Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8694 - Wähleranalyse für McAllister - Rechtswidrige Parteienfinanzierung? Anfrage des Abgeordneten Grant Hendrik Tonne (SPD) an die Landesregierung, eingegangen am 11.09.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 13.09.2017 Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung vom 04.10.2017, gezeichnet Dr. Jörg Mielke Vorbemerkung des Abgeordneten Der NDR berichtete am 09.09.2017 unter der Überschrift „Vergabefehler auch unter McAllister?“ Folgendes: „Vergabefehler soll es auch schon in früheren Niedersächsischen Landesregierungen gegeben haben . 2011 hatte die schwarz-gelbe Regierung unter David McAllister (CDU) eine Wähleranalyse in Auftrag gegeben. Die derzeitige Landesregierung lässt dabei Ungereimtheiten prüfen. Fraglich ist u. a., wie es zu der Vergabe kam, wer daran mitwirkte und warum Absprachen zwischen der Firma und der Regierung stattfanden. Vorabgespräche mit der Agentur? Wie die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) am Sonnabend berichtete, wirft die Vergabe des Auftrags Fragen auf. Die Agentur ‚Produkt und Markt‘ aus Wallenhorst setzte sich gegen zwei andere Bewerber durch - warum, erschließe sich der Staatskanzlei aus den Akten nicht. Eines der anderen Angebote war nach Informationen der Nordwestzeitung (Sonnabendausgabe) sogar um die Hälfte günstiger als das von ‚Produkt und Markt‘. Zudem soll es zwischen Angebotsabgabe und Zuschlagserteilung Gespräche zwischen der Agentur und der Regierung gegeben haben. Wegen eines ähnlichen Vorgehens musste Staatssekretärin Daniela Behrens (SPD) im Zuge der aktuellen Vergabe-Affäre ihr Amt abgeben. Landes-CDU beteiligt? Fragen wirft auch die Beteiligung der niedersächsischen CDU an dem Auftrag der Staatskanzlei auf. Ein Angebot der Agentur war, wie die Zeitungen berichten, an die Landes-CDU adressiert und landete dann in der Staatskanzlei. Außerdem war laut einer Aktennotiz an den Fragebögen für die Umfrage neben Ministerpräsident McAllister auch ein ‚UT‘ beteiligt. (…) Staatskanzlei zahlte 44 600 Euro Die Agentur ‚Produkt und Markt‘ bekam den Zuschlag im Dezember 2011 für eine Telefonumfrage mit 1 001 Teilnehmern und Gruppengespräche mit 48 Teilnehmern. Dabei sollte es um ‚Wünsche und Wahrnehmungen‘ der Bürger in Bezug auf die Landesregierung gehen. Kostenpunkt 44 600 Euro. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse nach Kenntnisstand eines Sprechers der Staatskanzlei jedoch nicht. Die Agentur hat die Befragung frühzeitig abgebrochen, weil der NDR kurz vorher eine Umfrage veröffentlicht hatte. Darin wurden die gleichen Themen behandelt. Das Wallenhorster Institut regte nach NWZ-Informationen daraufhin selbst den ‚Abbruch der Studie‘ an. Die Studie wurde trotzdem fertiggestellt, wenn auch mit nur rund 600 Telefonteilnehmern. Der Öffentlichkeit wurden die Ergebnisse nicht zugängig gemacht. (…)“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 2 Vorbemerkung der Landesregierung Ende 2011 beauftragte die Staatskanzlei die Firma Produkt + Markt Gesellschaft für Marktfoschung und Marketingberatung aus Wallenhorst (im Folgenden: Produkt + Markt bzw. P + M) mit einer „Resonanzanalyse für die Niedersächsische Landesregierung“. Die Studie ging am 13.06.2012 bei der Staatskanzlei ein. Sie umfasst 31 Seiten. Der Preis betrug 46 410 Euro brutto. Die Untersuchung umfasste zum einen eine Telefonumfrage bei 600 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern. Diese wurden anhand eines standardisierten Fragebogens u. a. befragt, ob sie den damaligen Ministerpräsidenten McAllister kannten und ob sie ein konkretes Beispiel für gute oder sehr gute Arbeit und/oder schlechte Arbeit der damaligen Landesregierung „in den letzten Monaten“ (bezogen auf Ende 2011/Anfang 2012) nennen könnten. (Auf diese Frage konnten seinerzeit 25 % der Befragten ein positives und 57 % ein negatives Beispiel benennen.) Ferner sollten die Befragten Einzelaspekte der damaligen Arbeit der Landesregierung nach Wichtigkeit und Qualität bewerten sowie Charaktereigenschaften von Herrn McAllister einschätzen. An diese Umfrage schloss sich eine sogenannte qualitative Phase an, in der die Firma Produkt + Markt sechs Gruppen von je acht Bürgerinnen und Bürgern zu verschiedenen Politikfeldern in Gruppendiskussionen befragte. Die Resonanzstudie listet diverse Aussagen einzelner Teilnehmer aus diesen Gruppendiskussionen auf. Die Studie schließt mit abstrakten Ausführungen über das „Idealbild“ einer Landesregierung. Das Vergabeverfahren für diese Studie ist in der Akte der seinerzeit federführenden, in der Staatskanzlei ressortierenden Pressestelle der Landesregierung nur lückenhaft dokumentiert. Um die Sachverhaltslücken zu schließen, wurden die drei Personen, die die Akte im Kern als mit dem Vergabeverfahren befasst ausweist, nämlich Herr Ministerpräsident a. D. McAllister, Frau Staatssekretärin a. D. Dr. Hawighorst und der Leiter der Pressestelle und Regierungssprecher a. D. Dr. Enste schriftlich unter Übersendung jeweils eines Fragekatalogs um Stellungnahme gebeten. Herr Dr. Enste hat hierauf geantwortet, Herr McAllister und Frau Dr. Hawighorst nicht. Der Sachverhalt stellt sich auf Grundlage der vorgenannten Quellen wie folgt dar: Gemäß Vermerk von Herrn Dr. Enste vom 27.12.2011 bat Ministerpräsident McAllister Anfang 2011 darum, etwa 18 Monate nach seinem Amtsantritt (der am 01.07.2010 erfolgt war) eine Imageanalyse /Resonanzstudie in Auftrag zu geben, deren Ergebnisse Handlungsempfehlungen liefern sollten, um in die weiteren - auch gesetzgeberischen - Aktivitäten der Landesregierung einzufließen. Aus der Erinnerung berichtete Herr Dr. Enste, dass er in der Folgezeit diverse Gespräche mit Amtskollegen und anderen in diesem Arbeitsfeld tätigen Personen führte, um in Betracht kommende Unternehmen zu ermitteln; dabei müsse ihm auch das letztlich beauftragte Unternehmen genannt worden sein. In der Akte ist dies nicht dokumentiert. Seinem Vermerk vom 27.12.2011 zufolge führte der Pressesprecher Herr Dr. Enste mit dem Ziel der Beauftragung einer Imageanalyse/Resonanzstudie mit drei in Betracht kommenden Unternehmen „mehrere Telefongespräche und auch persönliche Gespräche“. Bei den beiden anderen Unternehmen (im Folgenden: Anbieter 1 und Anbieter 2) handelt es sich um renommierte Meinungsforschungsunternehmen . In diesem Vermerk von Herrn Dr. Enste vom 27.12.2011 heißt es, die Unternehmen seien unter dem 01.03.2011 telefonisch um die Einsendung eines entsprechenden Konzepts gebeten; die Unternehmen hätten „nach weiteren telefonischen Erörterungen“ jeweils ihre Konzepte eingereicht. Unabhängig hiervon wertete Referat 201 in einem Vermerk vom 08.03.2011 eine Beratende Äußerung des Bayerischen Obersten Rechnungshofs (ORH) vom 28.01.2011 einschließlich der Gegenäußerung der bayerischen Landesregierung zu einer von dieser in Auftrag gegebenen Resonanzstudie aus. Die Beratende Äußerung hatte Referat 201 informell von einem Mitglied des niedersächsischen LRH erhalten. Die Auswertung erfolgte im Referat 201 routinemäßig ohne aktuellen landespolitischen Sachbezug, wie es z. B. auch regelmäßig zu BVerfG-Entscheidungen geschieht; dass innerhalb der niedersächsischen StK bereits ein der bayerischen Resonanzstudie ähnliches Projekt angedacht war, war im Referat 201 nicht bekannt und ist entsprechend nicht Gegenstand des Vermerks vom 08.03.2011. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 3 Eine Kopie dieses Vermerks wurde der Pressestelle auf Bitte des Abteilungsleiters 2 innerhalb des Zeitraums vom 08. bis 11.03.2011 zugeleitet. Vonseiten des Anbieters 1 ging mit E-Mail vom 22.03.2011 ein Konzept ein. In der E-Mail heißt es, dass dieses Konzept auch den Herren Thiele und Thümler übersandt werde, „weil es sonst keinen identischen Kenntnisstand gibt“. Im Kern handelt es sich dabei um einen sogenannten Aktionsplan 2011 bis 2013, der monatsweise Vorschläge für politisch-öffentlichkeitsbezogene Maßnahmen des Ministerpräsidenten beschreibt. Übersandt wurde ferner der Entwurf für einen „Länderkompass Niedersachsen“, ein mit Kostensätzen (ohne Endpreis) hinterlegtes Umfragekonzept, das sich sowohl an die StK als auch an die CDU als auch an „Verbände“ richtet, mit dem konzeptionellen Ziel einer gemeinsamen Durchführung für diese drei potenziellen Auftraggeber. Auf diesem Mailausdruck vom 22.03.2011 vermerkte Herr Dr. Enste unter dem „1.3.“: „Nach entsprechenden Vorgesprächen mit MP + CdS Angebot telefonisch erbeten.“ Vonseiten des Anbieters 2 ging ein nicht genau datiertes „Politogramm Niedersachsen April 2011“ ein, das das Konzept einer Resonanzstudie, eine Kostenkalkulation (ohne Endpreis) sowie einen Fragebogenentwurf enthielt. Hierauf vermerkte Herr Dr. Enste unter dem „1.3.“: „Nach entsprechenden Vorgesprächen mit MP + CdS Angebot telefonisch erbeten.“ Ferner vermerkte Herr Dr. Enste hierauf unter dem 30.04.: „Frau CdS: Anliegend das nach einem Gespräch mit Herrn (…) erstellte Angebot von (Anbieter 2) (als Alternative zu dem bereits vorliegenden Papier von [Anbieter 1]). Unter Berücksichtigung der daraus gewonnenen Erkenntnisse könnte ich nun auch das Gespräch mit „Produkt und Markt“ Herr (…) suchen. Einverstanden?“ Vorstehend erfolgten Anonymisierungen [in den eckigen Klammern] gemäß Artikel 24 Abs. 3 NV im Drittschutzinteresse. Unter der Anmerkung von Herrn Dr. Enste vermerkte Frau Dr. Hawighorst unter dem 03. oder 04.05. (die Datumsziffern „3“ und „4“ sind aufeinandergeschrieben): „m. E. ja - bitte unter Einbindung MP“. Am 08.06.2011 übersandte Anbieter 1 eine E-Mail an Herrn Dr. Enste, in der Beratungsleistungen, u. a. für den „Länderkompass“ unter Bezugnahme auf seine o. g. Mail vom 22.03.2011, angeboten wurden. Hierzu berichtet Anbieter 1, dass die Landtagsfraktion grundsätzliches Interesse bekundet habe, aber zunächst „eventuelle rechtliche Hürden für die Beteiligung der Fraktion an diesem Vorhaben ausloten“ wolle. Herr Thümler werde sich in Kürze bei Herrn. Dr. Enste melden. Am 03.05. habe es „mit GS Ulf Thiele ein ausführliches Gespräch zum Thema Länderkompass Niedersachsen gegeben, an dem auch Dr. Müller (Unternehmensverbände) teilgenommen“ habe. Herr Dr. Müller wolle die Grundidee mit seinen Ansprechpartnern erörtern und Chancen für eine Realisierung ausloten . Es befindet sich ein undatiertes Unterlagenkonvolut bei der Akte, das unvermittelt mit „Analyse Spitzenkandidat“ beginnt. Aufgrund typografischer und inhaltlicher Parallelen mit dem später vonseiten der Fa. Produkt + Markt abgegebenen Angebot ist davon auszugehen, dass dieses Unterlagenkonvolut ebenfalls von der Fa. Produkt + Markt stammt. Auf der ersten Seite befindet sich hierauf handschriftlich die Aufschrift: „R. Hawighorst“, eine Handynummer sowie „Herrn Dr. Enste vertraulich.“ Auf dieser ersten Seite des Unterlagenkonvoluts vermerkte Herr Dr. Enste unter dem „1.3.“: „Nach entsprechenden Vorgesprächen mit MP + CdS Angebot telefonisch erbeten.“ Ferner ist auf dieser Seite unsigniert verfügt. „T. 21. Juli 2011, 12 h“. Das Konvolut muss also vor dem 21.07.2011 eingegangen sein. Am 26.8.2011 erstellte Herr Dr. Enste eine Auswertung der drei Angebote. Im Ergebnis empfahl er das Angebot von Produkt + Markt aus Gründen der überlegenen Konzeption. Dabei unterstellte er für das Angebot des Anbieters 1 Kosten von „etwa 40 000 Euro, aufgeteilt auf Stk, Partei, Fraktion, Unternehmen, Verbände“, für das Angebot des Anbieters 2 „etwas 25 000 Euro“ und für das Angebot Produkt + Markt „20 000 bis 30 000 Euro für die ‚Quantitative Phase‘ und 23 000 Euro für die ‚Qualitative Phase‘“. Der Auswertungsvermerk schließt mit: „Nach dem ‚Zuschlag‘ müssten Einzelheiten selbstverständlich noch bilateral abgestimmt werden. Haushaltsmittel in der oben bezeichneten Größenordnung stehen zur Verfügung.“ Auf dem Vermerk befinden sich zwei rote Kenntnis- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 4 nahmestriche sowie in Grün die Aufschrift „Enste: Rspr.“ unterzeichnet mit Kürzel von Ministerpräsident McAllister am 30.08. In der Akte befindet sich ein vom 19.10.2011 datierender „Untersuchungsvorschlag für die CDU“ des Anbieters 1 zur „Kontinuierlichen Ermittlung der politischen Stimmung in Niedersachsen im Vorfeld der Landtagswahl am 20. Januar 2013“. Wie diese Unterlage zur Akte der StK gekommen ist, ist nicht dokumentiert. Auf Seite 2 dieses Untersuchungsvorschlags heißt es, die CDU in Niedersachsen habe Anbieter 1 gebeten, diesen Vorschlag zu erstellen. Die Einzelvorschläge sind von unbekannter Hand abgehakt bzw. kurzkommentiert. Am 23.12.2011 erstellte Referat 201 auf Bitte von Herrn Dr. Enste eine Bewertung der Imageanalyse auf Grundlage des von der Firma Produkt + Markt vorgelegten Angebots. Die Prüfung bezog sich allein auf den Aspekt der verfassungsrechtlich gebotenen parteiunabhängigen Neutralität. Im Ergebnis wird die Durchführung der Imageanalyse unter der Voraussetzung für verfassungsrechtlich und parteispendenrechtlich zulässig gehalten, dass deren Ergebnisse entweder sofort allen Parteien zur Verfügung gestellt werden oder sichergestellt wird, dass keine Ebenen der Parteien hiervon Kenntnis erlangen (außer denjenigen Regierungsmitgliedern, die in Personalunion Parteiämter innehaben). Schlussendlich empfiehlt der Vermerk ein hohes Maß an Transparenz. Vergaberechtliche Fragen waren nicht Gegenstand der Prüfung. Unter dem 24.12.2011 befindet sich bei den Akten ein „Konzept & Angebot Imageanalyse für die Niedersächsische Landesregierung“ der Fa. Produkt + Markt, das die im Einzelnen spezifizierten Leistungen zu einem Gesamtnettopreis von 44 600 Euro anbietet. Dieses ist handschriftlich mit „E. (III.)“ gekennzeichnet. Eine Kopie hiervon, handschriftlich mit „E. (II.)“ gekennzeichnet, befindet sich in den Akten von Referat 201. Durch eine interne Notiz hierauf (Klebezettel) des Bearbeiters vom 23.12.2011 wurde ein Kollege im Referat, der unmittelbar nach den Weihnachtstagen das Referat 201 vertrat, informiert, dass Herr Dr. Enste voraussichtlich noch mit einem zu prüfenden Vertragsentwurf auf ihn zukommen werde. Die Sache solle „aus haushalterischen Gründen noch dieses Jahr über die Bühne gehen .“ Im Vermerk vom 27.12.2011 stellte Herr Dr. Enste fest, dass der voraussichtliche Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) 44 600 Euro betrage und damit unter dem Schwellenwert von seinerzeit 100 000 Euro gemäß § 3 Abs. 5 i) VOL/A i. V. m. Gem. Rd.Erl. vom 04.02.2009 (Nds. MBl. S. 212) und 19.11.2010 (Nds. MBl. S. 1143) liege, ab dem der Auftrag ausgeschrieben werden müsste. Ferner stellte er fest, dass die eingereichten Konzepte in einem persönlichen Gespräch mit dem Ministerpräsidentin und der Chefin der Staatskanzlei ausführlich erörtert worden seien. Dabei sei festgestellt worden, dass sowohl das Angebot des Anbieters 1 als auch das Angebot des Anbieters 2 „nicht den eigentlichen Zielen der Resonanzstudie (mit deren auch rechtlichen Implikationen) entsprächen, während das am meisten auf die spezifischen Belange zugeschnittene Angebot 3 (P + M) auch auf die Ermittlung von Handlungsanweisungen für die künftige Politik der Landesregierung angelegt“ sei. „In weiteren Telefonaten und persönlichen Gesprächen“ sei das Angebot 3 „weiter konkretisiert“ worden. In seiner zuletzt eingereichten Fassung sei es „nunmehr annahmefähig “. Der Vermerk vom 27.12.2011 wurde mit E-Mail vom gleichen Tage dem Referat 201 und dem Haushaltsreferat vorab übersandt. In seiner unmittelbar hierauf antwortenden E-Mail hierauf verwies der Bearbeiter des Haushaltsreferats darauf, dass zur Übertragung von Mitteln aus 2011 nach 2012 die rechtliche Verpflichtung zwingend bis zum 28.12.2011 eingegangen sein müsse. Der Vermerk vom 27.12.2011 (Papierfassung) wurde von den Referaten 201 und 204 sowie vom Abteilungsleiter 1 in Vertretung der Chefin der Staatskanzlei jeweils am 28.12.2011 mitgezeichnet. Mit Schreiben der Staatskanzlei an Produkt + Markt vom 28.12.2011 erklärte Herr Dr. Enste die Annahme des Angebots. Der Entwurf des Schreibens ist auf „Frau CdS (n.R.) z.g.K.“ (= nach Rückkehr zur gefälligen Kenntnisnahme) ausgezeichnet. Daneben befindet sich ein undatierter roter Kenntnisnahmestrich. Mit Schreiben vom 02.01.2012 bestätigte Produkt + Markt die Auftragsannahme. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 5 Der Fragenkatalog, der Kernbestandteil der Image- und Resonanzanalyse ist, wurde in zwei Versionen , die vom 28.12.2011 und vom 09.01.2012 datieren, sowohl von der Pressestelle als auch von Referat 201 in mehreren Durchgängen überarbeitet. Eine unter dem 17.01.2012 erstellte Fassung wurde an den Ministerpräsidenten gefaxt. Auf diesem Ausdruck finden sich handschriftliche Änderungen und Anmerkungen in vier Schriften: in geringem Maße in rot und in blauem Kugelschreiber, in hohem Maße in grün und in blauer Füllertinte . Auffällig (vor allem im Vergleich zu den üblichen rein StK-internen Bearbeitungsgängen von Vorgängen ) ist, dass die blauen Füllertintenkorrekturen die grünen Anmerkungen und Korrekturen teilweise kommentarlos streichen. Mit Fax vom 19.01.2012 übersandte Produkt + Markt eine Fassung an Herrn Dr. Enste, die „den überwiegenden Teil der Änderungswünsche umgesetzt“ hatte. Auf dem Deckblatt dieser Fassung vermerkte Herr Dr. Enste: „Herrn MP: Vorliegende überarbeitete Fassung berücksichtigt die Änderungsvorschläge von CdS und UT“. Auch in dieser Fassung wurden Anmerkungen und Änderungswünsche in grüner Stiftfarbe vorgenommen . In der Akte befindet sich eine Fassung des Fragebogens der Image- und Resonanzanalyse vom 20.01.2012, der vermutlich die Schlussfassung darstellt. Am 25.01.2012 veröffentlichte der NDR eine von ihm beauftragte Erhebung „Niedersachsen TREND“ von Infratest dimap, die inhaltliche Überschneidungen mit der von der StK beauftragten Image- und Resonanzanalyse aufwies. Hierzu liegt ein undatiertes Schreiben (evtl. Teil-E-Mailausdruck) der Firma Produkt + Markt vor, worin diese im Einzelnen darlegt, inwieweit die Resonanzstudie über die NDR-Veröffentlichung hinausgeht. Das Schreiben empfiehlt die Fortsetzung der „derzeit laufenden“ Resonanzanalyse. Auf dem Schreiben ist (unsigniert) „MP, CdS z.g.K.“ verfügt. Hierzu ist in Grünschrift ein Rücksprachewunsch des Ministerpräsidenten vom 6.2. verfügt, der dann in grün wieder gestrichen wurde . Ferner ist von Ministerpräsidenten „zurück an Enste“ verfügt. Oben auf dem Schreiben befindet sich unsigniert die Aufschrift „z. T. 13.02, 17.00“. In einem weiteren undatierten Schreiben (evtl. Teil-E-Mailausdruck) der Firma Produkt + Markt an Herrn Dr. Enste stellte die Firma Produkt + Markt unter Bezugnahme auf den vorangegangenen Meinungsaustausch drei Handlungsoptionen dar: 1. Die laufende telefonische Befragung und die anschließende „qualitative Phase“ werden ohne Abstriche fortgesetzt. 2. Die gesamte Resonanzanalyse wird beendet. Die bisher erbrachten Leistungen werden erstattet . 3. (von P + M favorisiert) Die telefonische Befragung wird zum derzeitigen Stand (knapp 60 % der Interviews waren realisiert) beendet. Auf Basis dieser Ergebnisse und der Ergebnisse der NDR-Umfrage wird die qualitative Phase vorbereitet und umgesetzt. Auf diesem Schreiben vermerkte Herr Dr. Enste unter dem 22.02.: „Herrn MP: Auch unter Berücksichtigung der für eine Resonanzstudie zu beachtenden rechtlichen Kautelen spricht m. E. Einiges für die Variante 3.“ Darunter befinden sich die Anmerkung „m. E. OK“ von Frau Dr. Hawighorst sowie ein grüner Kenntnisnahmestrich. Unten auf der Seite vermerkte Herr Dr. Enste unter dem 22.02., dass er seinen Ansprechpartner bei Produkt + Markt telefonisch unterrichtet habe. Mit E-Mail vom 06.03.2012 fragte dieser Ansprechpartner von Produkt + Markt Herrn Dr. Enste, ob ihm für die Gruppendiskussion in Hannover der 19. oder der 21.03. besser passen würde. Ferner wies er darauf hin, dass der Kreis der „Beobachter auf 4 bis 5 Personen vergrößert werden könne“. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 6 Aus der Erinnerung berichtete Herr Dr. Enste, dass die Befragung der Testpersonen in Hannover größtenteils von ihm begleitet worden sei; ob noch weitere Personen an bestimmten Phasen der Befragung teilgenommen hätten, erinnere er nicht mehr. In der Akte ist der Teilnahmekreis nicht dokumentiert. In der Akte befindet sich ein undatierter „Screening-Fragebogen“, mit dem Teilnehmer für Gruppendiskussionen ausgewählt werden. Mit E-Mail vom 21.03.2012 wies Produkt + Markt auf die nächste Gruppendiskussion am 11.04. in Oldenburg und auf die Möglichkeit, die Gruppe live zu beobachten, hin. Die Akte schließt mit einem gehefteten Exemplar der „Resonanzanalyse für die Niedersächsische Landesregierung - Wünsche und Wahrnehmungen der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die niedersächsische Landespolitik - Juni 2012“, eingegangen in der Pressestelle am 13.06.2012. Wer die Resonanzanalyse (gegebenenfalls auch außerhalb der Landesregierung) wann erhalten hat und ob bzw. wie diese Erkenntnisse verwertet wurden, ist nicht dokumentiert oder der (derzeitigen ) Landesregierung anderweitig bekannt. 1. Sind bei der Beauftragung der Wähleranalyse die seinerzeit geltenden Gesetze und anderweitigen Regelungen für eine Vergabe eingehalten worden? Nach Auswertung der (insoweit unvollständigen) Aktenlage ist dies nicht der Fall. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VOL/A in Verbindung mit den haushaltsrechtlichen Bestimmungen sollen bei freihändigen Vergaben grundsätzlich mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Unter dem 01.03.2011 hat der damalige Pressesprecher Dr. Enste laut Akte zwar drei Anbieter kontaktiert, allerdings nur telefonisch. Der dabei angefragte Leistungsumfang und der konkrete Inhalt der unter dem 01.03.2011 mit den drei Bietern geführten Telefongespräche sind nicht dokumentiert und nicht bekannt. Aus der Tatsache, dass danach zu um Wochen bis Monaten unterschiedlichen Zeiten drei Angebote mit voneinander sehr unterschiedlichen Konzepten und Leistungsumfängen eingingen, kann geschlossen werden, dass unter dem 01.03.2011 von den drei Bietern kein einheitlicher Leistungsumfang abgefragt wurde. Nach Vorliegen der drei „Angebote“ wurde der konkrete (Ende 2011 dann beauftragte) Leistungsumfang nur mit der Firma Produkt + Markt weiter ausverhandelt. Eine Anfrage bei den vorgenannten (oder anderen) alternativen Anbietern, ob und gegebenenfalls zu welchem Preis diese den schlussverhandelten Leistungsumfang gegebenenfalls wirtschaftlicher oder qualitativ besser anbieten könnten, erfolgte nicht. Die nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VOL/A intendierte Marktsituation kam daher zu keinem Zeitpunkt zustande . 2. Welche Personen waren in welcher Funktion in welcher Art und Weise an der Beauftragung der Analyse beteiligt (bitte chronologisch, unter Zuordnung der Funktion und mit Zitatstelle darstellen)? Die Beteiligung aufseiten der Landesregierung bzw. Staatskanzlei beschränkte sich im Wesentlichen auf den damaligen Regierungssprecher Dr. Franz Rainer Enste, die seinerzeitige Chefin der Staatskanzlei Staatssekretärin Dr. Christine Hawighorst und den damaligen Ministerpräsident David McAllister. Im Einzelnen siehe Vorbemerkung. 3. Hat es vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder zwischen Angebotsabgabe und Zuschlagserteilung Gespräche oder Korrespondenz zwischen dem Auftraggeber - der Staatskanzlei - und einem der Bewerber, insbesondere der Agentur „produkt + markt“ gegeben? Wenn ja, wer in Person hat auf welche Art und Weise mit welchem Inhalt mit Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 7 wem korrespondiert? Gingen dieser Korrespondenz interne Gespräche oder Abstimmung in der Staatskanzlei voraus und wenn ja, wer war hierin in welcher Form beteiligt ? Wer, wann und in welcher Form vor der Aufforderung zum Angebot Kontakt mit den Bewerbern hatte , und welche Gespräche gegebenenfalls im Einzelnen geführt wurden, ist nicht bekannt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Auf welche Weise ist die Agentur „produkt + markt“ in Kontakt mit der Staatskanzlei getreten? Siehe Frage 3. 5. Hat es vor oder nach der betreffenden Auftragsvergabe an „produkt + markt“ Aufträge seitens der Ministerien oder der Staatskanzlei der CDU-geführten Landesregierung an dieselbe Agentur gegeben? Nein. Die Aufstellung aller Gutachter- und Beraterleistungen für die Landesregierung in der Zeit von 2003 bis 2013 (bis 18.02.2013) weist zugunsten der Firma Produkt + Markt lediglich den fragegegenständlichen Auftrag aus (vgl. Anlage der Antwort auf die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung , Drucksache 17/8693, dort lfd. Nr. 19). Zur Ermittlung, ob in diesem Zeitraum an die Firma Produkt und Markt Zahlungen für Leistungen erfolgt sind, die nicht „Gutachter- und Beratungsleistungen“ waren, wurden die Haushalts- und Überwachungslisten ausgewertet. Auch insoweit gab es keine weiteren Zahlungen an die Firma Produkt + Markt. Die Haushalts- und Überwachungslisten unterliegen nach den VV Nr. 4.7.2 der §§ 70 bis 72 und 74 bis 80 LHO einer grundsätzlich zehnjährigen Aufbewahrungsfrist, sodass Aussagen für Haushaltsjahre vor 2007 insofern nur eingeschränkt möglich sind. 6. Welches Honorar wurde für die betreffende Analyse entrichtet und handelt es sich um einen marktüblichen Preis? Handelte es sich um das niedrigste Gebot und wenn nein, aus welchen Gründen erfolgte die Vergabe gleichwohl an „produkt + markt“? Für die Analyse zahlte das Land an die Firma Produkt + Markt 46 410 Euro brutto. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Preis nicht marktüblich wäre. Da der von den drei angefragten Firmen angebotene Leistungsumfang unterschiedlich war und es auch rückblickend kaum möglich erscheint, die Angebote auf einen einheitlichen Leistungsumfang umzurechnen, kann nicht gesagt werden, ob das Angebot der Firma Produkt + Markt das niedrigste Gebot war. Die Staatskanzlei beauftragte die Firma Produkt + Markt 2011 laut Akte deshalb, weil das von dieser Firma vorgelegte Konzept und der von dort angebotene bzw. im Laufe der Zeit bilateral mit der Staatskanzlei ausverhandelte Leistungsumfang am überzeugendsten erschienen. Zum weiteren siehe Vorbemerkung. 7. Hat die zwischenzeitliche Umfrage des NDR zu einer Reduktion des Honorars geführt und wenn nein, aus welchen Gründen ist dies nicht erfolgt? Ja, die Zahl der vertraglich vereinbarten 1 000 Telefoninterviews wurde auf 600 reduziert, was den Nettopreis auf rund 39 000 Euro reduzierte. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8799 8 8. Trifft es zu, dass an der Formulierung der Umfrage auch eine Person „UT“ beteiligt war und woraus ergibt sich dies? Auf welche Art und Weise war „UT“ eingebunden? Ja, siehe Vorbemerkung. 9. War im damaligen Zeitpunkt in der Staatskanzlei eine Person beschäftigt, die organisatorisch oder inhaltlich in den Vorgang einzubinden war und mit den Initialen „UT“ bezeichnet wurde? Ist anderweitig in der Korrespondenz der Staatskanzlei eine Person identifizierbar, die mit den Initialen „UT“ bezeichnet wurde? Nein. 10. Sollte es sich bei „UT“ um Ulf Thiele handeln: Wäre eine Einbindung eines Parteifunktionärs in die Erstellung einer Wähleranalyse aus Landesmitteln zulässig? Aus der Erinnerung bestätigte Herr Dr. Enste, dass er auf Bitte des damaligen Ministerpräsidenten McAllister den Generalsekretär der CDU in Niedersachsen Ulf Thiele fortlaufend über den jeweiligen Sachstand informiert hat. Ob und inwieweit die Einbindung eines Parteifunktionärs in eine von einer Landesregierung in Auftrag gegebene und somit aus Steuermitteln finanzierte Umfrage zulässig ist, hängt davon ab, in welcher Form die Studie später verwendet wird, insbesondere ob sie einer politischen Partei bevorzugt zugänglich gemacht wird. Wie die Studie konkret verwendet wurde, ist in der Akte nicht dokumentiert und auch Herrn Dr. Enste aus der Erinnerung nicht bekannt. Die auch hierauf gerichteten Anfragen an Herrn Ministerpräsident a. D. McAllister und Frau Staatssekretärin a. D. Dr. Hawighorst (siehe Vorbemerkung) blieben unbeantwortet. 11. War der vorgesehene Inhalt der Wähleranalyse in den verschiedenen Stadien seiner Entwicklung - auch unter dem Gesichtspunkt der Einbindung von Parteifunktionären - unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Parteienfinanzierung jeweils rechtlich zulässig ? In einem frühen Stadium der Entwicklung enthielt der Entwurf des Fragebogens, der Kern der Wähleranalyse werden sollte, auch Fragen, die unter dem Gesichtspunkt der Neutralität des Regierungshandelns bzw. des Verbots der Parteienfinanzierung rechtlich unzulässig erschienen. Nach Abstimmung mit Referat 201 der Staatskanzlei wurden diese Fragen sodann aus dem Entwurf entfernt und wurden somit nicht Teil des endgültigen Fragebogens. Der Inhalt der dann durchgeführten Wähleranalyse war als solcher rechtlich nicht unzulässig. Zur Einbindung von Parteienfunktionären siehe Frage 10. 12. Ist die Resonanzstudie in irgendeiner Weise veröffentlicht worden, oder war sie Grundlage für Regierungshandeln? Hierüber liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Auch Herrn Dr. Enste war dies aus der Erinnerung nicht bekannt. Die auch hierauf gerichteten Anfragen an Herrn Ministerpräsident a. D. McAllister und Frau Staatssekretärin a. D. Dr. Hawighorst (siehe Vorbemerkung) blieben unbeantwortet. (Ausgegeben am 09.10.2017) Drucksache 17/8799 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8694 Wähleranalyse für McAllister - Rechtswidrige Parteienfinanzierung? Anfrage des Abgeordneten Grant Hendrik Tonne (SPD) Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei