Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8546 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8477 - Nachfragen Deponie Lüthorst Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 17.07.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 19.07.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 04.08.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten Zu der Beantwortung der Kleinen Anfrage zur mündlichen Beantwortung „Hat sich Umweltminister Wenzel in das Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der Deponie Lüthorst persönlich eingemischt ?“ (Drucksache 17/8300 Nr. 53) ergeben sich Nachfragen. 1. Welche Auswirkungen hätte eine Ablehnung der beantragten Deponieerweiterung für die Entsorgung der Aschen aus den betroffenen niedersächsischen Kraftwerken? Die Antragstellerin hat sich verpflichtet, jährlich ca. 250 000 t Kraftwerksrückstände abzunehmen und diese ordnungsgemäß und schadlos zu entsorgen. Hierzu nutzt die Antragstellerin u. a. ihre eigene Entsorgungsanlage Lüthorst (Deponie Lüthorst), auf der Teilmengen dieser Kraftwerksrückstände eingebaut worden sind und die inzwischen nahezu vollständig verfüllt worden ist. Die übrigen Mengen konnten in Einzelbauvorhaben überwiegend verwertet werden. Eine langfristige Bindung besteht hier aber naturgemäß nicht. Da die Verträge der Firma dem Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz nicht bekannt sind, sind Aussagen über die konkreten Auswirkungen der Entscheidung hinsichtlich der Deponieerweiterung nicht möglich. 2. Bis wann muss mit dem geplanten Deponieerweiterungsausbau begonnen werden, um mögliche Entsorgungsengpässe zu vermeiden? Da das verfügbare Deponievolumen in Lüthorst nahezu erschöpft ist, entsorgt die Antragstellerin bereits seit Ende des letzten Jahres die meisten für die Deponie Lüthorst bestimmten Mengen anderweitig . Diese Maßnahmen stehen aber nach Angaben der Antragstellerin nur zeitlich begrenzt zur Verfügung und sind nach Darstellung der Vorhabenträgerin auf Dauer wirtschaftlich nicht tragfähig . Nähere Erkenntnisse bezüglich der gestellten Frage liegen der Landesregierung nicht vor. 3. Wie hoch ist die Investition, und wie viele Arbeitsplätze hängen von der Verwirklichung der beantragten Deponieerweiterung ab? Für die Deponieerweiterung im beantragten Umfang ist mit Herstellungskosten von ca. 2,5 Millionen Euro und Rekultivierungskosten von ca. 1 Million Euro zu rechnen. Im laufenden Betrieb sind auf der Deponie drei Arbeitskräfte beschäftigt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8546 2 4. Welche entscheidungsrelevanten ungeklärten naturschutzrechtlichen Fragen haben sich nach Vorlage des vom zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig gefertigten Planfeststellungsbeschluss-Entwurfes im Rahmen der von Umweltminister Wenzel durchgeführten Prüfung im Einzelnen und konkret ergeben? Bei der Durchsicht des Entwurfes durch das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hatten sich naturschutzrechtliche Fragen hinsichtlich des Neuntöters ergeben, die vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig an die Antragstellerin herangetragen worden sind. Mit Schreiben vom 01.02.2017 hat die Antragstellerin gegenüber dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig noch einmal ergänzend zur Bedeutung des Neuntöters für die geplante Erweiterung der Deponie Lüthorst Stellung genommen. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig hat den Landkreis Northeim (untere Naturschutzbehörde) mit Schreiben vom 16.02.2017 um Stellungnahme bis zum 17.03.2017 gebeten, ob sich aus der ergänzenden Begründung der Antragstellerin vom 01.02.2017 entnehmen lässt, dass das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Artikels 4 Abs. 4 Satz 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie hinsichtlich des Neuntöters in tatsächlicher Hinsicht gewahrt bleibt. Mit fachaufsichtlicher Weisung des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz vom 08.05.2017 ist der Landkreis Northeim (untere Naturschutzbehörde) aufgefordert worden, ihm zu berichten, – ob sich der ergänzenden Begründung der Antragstellerin vom 01.02.2017 entnehmen lässt, dass das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Artikels 4 Abs. 4 Satz 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie hinsichtlich des Neuntöters in tatsächlicher Hinsicht gewahrt bleibt und wie diese Einschätzung fachlich begründet wird, – ob dem Landkreis Northeim die vom NABU Holzminden mit Datum vom 13.04.2017 erbetenen genaueren Fundorte des Neuntöters mit dem jeweiligen Tag der Sichtung inzwischen vorliegen und, wenn ja, ob diese Angaben über diejenigen hinausgehen, die das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig, wie dem Landkreis Northeim mit Schreiben vom 12.04.2017 mitgeteilt, bereits gewürdigt hat, – welche Gesichtspunkte, die sich nicht bereits aus den vorliegenden Antragsunterlagen und der ergänzenden Begründung der Antragstellerin vom 01.02.2017 ergeben, den neuerlichen Hinweisen des NABU Holzminden zu entnehmen sind. 5. Warum konnten diese ungeklärten naturschutzrechtlichen Fragen nicht unmittelbar und zeitnah durch das Umweltministerium als oberste Naturschutzbehörde geklärt werden? Ob sich aus der ergänzenden Begründung vom 01.02.2017 entnehmen lässt, dass das Beeinträchtigungs - und Störungsverbot des Artikels 4 Abs. 4 Satz 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie hinsichtlich des Neuntöters in tatsächlicher Hinsicht gewahrt bleibt, hat der Beurteilung der für die Überwachung dieser Vorschrift gesetzlich zuständigen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 und § 32 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG) unteren Naturschutzbehörde (Landkreis Northeim) oblegen . Angaben zum Vorliegen von Angaben des NABU Holzminden beim Landkreis Northeim haben ohnehin nur von dort erfolgen können. 6. Warum sind die durch das Umweltministerium aufgeworfenen ungeklärten Fragen nicht schon viel früher in dem seit Jahren laufenden Planfeststellungsverfahren bearbeitet und beantwortet worden? Das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat das Ziel verfolgt, dass der Landkreis Northeim seiner gesetzlichen Aufgabe als untere Naturschutzbehörde gerecht wird und eine entsprechende fachliche Stellungnahme abgibt. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8546 3 7. Hat das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig die üblicherweise vorgesehene Beteiligung der Naturschutzbehörden als Träger öffentlicher Belange in dem Verfahren bereits von sich aus ordnungsgemäß vorgenommen, und haben diese entsprechende fachliche Stellungnahmen zum Naturschutz abgegeben? Die Landkreise Northeim und Holzminden sind bereits bei dem am 30.01.2014 durchgeführten Scopingtermin als Behörden, deren Aufgabenbereiche von dem Vorhaben berührt werden, beteiligt worden. In dem folgenden im Januar 2015 eingeleiteten Planfeststellungsverfahren sind die Landkreise Holzminden und Northeim ebenfalls hinsichtlich der von ihnen zu vertretenden Belange beteiligt worden. Beide Behörden haben naturschutzfachliche Stellungnahmen abgegeben. 8. Sind entsprechende naturschutzrechtliche Einwände - wie sie sich aus der Befassung durch Umweltminister Wenzel als ungeklärte Fragen hinterher ergeben haben - bereits im Rahmen der vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung und des Erörterungstermins vorgebracht und behandelt worden? Es gab im Planfeststellungsverfahren unterschiedliche Auffassungen darüber, ob als wertgebende Arten bezüglich des EU-Vogelschutzgebiets nur die vom NLWKN (Fachbehörde für Naturschutz/ Staatliche Vogelschutzwarte) zum Stand 01.10.2014 als wertgebend veröffentlichten Arten zu berücksichtigen sind oder aber alle im Standarddatenbogen genannten Arten. Nach Auskunft des NLWKN vom November 2016 – liegt das Gebiet hinsichtlich des Neuntöters mit Blick auf die aktuellen Bestandszahlen von mindestens 225 Brutpaaren im landesweiten Vergleich der EU-Vogelschutzgebiete auf „Platz drei“, – ist davon auszugehen, dass - weil die vom Neuntöter besiedelten Habitate nach Art und Umfang schon 2007 vorhanden waren, das „Angebot“ an geeigneten Lebensräumen bzw. Landschaftselementen (Hecken, Gebüsch) damals wie heute recht ähnlich gewesen sein dürfte - ein vergleichbarer Bestand seit dem Zeitpunkt der Gebietsauswahl im Jahr 2007 vorhanden ist, und – wäre der Neuntöter dementsprechend zum damaligen Zeitpunkt auch als wertbestimmende Brutvogelart für das EU-Vogelschutzgebiet „Sollingvorland“ aufgeführt worden. Im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung sind die besten verfügbaren, d. h. auch die aktuellsten Erkenntnisse zugrunde zu legen. Da dies auch für die Prüfung der Frage gilt, ob bei der geplanten Erweiterung der Deponie Lüthorst das Beeinträchtigungs- und Störungsverbot des Artikels 4 Abs. 4 Satz 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie hinsichtlich des Neuntöters in tatsächlicher Hinsicht gewahrt bleibt, hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.02.2017 gegenüber dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig noch einmal ergänzend Stellung genommen. 9. Warum hat der Landkreis Northeim als untere Naturschutzbehörde die ungeklärten naturschutzrechtlichen Fragen nicht von sich aus thematisiert? Bezüglich einer rechtlichen Wertung im Zusammenhang mit dem EU-Vogelschutzgebiet hat der Landkreis Northeim auf die von ihm angenommene Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde verwiesen. 10. Was sind die näheren Gründe dafür, dass der Landkreis Northeim zweimal vom Umweltministerium fachaufsichtlich gewiesen werden musste, die erbetene Stellungnahme abzugeben? Mit fachaufsichtlicher Weisung des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz vom 08.05.2017 ist der Landkreis Northeim (untere Naturschutzbehörde) aufgefordert worden, ihm wie in der Antwort zu Frage 4 aufgeführt zu berichten. Die fachaufsichtliche Weisung vom 19.05.2017 hat die Aufforderung enthalten, dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig gegenüber bis zum 29.05.2017 die mit Schreiben vom 16.02.2017 erbetene Stellungnahme abzugeben. Beide Weisungen haben der Sicherstellung eines rechtmäßigen Verfahrensfortgangs gedient. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8546 4 11. Wie oft und in welcher Weise (Aufträge, Vorlagen, Besprechungen usw.) hat sich Umweltminister Wenzel persönlich mit dem Vorgang befasst? Der Minister hat sich im Zusammenhang mit der Deponie jeweils mehrfach mit Anliegen von Anliegern , mit Anliegen von weiteren Bürgerinnen und Bürgern, mit Anliegen von Abgeordneten, mit Anliegen der Antragstellerin bzw. ihres Rechtsvertreters und mit fachaufsichtlichen Fragen befasst. Dies erfolgte in Form von Schreiben, Gesprächen und Rücksprachen. 12. Gab es einen sachlich zwingenden Grund, den vom zuständigen Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig fertig erarbeiteten Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses im Umweltministerium hinsichtlich der avisierten Entscheidung noch einmal detailliert zu überprüfen? Das erhebliche Interesse an dieser Deponieerweiterung in der Öffentlichkeit und im parlamentarischen Raum, die Bedeutung dieser Deponie für die Entsorgung von Abfällen aus niedersächsischen Kraftwerken sowie die Inanspruchnahme einer Fläche, die in einem faktischen EU-Vogelschutzgebiet liegt, begründete die eingehende Befassung des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz mit dem Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses. 13. Welche inhaltlichen Änderungen hat der Planfeststellungsbeschluss durch die Befassung des Umweltministers erfahren? Aufgrund der durch das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz festgelegten Wertigkeit des Neuntöters und der daraufhin von der unteren Naturschutzbehörde letztlich abgegebenen Stellungnahme zur Wahrung des Beeinträchtigungs- und Störungsverbotes des Artikels 4 Abs. 4 Satz 1 der EU-Vogelschutzrichtlinie wird die Erweiterung im östlichen Bereich in das Vogelschutzgebiet hinein abgelehnt werden. Da sich hierdurch die Erweiterungsfläche erheblich verkleinert, kann das Vorhaben auch in der Höhe nicht wie beantragt umgesetzt werden. Im Ergebnis sieht der Planfeststellungsbeschluss nur noch eine Volumenerhöhung von etwa 550 000 m3 gegenüber den beantragten 2,4 Millionen m3 vor. 14. Wie beurteilt die Landesregierung die Frage möglicher Schadensersatzpflichten wegen der Verfahrensdauer? Die Frage möglicher Schadensersatzpflichten stellt sich für die Landesregierung nicht. (Ausgegeben am 09.08.2017) Drucksache 17/8546 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8477 Nachfragen Deponie Lüthorst Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Hermann Grupe und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz