Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8783 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8623 - Wie weit ist die Landesregierung bei der Einschränkung der Videoüberwachung gekommen ? Anfrage des Abgeordneten Horst Schiesgeries (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 22.08.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 24.08.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 27.09.2017, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung des Abgeordneten Der Koalitionsvertrag der Landesregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen kündigt zu Anfang der laufenden Wahlperiode auf Seite 17 die Einschränkung der von der Vorgängerregierung ausgeweiteten Videoüberwachung an. So sollten auch in Hannover laut Pressebericht polizeiliche Videoüberwachungskameras abgebaut werden. In Emden wurde jedoch auf dem „Neuen Markt“ inzwischen Videoüberwachung durch die Polizei eingeführt. Laut Emder Zeitung vom 28. Juli 2017 („Kameras zeigen Wirkung“) sei die Zahl der Körperverletzungen auf dem Neuen Markt dadurch spürbar zurückgegangen. Der Leiter des Emder Polizeikommissariats, Herr Arno Peper, sagte in der Emder Zeitung, dass sich die Situation durch die Kameras deutlich verbessert hat. Allein das Wissen und die Existenz der Kameras schreckten laut Peper viele Schläger ab. Die Bundespolizei hat kürzlich im hannoverschen Hauptbahnhof 150 neue digitale Überwachungskameras in Betrieb genommen. 1. Was hat die Landesregierung seit Amtsantritt veranlasst, um die Videoüberwachung in Niedersachsen einzuschränken? Die Landesregierung ist ressortübergreifend mit der Videoüberwachung des öffentlichen Raums befasst und bewertet diese fortlaufend auf Grundlage der durch die Rechtsprechung und durch die allgemeine Sicherheitslage gesetzten Rahmenbedingungen. Gemäß § 32 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) dürfen die Verwaltungsbehörden und die Polizei öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung offen beobachten, wenn dieses zur Erfüllung von Aufgaben nach § 1 Nds. SOG erforderlich ist. Die Befugnis zur Aufzeichnung setzt nach § 32 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 1 und 2 Nds. SOG voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an den beobachteten Orten oder deren unmittelbarer Umgebung künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten nach § 224 des Strafgesetzbuchs (StGB) begangen werden oder, soweit Bilder an behördlichen Einrichtungen oder anderen besonders gefährdeten Einrichtungen aufgenommen werden und tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art terroristische Straftaten begangenen werden sollen. Die Verwaltungs- und Polizeibehörden überprüfen fortlaufend die bestehenden Videoüberwachungsanlagen hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen unter besonderer Beachtung des Datenschutzes . Als Ergebnis dieser fortlaufenden Überprüfungen ist festzustellen, dass die polizeiliche Videoüberwachung des öffentlichen Raums ein geeignetes Mittel zur Unterstützung der Gefahrenabwehr und auch zur Aufklärung von bereits erfolgten Straftaten darstellt. Dennoch gilt, dass ei- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8783 2 ne flächendeckende Überwachung durch eine Vielzahl von Kameras nicht erforderlich ist, sondern eine sorgfältige, am geltenden Recht und der aktuellen Lage ausgerichtete Auswahl der Kamerastandorte zu erfolgen hat. Der Einsatz polizeilicher Videoüberwachung orientiert sich an Kriminalitätsschwerpunkten und im Hinblick auf Veranstaltungslagen an einem Einsatz (temporärer) mobiler Videoüberwachung, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit dem Veranstalter. Die präventive Videoüberwachung erfolgt offen. Zur Stärkung der Bürgerrechte und Transparenz hat die Landesregierung ein öffentlich einsehbares „Anlagenkataster“ eingeführt, welches in den Internetpräsenzen des Ministeriums für Inneres und Sport und der Polizei Niedersachsen einsehbar ist. Im Übrigen wird auf den von der Landesregierung eingebrachten, jedoch noch nicht abschließend beratenen Gesetzentwurf zur Novellierung des Nds. SOG - Drs. 17/6232 - verwiesen. Eine weitere Befassung der Landesregierung erfolgt im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr hinsichtlich der Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf der Straße sowie im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Der öffentliche Personennahverkehr auf Straße und Schiene hat in den letzten Jahren eine positive Entwicklung genommen . Die Fahrgastzahlen sind gestiegen, nicht zuletzt weil die Fahrgäste neben der Verlässlichkeit vor allem auch die Sicherheit des ÖPNV und des SPNV schätzen. Um die objektive und subjektive Sicherheit der Fahrgäste bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu erhöhen, wurden in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen. Da aufgrund der Weitläufigkeit der Verkehrswege allein durch die Kontroll- und Streifentätigkeit der Polizei bzw. den Sicherheitsdienst der Verkehrsbetriebe eine Präsenz im Bereich des ÖPNV nicht immer gewährleistet werden kann, leistet die Videoüberwachung und -aufzeichnung einen wertvollen ergänzenden Beitrag, um Vandalismusschäden sowie Gewaltdelikten gegen das Fahrpersonal und die Fahrgäste vorzubeugen. Soweit diese Taten im Vorfeld nicht verhindert werden können, soll Videoüberwachung die Identifizierung unbekannter Täterinnen und Täter ermöglichen. Im Bereich der Anlagen und Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes ist der Einsatz dieser Technik bereits heute durch das Bundespolizeigesetz legitimiert (§ 27 BPolG). Der Einsatz von Videoüberwachung in Fahrzeugen des Öffentlichen Personennahverkehrs erfolgt auf Betreiben der durchführenden Verkehrsunternehmen bzw. durch Vorgaben der ÖPNV-/SPNV-Aufgabenträger. Dabei kommt in Niedersachsen das sogenannte Black-Box-Verfahren zur Anwendung, das erst jüngst Gegenstand einer bestätigenden Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 07.09.2017, Az. 11 LC 59/16) im Hinblick auf Datenschutzbelange war. Bei diesem Verfahren werden die Videobilder aufgezeichnet und gespeichert, aber nach einem kurzen Zeitraum automatisch durch Überschreiben wieder gelöscht. Nur im Bedarfsfall, z. B. auf Anforderung der Polizei, werden die Daten ausgelesen. Für die Nahverkehrszüge obliegt die konkrete Entscheidung diesbezüglich dabei originär den für den SPNV zuständigen drei Aufgabenträgern (Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen mbH [LNVG], Region Hannover und Regionalverband Großraum Braunschweig). In Abstimmung mit MW und entsprechend der Zielvorgabe des Verkehrsministers wird die im Eigentum des Landes stehende LNVG, die den überwiegenden Teil des SPNV in Niedersachsen bestellt, künftig bei allen Ausschreibungen eine entsprechende Ausstattung der SPNV-Fahrzeuge mit entsprechender Videotechnik verbindlich fordern und vertraglich vorgeben. Für diese Verpflichtung der Verkehrsunternehmen zur Ausrüstung der Fahrzeuge mit Videotechnik bedarf es keiner Änderung rechtlicher Grundlagen. Zusätzlich werden die im Eigentum der LNVG stehenden SPNV-Fahrzeuge im sogenannten Fahrzeugpool, die auf vielen Strecken den SPNV-Betreibern beigestellt werden, soweit noch nicht erfolgt, in den nächsten Jahren bis 2025 schrittweise im Rahmen von Modernisierungen mit Videoaufzeichnungstechnik ertüchtigt. 2. Wie viele von der niedersächsischen Landespolizei betriebene Kameras wurden seit Februar 2013 abgebaut und wie viele wurden aufgebaut? Seit Februar 2013 sind in Niedersachsen keine der durch die Polizei betriebenen Videoanlagen deinstalliert worden. Allerdings werden in der Polizeidirektion (PD) Hannover auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgericht Hannover von den vorhandenen 78 Kameras aktuell Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8783 3 nur 23 dauerhaft betrieben, können anlassbezogen aber vollumfänglich genutzt werden. Zudem ist eine bestehende Anlage (Kamera „Hermesturm“) wegen datenschutzrechtlicher Vorgaben temporär abgedeckt und somit außer Betrieb gesetzt. Im Hinblick auf die Kameras zur Verkehrsüberwachung bestehen in der PD Hannover Bestrebungen, diese zur Verkehrslenkung an die Landeshauptstadt Hannover abzugeben. Im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Osnabrück sind durch die Stadt Emden in enger fachlicher Begleitung durch die Polizei zwei Kameraanlagen im Stadtgebiet mit Aufschaltung zur örtlichen Polizeiwache nach Durchführung eines Probebetriebs fest installiert worden. Hinsichtlich der durch die Kommunen betriebenen Videoüberwachung wird auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen („Videoüberwachung in Niedersachsen“, Drs. 17/2144) aus dem Jahr 2014 verwiesen. An der festgestellt zurückhaltenden Praxis der Kommunen zum Einsatz der Videotechnik zur Überwachung des öffentlichen Raums haben sich grundsätzlich keine Änderungen ergeben. 3. Wie viele Kameras der von der niedersächsischen Polizei betriebenen Videoüberwachung wurden seit 2013 digitalisiert und/oder modernisiert? Die technischen Parameter einer zeitgemäßen Videoanlage sind definiert und werden durch die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen als fachlich beratende Instanz oder direktem Betreiber der Videoanlagen berücksichtigt. Hierbei sind Bildqualität (HD), Lichtempfindlichkeiten und Brennweite von entscheidender Bedeutung. Aber gerade auch die Übertragungswege und Leitungskapazitäten sind von hoher Wichtigkeit und auch vor dem Hintergrund der IT-Sicherheit zu beachten. Die Erhebung und Bewertung der technischen Rahmenbedingungen und zukünftigen Bedarfe orientiert an der bereits angesprochenen Sicherheitslage, ist aktuell Gegenstand einer umfassenden Betrachtung und wird unter Einbeziehung taktischer und rechtlicher Grundlagen unter Federführung des Referats für Einsatz und Verkehr des Ministeriums für Inneres und Sport bearbeitet. 2015 sind die analogen Systeme der mobilen Videoüberwachung vollumfänglich auf einen digitalen Standard umgerüstet worden, sodass die Polizei Niedersachsen über zwölf moderne Systeme verfügt , die anlassbezogen für Veranstaltungslagen (z. B. Musikfestivals, Volksfeste) unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen (§ 32 Abs. 1 Nds. SOG) durch die einsatzführenden Behörden abgefordert und eingesetzt werden. Gleichfalls wurden zwei moderne Videofahrzeuge angeschafft und die Kameratechnik der Polizeihubschrauberstaffel modernisiert. Seit 2013 sind darüber hinaus zwei stationäre polizeilich betriebene Videoüberwachungssysteme im Wege der Ersatzbeschaffung modernisiert worden. (Ausgegeben am 28.09.2017) Drucksache 17/8783 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8623 Wie weit ist die Landesregierung bei der Einschränkung der Videoüberwachung gekommen? Anfrage des Abgeordneten Horst Schiesgeries (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport