Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8786 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8691 - Situation von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) Anfrage der Abgeordneten Reinhold Hilbers und Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung , eingegangen am 07.09.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 12.09.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung namens der Landesregierung vom 28.09.2017, gezeichnet Cornelia Rundt Vorbemerkung der Abgeordneten Junge Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler (EMAH) stehen mit Erreichen des 18. Lebensjahrs vor einer Schwellensituation mit vielen kritischen Herausforderungen. Kinderkardiologen beklagen, dass viele EMAH-Patienten mit dem Erreichen der Volljährigkeit eine Weiterbehandlung ihres Herzfehlers bei einem EMAH-zertifizierten Kinderkardiologen bzw. Kardiologen nicht mehr fortführen - was lebensbedrohliche Folgen für ihre Gesundheit haben kann. Die Mediziner führen diesen Abbruch auf veränderte Lebensumstände bei den Patienten, aber auch auf bürokratische Hürden in abrechnungstechnischer Hinsicht zurück. So haben Kinderkardiologen - auch wenn sie EMAH-zertifiziert sind - keinen grundsätzlichen Anspruch auf eine Weiterbetreuung ihrer gesetzlich versicherten Patienten ab dem 18. Geburtstag. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Es ist auch im Interesse der Landesregierung, dass junge Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler bestmöglich medizinisch versorgt werden. Die berufsrechtlichen Regelungen für Ärztinnen und Ärzte sehen jedoch entsprechende Abgrenzungen vor, von welchen Ärztinnen und Ärzten welche Leistungen erbracht werden dürfen. Des Weiteren obliegt es den Partnern der Selbstverwaltung und dem Bundesgesetzgeber zu regeln, welche ärztlichen Leistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden können. 1. Wie groß ist die Gruppe der in Niedersachsen lebenden Menschen, die einen angeborenen Herzfehler haben? Bitte nach Alter und Geschlecht darstellen. Falls es hierfür kein Datenmaterial gibt, wie groß ist die Gruppe dieser Menschen ungefähr (Schätzung ), und hält die Landesregierung eine anonymisierte Datenerhebung für sinnvoll? Daten zu Personen, die mit angeborenen Fehlbildungen des Herzens leben, liegen im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung in Niedersachsen nicht vor. Im Durchschnitt kommt nach Angaben des „Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler“ (www.kompetenznetz-ahf.de) ungefähr eins von Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8786 2 100 Neugeborenen mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt; dies sind in Deutschland etwa 6 000 Kinder pro Jahr. Insgesamt leben nach den Angaben in Deutschland 200 000 bis 300 000 Menschen mit einer solchen Fehlbildung. Für Niedersachsen kann davon jeweils ein Zehntel geschätzt werden, demnach 20 000 bis 30 000 Betroffene. Aus der Krankenhausdiagnosestatistik lässt sich ableiten, dass in niedersächsischen Krankenhäusern im Jahr 2016 insgesamt 1 359 Patientinnen und Patienten (709 Männer und 650 Frauen) wegen eines angeborenen Herzfehlers (ICD-10, Q 20-26 nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) behandelt wurden. Anders als bei der epidemiologischen Krebsregistrierung könnte aus einer routinemäßigen anonymisierten Datenerhebung nicht z. B. auf eine Ursache bzw. Präventionsmöglichkeiten rückgeschlossen werden. Daher wird eine solche Datenerhebung nicht für sinnvoll gehalten. 2. Wie viele Kardiologinnen und Kardiologen sind in Niedersachsen niedergelassen (bitte differenziert nach Kardiologinnen und Kardiologen für Kinder und Erwachsene und nach Planungsbereichen darstellen)? Laut Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) sind in Niedersachsen im vertragsärztlichen Bereich derzeit 316 Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie und 14 Fachärztinnen und Fachärzte für Kinderheilkunde mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie tätig. Die Fachärztinnen und Fachärzte verteilen sich wie folgt auf die Planungsbereiche: Planungsbereich (Raumordnungsregion) Anzahl Kardiologinnen und Kardiologen Braunschweig 45 Bremen-Umland 15 Bremerhaven 3 Emsland 13 Göttingen 21 Hamburg-Umland-Süd 19 Hannover 56 Hildesheim 20 Lüneburg 17 Oldenburg 26 Osnabrück 43 Ost-Friesland 27 Südheide 11 Gesamt 316 Für die Kinderkardiologen ergibt sich folgende Verteilung auf die Planungsbereiche: Landkreis Kinderkardiologinnen und-kardiologen Braunschweig 1 Delmenhorst 1 Diepholz 1 Göttingen 1 Hannover (ehem. LK) 1 Hannover-Stadt 1 Hildesheim 2 Oldenburg (Oldenburg) 2 Osnabrück 1 Stade 1 Wilhelmshaven 1 Wittmund 1 Gesamt 14 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8786 3 3. Wie ist die Altersstruktur dieser Fachärztinnen und Fachärzte, und wie sieht die Nachbesetzung der Praxen bzw. Stellen durch Altersfluktuation für die kommenden zehn Jahre nach dem heutigen Sachstand aus (bitte ebenfalls differenziert nach Kardiologinnen und Kardiologen für Kinder und Erwachsene und nach Planungsbereichen darstellen )? Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen stellt sich die Altersstruktur der Fachärztinnen und Fachärzte wie folgt dar: Für Niedersachsen insgesamt: Niedersachsen Anzahl Ärztinnen und Ärzte Prozentualer Anteil 30 - 39 Jahre 5 1,6 % 40 - 49 Jahre 89 28,8 % 50 - 59 Jahre 164 51,9 % 60 - 69 Jahre 56 17,7 % über 70 Jahre 2 0,6 % In Bezug auf die einzelnen Planungsbereiche: ROR Braunschweig - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 1 40 - 49 Jahre 8 50 - 59 Jahre 25 60 - 69 Jahre 10 über 70 Jahre 1 ROR Bremen-Umland - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 5 50 - 59 Jahre 6 60 - 69 Jahre 4 über 70 Jahre 0 ROR Bremerhaven - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 0 50 - 59 Jahre 1 60 - 69 Jahre 2 über 70 Jahre 0 ROR Emsland - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 3 50 - 59 Jahre 8 60 - 69 Jahre 2 über 70 Jahre 0 ROR Göttingen - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 1 40 - 49 Jahre 7 50 - 59 Jahre 9 60 - 69 Jahre 4 über 70 Jahre 0 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8786 4 ROR Hamburg-Umland-Süd - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 4 50 - 59 Jahre 9 60 - 69 Jahre 6 über 70 Jahre 0 ROR Hannover - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 1 40 - 49 Jahre 19 50 - 59 Jahre 27 60 - 69 Jahre 8 über 70 Jahre 1 ROR Hildesheim - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 1 40 - 49 Jahre 8 50 - 59 Jahre 10 60 - 69 Jahre 1 über 70 Jahre 0 ROR Lüneburg - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 1 40 - 49 Jahre 3 50 - 59 Jahre 10 60 - 69 Jahre 3 über 70 Jahre 0 ROR Oldenburg - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 7 50 - 59 Jahre 17 60 - 69 Jahre 2 über 70 Jahre 0 ROR Osnabrück - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 13 50 - 59 Jahre 22 60 - 69 Jahre 8 über 70 Jahre 0 ROR Ost-Friesland - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 7 50 - 59 Jahre 16 60 - 69 Jahre 4 über 70 Jahre 0 ROR Südheide - Altersstruktur Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 5 50 - 59 Jahre 4 60 - 69 Jahre 2 über 70 Jahre 0 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8786 5 Für die Kinderkardiologinnen und Kinderkardiologen ergibt sich folgende Altersstruktur: Niedersachsen Anzahl Ärztinnen und Ärzte 30 - 39 Jahre 0 40 - 49 Jahre 8 50 - 59 Jahre 5 60 - 69 Jahre 1 über 70 Jahre 0 Die KVN erwartet sowohl bei den Erwachsenen- als auch bei den Kinderkardiologinnen und -kardiologen aufgrund der Altersstruktur der zurzeit tätigen Fachärztinnen und Fachärzte in den nächsten zehn Jahren keine Probleme bei der Nachbesetzung der Praxen. 4. Welche Anzahl der Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler können in Niedersachsen (finanziert durch die Krankenkassen) von Kinderkardiologinnen und Kinderkardiologen behandelt werden? Nach § 36 Abs. 2 des Kammergesetzes für die Heilberufe gilt für die fachärztliche Tätigkeit, dass, wer eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem entsprechenden Gebiet tätig sein darf. Bei der Kinderkardiologie handelt es sich nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen um einen Schwerpunkt, der innerhalb des Gebietes Kinder- und Jugendmedizin erworben werden kann. Das Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin wird in Nr. 14 der Weiterbildungsordnung wie folgt definiert: „Das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin umfasst die Erkennung, Behandlung, Prävention, Rehabilitation und Nachsorge aller körperlichen, neurologischen, psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen und Behinderungen des Säuglings, Kleinkindes, Kindes und Jugendlichen von Beginn bis zum Abschluss seiner somatischen Entwicklung einschließlich pränataler Erkrankungen, Neonatologie und der Sozialpädiatrie.“ Insofern können kammerrechtlich bei entsprechender medizinischer Indikation auch Erwachsene von Ärztinnen und Ärzten mit kinderkardiologischer Weiterbildung behandelt werden. 5. Setzt sich die Landesregierung für eine bundeseinheitliche Regelung ein, und stand dieses Thema im Rahmen der Gesundheitsministerkonferenz bereits einmal auf der Tagesordnung ? Falls ja, was wurde beschlossen? Das Thema war bislang nicht auf der Tagesordnung der Gesundheitsministerkonferenz. Der Landesregierung waren bislang keine Probleme in Bezug auf die Versorgung des genannten Personenkreises bekannt. Aus diesem Grund hat die Landesregierung das Thema bislang nicht aufgegriffen . 6. Teilt die Landesregierung den Ansatz, dass Menschen mit angeborenem Herzfehler aufgrund fachlicher Kompetenzen der Kinderkardiologinnen und Kinderkardiologen vorzugsweise durch diese behandelt werden sollten? Eine Beurteilung der kinderkardiologischen oder allgemein-kardiologischen Kompetenz im Einzelfall ist nicht möglich. Grundsätzlich wird eine gute Kommunikation zwischen kinderkardiologisch Behandelnden und im späteren Lebensalter weiter behandelnden Ärztinnen und Ärzten für erforderlich gehalten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8786 6 7. Welche Handlungsmöglichkeiten sieht die Landesregierung, um zu realisieren, dass mehr Menschen mit angeborenem Herzfehler durch Kinderkardiologinnen und Kinderkardiologen behandelt werden? Kammerrechtlich ist es Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung, in der Weiterbildungsordnung zu regeln, welche ärztlichen Tätigkeiten einem fachärztlichen Gebiet zugeordnet werden. Wie in der Antwort zu Frage 4 bereits ausgeführt worden ist, ist die fachärztliche Tätigkeit grundsätzlich auf den jeweiligen Gebietsinhalt beschränkt. Des Weiteren regeln die Selbstverwaltungspartner im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, welche ärztlichen Leistungen abgerechnet werden dürfen. Dem Bundesgesetzgeber obliegt es, den entsprechenden gesetzlichen Rahmen vorzugeben . Die Landesregierung hat daher keine Handlungsmöglichkeiten, in diese Prozesse einzugreifen . 8. Wie viele Kardiologinnen und Kardiologen in Niedersachsen absolvierten seit der Möglichkeit der EMAH-Qualifizierung eine solche Weiterbildung? Nach Auskunft der Ärztekammer Niedersachsen, die nach dem Kammergesetz für die Heilberufe für die ärztliche Weiterbildung in Niedersachsen zuständig ist, hat die EMAH-Kardiologie noch keinen Eingang in das Weiterbildungsrecht gefunden. Daher liegen keine Daten dazu vor. 9. Wie erfolgt die Anerkennung der EMAH-Qualifizierung durch die Krankenkassen? Die EMAH-Zertifizierung ist eine gemeinsame (innerärztliche) Aktivität der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK), wobei die entsprechende Zertifizierung der Kliniken durch die DGK und die der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte durch die DGPK erfolgt. Diese Zertifizierungen werden daher durch die Krankenkassen nicht gesondert anerkannt. (Ausgegeben am 28.09.2017) Drucksache 17/8786 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8691 Situation von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) Anfrage der Abgeordneten Reinhold Hilbers und Frank Oesterhelweg (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung