Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8809 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8681 - Wie klimafreundlich sind Elektroautos? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Jörg Bode, Gabriela König und Dr. Stefan Birkner (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 05.09.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 07.09.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens der Landesregierung vom 09.10.2017, gezeichnet Stefan Wenzel Vorbemerkung der Abgeordneten In der Debatte um mögliche Dieselverbote und die Förderung von Elektroautos wird oft die Klimafreundlichkeit der Elektroautos herausgestellt. Im notwendigen Akku sind allerdings viele Teile verbaut , deren Rohstoffe entweder auf anderen Kontinenten abgebaut werden oder die energieintensiv hergestellt werden müssen. Vorbemerkung der Landesregierung Niedersachsen verfolgt das Ziel, das Klima zu schützen. Um das 2-Grad-Ziel, und besser noch das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss der Großteil der derzeit genutzten fossilen Energieträger Kohle und Kohlenwasserstoffe (Erdöl und Erdgas) klimaneutral substituiert werden. Dies kann nur gelingen , wenn wir es schaffen, die Energieversorgung nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Energiewende wird nur gelingen, wenn das Dargebot an erneuerbaren Energien, insbesondere Photovoltaik und Windkraft sowie Biomasse, genutzt und Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden. Voraussetzung ist dafür, dass nicht nur der Stromsektor auf erneuerbare Energien umgestellt wird, sondern auch die sogenannte Sektorkopplung gelingt. Erneuerbare Energien müssen auch vermehrt im Mobilitäts- und im Wärmesektor eingesetzt werden. Die Landesregierung verfolgt das Ziel, eine Energieversorgung fast vollständig auf Basis erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 zu erreichen, weil dieses Vorgehen nachhaltig ist, dadurch das Klima geschützt wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. 1. Wie ist die Klimabilanz von Elektroautos konkret? Eigene Erhebungen liegen der Landesregierung hierzu nicht vor, jedoch setzt sich das Energieszenario für den Runden Tisch Energiewende mit diesen Fragen auseinander und kommt zu dem Schluss, dass Mitte des Jahrhunderts ca. 75 % Elektrofahrzeuge notwendig sind, um die Klimaziele zu erreichen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 2. Wie verhält sich diese Klimabilanz im Vergleich zu Diesel- oder Benzinfahrzeugen? Eigene Erhebungen liegen der Landesregierung hierzu nicht vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8809 2 Eine Veröffentlichung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (18.04.2017) führt hierzu aus: „Die Analyse der Klimabilanz eines Elektroautos, genauer gesagt der spezifischen klimarelevanten Emissionen pro Fahrzeugkilometer über die Fahrzeuglebensdauer, zeigt, dass die Treibhausgasemissionen eines batterieelektrischen Fahrzeugs (kurz: Elektroauto) selbst unter Berücksichtigung des deutschen Strommix, geringer ausfallen als bei vergleichbaren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Danach liegen die durchschnittlichen Emissionen des Elektroautos im Jahr 2015 zwischen 12 bis 23 % und im Jahr 2020 zwischen 20 bis 29% unter denen des verbrennungsmotorischen Vergleichsfahrzeugs.“ Zur Ökobilanz von Elektromobilität liegt eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag des Think Tanks Agora Verkehrswende vor, die den Autokäufern die Unsicherheit nimmt. Christian Hochfeld, der Direktor des Think Tanks Agora Verkehrswende, führt dazu Folgendes aus: „Nach dem Diesel- Skandal haben einige Verbraucher jetzt Sorge, dass die Ökobilanz eines E-Autos wegen der Versorgung mit Kohlestrom und problematischer Rohstoffe nicht besser sei als die eines Pkw mit Verbrennungsmotor . In Wahrheit ist die Bilanz schon heute deutlich besser. Und mit der Umstellung der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien wird der Unterschied noch größer“ (Tagesspiegel , 06.10.2017). Um diesen „CO2-Rucksack“ weiter zu verkleinern, müssen Batterien in Elektroautos lange halten, möglichst einer zusätzlichen Anschlussnutzung zugeführt werden und am Ende ihrer Lebensdauer recycelt werden. Zudem müssen die Fahrzeuge leichter werden. Ein Elektromotor hat gegenüber einem Verbrenner aufgrund der deutlich höheren Wirkungsgrade insgesamt große Vorteile. Der Wirkungsgrad eines hochwertigen Elektromotors liegt einschließlich der Bremsenergierückgewinnung (Rekuperation) in einer Größenordnung von 85 %, der des Verbrennungsmotors bei nur etwa 20 %. 3. Welche Metalle und seltenen Erden werden für die Batterien der Elektroautos benötigt? In modernen Elektrofahrzeugen werden meist Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Es gibt jedoch verschiedene Kathodentypen. Entsprechend können die zum Einsatz kommenden Rohstoffe variieren . Der von deutschen Herstellern aktuell favorisierte Batterietyp basiert auf einem Gemisch aus Kobalt, Mangan, Lithium und Nickel. Für die Anode der Batterie wird Graphit verwendet. Im Durchschnitt werden ca. 1 kg Lithiumkarbonat, 1,1 kg Graphit, 0,3 kg Kobalt, 0,4 kg Mangan und 0,4 kg Nickel pro Kilowattstunde (kWh) Batteriekapazität (die Batterie eines BMW i3 hat beispielsweise 33 kWh) benötigt. Hierbei werden die Rohstoffe bereits als weiterverarbeitete Produkte eingesetzt, meist als Sulfat, Karbonat oder Hydroxid. Im Falle des Graphits handelt es sich um einen sogenannten Kugelgraphit. Seltene Erden kommen in Lithium-Ionen-Batterien nicht zum Einsatz. Jedoch werden die Seltenen Erden Neodym und Dysprosium in den Motoren der Elektroautos verwendet. 4. Wo und unter welchen Bedingungen werden diese Metalle und seltenen Erden abgebaut ? Derzeit stammen die Rohstoffe aus folgenden Quellen: Rohstoff Top-3- Produzenten (Marktanteil 2015) Summe Kobalt Demokratische Republik Kongo (61 %), China (7 %), Australien (4 %) 72 % Mangan Südafrika (30 %), China (28 %), Australien (12 %) 70 % Lithium Australien (40 %), Chile (36 %), Argentinien (11 %) 87 % Nickel Philippinen (22 %), Russland (12 %), Kanada (10 %) 44 % Graphit China (70 %), Indien (12 %), Brasilien (7 %) 89 % Seltene Erden China (91 %), Australien (6 %), USA (2 %) 99 % Die Gewinnung der Rohstoffe findet unter den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der jeweiligen Produktionsländer statt. Eine pauschale Aussage zu den Abbaubedingungen ist daher Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8809 3 nicht möglich. Kobalt wird als Beiprodukt der Nickel- und Kupfergewinnung meist im Tagebau gewonnen . Im Kongo wird ein Teil des Kobalts auch im artisanalen Bergbau (Kleinbergbau) gewonnen . Dieser Kleinbergbau - ohne bedeutende technische Unterstützung - macht für die heimische Wirtschaft fast die gesamte Rohstoffproduktion aus. Er bringt oftmals große soziale Herausforderungen mit sich. Deshalb müssen künftig die Rechtsnormen der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht (UN-Abkommen) beachtet werden. Die übrigen Batterierohstoffe werden überwiegend im industriellen Tagebau gefördert. 5. Kommt es beim Abbau dieser Stoffe zu Umweltgefährdungen? Der Abbau von Rohstoffen stellt stets einen Eingriff in den Naturraum dar. Die für die Elektromobilität benötigten Rohstoffe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Umweltgefährdungen nicht wesentlich von anderen mineralischen Rohstoffen. Die Regelung der Umweltauswirkungen bzw. der Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung dieser Umweltauswirkungen und deren Durchsetzung liegt bei den jeweiligen Abbauländern. Rohstoff Potenzielle Umweltgefährdungen beim Rohstoffabbau Kobalt ökologische Risiken durch zum Teil unregulierten Kleinbergbau im Kongo Mangan relativ hoher Flächenverbrauch Lithium Wassernutzung in Südamerika Nickel relativ hoher Flächenverbrauch, aufwendige Aufbereitung (Laterite) Graphit Prozessierung des Kugelgraphit unter hohem Energie- und Chemikalieneinsatz Seltene Erden geringe Gehalte, entsprechend hohes Aufkommen an Nebengestein, aufwendige Prozessierung 6. Inwieweit sind Batterien von Elektroautos recycelbar? Aufgrund der bisher nur geringen Zahlen an Elektrofahrzeugen und der Lebensdauer der Batterien liegen mit dem speziellen Recycling derartiger Batterien bisher nur wenige praktische Erfahrungen vor. Grundsätzlich ist feststellbar, dass die Verwertungswege sich auf die Rückgewinnung verschiedenster Metalle aus Altbatterien konzentrieren. In heutigen industriellen Batterierecyclingverfahren werden effizient insbesondere die Metalle Kupfer, Nickel und Kobalt und neuerdings auch Lithium zurückgewonnen; mehrere Typen von Lithium-Ionen-Batterien weisen diese Metalle in relevanten Mengen auf. Allerdings müssen noch erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um Batterien zu sammeln und deren anschließende Verarbeitung in komplexen Recyclingverfahren sicherzustellen. Hinzu kommt, dass die Sortierung, Behandlung und Wiederaufarbeitung derartiger Batterien gefährlich ist, weil sie bei Beschädigungen leicht in Brand geraten. Das niedersächsische Recycling- Cluster wirtschaftsstrategische Metalle (REWIMET) - eine Netzwerk von Unternehmen, wissenschaftlich arbeitenden Institutionen, Gebietskörperschaften und Einrichtungen - beschäftigt sich u. a. mit der Entwicklung von Strategien und Technologien zum Recycling der Elektromobilität. Für Batterien und Akkumulatoren gilt eine gesetzlich verordnete Produktverantwortung (Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Batterien und Akkumulatoren (Batteriegesetz [BattG]). Akkumulatoren von Elektroautos fallen unter den Anwendungsbereich des BattG. Gemäß § 5 BattG sind die Hersteller zur Rücknahme der bei den Vertreibern sowie bei den Behandlungsanlagen zurückgegebenen bzw. anfallenden Altbatterien verpflichtet. Altbatterien sind nach dem Stand der Technik zu behandeln und vorwiegend stofflich zu verwerten. 7. Wie lange hält der Akku eines Elektroautos? Eigene Erhebungen liegen der Landesregierung hierzu nicht vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8809 4 Die Lebensdauer eines Akkumulators eines Elektrofahrzeuges ist abhängig von der Art des Akkumulators , von der Nutzungsart und dem Ladeverhalten des Nutzers. Es ist jedoch davon auszugehen , dass die moderneren Li-Ionen-Akkumulatoren mehr als 2 000 Ladezyklen vertragen können, was einen Batteriewechsel nach rund 200 000 km notwendig machen würde. Forschung und Entwicklung lassen zudem erwarten, dass hier künftig noch weitere Technologien und Effizienzvorteile eine Rolle spielen werden. Forschung und Entwicklung für eine Rohstoff- und Wertstoffwende zur Nutzung von Altdeponien und Urban Mining sind unverzichtbar. Niedersachsen hat hier interessante Optionen, um Technologieführerschaft zu entwickeln. (Ausgegeben am 10.10.2017) Drucksache 17/8809 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8681 Wie klimafreundlich sind Elektroautos? Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Jörg Bode, Gabriela König und Dr. Stefan Birkner (FDP) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz