Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/8838 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8635 - Was hat die „sanfte Agrarwende“ für Erzeuger und Verbraucher gebracht? (Teil 8) Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke, Christian Calderone, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Otto Deppmeyer, Hans-Heinrich Ehlen und Frank Oesterhelweg (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 22.08.2017, an die Staatskanzlei übersandt am 29.08.2017 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz namens der Landesregierung vom 02.11.2017, gezeichnet Christian Meyer Vorbemerkung der Abgeordneten Im Koalitionsvertrag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Landesverband Niedersachsen und Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Niedersachsen für die 17. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages 2013 bis 2018 steht: „Die rot-grüne Koalition will Niedersachsens Spitzenplatz als Agrarland Nr. 1 im Bund sichern, die niedersächsische Ernährungs- und Agrarwirtschaft verbraucher- und umweltgerecht dafür neu aufstellen und damit wettbewerbsfähig und zukunftsfähig gestalten“ (Seite 72). Später folgt der Satz: „Statt einer Politik des Wachsens oder Weichens wird die rot-grüne Koalition gezielt die rund 40 000 bäuerlichen Familienbetriebe in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen“ (Seite 73). Im NDR-Interview vom 26.03.2013 (19:30 Uhr „Hallo Niedersachsen“) teilt Landwirtschaftsminister Meyer mit, dass künftige Auflagen für landwirtschaftliche Unternehmen nach der Regel „große Betriebe - große Auflagen, kleine Betriebe - kleine Auflagen“ aufgestellt werden sollen. Die betroffenen Landwirte fordern eine Abschlussbilanz der rot-grünen Koalition hinsichtlich ihrer Politik für den ländlichen Raum und die Ernährungswirtschaft. Unter Bezugnahme auf die Urteile des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs vom 29.01.2016, Az. StGH 1, 2 und 3/15, Rn. 46, und vom 22.08.2012, Az. StGH 1/12, Rn. 54-56, weisen wir darauf hin, dass wir ein hohes Interesse an einer vollständigen Beantwortung unserer Fragen haben, die das Wissen und den Kenntnis-/Informationsstand der Ministerien, der ihnen nachgeordneten Landesbehörden und, soweit die Einzelfrage dazu Anlass gibt, der Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung aus Akten und nicht aktenförmigen Quellen vollständig wiedergibt. Vorbemerkung der Landesregierung Niedersachsen ist weiterhin das Agrarland Nummer 1 in Deutschland. Beim landwirtschaftlichen Produktionswert und den Verkaufserlösen überflügelt Niedersachsen nach wie vor alle anderen Bundesländer. Land- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen, das sind nach über vier Jahren erfolgreicher Agrarpolitik: – mehr Vielfalt auf den Höfen und in der Agrarlandschaft, – ein besserer Schutz von Umwelt, Tieren und Verbrauchern, – rund 130 000 Arbeitskräfte, knapp 12 Milliarden Euro Produktionswert in der Landwirtschaft und – rund 70 000 Beschäftigte und rund 33 Milliarden Euro Umsatz in der Ernährungswirtschaft. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8838 2 In dem gesamten Bereich Agribusiness - also mit den Beschäftigten bei Saatgutherstellern, bei Landtechnikunternehmen, in der Futtermittelwirtschaft und im Agrarhandel - sind aktuell 390 000 Menschen im sogenannten Cluster Agribusiness beschäftigt. Das sind 10 % aller Erwerbstätigen in unserem Bundesland. Dies bedeutet Arbeit, Einkommen und Lebensinhalt für viele Menschen, die in Niedersachsen leben. Betrachten wir die wirtschaftlichen Ergebnisse, so hat sich die Agrarwirtschaft in den vergangenen Jahren durch besondere Stabilität ausgezeichnet. Das Preistal im Milchsektor hätte jedoch besser überwunden werden können, wenn frühzeitig, wie von Niedersachsen gewollt, effektive Milchmengenbegrenzungen umgesetzt worden wären. Die Gewinnprognose bei den Milchviehbetrieben für das Wirtschafsjahr (2016/2017) ist mit unter 60 000 Euro zwar besser als im Vorjahr, aber keinesfalls ausreichend. Ziel dieser Landesregierung ist es, die nachhaltige Leistungsfähigkeit des niedersächsischen Standorts zu erhalten und weiterzuentwickeln - zum Wohle des Landes und seiner Menschen. Dabei setzt die Landesregierung nicht einseitig auf Produktionswachstum und Kostenführerschaft - viel wichtiger sind Wertschöpfung, Qualität und gute Arbeit, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Diese Landesregierung hat eine Reihe von Herausforderungen gelöst und Ziele erfolgreich umgesetzt: – Defizite im Tierschutz wurden beseitigt und Fördermaßnahmen für mehr Tierwohl erstmals etabliert. – Ein Erfassungs- und Meldesystem für Nährstoffströme in der Landwirtschaft wurde umgesetzt. – Die inakzeptablen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen wurden bekämpft. – Für große Tierhaltungsanlagen wurden Abluftreinigungen zur Pflicht gemacht. – Der Verbraucherschutz wurde verbessert. – Zahlreiche Fördermaßnahmen zum Schutz der Umwelt, der Bienen und für mehr Artenvielfalt in der Kulturlandschaft wurden umgesetzt. – Die Zahl der ökologisch wirtschaftenden Betriebe ist von 1 392 im Jahr 2013 auf 1 650 in 2016 angestiegen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger entwickeln ein Bewusstsein für den Wert unserer natürlichen Umwelt und für gute Ernährung. Essen ist für die Menschen mehr als „Sattwerden“ - sie wollen mit gutem Gewissen genießen. Mit der Neuausrichtung der niedersächsischen Agrarpolitik hat diese Landesregierung vielen Menschen mehr Freude und Sicherheit bei der Ernährung gegeben. 1. Welche Modelle verfolgt die Landesregierung im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung der EU-Flächenprämien? Die zukünftige EU-Agrarpolitik soll nach Auffassung der Landesregierung darauf ausgerichtet sein, den aktuellen Herausforderungen mit Bezug auf Klimawandel, Umweltschutz, Tierwohl, Sicherung der landwirtschaftlichen Betriebe und Stärkung der ländlichen Räume zielgerichtet und wirksam zu begegnen. In ihrer aktuellen Konzeption als flächengebundene und weitgehend größenunabhängige Direktzahlungen sind die Basisprämien ungeeignet, diese Zielsetzung zu erfüllen. Bei der Ausgestaltung der zukünftigen EU-Agrarpolitik müssen die Belange von Junglandwirten, kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben sowie Tierhaltungsbetrieben verstärkt Berücksichtigung finden . 2. In welcher Höhe soll nach Auffassung der Landesregierung eine Umschichtung von der ersten in die zweite Säule vorgenommen werden? Die Landesregierung hat für die laufende Finanzperiode gemeinsam mit Schleswig-Holstein einen Entschließungsantrag in den Bundesrat eingebracht mit dem Ziel, 15 % der Direktzahlungsmittel in die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik umzuschichten und sie in der Landwirtschaft zu belassen . Damit könnte insbesondere die Weidehaltung von Rindern, Schafen und Ziegen unterstützt werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8838 3 3. Wie will die Landesregierung erreichen, dass Mittel aus der zweiten Säule einkommenswirksam auf den Betrieben ankommen, bzw. wie hoch beziffert die Landesregierung den finanziellen Mehraufwand für die jeweilige Maßnahme in den Betrieben? Die Landesregierung hat sich dafür ausgesprochen, umgeschichtete Mittel für landwirtschaftliche Ziele zu verwenden. Wichtige Maßnahmen in diesem Zusammenhang sind die Agrarumweltmaßnahmen und Maßnahmen zugunsten einer nachhaltigen Tierhaltung. Eine Förderung der Weidehaltung etwa aus der zweiten Säule als Tierschutzmaßnahme pro Rind, Schaf und Ziege käme den Betrieben direkt zugute, ebenso eine Aufstockung der Tierschutzprämien, wie die Ringelschwanzprämie , die Prämie für eine bessere Legehennenhaltung oder die Prämie für den Verzicht auf Kastenstände . Ein finanzieller Mehraufwand für die Betriebe, die etwa jetzt schon Weidehaltung oder mehr Tierwohl betreiben, ist nicht erkennbar. 4. Welche konkreten Hilfsmaßnahmen mit welchem finanziellen Volumen aus Landesmitteln hat die Landesregierung zur Bewältigung der finanziellen Einbußen im Rahmen der Krise am Milchmarkt eingeleitet bzw. zur Verfügung gestellt? 5. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung während der Milchkrise ergriffen, um den Absatz von Milch zu fördern? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Viele flächenbezogenen Maßnahmen im Rahmen des niedersächsischen PFEIL-Programms sehen eine Förderung von Grünland vor. Hiervon konnten und können insbesondere Milchviehhalter profitieren . Die Finanzierung erfolgt anteilig aus EU-Mitteln, Bundes- und Landesmitteln. Darüber hinaus hat die Landesregierung mit verschiedenen Projekten im Zusammenhang mit der Initiierung eines Weidemilchkonzepts die Wirtschaftlichkeit der Milchviehhaltung unterstützt. Die Erzeugung von Weidemilch, für die der Verbraucher bzw. die Verbraucherin bereit ist, einen Mehrpreis zu zahlen, geht einher mit dem Erhalt des aus vielfältiger Sicht wertvollen Grünlands. Mit der Entwicklung prüffähiger Kriterien für die Erzeugung von Weidemilch und dem nunmehr im Handel anzutreffenden Label „Pro Weideland - deutsche Weidecharta“ konnte zudem ein wichtiger Beitrag zur Absatzförderung geleistet werden. Mit der Durchführung der Projekte beauftragt wurden das Grünlandzentrum in Ovelgönne und die Universität Göttingen. Insgesamt hat das Land hierfür seit 2014 Haushaltsmittel in Höhe von rund 475 000 Euro zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Milchkrise der Jahre 2015/2016 suchen viele Betriebe nach Alternativen oder Ergänzungen zur Milchproduktion, bei denen das zur Verfügung stehende Grünland genutzt werden kann. Die Landesregierung unterstützt die Entwicklung von Konzepten, die z. B. die Mutterkuhhaltung oder die Weidemast von Ochsen und Färsen attraktiv machen. Wesentliche Ansatzpunkte sind u. a. eine Verbesserung des Marktzugangs und eine erfolgreiche Vermarktung. Hierzu wurden im Jahr 2016 insgesamt 350 000 Euro für drei Vorhaben bereitgestellt. Ziel der Landesregierung ist es, den Ökolandbau bedarfsgerecht auszubauen und auch den Absatzbereich von ökologisch erzeugten Produkten weiter auszubauen. Infolge der Milchkrise erhöhte sich die Umstellungsbereitschaft konventioneller Erzeugerbetriebe. Mit einem hierauf aufbauenden Projekt des Kompetenzzentrum für ökologischen Landbau, für das rund 100 000 Euro bereitgestellt worden sind, sollen geeignete Instrumente zur Umstellungsberatung von Milcherzeugern entwickelt und Verarbeitungsunternehmen beim konzeptionellen Einstieg in die Biomilchverarbeitung unterstützt werden. Aktuell unterstützt die Landesregierung ein weiteres Projekt des Grünlandzentrums, mit dem die Attraktivität der Nutzung von Grünland weiter verbessert werden soll. Vorhandenes Wissen zum Grünlandmanagement wird darin praxisgerecht aufbereitet und soll in moderne Beratungsinstrumente eingearbeitet werden. Hierfür wurden 200 000 Euro bewilligt. Im investiven Bereich können mit der EU-Maßnahme „Verarbeitung und Vermarktung“ beim Vorliegen aller Voraussetzungen z. B. Neu-, Aus- und Umbauten von Verarbeitungseinrichtungen für die Herstellung von spezifischen (auch regionalen) Molkereiprodukten und Vor- und Zwischenprodukten für das weiterverarbeitende Ernährungsgewerbe gefördert werden. Aufgrund der Milchkrise Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8838 4 können Verarbeitungsunternehmen, die Milch be- und verarbeiten, auch eine Förderung erhalten, wenn sie zu den mittelgroßen Unternehmen gemäß Verordnung (EU) Nr. 702/2014. zählen. Davor konnten nur mittlere oder kleinere Unternehmen von dieser Maßnahme profitieren. In der laufenden Förderperiode stehen hierfür ca. 25 Millionen Euro EU-Mittel zur Verfügung, die mit Landes- bzw. Bundesmitteln kofinanziert werden müssen. 6. In welchem Umfang wurden in den Haushaltsjahren 2013 bis 2017 Haushaltsmittel für den Wirtschaftswegebau zur Verfügung gestellt und in welcher Höhe sind diese in Anspruch genommen worden (bitte Angaben pro Jahr tätigen)? Die nachstehende Tabelle zeigt die Bereitstellung und Inanspruchnahme von Mittel für den Wegebau . Die Landesregierung hat damit die Mittel für den Ländlichen Wegebau deutlich erhöht, insbesondere durch Nutzung von GAK-Mitteln. Außerdem werden EU-Mittel für den Wegebau in der Flurbereinigung in den Anträgen bewilligt, die zum Stichtag 15.09.2017 eingehen. Nicht enthalten sind Mittel für den Waldwegebau, die gemäß nachstehender Tabelle für den Waldwegebau bereitgestellt und verwendet wurden. Jahr verfügbare Mittel in Euro in Anspruch genommene Mittel in Euro Bemerkungen 2013 1 278 700 1 278 700 ELER + GAK 2014 1 388 600 1 388 600 ELER + GAK 2015 1 424 000 1 424 000 GAK 2016 1 201 500 1 201 500 GAK 2017 1 800 000 bewilligt (noch keine Auszahlung ) 7. Hat es seitens des Landwirtschaftsministeriums während der vergangenen fünf Jahre Delegationsreisen gegeben mit dem Ziel, neue Absatzmärkte für niedersächsische Agrarprodukte zu erschließen? Wenn ja, wann wurden diese durchgeführt, wer hat an ihnen teilgenommen, und was wurde erreicht? Nein. 8. Womit begründet die Landesregierung gegebenenfalls einen Rückgang dieser Aktivitäten ? In den vergangenen fünf Jahren gab es keinen Rückgang dieser Aktivitäten. Jahr verfügbare Mittel in Euro in Anspruch genommene Mittel in Euro Bemerkung 2013 17 984 633 17 984 633 abgerechnet 2014 19 844 839 19 844 839 abgerechnet 2015 11 968 219 11 968 219 abgerechnet 2016 35 965 550 24 424 944 bewilligt, teilweise abgerechnet 2017 29 619 791 27 870 810 bewilligt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/8838 5 9. Deutschland hat ein Handelsvolumen an Agarausfuhren von deutlich über 68 Milliarden Euro. Wie hoch ist der niedersächsische Anteil bzw. das niedersächsische Außenhandelsvolumen von Agrarprodukten? Der niedersächsische Anteil an den deutschen Agrarausfuhren belief sich 2016 auf rund 15 %, also etwas geringer als der Anteil der niedersächsischen Agrarwirtschaft an der Bruttowertschöpfung. 10. Wie steht die Landesregierung grundsätzlich zu staatlich festgelegten, marktsteuernden Instrumenten in der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse? Im Zuge der Globalisierung und der Liberalisierung der Agrarmärkte sind landwirtschaftliche Erzeugerpreise sehr volatil geworden. Preiseinbrüche wie die Milchpreiskrise 2015/2016 können existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Um landwirtschaftliche Betriebe zu stabilisieren und zu erhalten , hält die Landesregierung es für dringend erforderlich, EU-weit wirksame marktwirtschaftliche Kriseninstrumente bereitzuhalten. Diese sollen keine dauerhafte Produktionsanreize entfalten, wie das frühere Preisstützungs- und Interventionssystem, sondern nur im definierten Krisenfall zum Einsatz kommen. Markteingriffe wie Aufkäufe durch Intervention werden sehr skeptisch gesehen. (Ausgegeben am 07.11.2017) Drucksache 17/8838 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/8635 Was hat die „sanfte Agrarwende“ für Erzeuger und Verbraucher gebracht? (Teil 8) Anfrage der Abgeordneten Helmut Dammann-Tamke, Christian Calderone, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Otto Deppmeyer, Hans-Heinrich Ehlen und Frank Oesterhelweg (CDU) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz