Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8725 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8557 - Abholung von Akten im Landtag durch die Staatsanwaltschaft Hannover - ein normaler Vorgang ? Anfrage der Abgeordneten Grant Hendrik Tonne, Dr. Gabriele Andretta, Renate Geuter, Petra Emmerich-Kopatsch, Matthias Möhle, Ronald Schminke, Katrin Wahlmann und Gerd Will (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 08.08.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 14.08.2017 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 15.09.2017, gezeichnet Antje Niewisch-Lennartz Vorbemerkung der Abgeordneten Der Weser-Kurier schreibt in seiner Ausgabe vom 01.08.2017 unter den Überschriften „Regierungssprecherin im Fokus - Opposition fordert den Rauswurf von Anke Pörksen wegen Vergabe- Affäre“: „Bei den Vorgängen in der Staatskanzlei habe man einen Anfangsverdacht zwar ebenfalls geprüft, aber bisher noch nicht festgestellt, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge dem Weser- Kurier. ‚Sollten sich jetzt neue Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben, würden wir selbstverständlich auch hier Ermittlungen aufnehmen.‘ Ein erster Schritt ist jedenfalls getan: Am Nachmittag ließ die Behörde drei Aktenordner zum Thema Slogan bei der CDU-Fraktion abholen. (…)“ Bild Hannover führt in seiner Ausgabe vom 01.08.2017 unter der Überschrift „Staatssekretärin Pörksen - Ermittler prüfen Vergabe-Akten“ aus: „Die Staatsanwaltschaft, die bereits wegen Mauscheleien im Wirtschaftsministerium ermittelt, prüft nun auch die Vorgänge in der Staatskanzlei: Nach Bild-Informationen wurden gestern Akten sichergestellt.“ In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 02.08.2017 heißt es unter den Überschriften „Landesregierung gibt schwere Fehler bei Auftragsvergabe zu - Wirtschaftsminister Lies und Regierungssprecherin Pörksen sagen vor Untersuchungsausschuss aus/Staatsanwalt prüft weiteres Verfahren“: „Unter zusätzlichen Druck könnte die Staatssekretärin durch die hannoversche Staatsanwaltschaft kommen. Die prüft nach Worten ihres Sprechers Thomas Klinge, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet. ‚Wir haben von den Landtagsparteien Akten übermittelt bekommen, die wir jetzt durchsehen‘, sagte Klinge der HAZ.“ Am 30.06.2017 hatte NDR 1 auf der Homepage des NDR unter der Überschrift „Hat Weil umstrittene Auftragsvergabe gebilligt?“ noch ausgeführt: „Die Staatsanwaltschaft sieht in der Sache keinen Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten. Es gebe derzeit keinen Grund für weitere Ermittlungen gegen Staatssekretärin Pörksen noch gegen andere Mitarbeiter, so die Sprecherin.“ In der HAZ vom 04.07.2017 hieß es unter der Überschrift „Weil hält an Regierungssprecherin Pörksen fest“: „Schünemann erklärte: ‚Pörksens Entlassung ist zwingend.‘ Erneut forderte Schünemann die Staatsanwaltschaft auf, wegen wettbewerbswidriger Absprachen und Haushaltsuntreue zu ermitteln .“ NDR 1 berichtete ausweislich der Homepage des NDR am 19.07.2017 unter der Überschrift „Vergabe-Affäre: U-Ausschuss bekommt 135 Ordner“: „Die Kritik der Opposition zielt vor allem auf Weils Regierungssprecherin Anke Pörksen, die neben Lies beim Ausschuss-Auftakt als Zeugin Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8725 2 aussagen soll. In ihrem Fall sehe die Staatsanwaltschaft bislang aber keinen Anfangsverdacht, um Ermittlungen einzuleiten, sagte Sprecher Thomas Klinge am Mittwoch.“ 1. Von welchen „Landtagsparteien“ hat die Staatsanwaltschaft Hannover welche Akten wann erhalten? Die Staatsanwaltschaft erhielt am 31.07.2017 von der CDU-Fraktion des Landtags drei Leitz- Ordner sowie am 01.08.17 einen USB-Stick mit elektronischem Doppel der Ordner, der ebenfalls am 31.07.2017 ausgehändigt wurde, aber zunächst beim abholenden Zentralen Kriminaldienst Hannover verblieb. Diese Ordner und der USB-Stick enthielten nach Angaben der CDU-Fraktion sämtliches Aktenmaterial, das die Staatskanzlei im Zusammenhang mit dem Vergabevorgang „Niedersachsen-Claim“ an den 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss übergeben hatte, mit Ausnahme der als „vertraulich“ gekennzeichneten Bestandteile. 2. Auf welche Art und Weise und auf wessen Veranlassung hin fand die Übergabe der vorgenannten Akten statt? Hat eine Übermittlung der Akten durch die „Landtagsparteien “ stattgefunden, oder wurden die Akten durch „die Behörde“ abgeholt oder im Landtag sichergestellt? Vor dem Hintergrund, dass verschiedene Medien am 31.07.2017 über die Behauptung der CDU- Fraktion, Staatssekretärin Pörksen habe im Zusammenhang mit einer Vergabe manipulativ gehandelt , berichteten, hat sich der sachbearbeitende Dezernent der Staatsanwaltschaft Hannover in Absprache mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt am selben Tag an die CDU-Fraktion des Landtages gewandt und dort mit einem Fraktionsmitarbeiter gesprochen. Dieser teilte mit, dass sich die Behauptung auf der kursorischen Sichtung des Aktenmaterials gründe, welches die Staatskanzlei dem 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Vorbereitung der Sitzungen des Ausschusses übergeben habe. Der Fraktionsmitarbeiter bot an, dieses Aktenmaterial der Staatsanwaltschaft in Kopie und als elektronische Aufzeichnung zur Verfügung zu stellen, soweit es nicht als „vertraulich“ gekennzeichnet sei. Im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hannover hat der Zentrale Kriminaldienst Hannover am 31.07.2017 die drei Aktenordner und den USB-Stick von der CDU-Fraktion im Landtag abgeholt. Das Material wurde von der CDU-Fraktion freiwillig herausgegeben und durch die Polizei sichergestellt . Die Aktenordner wurden dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Hannover noch am selben Tag übergeben. Der USB-Stick verblieb zunächst absprachegemäß beim Zentralen Kriminaldienst Hannover, um eine Sicherheitskopie zu erstellen. Am 01.08.2017 wurde der USB-Stick aufgrund einer vorherigen telefonischen Verfügung persönlich an den zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Hannover übergeben, ohne dass zuvor eine Sicherheitskopie erstellt wurde. 3. Wer hat mit wem wann und wie Kontakt hinsichtlich der Übergabe der Akten gehabt, und welche inhaltlichen Aussagen wurden hierbei getroffen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Was war Auslöser des Bestrebens der Staatsanwaltschaft Hannover, die betreffenden Akten zu erhalten? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Auf welche Art und Weise beabsichtigte die Staatsanwaltschaft Hannover, der Gefahr einer selektiven, lückenhaften, manipulativen und politisch motivierten Zusammenstellung der durch „die Landtagsparteien“ zusammengestellten Akte zu begegnen und die Gewähr für eine vollständige Akte als Grundlage der Prüfung der Einleitung eines Er- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8725 3 mittlungsverfahrens zu erhalten? Wie verträgt sich grundsätzlich die Unschuldsvermutung mit der Übernahme eines Aktenbestandes, dessen inhaltliche Vollständigkeit ohne bewusste Auslassungen oder sinnenstellende Zusammenführungen nicht gewährleistet ist? Die Staatsanwaltschaft Hannover veranlasste nach Übergabe der Aktenordner durch die CDU- Fraktion die Beiziehung des Aktenmaterials direkt von der Staatskanzlei. Die Staatskanzlei sagte die Übergabe des Aktenmaterials am 01.08.2017 zu und übermittelte der Staatsanwaltschaft sodann das komplette Aktenmaterial, das sie dem Untersuchungsausschuss übersandt hatte. Ein Abgleich ergab nach erster Auswertung durch die damit beauftragten Polizeidienststellen, dass alle von der CDU-Fraktion übergebenen Unterlagen in dem Aktenmaterial der Staatskanzlei inhaltsgleich enthalten sind. Die weitere Auswertung erfolgt nunmehr anhand der durch die Staatskanzlei übergebenen Akten. 6. Hat die Staatsanwaltschaft Hannover den Weser-Kurier, die Bild-Zeitung sowie - einen Tag später - die HAZ über die Übernahme der Akten im Sinne der Zeitungsartikel informiert ? Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am 31.07.2017 auf entsprechende Anfragen gegenüber einer nicht mehr bekannten Anzahl von Journalisten bestätigt, dass ihr drei Bände Unterlagen bezüglich des Vergabe-Verfahrens um die Werbebotschaft „Niedersachsen. Klar.“ übergeben worden seien. Es lässt sich heute nicht mehr sicher nachvollziehen, an welche Pressevertreter im Einzelnen diese Auskünfte erteilt wurden. Die Anfragen der Journalisten waren an den Pressesprecher der Staatsanwaltschaft gerichtet, der zum Zeitpunkt des Eingangs (zumindest der ersten) Anfragen noch keine Kenntnis von einer Aktenübergabe hatte. Nachdem der Pressesprecher sich bei dem Dezernenten nach dem Sachstand erkundigt hatte, bestätigte er die Übergabe von Unterlagen, die auf einen Anfangsverdacht, insbesondere gemäß § 298 StGB geprüft werden sollten. Durch wen die Pressevertreter über die Vorgänge unterrichtet worden waren, ist nicht bekannt. 7. Aus welchen Gründen hat sich die in den vorgenannten Quellen dargestellte Auffassung der Staatsanwaltschaft Hannover, es gebe keinen Grund für weitere Ermittlungen gegen Staatssekretärin Pörksen (…), hin zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gewandelt? Bei der Staatsanwaltschaft Hannover wird kein Ermittlungsverfahren gegen Frau Staatssekretärin Pörksen und auch kein Verfahren zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen sie geführt. Der gesamte Sachverhalt rund um den hier thematisierten Vergabekomplex wird in einem allgemeinen Beobachtungsvorgang betreffend Vorermittlungen im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren der Staatskanzlei für den Werbeslogan „Niedersachsen.Klar“ untersucht. 8. Hat die Staatsanwaltschaft Hannover vor Erhalt der Akten den Landtagspräsidenten oder die Landtagsverwaltung, die Staatskanzlei und den 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Übernahme der Akten aus dem Landtag informiert und, wenn nein, warum nicht? Die Staatsanwaltschaft informierte die genannten Stellen nicht. Sie hat dazu berichtet, dass sie eine Information nicht für erforderlich hielt. Der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Hannover hat den Chef der Staatskanzlei am 01.08.2017 nachträglich telefonisch über das Vorgehen informiert. Die Staatskanzlei wäre bei einer vorhergehenden Information aber selbstverständlich sofort bereit gewesen, ihrerseits die Akten der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend hat die Staatskanzlei auch unmittelbar nach der Kontaktaufnahme durch die Staatsanwaltschaft Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8725 4 sowohl ihre eigenen Akten und den dazugehörenden Teilbericht übergeben als auch der Auswertung ihrer Akten durch die Staatsanwaltschaft zugestimmt. 9. Aus welchem Grunde hat die Staatsanwaltschaft Hannover die Akten nicht bei der aktenführenden Behörde - der Staatskanzlei -, bei der Landtagsverwaltung oder beim 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss angefordert? Aus den Presseveröffentlichungen über eine Auswertung interner Mails der Staatskanzlei ergaben sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft keine ausreichenden Hinweise, woher die Informationen der CDU-Fraktion stammten. Dies wollte die Staatsanwaltschaft zunächst aufklären. Wie unter Frage 8 ausgeführt, entscheidet die zuständige Staatsanwaltschaft im Rahmen des Legalitätsprinzips eigenverantwortlich über die Ermittlungsmaßnahmen. Die Landesregierung sieht deshalb von einer nachträglichen Bewertung ab. 10. Hat die Staatsanwaltschaft Hannover dem Justizministerium über die Übernahme der Akten berichtet und, wenn nein, warum nicht? Dem Justizministerium wurde hierüber erstmals am 01.08.2017 berichtet. 11. Aus welchem Grund erfolgte die Übernahme der Akten am Vortag der Aussage der Frau Staatssekretärin Pörksen vor dem 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Vergabevorgängen betreffend neben anderem den „Niedersachsen-Claim“? Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft besteht kein Zusammenhang zwischen der Übernahme der Akten und der Aussage von Frau Staatssekretärin Pörksen vor dem 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am Folgetag. 12. Hat eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Hannover die Aussage der Frau Staatssekretärin Pörksen vor dem 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss verfolgt, um mittels dieser Aussage die Prüfung eines Anfangsverdachtes im Abgleich mit den zuvor erhaltenen Akten voranzutreiben, und, wenn nein, warum nicht? Der Teilnahme einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts an den Sitzungen des 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bedarf es nicht. Über die Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses wird ein Wortprotokoll geführt. Die Landtagsverwaltung hat zugesagt, der Staatsanwaltschaft die Wortprotokolle der öffentlichen Aussagen aus den Sitzungen des 24. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Verfügung zu stellen. Eine entsprechende Anforderung wurde bereits am 02.08.2017 veranlasst. Der Untersuchungsausschuss hat in seiner 3. nicht öffentlichen Sitzung vom 16.08.2017 die Übersendung der Wortprotokolle nach Billigung der jeweiligen Niederschriften an die Staatsanwaltschaft Hannover beschlossen. (Ausgegeben am 18.09.2017) Drucksache 17/8725 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8557 Abholung von Akten im Landtag durch die Staatsanwaltschaft Hannover - ein normaler Vor-gang? Anfrage der Abgeordneten Grant Hendrik Tonne, Dr. Gabriele Andretta, Renate Geuter, Petra Emmerich-Kopatsch, Matthias Möhle, Ronald Schminke, Katrin Wahlmann und Gerd Will (SPD) Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums