänen 2015 bis 2021 der Flussgebiete Elbe, Weser, Ems und Rhein nach § 118 des Niedersächsischen Wassergesetztes bzw. nach Artikel 13 der EG-Wasserrahmenrichtlinie. – www. umweltkarten-niedersachsen.de 3. In welcher Form sind von wem und mit welchen Resultaten die Ursachen der Grundwasserversalzung bislang untersucht worden? Gibt es Gutachten, die dazu herangezogen werden können? Es wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8492 3 4. Welche Maßnahmen wurden bislang ergriffen, um eine nachteilige Veränderung des Grundwassers durch die Althalde zu vermeiden (§ 48 Abs. 2 Satz 1 WHG)? Welche Maßnahmen sind zukünftig geplant? Die von der Althalde ablaufenden Niederschlagswässer werden im Haldenrandgraben gesammelt und in zwei hintereinandergeschaltete Absetzbecken gepumpt. Der Abstoß des Haldenwassers in die Innerste erfolgt über eine Regelklappe, die über eine Leitfähigkeitsmessung unterhalb der Einleitstelle in die Innerste gesteuert wird. Zur Zwischenspeicherung und zur kontrollierten Einleitung in den Vorfluter stehen drei untereinander verbundene Tanks mit insgesamt 4 500 m3 Stapelvolumen zur Verfügung. Über ein Regelventil kann das zwischengestapelte Haldenwasser aus den Tanks wieder der Haldenwasserleitung zugeführt werden. Die Anlagen werden regelmäßig kontrolliert. Das Haldenwasser wird über eine Steinzeugrohrleitung in die Innerste eingeleitet. Die Überwachung und Pflege des Systems erfolgt kontinuierlich. Bezogen auf das Vorhaben der Wiederinbetriebnahme des Werkes Siegfried-Giesen sollen Sicherungsmaßnahmen an der Althalde ausgeführt werden. So soll u. a. die Althalde langfristig abgedeckt werden. Die Maßnahme soll bis Abschluss des Betriebes Siegfried-Giesen erfolgen. Die Abdeckung der Althalde ist nicht Gegenstand des laufenden Planfeststellungsverfahrens. Im Antrag hat die K+S AG eine zukünftige Abdeckung der Althalde als gegeben angenommen, um die Einleitung salzhaltiger Wässer zu verringern. Damit wäre die Haldenabdeckung in einem Planfeststellungsbeschluss verbindlich zu machen. 5. Wer trägt die Kosten für etwaige Maßnahmen? Die K+S AG ist als Bergbautreibende verantwortlich für die Althalde und somit verpflichtet, die im Zusammenhang mit der Althalde anfallenden Kosten zu tragen. 6. Wie sind der Haldenkörper und insbesondere seine Aufstandsfläche aufgebaut? Ist sichergestellt , dass dieser dauerhaft abgedichtet ist, bzw. welche Lebensdauer haben etwaige Schutzmaßnahmen? Unterhalb der Althalde befindet sich eine natürliche Basisabdichtung, die wie folgt aufgebaut ist: Lößlehm, teilweise über Hanglehm (Schluff, sandig, zum Teil tonig, steinig) und/oder Geschiebelehm (Schluff, tonig, sandig, kiesig), zusätzlich ist eine Bodenverdichtung durch Auflast und Kompaktierung erfolgt. Ein Hinweis auf eine künstliche Basisabdichtung unter dem Haldenkörper ist nach den bisherigen Recherchen nicht vorhanden und ist nach dem zum Zeitpunkt der Aufhaldung geltenden Stand der Technik auch nicht anzunehmen. Der Haldenkörper besteht aus Rückstandsalz , das sich im Laufe der Jahre stark verfestigt hat. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Kann ausgeschlossen werden, dass Sickerwasser aus der Halde in die Umgebung gelangt und in der Folge Böden und Gewässer belastet? Das von der Althalde abfließende Niederschlagswasser wird zum größten Teil in Haldenrandgräben aufgefangen und gemäß wasserrechtlicher Erlaubnis in die Innerste eingeleitet. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung und die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Wer trägt die Ewigkeitslasten für die Halde? Sogenannte Ewigkeitslasten können durch fortdauernde Nachsorgeverpflichtungen für Kontrollund Überwachungsmaßnahmen oder die umweltgerechte Beseitigung von Folgeerscheinungen einer früheren industriellen Tätigkeit entstehen. Ob und in welchem Umfang Nachsorgemaßnahmen betreffend die Althalde des Reservebergwerkes Siegfried-Giesen erforderlich sind, wäre bei endgültiger Stilllegung des Betriebes in einem Abschlussbetriebsplan zu beurteilen. Im Grundsatz gilt, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8492 4 dass Bergbauunternehmer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit für die Kosten einer erforderlichen Nachsorge einzustehen haben. 9. Wurden die Grundwässer im Einzugsbereich der Giesener Althalde auf Schwermetalle untersucht? Wenn ja, vom wem und mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum wurde das Grundwasser nicht auf Schwermetalle untersucht? Der Analysenumfang bei der Bestandsaufnahme des Grund- und Oberflächenwassers im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens (siehe Vorbemerkung) umfasste u. a. Ammonium, Eisen, Mangan, Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Lithium, Nickel, Quecksilber und Zink. Im Bereich des Bergwerks Siegfried-Giesen liegen die Schwermetallkonzentrationen meist unterhalb der Bestimmungsgrenzen bzw. unter den Geringfügigkeitsschwellen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA 2004). Leicht erhöhte Zinkgehalte treten in den Messstellen am Entenfang auf, im Bereich der ehemaligen Klärschlammdeponie. In der Innerste sind teilweise LAWA-Prüfwertüberschreitungen für Blei, Cadmium und Zink festgestellt worden, die aus der flussaufwärts liegenden Harzregion stammen. In den von der Althalde beeinflussten Messstellen (u. a. GWM 14-fl) konnten keine Hinweise auf erhöhte Schwermetallkonzentrationen, vergleichbar zu den Erfahrungen zur Werra in der Region Hessen/Thüringen, festgestellt werden. Darüber hinaus werden durch das landesweite Monitoring des Gewässerkundlichen Landesdienstes keine Messstellen beprobt, für die ein hydraulischer Zusammenhang mit der Althalde anzunehmen ist. 10. Soweit Schwermetalle gefunden wurden, welche Erkenntnisse liegen zu den Ursachen der Belastung vor, und welche Maßnahmen wurden bislang ergriffen, um die Belastung zu verringern, bzw. zu vermeiden? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 11. Welche Maßnahmen wurden in Bezug auf die Althalde in Giesen bisher ergriffen, um die Erfordernisse der EU-WRRL zu erfüllen? Wie werden diese überwacht? Welche Fortschritte wurden durch diese Maßnahmen erreicht? Alle Anforderungen und Auflagen der bestehenden wasserrechtlichen Erlaubnis vom 26. Juni 1995 werden eingehalten. In dieser ist u. a. auch die Art der Überwachung festgeschrieben. So erfolgt beispielsweise bezüglich der salzhaltigen Halden- und Schachtwässer eine behördliche Überwachung der Einleitung auf die Parameter chemischer Sauerstoff, Fischgiftigkeit und Chlorid. 12. Sollte es zu einer Wiederinbetriebnahme des Kali-Bergwerks kommen, wie können Neuaufhaldungen vermieden und Umweltfolgen vermindert werden? Mögliche Maßnahmen zur Vermeidung einer Neuhalde oder auch nur zu einer Reduzierung des aufzuhaldenden Rückstandsmaterials werden gegenwärtig vom LBEG im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens geprüft. Die Prüfung umfasst bergbauliche Verfahren, alternative Aufbereitungsverfahren sowie alternative Verwertungsverfahren und Entsorgungswege. (Ausgegeben am 24.07.2017) Drucksache 17/8492 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8356 Versalzung des Grundwassers in der Gemeinde Giesen: Mögliche Belastungen durch die Althalde aus der früheren Kaliproduktion Anfrage der Abgeordneten Ottmar von Holtz, Volker Bajus und Regina Asendorf (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr