Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 01.11.2013 Eichenprozessionsspinner, Kiefernspinner, Gespinstmotte und Kiefernfadenwurm - Welche Schädlinge drohen uns noch? In den vergangenen Monaten häufen sich Presseberichte über verschiedene Schädlinge, die zu einer ernsten Gefahr für unsere heimische Flora geworden sind. Dazu gehörten u. a. der Eichenprozessionsspinner , der Kiefernspinner, die Gespinstmotte und der Kiefernfadenwurm. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche weiteren Schädlingsarten sind momentan in Niedersachsen beheimatet, und welche Schäden richten sie jeweils an? 2. Bei welchen Schädlingsarten erwartet die Landesregierung kurz-, mittel- und langfristig eine dauerhafte Einwanderung nach Niedersachsen? 3. Welche Strategien und Konzepte besitzt die Landesregierung, um die Einwanderung und Ausbreitung solcher Schädlinge zu bekämpfen? (An die Staatskanzlei übersandt am 07.11.2013 - II/725 - 480) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 22.11.2013 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 64522-110 - Niedersachsens Wälder sind die naturnächsten landgebundenen Ökosysteme mit einem diversifizierten Arteninventar zahlreicher charakteristischer Tiere und Pflanzen. Alle nicht invasiven Arten sind unverzichtbare Bestandteile der Waldökosysteme und ihrer vielfältigen Beziehungsgeflechte. Die Daseinsberechtigung gilt auch für Arten, die dem Wald und der Forstwirtschaft zeitweilig Schaden zufügen können. Die meisten dieser im Ökosystem Wald vertretenen Arten verhalten sich für viele Jahre und Jahrzehnte unauffällig. Einige Arten neigen bei entsprechend günstigen Lebensbedingungen jedoch zu Massenvermehrungen. Handlungsbedarf für den Waldbesitzer entsteht erst, wenn wissenschaftlich erarbeitete Prognosen ein Überschreiten der wirtschaftlichen Schadschwelle erwarten lassen und bei Unterlassung waldschützerischer Gegenmaßnahmen schwere wirtschaftliche Schäden oder Beeinträchtigungen des Ökosystems Wald drohen. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, im Rahmen der guten fachlichen Praxis und des integrierten Pflanzenschutzes den Schutz des Waldes vor Schadorganismen durch a) vorbeugende Maßnahmen, b) Verhütung der Einschleppung oder Verschleppung von Schadorganismen, c) Abwehr oder Bekämpfung von Schadorganismen und d) Förderung natürlicher Mechanismen zur Bekämpfung von Schadorganismen sicherzustellen. 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 Übergeordnetes Ziel ist es, beim Waldschutz das Ökosystem Wald, seine Nutzorganismen und Nichtzielarthropoden soweit wie möglich zu schonen. Grundsätzlich liegt der Waldschutz zunächst in der Eigenverantwortung des Waldbesitzers bzw. der ihn betreuenden Organisation. Sie werden durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) in Göttingen - Abt. Waldschutz - umfassend unterstützt. Die NW-FVA nimmt für den Wald viele Aufgaben des Pflanzenschutzdienstes gem. § 59 PflSchG wahr. Sie betreibt intensive Forschung und berät kostenfrei alle Waldbesitzarten, insbesondere auch bei der Erfüllung der waldschützerischen Pflichten der Waldbesitzer bei der Gefahrenabwehr gem. § 13 NWaldLG. Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Da der Titel der Anfrage auf tierische Forstschädlinge, meist blattfressende Schmetterlingsarten, abzielt, können aus der großen Fülle der in Niedersachsen potenziell schädlichen Arten nur die wichtigsten, wirtschaftlich und ökologisch bedeutsamen und vom Waldmonitoring erfassten Insektenarten genannt werden. Alle schädigen durch blatt- bzw. nadelfressende Raupen. Arten der Eichenfraßgesellschaft In Niedersachsen sind ältere Eichen durch den Verlust von durchschnittlich 1/3 ihrer Blattmasse erheblich vorgeschwächt. Schwere Schäden bis zum Absterben sind zu erwarten, wenn gefährdete Bestände in hoher Individuenzahl von Raupen der Eichenfraßgesellschaft kahl gefressen werden. An der Eichenfraßgesellschaft sind folgende Schmetterlingsarten beteiligt: Großer Frostspanner (Erannis defoliaria) Kleiner Frostspanner (Operophtera brumata) Grüner Eichenwickler (Tortrix viridiana) Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea prozessionea) Schwammspinner (Lymantria dispar). Der Schwammspinner ist in Niedersachsen selten und wird hier nicht intensiv durch Pheromonfänge beobachtet. Kiefernschädlinge Intensiv beobachtet werden folgende Kiefernschädlingsarten: Forleule (Pannolis flammea) Kieferspinner (Dendrolimus pini) Kiefernspanner (Bupalus piniarius) Kiefern-Buschhornblattwespen (Diprion pini) Nonne (Lymantria dispar). Für eingehendere Informationen muss auf die stets aktualisierten Waldschutzinfos der NW-FVA verwiesen werden, die auf der Website des ML eingestellt sind: http://www.ml.niedersachsen.de /portal/live.php?navigation_id=20025&article_id=5170&_psmand=7. Die wichtigsten Beobachtungen des Jahres 2013 für Niedersachsen hat die Landesregierung mit dem Waldzustandsbericht 2013 veröffentlicht: http://www.ml.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=20026&article _id=5181&_psmand=7. Eine Gesamtschau der Forstschutzsituation 2012/2013 in Deutschland, Österreich und Schweiz bietet die Zeitschrift „AFZ Der Wald“ im Heft 7 vom 30.03.2013. Zu 2: Vorausschauende Aussagen über kurz-, mittel- oder langfristige, dauerhafte Einwanderungen bisher in Niedersachsen nicht heimischer Arten sind wegen unbekannter Rahmenbedingungen (Witterungsverläufe , Klimaentwicklung, natürliche Gegenspieler) kaum zu treffen. Hinweise auf potenzielle Einwanderer ergeben sich bei der Beobachtung der Schädlingsentwicklung in benachbarten Bundesländern. Die mit dem Klimawandel erwarteten trocken-warmen Sommer und feuchten Win- 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/951 ter begünstigen generell wärmeliebende Insekten und Pilze. Deshalb können südliche Arten, wie z. B. der in Niedersachsen noch seltene Schwammspinner, durch Arealvergrößerung auch hier an Bedeutung gewinnen. Ähnliches gilt für den Waldmaikäfer, der in sich in Laubwäldern Südhessens seit 30 Jahren immer wieder massenhaft vermehrt. Maikäfer schädigen durch Blattfraß der Käfer und mehr noch, durch Wurzelfraß der Engerlinge. Zu 3: Die Ziele des Waldschutzes gegen die Einwanderung und Ausbreitung von Schädlingen (z. B. Käfer , Schmetterlinge und Pilze, Nematoden) werden mehrstufig verfolgt. Wichtigstes Instrument der Überwachung von Schädlingen und der Schädlingsprognose ist ein aussagekräftiges und straff geführtes Monitoring. Wie das Vordringen des Eichenprozessionsspinners in Niedersachsen innerhalb weniger Jahre zeigt, kann die Ausbreitungsdynamik und Wandergeschwindigkeit einiger Arten rasant sein. Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird sich die Dynamik der Schädlinge voraussichtlich noch verstärken, auch sind vermehrt Gradationen (zeitlich begrenzte Massenvermehrungen) möglich. Daher darf sich das Schädlingsmonitoring nicht auf die in Niedersachsen vorkommenden Arten beschränken, sondern muss auch die Vorkommen in den Nachbarländern im Auge haben. Die NW-FVA untersucht in Niedersachsen und im übrigen Nordwestdeutschland schwerpunktartig die Populationsdynamik der Arten, mögliche Veränderungen ihrer Arealgrenzen, die Biologie und Ökologie von Forstschädlingen, sie entwickelt integrierte Waldschutzkonzepte und Methoden gegen Schädlinge. Ein von der NW-FVA betriebenes Online-Waldschutzmeldewesen für alle Waldbesitzarten in Nordwestdeutschland dient der Schadenserfassung, Folgenabschätzung, Bestimmung der Entwicklung von Gradationen/Kalamitäten, der Erarbeitung von Empfehlungen zur Vermeidung weiterer Schäden sowie der Planung und Vorbereitung möglicher Bekämpfungsmaßnahmen. Diese können erforderlich werden, wenn das Monitoring im Wald (z. B. Leimringe, Pheromonfallen, Eizählungen) das Überschreiten der Schadschwelle dokumentiert und ohne Gegenmaßnahmen schwere Schäden für die Forstwirtschaft oder das Ökosystem Wald mit Sicherheit zu erwarten sind. Bekämpfungsmaßnahmen haben nicht die Ausrottung des Schädlings zum Ziel, sondern nur die zeitlich begrenzte Reduzierung der Population bis unter die Schadschwelle. Die Aussagekraft der im Online-Waldschutzmeldewesens hinterlegten Daten für Prognosezwecke ist nur gewährleistet, wenn sich alle Waldbesitzarten konsequent beteiligen. Die Forstverwaltungen aller Waldbesitzarten sind daher aufgefordert, die erforderlichen Beobachtungen und Ereignisse der NW-FVA zeitnah zur Verfügung zu stellen. Die NW-FVA veröffentlicht die Ergebnisse des Schädlingsmonitorings, Warnmeldungen und Handlungsempfehlungen laufend im Internet und stellt sie allen Waldbesitzern in Form von Merkblättern, Waldschutz-Infos und Praxisinformationen zur Verfügung. Waldbesitzer finden hier die Handlungsempfehlungen für das weitere waldschützerische Vorgehen. Gegen die Einschleppung von Schädlingen ist anders vorzugehen. Kieferholznematoden (Fadenwürmer ) stammen aus Nordamerika. Sie verbreiten sich nicht aus eigener Kraft, sondern werden, begünstigt durch die zunehmende Globalisierung des Warenverkehrs, durch den Transport von infiziertem Holz (oft Verpackungsholz) verschleppt. Waldschäden durch Kiefernholznematoden wurden in Niedersachsen noch nicht beobachtet. Dem Verbreitungsweg der Nematoden entsprechend müssen sich Gegenmaßnahmen zurzeit auf konsequente Quarantänemaßnahmen bei der Einfuhr von Hölzern konzentrieren, um ihr Einwandern zu unterbinden. Das gilt auch gilt für den Asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) und den Citrusbock (Anoplophora chinensis), die beide aus Asien stammen, aber auch viele heimische Baumarten zum Absterben bringen können. Vorkommen dieser Käfer wurden bislang in Österreich, der Schweiz und in Bayern entdeckt. Christian Meyer 3 (Ausgegeben am 02.12.2013) Drucksache 17/951 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker und Hermann Grupe (FDP), eingegangen am 01.11.2013 Eichenprozessionsspinner, Kiefernspinner, Gespinstmotte und Kiefernfadenwurm - Welche Schädlinge drohen uns noch? Antwort der Landesregierung